2 Vektoren als Pfeile 2.1 Verschiebungen und Pfeile Bei einer Verschiebung werden alle Punkte der Ebene um eine gewisse Länge in eine gewisse Richtung verschoben. Punkt und Bildpunkt lassen sich mit einem Pfeil verbinden. Die Menge dieser gleich langen und gleich gerichteten Pfeile beschreibt also die Verschiebung. Eigentlich reicht aber ein Pfeil aus, um die Verschiebung zu beschreiben. Der Ansatzpunkt des Pfeils ist dann einfach verschieden für jeden zu verschiebenden Punkt. Das führt zu folgender Definition: Definition 1 (Vektor). Die Menge aller Pfeile mit gleicher Länge und gleicher Richtung heisst Vektor. Die einzelnen Pfeile nennt man Repräsentanten des Vektors. Schreibweise: AB = CD = EF = v Bemerkung: Ein Pfeil ist bestimmt durch Anfangspunkt, Richtung und Länge. Ein Vektor ist schon bestimmt durch Richtung und Länge. Weitere Begriffe Nullvektor: o = AA (zero vector) Gegenvektor von v = AB: v = BA (negative vector) Betrag (Länge) von v = AB: v = AB (magnitude) 2.2 Grundoperationen Addition Die Vektorsumme von a und b wird so definiert: Ist a = P Q und b = QR, dann ist a + b = P R. Bemerkung: Anfangspunkt von b wird an Endpunkt von a angefügt. Oft muss der eine Vektor zuerst ans Ende des anderen verschoben werden, damit die Vektoraddition durchgeführt werden kann. Insbesondere tritt oft die Situation auf, bei der die beiden Vektoren vom gleichen Punkt aus gehen: 5
Die beiden Vektoren a und b spannen ein Parallelogramm auf. Die Diagonale dieses Parallelogramms ist die Vektorsumme a + b. Subtraktion Die Vektordifferenz a minus b wird so definiert: a b = a + ( b ) Vektordifferenz: Addition des Gegenvektors. Im Parallelogramm kann die Summe und Differenz dargestellt werden: 6
Multiplikation eines Vektors mit einer Zahl Das Vektorvielfache von λ R mit a wird so definiert: λ a ist ein Vektor mit λ -fachem Betrag wie a gleicher Richtung wie a für positives λ, entgegengesetzter Richtung wie a für negatives λ Bemerkung: Das Multiplizieren eines Vektors mit einer Zahl nennt man auch das Multiplizieren mit einem Skalar. Ein Skalar ist im Gegensatz zu einem Vektor eine Grösse, die nur durch eine Zahl beschrieben werden kann. Aufgaben 1. Gegeben sind die Vektoren a, b, c und d. Zeichne die folgenden Vektoren (a) a + 2 b (b) a + 2 b c (c) b 2 a (d) 2 a b 0.5 c (e) a ( b + d ) (f) 2 c ( a d ) (g) a ( b 2 d ) (h) 2 c + ( a b ) 7
2. Verwende die Vektoren b und c aus der vorherigen Aufgabe. Zeichne einen Vektor r, so dass gilt (a) b + r = c (b) b r = c 3. Übertrage den Würfel vergrössert ins Heft und zeichne die folgenden Vektoren so in den Würfel ein, dass Anfangs- und Endpunkt klar definiert sind. (a) a + b + c (b) 1 2 a b + c (c) a b c (d) a b + c (e) a + b c (f) a 1 2 ( b + c ) 4. Übertrage den Würfel vergrössert ins Heft und zeichne die folgenden Vektoren so in den Würfel ein. ( a endet und c beginnt in einer Kantenmitte.) (a) a + b + c (b) 1 2 a + b c (c) a b c (d) a b c (e) a + b c (f) c 1 2 ( a + b ) 8
2.3 Rechnen mit Vektoren Für das Rechnen mit Vektoren gelten viele Gesetze, die formal gleich aussehen, wie die schon vom Zahlenrechnen her bekannten Gesetze. Kommutativgesetz der Addition a + b = b + a Die Vektoraddition ist kommutativ (the vector addition is commutative). Dies zeigt die folgende Figur: Assoziativgesetz der Addtion ( a + b ) + c = a + ( b + c ) Die Vektoraddition ist auch assoziativ (associative), wie die folgende Figur zeigt: Distributivgesetz λ( a + b ) = λ a + λ b Die Vektoraddition mit der Multiplikation mit einem Skalar ist distributiv: 9
Hurra! Mit Vektoren darf man rechnen wie mit Zahlen! Allerdings: Es gibt keine Division von Vektoren! Und das Produkt von Vektoren muss noch definiert werden: Dies wird etwas später auf das Skalarprodukt und das Vektorprodukt führen. 2.4 Kollineare und komplanare Vektoren Definition 2 (kollinear). Vektoren heissen kollinear (collinear), wenn ihre Repräsentanten parallel zu einer Geraden sind. Kollineare Vektoren sind also parallel zu einander. Dieses Konzept gilt in 2 und 3 Dimensionen. Definition 3 (komplanar). Vektoren heissen komplanar (coplanar), wenn ihre Repräsentanten parallel zu einer Ebene sind. Bemerkung: Zwei Vektoren sind stets komplanar, jedoch sind sie im Allgemeinen nicht kollinear. Drei Vektoren sind nur komplanar, wenn sie in der gleichen Ebene (oder parallel dazu) liegen. Aufgaben 5. In den Würfeln sind jeweils drei Vektoren eingezeichnet. Entscheide, ob sie komplanar sind. Alle Pfeile starten und enden jeweils in Eckpunkten, Diagonalenschnittpunkten oder Kantenmitten des Würfels. 10
6. Zeichne in den Würfel einen dritten Vektor, der zu den gegebenen beiden komplanar, aber zu keinem der gegebenen Vektoren kollinear ist. 2.5 Linearkombination Definition 4 (Linearkombination). Gegeben sind drei nicht komplanare Vektoren a, b und c. v = x a + y b + z c ist eine Linearkombination. Räumliche Darstellung: Drei nicht-komplanare Vektoren spannen ein Spat (dreidimensionale Verallgemeinerung des Parallelogramms) auf. Jeder andere Vektor v lässt sich als Linearkombination dieser drei Vektoren darstellen. 11
Aufgaben 7. (a) Schreibe c, d und e als Linearkombination von a und b. (b) Lässt sich f als Linearkombination von a und e schreiben? (c) Lässt sich c als Linearkombination von a und e schreiben? 8. Wie in der vorherigen Aufgabe betrachten wir Vektoren in der Zeichenebene. (a) Zeichne drei Vektoren a, b und c so, dass c als Linearkombination von a und b dargestellt werden kann. (b) Zeichne drei Vektoren a, b und c so, dass c nicht als Linearkombination von a und b dargestellt werden kann. (c) Und nun allgemein. Welche Bedingungen musst du an a und b stellen, damit sich jeder Vektor c als Linearkombination von a und b dargestellt lässt? Beantworte diese Frage auch für Vektoren in drei Dimensionen. 9. Stelle d als Linearkombination von a, b und c dar. Die Punkte, die nicht auf den Ecken liegen, halbieren oder vierteln jeweils die Kanten. (a) d = AF (b) d = CA (c) d = AO (d) d = HI (e) d = P A (f) d = DF (d) d = ML (e) d = 0 (f) d = EP (g) d = BL (h) d = KP (i) d = AI 12
10. Beschreibe die Vektoren d, e und f als Linearkombination von a, b und c. Der Endpunkt von d liegt in der Mitte der vorderen linken Kante. 2.6 Anwendung: Moleküle 11. Kohlenwasserstoffe: An ein Kohlenstoffatom können sich maximal vier Wasserstoffatome binden. In vier Ecken des Würfels befinden sich die Wasserstoffatome, in der Würfelmitte das Kohlenstoffatom. Die Linien zwischen den Atomen symbolisieren die chemischen Bindungen. (a) Fasse die vier Wasserstoffatome als Ecken eines Körpers auf. Beschreibe diesen Körper: Welche Kanten sind gleich lang? Gibt es Spiegelebenen? Gibt es Drehachsen? (b) Jede Bindung vom Kohlenstoffatom zum Wasserstoffatom kann durch einen Vektor dargestellt werden. So sind vier Bindungsvektoren definiert. Drücke diese Bindungsvektoren durch die Kantenvektoren a, b und c aus. Dabei verlaufe die Richtung der Bindungsvektoren vom Kohlenstoffatom zum Wasserstoffatom. (c) Bestimme mit der obigen Teilaufgabe die Summe der vier Bindungsvektoren. Interpretiere das Resultat physikalisch. 13
Lösungen 1. Die Angaben beziehen sich auf die Längeneinheit Häuschen (a) 5 nach links, 6 nach unten (b) 11 nach links, 10 nach unten (c) 10 nach rechts, 8 nach unten (d) 13 nach links, 6 nach oben (e) 6 nach oben (f) 12 nach rechts, 6 nach oben (g) 15 nach links, 6 nach oben (h) 7 nach rechts, 14 nach oben 2. (a) 6 nach rechts, 8 nach oben (b) 6 nach links, 8 nach unten 3. (a) Von D nach F (b) Von C zur Mitte der Kante EH (c) Von F nach D (d) Von C nach E (e) Von H nach B (f) Von G zur Mitte der Fläche ABFE 4. (a) Von A nach F (b) Von der Mitte der Kante EH zum Punkt auf dreiviertel Höhe der Kante BF (c) Von F nach A (d) Von B auf die Verlängerung der Kante AD (1 Kantenlänge hinter D) (e) Von A nach B (f) Von der Mitte der Kante AB zum Punkt P auf der Kante AE, welcher von A ein Viertel der Kantenlänge entfernt ist 5. (a) nicht komplanar, (b) komplanar, (c) nicht komplanar 6. 7. (a) Z.B. die Verbindung des Endpunktes des nach oben zeigenden Vektors mit dem Anfangspunkt des nach unten zeigenden. (b) Einen Vektor parallel verschieben, bis er mit dem anderen zusammenstösst und dann wie in (a) verfahren. (c) Die beiden Pfeile schneiden sich im Mittelpunkt des Würfels. Somit kann z.b. der Vektor von einem Endpunkt zum anderen gewählt werden. (a) c = a + 2 b, d = a + 2 b, e = 0.5 a (b) ja 8. (a) (c) nein (b) 14
(c) Sind a und b nicht kollinear, so gibt es genau eine Lösung. Sind a und b kollinear, so gibt es entweder keine Lösung, wenn c nicht kollinear ist mit a und b, oder unendlich viele, wenn c mit a und b kollinear ist. In drei Dimensionen: a, b und c nicht komplanar. 9. (a) d = AF = b + c (b) d = CA = a b (c) d = AO = a + b + 0.5 c (d) d = HI = a + 0.5 b c (e) d = P A = a b 0.25 c (f) d = DF = a + b + c (d) d = ML = a 0.25 b (e) d = 0 = 0 a + 0 b + 0 c (f) d = EP = a + b 0.75 c (g) d = BL = 0.75 b + c (h) d = KP = a + b 0.5 c (i) d = AI = 0.5 b 10. d = 1 2 a c, e = 2 a 2 b + c, f = 2 a + b 11. (a) Alle Kanten sind gleich lang. Die beiden vorderen H-Atome und C liegen z.b. in einer Spiegelebene. Entlang jeder CH-Bindung verläuft z.b. eine 3-zählige Drehachse. (b) 1 2 ( a + b + c ), 1 2 ( a b + c ), 1 2 ( a b c ), 1 2 ( a + b c ) (c) 0. Werden Bindungsvektoren als Kraftvektoren interpretiert, so ist die Resultierende davon 0 : Kräftegleichgewicht am Ort des C-Atoms. 15