Prof. Dr. Henning Radtke Vertiefung Strafrechtsdogmatik Sommersemester 2008 Lösungsskizze Fall 6 Vorbem.: Nach den Sachverhaltsvorgaben sind ersichtlich sämtliche einschlägigen Delikte mittäterschaftlich verwirklicht. Aus Gründen der Vereinfachung wird deshalb allein pars pro toto die Strafbarkeit von A erörtert. Zudem beschränkt sich die nachfolgende Lösung im Wesentlichen auf die Raubdelikte; gesetzeskonkurrierend zurücktretende Tatbestände werden nicht berücksichtigt. A. Strafbarkeit t von A gemäß 249, 25 Abs. 2 StGB zu Lasten D Durch das Halten des metallischen Gegenstandes an den Hals und das Ansichnehmen von 30 und eines Mobiltelefons. I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Der Einsatz des metallischen Gegenstandes am Hals des D, um Widerstand zu verhindern, stellt sich als (konkludente) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben dar. b) Das Ansichnehmen der Tatobjekte durch einen Mittäter stellt sich sowohl nach dem äußeren Erscheinungsbild der Tat als 1
auch nach der inneren Willensrichtung des Genötigten D als Wegnahme dar. c) Die Ausführung beider Tathandlungen (a und b) erfolgte auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans und in arbeitsteiliger Vorgehensweise bei in etwa gleichgewichtigen Tatbeiträgen im Ausführungsstadium Mittäterschaft gegeben 2. Subjektiver Tatbestand Wegnahmevorsatz, Zueignungsabsicht sowie die erforderliche finale Verknüpfung zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme sind gegeben. II. Rechtswidrigkeit und Schuld sind ersichtlich gegeben. B. Strafbarkeit von A gemäß 249, 250 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB zu Las- ten Durch die unter A. genannte Tathandlung I. Grundtatbestand Wie unter A. geprüft liegt die Begehung eines mittäterschaftlichen Raubes zu Lasten D vor. II. Qualifikationen gemäß 250 Abs. 1 StGB 1. 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs Die Anforderungen an das Merkmal des gefährlichen Werkzeugs in 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB sind umstr.; die denkbare 2
Parallele zu 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB trägt nicht, weil bei 250 StGB nicht auf die konkrete Verwendung abgestellt werden kann, denn Beisichführen genügt. Einigkeit besteht allenfalls insoweit, als das mitgeführte Werkzeug jedenfalls eine generelle Verletzungsgefährlichkeit aufweisen muss (vgl. insoweit nur MünchKommStGB/Sander, Band 3, 2003, 250 Rn. 17) Da die Eigenschaften des verwendeten metallischen Gegenstandes nicht geklärt werden konnten, war zugunsten der Täter von objektiver Ungefährlichkeit auszugehen. 2. 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB Beisichführen eines sonstigen Werkzeugs oder Mittels zur Überwindung von Widerstand Bei dieser Qualifikation handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der nach ü.a. auch objektiv ungefährliche Gegenstände erfasst; dementsprechend fallen auch funktionsunfähige und ungeladene Schusswaffen in den Anwendungsbereich; ebenso die sog. Scheinwaffen. Allerdings sollen nach stdg. Rspr. solche Gegenstände ausgenommen werden, die offensichtlich ungefährlich sind (etwa Plastikrohr od. Labello-Stift) Der BGH nimmt für den vorliegenden Fall das Vorliegen dieser Ausnahme an, weil bei Verwendung eines objektiv ersichtlich ungefährlichen Gegenstandes, den das Opfer nicht 3
oder nur unzureichend sinnlich wahrnehmen kann (und soll), das Täuschungselement im Vordergrund steht. Eine Strafbarkeit gemäß 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB scheidet aus. C. Strafbarkeit von A gemäß 223, 224 Abs. 1 Nr. 4,, 25 Abs. 2 StGB Durch die Schläge und das Zu-Boden-Stoßen gegenüber K D. Strafbarkeit von A gemäß 249, 25 Abs. 2 StGB Durch die mittels des metallischen Gegenstandes verstärkte Drohung, ihm das Licht auszuknipsen und das während des Andauerns der Drohung erfolgte Entwendung von 900 aus der Kasse I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand Die mittäterschaftliche Wegnahme fremder beweglicher Gegenstände durch Einsatz einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ist ersichtlich gegeben. Vollendung der Tat liegt mit dem Einstecken des Geldes noch in dem Café vor. 2. Subjektiver Tatbestand Wegnahmevorsatz, Zueignungsabsicht und finale Verknüpfung zwischen Nötigung und Wegnahme liegen vor. II. Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben 4
E. Strafbarkeit von A gemäß 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB Durch die Tathandlung wie unter D. und das Fesseln von K vor dem Verlassen des Tatortes I. Der Grundtatbestand 249 StGB ist aus den zu D. angeführten Gründen gegeben. II. Qualifikationen gemäß 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB 1. 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB scheidet aus den zu B. diskutierten Erwägungen mangels objektiver Gefährlichkeit aus. 2. 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB a) Die Qualifikation kann nicht auf das Beisichführen des metallischen Gegenstandes gestützt werden, weil es sich um einen ersichtlich völlig ungefährlichen Gegenstand handelt. b) Die Qualifikation ist allerdings deshalb verwirklicht, weil es sich bei der Fesselung von K um ein Mittel handelt, um den Widerstand einer anderen Person zu verhindern. Insoweit genügt es nach stdg. Rspr., wenn ein Täter ein solches Mittel irgendwann während der Tat also auch im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung bei sich führt. III. Qualifikation gemäß 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB 5
Es liegt zwar mit dem Anbringen der Fesselung eine Verwenden vor; allerdings bezieht sich Abs. 2 Nr. 1 allein auf Abs. 1 Nr. 1 a, nicht aber auf Abs. 1 Nr. 1 b. Vertiefungshinweise I. Zur konkreten Entscheidung Kudlich JR 2007, 381 f. II. Grundwissen zu 250 StGB (und zu 244 StGB) BGHSt (Gs) 48, 197 Fischer NStZ 2003, 569 ff. Geppert Jura 1999, 599 ff. 6