Lösung 5. Besprechungsfall Eine Klage des S hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet
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1 Lösung 5. Besprechungsfall Eine Klage des S hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. A) Zulässigkeit I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs 40 I 1 VwGO: öffentlich-rechtliche Streitigkeit? streitentscheidende Normen sind solche des SächsKAG ( 9 I) sowie der SächsGemO ( 10 II) II. Statthaftigkeit Klagebegehren (vgl. 88 VwGO) Aufhebung des Gebührenbescheids Anfechtungsklage ( 42 I Alt. 1 VwGO) statthaft III. Klagebefugnis ( 42 II VwGO) Adressatentheorie (Art. 2 I GG) S ist Adressat des belastenden Gebührenbescheides IV. Klagegegner ( 78 VwGO) Stadt L nach dem Rechtsträgerprinzip ( 78 I Nr. 1 VwGO) V. Beteiligtenfähigkeit S nach 61 Nr Var. VwGO Stadt L nach 61 Nr Var. VwGO ivm 1 Abs. 3 Sächs- GemO VI. Erfolgloses Vorverfahren ( 68 ff. VwGO) Widerspruch gegen Gebührenbescheid (Zugang am ) am und damit fristgerecht (vgl. 70 I 1 VwGO) erhoben 1
2 VII. Klagefrist ( 74 I 1 VwGO) einen Monat nach Zustellung des Widerspruchbescheids ( Di.) Fristbeginn ( 57 I,, II VwGO i.v.m. 222 ZPO, 187 I BGB: (Mi) Fristende: 57 I, II VwGO i.v.m. 222 ZPO, 188 II BGB: (Fr) Am Mittwoch verfristet Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ( 60 I VwG0)? 1. Antrag ( 60 I VwGO) 2. Frist ( 60 II 1 HS 1 VwGO) zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses Hindernis ist Dienstreise bis Mittwoch, Antrag muss bis zum gestellt werden! 3. Unverschuldetes Fristversäumnis ( 60 I 1 1 VwGO) bei kurzfristiger Dienstreise kein Verschulden 4. Glaubhaftmachung ( 60 II 2 VwGO) 5. Nachholen der Klageerhebung innerhalb Zwei- Wochen-Antragsfrist ( 60 II 3 VwGO) 6. Zuständigkeit ( 60 IV VwGO): VG Leipzig è Voraussetzungen liegen vor Die Klage ist zulässig, wenn sie bis zum erhoben wird und zugleich ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und Wahrung der Voraussetzungen des 60 VwGO gestellt wird. 2
3 B. Begründetheit Die Anfechtungsklage des S ist begründet, soweit der Gebührenbescheid vom in Gestalt des Einspruchsbescheids vom rechtswidrig ist und S dadurch in seinen Rechten verletzt ( 113 I 1 VwGO). I. Ermächtigungsgrundlage Satzung über die Erhebung eines Elternbeitrags für den Thomanerchor Leipzig? Nach Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) bedarf die Satzung ihrerseits einer gesetzlichen Grundlage (Satzungsermächtigung) Vorliegen einer Satzungsermächtigung 1. 4 I 1 SächsGemO als Satzungsermächtigung? ganz h.m.: keine hinreichend bestimmte, gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für Grundrechtseingriffe, daher (-) 2. 2 I, I SächsKAG als Satzungsermächtigung hinreichend bestimmte Satzungsermächtigung für die Gebührenerhebung bei für die Benutzung von öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden II. Formelle Rechtmäßigkeit Zuständigkeit für den Erlass der Gebührensatzung ( 1 I, 9 I SächsKAG): Gemeinde, die die öffentliche Einrichtung unterhält hier: Stadt L Verfahren und Form (+) 3
4 III. Materiell Rechtmäßigkeit 1. Thomanerchor als öffentliche Einrichtung? Öffentliche Einrichtung ( 10 II SächsGemO): Jede Zusammenfassung von Personen und Sachen, die von der Gemeinde im Rahmen ihrer Verbandskompetenz geschaffen wird und den von dem Widmungszweck erfassten Personenkreis nach allgemeiner und gleicher Regelung zur Benutzung, sei es auf Grund freier Entschließung, sei es im Rahmen des Benutzungszwanges, offensteht. a) Zusammenfassung von Personen und Sachen (+) b) Von der Gemeinde geschaffen (+), unterhalten (+) Finanzierung erfolgt von der Stadt Leipzig c) Widmung zur öffentlichen Benutzung? Die Widmung legt Nutzungsgrenzen und -zweck fest. Die Widmung ist ausdrücklich und konkludent möglich. Ausdrücklich (-) Konkludent? Indizien: Einrichtungszweck Regelung der Benutzung durch besondere Satzung Finanzierung durch die Gemeinde Erhebung von Benutzungsgebühren Verwaltungsübung in allgemeinen Vertragsbedingungen geäußerte Absicht, die Einrichtung der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen 4
5 hier: faktisch von der Öffentlichkeit genutzt (widerlegbare Vermutung für Widmung zur öffentlichen Benutzung) Finanzierung durch die Stadt Leipzig, im Haushaltsplan ist eigene Kostenstelle vorhanden (nicht nur pauschaler Betrag für den Kulturhaushalt) konkludente Widmung zur öffentlichen Benutzung (+) d) Öffentlicher Zugang (+) Problem: Auftritte für die Kirche Aber: sämtliche Entscheidungsrechte bzgl. des Chores liegen bei der Stadt Leipzig è Öffentliche Einrichtung i.s.v. 10 II SächsGemO (+) 2. Benutzung der öffentlichen Einrichtung? a) H (Chorknabe) als Nutzer? Öffentliche Einrichtung Thomanerchor besteht aus Chor- knaben- Personengruppe als öffentliche Einrichtung kann nicht zugleich Nutzer der Einrichtung sein. Nutzung des Internats durch Chorknaben? Internat ist nicht die öffentliche Einrichtung (Thomanerchor) 5
6 b) Eltern des H als Nutzer? Pro: Eltern des H haben ihn in den Chor gegeben, damit er Teil des Chores wird und hier eine Gesangs- und Schulausbildung erhält. Contra: Dem Nutzungsbegriff liegt ein Austauschverhältnis zugrunde, in dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen. Eltern nehmen selbst keine Leistungen der Einrichtung entgegennehmen. Sie werden nur im zivilrechtlichen Sinne als Stellvertreter der minderjährigen Chorknaben tätig. Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht von einem Benutzungsverhältnis durch H oder die Eltern des H ausgehen würde, stellt sich die Frage, ob die Gemeinde in der konkreten Situation befugt war, die Benutzungsgebühren zu erheben. 3. Befugnis zur Erhebung von Benutzungsgebühren Die Befugnis zur Erhebung der Benutzungsgebühren nach 9 I SächsKAG könnte ausgeschlossen sein, wenn der Benutzung der öffentlichen Einrichtung ein privatrechtliches Benutzungsverhältnis zugrunde liegt. Benutzungsverhältnis einer öffentlichen Einrichtung kann privatrechtlich oder öffentlichrechtlich ausgestaltet sein: Indizien: Verwendung von AGBs : Indiz für ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis Regelung durch Satzung: Indiz für ein öffentlichrechtliches Nutzungsverhältnis 6
7 Hier: ursprünglich Nutzungsregelung durch privatrechtlichen Vertrag (1995) später Erlass der Satzung über die Erhebung eines Elternbeitrags für den Thomanerchor Leipzig Problem: Ist eine Änderung in ein öffentlich-rechtliches Verhältnis einseitig durch Satzung hier möglich ist? H.M.: grundsätzlich (+), sofern keine unzulässige Rückwirkung (Vertrauensschutz) entgegensteht A.A. (VG Leipzig LKV 2004, ): Änderung der Art des Benutzungsverhältnisses nie möglich Pro h.m.: Gemeinde wäre an Ausgestaltungsform ewig gebunden, auch wenn überwiegend schutzwürdiges Vertrauensinteresse entgegensteht. Echte oder unechte Rückwirkung? Unechte Rückwirkung: An einem Tatbestand, der in der Vergangenheit begonnen hat und noch nicht abgeschlossen ist, werden neue Rechtsfolgen geknüpft. Hier: ursprünglich zivilrechtlicher Vertrag über Aufnahme des H in den Thomanerchor während der gesamten Schulzeit sah kein Entgelt vor während der Schulzeit des H Erlass der Satzung Änderung des Benutzungsverhältnisses und Gebührenbelastung 7
8 Fall der unechten Rückwirkung grundsätzlich zulässig, wenn nicht das Bestandsinteresse (Vertrauensinteresse der Eltern des H) das Veränderungsinteresse überwiegt hier: ursprünglich zivilrechtlicher Vertrag (zweiseitiges Rechtsgeschäft) wenn einseitige Aufhebung durch Satzung möglich wäre, könnte sich die Stadt L der Vereinbarungen durch Hoheitsakt entziehen Veränderungsinteresse kann daher nur überwiegen, wenn besondere Gründe geltend gemacht werden, die auch die Aufhebung (Kündigung, Wegfall der Geschäftsgrundlage etc.) des ursprünglichen Vertrages ermöglicht hätten. Hier: wohl (-), Bestandsinteresse überwiegt daher(+) Der Gebührenbescheid kann nicht auf eine rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage gestützt werden und ist daher rechtswidrig. Der Erlass eines rechtswidrigen Gebührenbescheid verletzt S zudem in seinem Grundrecht aus Art. 2 I GG. Ergebnis Eine Klage des S wäre (unter der Voraussetzung, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung nach 60 VwGO gestellt würde) zulässig und begründet und hat daher Aussicht auf Erfolg. Das Verwaltungsgericht wird den Gebührenbescheid gemäß 113 I 1 VwGO aufheben. 8
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