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Transkript:

Prof. Dr. Reinhard Singer Wintersemester 2009/2010 (18.11.2009, 5/T3) Grundkurs im Bürgerlichen Recht 5. Annahme durch Schweigen a) Regel: Schweigen gilt grundsätzlich nicht als Annahme, sondern als Ablehnung. m.a.w.: Schweigen ist rechtlich ein Nullum. Begründung: keine Erklärung ; der nicht erklärte Wille genügt nicht für eine Willenserklärung (s.a. Medicus, AT, Rn. 345). Bedeutung des Schweigens unklar; keine Bestimmtheit. b) Ausnahmen: Schweigen gilt als Zustimmung in folgenden Fällen: aa) Parteivereinbarung: Bsp.: Klausel in Mietverträgen: Vertrag verlängert sich um ein Jahr, wenn eine der Parteien dies schriftlich verlangt und die andere nicht binnen 10 Tagen widerspricht. Voraussetzung: echte Vereinbarung; die einseitige Bestimmung einer Partei, dass Schweigen Zustimmung bedeutet, genügt nicht. arg.: Verstoß gegen Privatautonomie; eine Partei kann der anderen nicht vorschreiben, was sie zu tun hat (vgl. auch 311 Abs. 1 BGB). In AGB müssen die engen Voraussetzungen des 308 Nr. 5 BGB beachtet werden (angemessene Frist; Hinweis auf Bedeutung des Schweigens bei Fristbeginn - Tatfrage). bb) Schweigen = Zustimmung, wenn rechtlich vorteilhaft. Beispiele: 516 II 2 BGB: Schenkungsvertrag kommt zustande, wenn der Beschenkte die vom Zuwendenden gesetzte Frist für die Annahme versäumt. Grund: Wahrscheinlichkeit, dass Schweigen Zustimmung bedeutet, groß, da (und sofern) der Beschenkte regelmäßig keine Nachteile zu befürchten hat. cc) Schweigen als Zustimmung kraft Verkehrssitte (1) 362 HGB: Bei Gewerbebetrieben, die auf Geschäftsbesorgung ausgerichtet sind, oder die in ständiger Geschäftsverbindung mit dem Antragenden stehen, gilt Schweigen auf eingehende Anträge ebenfalls als Annahme. 1

Bsp.: Auftrag an Spediteur oder Bank; wollen diese Auftrag ablehnen, müssen sie unverzüglich widersprechen. Grund: Bedeutung des Schweigens durch kaufmännische Verkehrssitte geprägt. (2) Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben Bsp.: V und K verhandeln über Lieferung von Druckerpatronen für IBM-Drucker 4028 und einigen sich über Lieferung zum 23.11.; K sendet Bestätigungsschreiben, in dem als Vertragsgegenstand Original IBM Druckerpatronen bezeichnet sind. V widerspricht nicht, liefert jedoch nicht Original IBM Druckerpatronen, sondern lediglich für IBM Drucker passende, aber nicht von IBM hergestellte Patronen. (a) Konstitutive Festlegung des Vertragsinhalts durch Schweigen des V auf das kaufmännische Bestätigungsschreiben des K: Vertragsgegenstand = Original IBM Druckerpatronen Grund: kaufmännische Verkehrssitte; im kaufmännischen Verkehr üblich, mündliche oder fernmündliche Absprachen schriftlich zu bestätigen (Beweissicherung) Absender vertraut darauf, dass Schweigen Zustimmung bedeutet (Vertrauensschutz). (b) Voraussetzungen: - Vertragsschluss aus Sicht des Bestätigenden (wichtig: soll Bestätigungsschreiben Vertrag erst zustande bringen, gilt 150 II BGB: Annahme unter Abweichungen = neues Angebot; sog. Auftragsbestätigung ). - Empfänger Kaufmann oder kaufmannsähnlich (z.b. Rechtsanwalt) - Redlichkeit des Absenders: er muss vernünftigerweise mit Zustimmung des Adressaten rechnen dürfen (nicht bei erheblichen Preisdifferenzen oder Widerspruch zu Verhandlungen Bsp.: BGH NJW 1969, 1711 doppelter Preis, entgegen BGH wohl nicht redlich) - Schweigen des Adressaten (=Kein unverzüglicher Widerspruch) (c) Rechtsfolgen: Schweigen gilt als Zustimmung; Vertrag kommt zustande trotz Abweichung, Dissens oder fehlender Vertretungsmacht einer Partei (Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, 23 Rn. 8 ff.; Medicus, BürgR Rn. 59 ff.). 2

Fallbezogen: Klarstellung, dass nur Original IBM Druckerpatronen akzeptabel sind, wohl kein Widerspruch zum ursprünglichen Vertragsinhalt, sondern eine zulässige Konkretisierung und Ergänzung (a.a. vertretbar). II. Die Lehre vom sozialtypischen Verhalten und vom faktischen Vertrag --------------------------------------------------------------------------- Lösung von Fall 15: Anspruch U gegen A auf Bezahlung der Parkplatzgebühren I. 535, 611, 612 BGB: kombinierter Miet- und Dienstvertrag (zum Typenkombinationsvertrag s. Larenz/Canaris, SchR II/2, BT, 63) Voraussetzung: übereinstimmende Willenserklärungen (-) A will keinen Vertrag, keine Bewachung und kein Entgelt entrichten. II. Auswege: 1. Lehre vom sozialtypischen Verhalten (Haupt, Über faktische Vertragsverhältnisse 1941; Larenz AT BGB, bis zur 6. Aufl.) a) Zustandekommen des Vertrages nicht nur durch übereinstimmende Willenserklärungen, sondern auch durch sozialtypisches Verhalten, insbesondere durch die tatsächliche Inanspruchnahme einer angebotenen entgeltlichen Leistung. arg.: BGB zu individualistisch; Bedürfnisse des modernen Massenverkehrs (BGHZ 21, 319, 333 ff.) Konsequenz: A muss Parkgebühren zahlen. b) Bedenken: Lehre verstößt gegen das Prinzip der Privatautonomie. 2. Gesetzliche Ansprüche: a) 823 I BGB? aa) Eigentumsverletzung: U nicht Eigentümer des Platzes bb) Besitz: 823 I schützt berechtigten Besitzer; hier: Besitzstörung durch unbefugtes Parken. cc) Rechtswidrigkeit, Schuld: (+) dd) Rechtsfolge: Schadensersatz gem. 249 Abs. 1 BGB wie stünde U ohne Pflichtverletzung des A (= bei pflichtgemäßem Verhalten)? 3

(1) Vertragsschluss? A nicht zum Vertragsschluss verpflichtet (-) (2) Keine Besitzstörung durch A: Vermögensschaden? nur, wenn U einen anderen Kunden, der zahlungswillig gewesen wäre, abgewiesen hätte. Denkbar, wenn Parkplatz restlos überfüllt war, aber eben nur dann! b) Bereicherungsrechtliche Ansprüche: 812 Abs. 1 S. 1, Fall 2 BGB aa) BGH lehnte Bereicherungsanspruch ab, weil es schwierig sei, Aufwendungsersparnis des A zu berechnen (wie viel Benzin benötigt A für Parkplatzsuche?). bb) Besser: erlangt hat A nicht Aufwendungsersparnis, sondern Nutzung des Parkplatzes. Nutzung kann zwar nicht herausgegeben werden, aber gem. 818 Abs. 2 BGB schuldet A dann Wertersatz (= übliche Vergütung). Wegfall der Bereicherung gem. 818 Abs. 3 BGB? Nein, A war bösgläubig, haftet verschärft gemäß 819 Abs. 1 BGB und darf sich daher nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Ergebnis: A haftet gem. 812, 818, 819 Abs. 1 BGB und muss die übliche Vergütung zahlen. Lehre vom sozialtypischen Verhalten überflüssig. --------------------------------------------------------------------------- Lösung von Fall 16: Anspruch BSAG A auf erhöhtes Beförderungsentgelt I. Beförderungsvertrag i.v.m. Beförderungsbedingungen 1. LG Bremen, NJW 1966, 2360: Vertrag durch sozialtypisches Verhalten Bedenken: Privatautonomie und Minderjährigenschutz ( 2, 106, 107 BGB) 2. Übereinstimmende Willenserklärungen a) Angebot: Bereitstellen des Beförderungsmittels (konkludente WE). b) Annahme: konkludente Willenserklärung (Einsteigen) Problem: Zugang ( 130 Abs. 1 BGB) gemäß 151 BGB entbehrlich, da Verkehrsbetriebe auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichten, wenn sie schaffnerlose Einrichtungen zur Verfügung stellen. 4

3. Wirksamkeitshindernis: 2, 106 BGB (Minderjährigkeit des Schwarzfahrers ). a) 107, 1. Alt. BGB: rechtlicher Vorteil ( - ) b) 107, 2. Alt. BGB: Einwilligung der Eltern? nicht für Schwarzfahrt (AG Hamburg NJW 1987, 448; AG Mühlheim NJW-RR 1989, 175 f.; AG Wolfsburg, NJW-RR 1990, 1142 f.; Harder, NJW 1990, 857, 858 f.). c) 110 BGB: (-) bei Schwarzfahrt keine Leistungserbringung. d) Verweigerung der Genehmigung = Rechtsmissbrauch gem. 242 BGB? Von Rechts wegen keine Verpflichtung zum Vertragsschluss (Privatautonomie), also kann auch Verweigerung der Genehmigung durch Eltern keinen Rechtsmissbrauch darstellen (aa AG Köln NJW 1987, 447). Ergebnis: minderjährige Schwarzfahrer haften nicht auf das erhöhte Beförderungsentgelt! A schuldet nur das übliche Entgelt gemäß 812 I 1, F. 2, 818, 819 I BGB [Exkurs: Öffentlichrechtliche Vorschriften, die erhöhtes Beförderungsentgelt vorsehen ( 12 EVO; 9 VO über Allgemeine Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnibusverkehr [ABB], BGBl. 1970 I, 230) irrelevant! ABB (= AGB) setzen gem. 305 BGB wirksamen Beförderungsvertrag voraus EVO darf als rangniederes Recht Minderjährigenschutz des BGB nicht unterlaufen (zutr. Medicus, AT Rn. 252 m.w.n.; Harder, NJW 1990, 857, 861; a.a. Stacke, NJW 1991, 875 f.).] ------------------------------------------------------------------------------ Parallel-Problem: Flugreise-Fall Lösung von Fall 17: Anspruch Lufthansa S auf Bezahlung des Flugtickets I. Beförderungsvertrag L S: 1. Blinde Passagiere wollen keinen Beförderungsvertrag abschließen. 2. Wirksamkeitshindernis: 2, 106, 107 BGB: weder Einwilligung der Eltern, noch Genehmigung 3. Vertragsschluss kraft sozialtypischen Verhaltens? - Lehre verstößt gegen Privatautonomie - BGH: Teilnahme am Flugverkehr gehört nicht zum Massenverkehr (1970!). 5

II. 812 I 1, Fall 2 BGB: Schwerpunkt: Vorlesung gesetzliche Schuldverhältnisse (SS 2008) 1. Etwas erlangt: Beförderungsleistung 2. durch Leistung (-) oder in sonstiger Weise (hier: blinder Passagier) 3. Ohne Rechtsgrund: kein wirksamer Beförderungsvertrag 4. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten a) Unmöglichkeit der Herausgabe: Wertersatz gemäß 818 II BGB (übliche Vergütung). b) Wegfall der Bereicherung ( 818 III BGB): wenn der Minderjährige keine Aufwendungen erspart hat = Luxusaufwendungen (= andernfalls keine Reise nach New York geleistet). c) Aber: Bösgläubigkeit des S? ( 819 I BGB). Problem: Haftungsmaßstab aa) BGH wendet 828 III (früher 828 II) an, wenn sich S Leistung durch Delikt verschafft hat ( 265a StGB); danach S = bösgläubig, weil einsichtsfähig. bb) A.A. h.m. im Schrifttum: 828 III BGB gilt nur im Deliktsrecht, nicht im rechtsgeschäftlichen Verkehr; hier 104 ff. BGB sachgerechter. 823 I BGB scheitert daran, dass Lufthansa keinen Schaden erlitten hat, wenn sie nicht nachweisen kann, dass sie einen Passagier wegen Überfüllung abgewiesen hätte. ------------------------------------------------------------------------------ 6