-Übung zu Vorlesungen im Verwaltungsrecht- Lösung Fall 7
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- Käte Holtzer
- vor 7 Jahren
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1 Lösung Fall 7 A. Zulässigkeit einer Klage auf Erlass einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für das Transportbetonwerk I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges gem. 40 I VwGO 1. keine aufdrängende Sonderzuweisung vorhanden (+) 2. öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art: wenn die streitentscheidenden Normen dem ÖR angehören, Die H greift die als Auflage bezeichnete Bestimmungen über den zulässigen Lärmpegel an, als streitentscheidende Normen kommen Vorschriften aus dem Immissionsschutzrecht bzw. 36 VwVfG in Betracht. diese benennen einen Träger der öffentlichen Gewalt als Berechtigten (modifiz. Subjektstheorie) es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor nichtverfassungsrechtlicher Art = es darf keine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit vorliegen, der Streit spielt sich weder zwischen unmittelbar am Verfassungsleben beteiligten Organen ab, noch liegt der Kern des Streits im Verfassungsrecht nichtverfassungsrechtlicher Art (+) 3. keine abdrängende Sonderzuweisung vorhanden (+) Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. 40 I VwGO eröffnet. II. statthafte Klageart Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers ( 88 VwGO), wie es sich bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung darstellt. H begehrt eine Genehmigung für das Transportbetonwerk ohne die Einschränkungen über den zulässigen Geräuschpegel. Dieses Ziel kann er entweder durch eine Verpflichtungsklage auf Erlass einer erneuten Genehmigung ohne die genannten Einschränkungen oder eventuell durch eine isolierte Anfechtung der Bestimmungen zum zulässigen Geräuschpegel, erreichen. Es ist umstritten, ob und inwiefern Nebenbestimmungen selbstständig anfechtbar sind. Dieser Streit kann allerdings offen bleiben, wenn es sich bei der als Auflage bezeichneten Bestimmung nicht um eine Nebenbestimmung handelt. Eine NB ist keine isolierte oder unabhängige Bestimmung, sondern setzt einen (Haupt-) VA voraus. Hier: immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach 4 I 1 BImSchG. 1
2 NB muss eigenen Regelungsgehalt haben, d. h. sie muss eine eigene, von der des (Haupt-) VA unterscheidbare Rechtsfolge setzen (-) bei bloßem Verweis auf die Rechtslage, da kein Regelungsgehalt Hier: Bestimmung verpflichtet zur Einhaltung bestimmter Lärmwerte und weist nicht nur auf die bestehende Rechtslage hin. (-) bei Inhaltsbestimmungen (diese zeigen lediglich auf, wie weit die Regelung des (Haupt-) VA geht, treffen aber keine selbstständige Regelung) Hier: Bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen sind alle Regelungselemente, die das zugelassene Handeln des Betreibers sachlich bestimmen und damit ihren Gegenstand und Umfang festlegen, zu den Inhaltsbestimmungen zu rechnen. Die sprachliche Bezeichnung als Auflage ist zweitrangig, maßgeblich ist der Erklärungswert des Genehmigungsbescheids, wie er sich bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Erklärungsempfängers darstellt. (OVG Münster, NVwZ- RR 2000, 671). Inhaltsbestimmung (+) NB (-) im Fall hat die Behörde der H nicht das gewährt, was sie beantragt hatte. Verpflichtungsklage ist die statthafte Klageart. III. Klagebefugnis gem. 42 II VwGO H muss geltend machen, dass sie durch die Unterlassung der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ohne die Einschränkungen in ihren Rechten verletzt ist. Das ist der Fall, wenn H einen Anspruch auf Erlass der gewünschten Genehmigung hat. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass H einen solchen Anspruch aus 6 I BImSchG i. V. m. Art. 12, 14 GG i. V. m. Art. 19 III GG hat. H ist klagebefugt gem. 42 II VwGO IV. Vorverfahren Nach 68 II VwGO ist bei Verpflichtungsklagen in Form der Versagungsgegenklage ein Vorverfahren grundsätzlich erforderlich. Eine solche liegt hier vor, da das beantragte (Genehmigung ohne Einschränkung) nicht gewährt wurde. Hier ist es aber entbehrlich nach 68 I 2 Nr. 1 VwGO, weil mit dem Umweltministerium eine oberste Landesbehörde gehandelt hat. V. Richtiger Klagegegner Gem. 78 I Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz zu richten. (Rechtsträgerprinzip). VI. Beteiligtenfähigkeit Die H-AG sowie das Land RP sind gem. 61 Nr. 1 Alt. 1 als juristische Personen beteiligtenfähig, 2
3 VII. Klagefrist Gem. 74 I 2 VwGO muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des VA erhoben werden. Bekanntgabe war am P: Kann die Klage noch erhoben werden? Das beurteilt sich nach 57 II VwGO i. V. m. 222 I ZPO i. V. m. 187 f. BGB. Fristbeginn: 187 I Alt. 1 BGB: Ereignis ist hier die Bekanntgabe der Genehmigung am die Frist beginnt am Fristende: 188 II Alt. 2 BGB: mit Ablauf des Tages, der zahlenmäßig dem Tag entspricht, in den das Ereignis (sprich: die Bekanntgabe der Genehmigung) fällt das ist der , aber da gesetzlicher Feiertag, endet die Frist gem. 57 II VwGO i. V. m. 222 II ZPO am um 24 Uhr. P: H wendet sich erst am an einen RA Frist an sich verstrichen. Aber 58 II 1 Alt. 2 VwGO: Jahresfrist bei unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung Hier: Rechtsbehelfsbelehrung verweist auf den Widerspruch als zulässiges Rechtsmittel, obwohl vor einer obersten Landesbehörde ein Widerspruchsverfahren gem. 68 I Nr. 2 Alt. 2 VwGO nicht erforderlich ist. Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft i. S. d. 58 II 1 Alt. 2 VwGO Jahresfrist maßgeblich Frist kann noch gewahrt werden. VIII. Form Die Klage muss formgerecht ( 81, 82 VwGO) erhoben werden. 1. Zuständiges Gericht 45 VwGO VG als Eingangsgericht Eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer unbeschränkten Genehmigung ist zulässig. B. Erfolgsaussichten einer Klage gegen Teile der Baugenehmigung Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. I. Zulässigkeit 1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges gem. 40 I VwGO 3
4 a) keine aufdrängende Sonderzuweisung vorhanden (+) b) öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art hier: Normen des Baurechts und des VwVfG streitentscheidend öffentlich-rechtliche Streitigkeit (+) nichtverfassungsrechtlicher Art (+) c) keine abdrängende Sonderzuweisung vorhanden (+) Der Verwaltungsrechtsweg ist gem. 40 I VwGO eröffnet. 2. statthafte Klageart Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers ( 88 VwGO), wie es sich bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung darstellt. Die H- AG möchte die Baugenehmigung ohne die Auflage bezüglich der Zufahrt. Fraglich ist, ob sie dieses Ziel mit einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer neuen Baugenehmigung oder mittels einer Anfechtungsklage bezüglich der Auflage erreichen kann. Ist die isolierte Anfechtung der Auflage möglich, wäre diese Klage aus Gründen des Rechtsschutzbedürfnisses als einfacherer Weg vorrangig. Ob Nebenbestimmungen selbstständig anfechtbar sind, ist umstritten. Vorliegen einer NB? Vorliegen eines (Haupt-) VA Hier: Baugenehmigung nach 73 I 1 LBO ist der (Haupt-) VA. eigener Regelungsgehalt, d. h. Setzen einer eigenen, von der des (Haupt-) VA unterscheidbaren Rechtsfolge Hier: kein bloßer Verweis auf die bestehende Rechtslage, sondern eigenständige Regelung bzgl. der zulässigen Zu- und Abfahrt über die A- Straße. Die in der Auflage enthaltene Regelung betrifft auch nicht die Baugenehmigung für die Garage, sie schränkt weder den Inhalt der Genehmigung als solchen ein, noch ändert sie den Inhalt des Genehmigungsantrages. Typ, Konzept und Standort der Garage werden nicht betroffen. keine Inhaltsbestimmung Die Bestimmung ist somit eine NB. P: welche? (Art der NB) Die Bezeichnung der Behörde spricht für eine Auflage i. S. d. 36 II Nr. 4 VwVfG: Danach ist eine Auflage eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. 4
5 Hier: Der H durch die Bestimmung vorgeschrieben, dass Zu- und Abfahrt nur über die A- Straße zu erfolgen haben. Abgrenzung zur Bedingung: Soll die Wirksamkeit der Baugenehmigung von der Einhaltung der Bestimmung abhängen? (-) die Behörde müsste dies ausdrücklich zum Ausdruck bringen, weil im Zweifel von für den Bürger weniger einschneidenden Auflage auszugehen ist; Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Behörde die selbstständig vollstreckbare Verpflichtung der H begründen wollte, die An- und Abfahrt zu ändern. es handelt sich bei der Bestimmung um eine Auflage i. S. d. 36 II Nr. 4 VwVfG. P: ist diese isoliert anfechtbar? - Typologische Betrachtungsweise (frühere Rspr): Unterscheidung nach der Art der NB (selbständige und unselbständige Nebenbestimmungen) Nicht isoliert anfechtbar sind danach Befristung, Bedingung und Widerrufsvorbehalt. Argument: Wortlaut des 36 II Nr. 1 bis 3 VwVfG erlassen werden mit deute auf eine Einheit, feste Verbindung hin. Isoliert anfechtbar sind danach nur Auflage und Auflagenvorbehalt, da diese selbst VAe darstellen. Argument: Wortlaut des 36 II Nr. 4 und 5 SVwVfG verbunden werden mit deute auf eine lockere Verbindung hin. nach dieser Ansicht wäre die Auflage isoliert anfechtbar - Unterscheidung nach Art des (Haupt-) VA (früher h.l.): Danach sind NB nur anfechtbar, wenn sie einem gebundenen VA und nicht einem Ermessens- VA hinzugefügt wurden. Argument: Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der Behörde nach erfolgreicher Teilanfechtung ein Rechtsakt aufgedrängt würde, den sie so nicht hätte erlassen wollen bzw. rechtlich nicht hätte erlassen können Aber: Die Behörde könnte bei gerichtlicher Aufhebung der NB den (Haupt-) VA nach 48 I VwVfG zurücknehmen. nach dieser Ansicht wäre die Auflage isoliert anfechtbar, weil die Rechtsgrundlage für die Baugenehmigung ( 70 I 1 LBauO) eine gebundene Entscheidung enthält. - BVerwG (neuere Rspr.): Die Anfechtungsklage ist gegen NB grds. zulässig, sofern der (Haupt-) VA ohne NB sinnvollerweise und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann. Argument: Wortlaut 113 I 1 VwGO: soweit, 48 I 1, 49 I SVwVfG: ganz oder teilweise Die Trennbarkeit ist jedoch eine Frage der Begründetheit, in der Zulässigkeit ist lediglich zu prüfen, ob der Verwaltungsakt nach Aufhebung der Nebensbestimmung noch einen selbständigen Gehalt hat. 5
6 nach dieser Ansicht wäre die Auflage isoliert anfechtbar, weil die Genehmigung des Baus der Garage ohne die Bestimmung über die Ab- und Zufahrt noch einen selbständigen Gehalt hat. die Auflage ist somit nach allen Ansichten isoliert anfechtbar Anfechtungsklage ist somit die statthafte Klageart 3. Klagebefugnis gem. 42 II VwGO H muss geltend machen, durch die Auflage in ihren Rechten verletzt zu sein eine solche Rechtsverletzung muss möglich sein, bzw. sie darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein, als Adressat eines insoweit belastenden Verwaltungsakts, ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die AG zumindest in ihrem Recht aus Art. 14 I, i. V. m. Art. 19 III GG (Baufreiheit) betroffen ist (Adressatenformel). die AG ist klagebefugt. (Beachte: Adressatenformel nur bei Auflage und Auflagenvorbehalt verwenden, bei unselbständigen NB ergibt sich die Klagebefugnis angenähert an die Verpflichtungsklage aus dem Recht auf nebenbestimmungsfreie Erlaubnis) 4. Vorverfahren a) erforderlich? (+) gem. 68 I 1 VwGO, da Anfechtungsklage. b) ordnungsgemäß durchgeführt? 70 I 1 VwGO: Erhebung des Widerspruchs innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des VA? Bekanntgabe erfolgte am Widerspruch wurde am erhoben. P: fristgerecht? Das beurteilt sich nach 57 II VwGO i. V. m. 222 I ZPO i.v.m. 187 f. BGB bzw. nach 31 I VwVfG i.v.m 187 f BGB. Fristbeginn: 187 I Alt. 1 BGB: Ereignis ist hier die Bekanntgabe der Genehmigung am die Frist beginnt am Fristende: 188 II Alt. 2 BGB: mit Ablauf des Tages, der zahlenmäßig dem Tag entspricht, in den das Ereignis (sprich: die Bekanntgabe der Genehmigung) fällt das ist der , aber da gesetzlicher Feiertag, endet die Frist gem. 57 II VwGO i. V. m. 222 II ZPO bzw. 31 III VwVfG am um 24 Uhr. P: Widerspruch erhoben am Frist an sich verstrichen. Allerdings kommt der Tatsache Bedeutung zu, dass die Widerspruchsbehörde die Verfristung des Widerspruchs als solche nicht gerügt, sondern den Widerspruch als unbegründet und 6
7 gerade nicht als unzulässig zurückgewiesen hat. Sie hat sich somit inhaltlich zur Sache geäußert, obgleich sie den Widerspruch schon wegen Verfristung hätte zurückweisen können. Ob ein solches Einlassen der Widerspruchsbehörde zur Sache einen verfristeten Widerspruch wieder zulässig macht, ist umstritten. (Problem der Heilung der Verfristung durch sachliche Entscheidung) Die Rechtsprechung (BVerwGE 66, 39, 41) nimmt dies an, da die Widerspruchsfrist als Schutzvorschrift zur Disposition der Behörde stehe und diese als Herrin des Vorverfahrens hiervon abweichen kann Die Literatur lehnt eine solche Konstruktion mehrheitlich ab. Die Behörde könne nicht über die gesetzlich angeordneten Fristen verfügen (Hufen, VerwProzR, 6 Rn. 37 f. m.w.n.). Indes kann der ablehnenden Ansicht der Literatur nur dann gefolgt werden, wenn mit dem Ablauf der Frist eine gefestigte Rechtsposition eines Dritten entstanden ist (bei einem Nachbarstreit also z.b. die des Nachbarn eines Bauherrn), so dass dieser eine schutzwürdige Position erlangt hat, auf die er sich verlassen können muss. Im vorliegenden Fall indes hat mit Ablauf der Widerspruchsfrist kein Dritter irgendeine Rechtsposition erlangt, die es zu schützen gilt, jedenfalls teilt der Sachverhalt nichts dergleichen mit. 5. Richtiger Klagegegner Gem. 78 I Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen die die Körperschaft zu richten deren Behörde die Baugenehmigung erlassen hat. Rechtsträger der Kreisverwaltung ist der Kreis. 6. Beteiligtenfähigkeit H und der Kreis K sind gem. 61 Nr. 1 Alt. 1 als juristische Personen beteiligtenfähig. 7. Klagefrist Gem. 74 I 1 VwGO muss die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Die Frist ist hier auf jeden Fall gewahrt, da sich H unmittelbar nach Zustellung des Widerspruchsbescheids an den RA wendet. 8. Form Die Klage muss formgerecht ( 81, 82 VwGO) erhoben werden. Zuständiges Gericht ist gemäß 45 VwGO das Verwaltungsgericht als Eingangsgericht Die Klage ist bezüglich der teilweisen Anfechtung der Baugenehmigung zulässig. 7
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