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Transkript:

Wiss. Mitarbeiter Dr. Oliver Mörsdorf Institut für IPR und Rechtsvergleichung der Universität Bonn Adenauerallee 24-42 (Ostturm), Zimmer 312, 53113 Bonn Tel.: 0228/737979 Fax: 0228/737980 Email: oliver.moersdorf@uni-bonn.de Vorlesung Privatrecht II (Wirtschaftsrecht) Teil 1 - Handelsrecht Fälle, Lösungsskizzen und Lösungen Fälle 1-4 Fall 1 Holzhandel H betreibt in Siegburg einen recht ansehnlichen Holzhandel. Er hat 20 Mitarbeiter, von denen 2 in der Buchhaltung arbeiten. Der Umsatz beläuft sich auf 3 Mio. Euro pro Jahr. Um eine Eintragung im Handelsregister hatte er sich nicht gekümmert. Im August bekam H eine größere Holzlieferung vom Großhändler G aus Bayern. Das Holz wurde im Lager des H abgeladen, von einem Mitarbeiter des H aber erst nach 2 Wochen kontrolliert. Dabei stellten sich Mängel (Risse im Holz) heraus. H verlangt von G, dass dieser neues mangelfreies Holz liefert ( 437 Nr. 1, 434, 439 BGB). Dieser weigert sich und meint, dafür habe H sich früher melden müssen. Hinweis: Die Lösung wurde bewusst sehr ausführlich gehalten, um anhand eines Musterfalles die Art der juristischen Prüfung aufzuzeigen. In einer Klausur kann die Lösung deutlich kürzer ausfallen und sich im Wesentlichen auf die Feststellung des Mangels und die Frage der Rügeversäumnis konzentrieren. Fall 1 Lösungsskizze Anspruch H? G auf Neulieferung Anspruchsgrundlage (AGL): 437 Nr. 1, 434, 439 BGB 1. wirksamer Kaufvertrag gem. 433 BGB (+) 2. Sachmangel gem. 434 I BGB (+) Risse im Holz 3. bei Gefahrübergang (= Übergabe; vgl. 446 BGB) (+) 4. Aber: Ausschluss des Gewährleistungsrechts gemäß 377 HGB (+) a) beiderseitiges Handelsgeschäft gem. 343 HGB (+) H und G = Kaufleute i.s.v. 1 ff. HGB (+) Zugehörigkeit des Geschäfts zum jeweiligen Handelsgewerbe (+) b) Rügefrist versäumt (+) Prüfung und Rüge nach 2 Wochen noch unverzüglich im Sinne von 377 I HGB? Hier ( ), offenkundiger Mangel muss in wenigen Tagen gerügt werden. Ware gilt als genehmigt ( 377 II HGB). Ergebnis: Anspruch H? G auf Neulieferung ( ) Fall 1 Lösung H verlangt von G wegen der Risse im Holz Neulieferung. Ein Anspruch könnte sich aus dem Recht des Käufers auf Nacherfüllung gemäß 437 Nr. 1, 434, 439 BGB ergeben. 1. Voraussetzung hierfür wäre zunächst ein wirksamer Kaufvertrag über das Holz zwischen G und H. Davon ist nach dem Sachverhalt auszugehen.

2. Weiterhin setzt der Nacherfüllungsanspruch einen Sachmangel gemäß 434 I BGB voraus. Ein Sachmangel in diesem Sinne liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Sache nicht der geschuldeten Beschaffenheit entspricht (= negative Abweichung der Ist- Beschaffenheit von der Sollbeschaffenheit). Da das Holz Risse aufweist und sich deshalb nicht zum Verkauf in der Holzhandlung des H eignet, liegt ein solcher Mangel vor. 3. Dieser Sachmangel war auch bereits bei Gefahrübergang (= Übergabe; vgl. 446 BGB) vorhanden. 4. Fraglich ist jedoch, ob der Nacherfüllungsanspruch hier nach den Sonderregeln des Handelsrechts ausgeschlossen ist. Gemäß 377 HGB besteht bei einem beiderseitigen Handelskauf eine Pflicht zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge mangelhafter Ware. Unterlässt der Käufer die Rüge, gilt die Ware als genehmigt, soweit es sich nicht um einen versteckten Mangel handelt ( 377 II HGB). a) Fraglich ist zunächst, ob es sich um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handelt. Handelsgeschäfte sind gemäß 343 HGB alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. Zu prüfen ist daher, ob H und G Kaufleute i.s.v. 1 ff. HGB sind. Kaufmann ist gemäß 1 I HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Dies ist gemäß 1 II HGB jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Sowohl der Großhandel des G als auch der Holzhandel des H sind Gewerbebetriebe. Davon, dass ein Großhandel vollkaufmännisch i.s.v. 1 II HGB ist, kann ausgegangen werden. Aber auch der Betrieb des H mit 20 Mitarbeitern, von denen allein 2 in der Buchhaltung arbeiten, und dessen Umsatz sich auf 3 Mio. Euro pro Jahr beläuft, erfordert im Sinne von 1 II HGB einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb. Bei einer derartigen Betriebsgröße kann nicht mehr von einem Kleingewerbebetrieb gesprochen werden. Da somit G und H Kaufleute i.s.v. 1 HGB sind, das konkrete Geschäft über das Holz zudem zum Betrieb ihres Handelsgewerbes gehört ( 343 HGB), insbesondere kein Privatgeschäft ist, kommt 377 HGB auf den Kauf zur Anwendung. b) Zu prüfen ist daher, ob die Rügefrist versäumt wurde. Die Risse im Holz waren im Rahmen einer gewöhnlichen Untersuchung erkennbar, so dass kein versteckter Mangel vorliegt. Fraglich ist daher, ob die Prüfung und Rüge nach 2 Wochen noch unverzüglich im Sinne von 377 I HGB erfolgt ist. Das Gesetz stellt darauf ab, inwieweit die Untersuchung nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange tunlich ist. Es ist also auf den ordnungsgemäßen Geschäftsgang einer Holzhandlung abzustellen. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass im Lager angeliefertes Holz jedenfalls auf erkennbare Mängel unmittelbar nach der Lieferung überprüft wird, ehe es im Lager verstaut wird. Risse im Holz wären bei einer Untersuchung gefunden worden, so dass eine baldige Anzeige möglich gewesen wäre. Daher müsste spätestens nach 2 bis 3 Tagen mit einer Rüge gerechnet werden. 2 Wochen sind eindeutig zu lang. Da die Rüge nicht unverzüglich erfolgte, gilt die Ware als genehmigt ( 377 II HGB). Ein Nacherfüllungsanspruch gemäß 437 Nr. 1, 434, 439 BGB besteht daher nicht. Fall 2 - Altstadtkneipe I 2

Sportlehrer L betreibt nebenberuflich an den Abenden eine kleine Kneipe in der Bonner Altstadt. Eine Eintragung des Betriebs im Handelsregister ist nicht erfolgt. In der Regel übernimmt L die Bedienung allein. Nur an den Wochenenden und an Karneval hilft ihm die Schülerin S aus. Mit der Kneipe macht er durchschnittlich einen Umsatz von ca. 2.500 Euro und einen Gewinn von ca. 750 Euro pro Monat. Die Abrechnung macht er an einem Wochenende im Monat in seiner Wohnung. Eines Abends ist sein Freund G, der einen größeren Getränkehandel in Köln betreibt, gemeinsam mit B, einem Brauereibesitzer aus Köln, bei ihm in der Kneipe. Sie sprechen über die Schulden, die G bei B aus Getränkelieferungen hat. B kündigt dabei an, dass er G wegen der Schulden in Höhe von 10.000 Euro nicht mehr beliefern wolle. Daraufhin erklärt L dem B, er werde für seinen Freund G einstehen, wenn dieser nicht zahlen könne. B solle nur nicht die Belieferung einstellen. Als G später seine Schulden bei B nicht bezahlen kann und insolvent wird, verlangt B von L Zahlung. Zu Recht? Fall 2 Lösungsskizze Anspruch B? L auf Zahlung von 10.000 Euro AGL: 765 i.v.m. 433 II BGB 1. Hauptschuld, hier 433 II BGB (Kaufpreisschuld) 2. Wirksamer Bürgschaftsvertrag (-) a) Erklärung, einstehen zu wollen = Bürgschaftserklärung (+) b) 766 1 BGB: schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung hier ( ) Aber: Ggf. Ausnahme vom Schriftformerfordernis 350 HGB? Handelsgeschäft i.s.v. 343 HGB für den Schuldner L (-) Zu prüfen: L = Kaufmann im Sinne von 1 HGB Kneipe = Gewerbetrieb vollkaufmännisch i.s.v. 1 II HGB? hier ( ) daher: 350 HGB nicht anwendbar Bürgschaft ist formnichtig gemäß 125 BGB i.v.m. 766 S. 1 BGB Ergebnis: Anspruch B? L auf Zahlung von 10.000 Euro ( ) Fall 2 - Lösung Der Brauereibesitzer B verlangt vom Sportlehrer L Zahlung von 10.000 Euro. Anspruchsgrundlage hierfür könnte eine Bürgschaft des L für die Verbindlichkeiten des G sein ( 765 i.v.m. 433 II BGB). 1. Eine Hauptschuld des G gegenüber B besteht aus den Getränkelieferungen des B an G. Es handelt sich hier um einen Kaufvertrag, aus dem G als Käufer zur Kaufpreiszahlung verpflichtet ist ( 433 II BGB). 2. Zu prüfen ist, ob eine wirksame Verbürgung des L für diese Hauptschuld vorliegt. a) L hat in der Kneipe erklärt, er werde für G einstehen. Dies kann als Bürgschaftserklärung verstanden werden. b) Gemäß 766 Satz 1 BGB ist zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags jedoch die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Fehlt es an der gesetzlich vorgeschriebenen Form, ist der Vertrag gemäß 125 BGB nichtig. Da L nur mündlich erklärt hat, für G einstehen zu wollen, ist die Schriftform nicht eingehalten. 3

Fraglich ist jedoch, ob hier möglicherweise eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis nach den handelsrechtlichen Sondervorschriften eingreift. Gemäß 350 HGB findet 766 1 BGB keine Anwendung, wenn die Bürgschaft auf der Seite des Schuldners (hier L) ein Handelsgeschäft ist. Ein Handelsgeschäft i.s.v. 343 HGB würde voraussetzen, dass L Kaufmann im Sinne von 1 ff. HGB ist. L könnte zunächst Kaufmann nach 1 HGB sein ( Ist-Kaufmann ). Bei der von L betriebenen Kneipe handelt es sich um einen Gewerbetrieb. Zweifelhaft ist aber, ob dieser Betrieb auch vollkaufmännisch i.s.v. 1 II HGB ist, also nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Kaufmännische Einrichtungen besitzt L nicht, insbesondere hat er keine kaufmännische Buchhaltung, erledigt die Abrechnung vielmehr am Wochenende zu Hause. Auch die Umsatz- und Mitarbeiterzahlen sind recht bescheiden. Es handelt sich daher um einen typischen Kleingewerbetreibenden, der nicht unter 1 II HGB fällt. Mangels Eintragung im Handelsregister ist L auch kein Kaufmann nach 2 HGB ist ( Kann- Kaufmann ). Die Bürgschaftserklärung stellte sich damit für L nicht als Handelsgeschäft im Sinne des 343 HGB dar, so dass 350 HGB keine Anwendung findet. Da L somit bei Erteilung seiner Bürgschaft wie eine ganz gewöhnliche Privatperson zu behandeln ist, bleibt es bei der Anwendung des 766 1 BGB. Da die Schriftform der Bürgschaft fehlt, ist der Vertrag nichtig ( 125 BGB). B kann daraus keine Rechte herleiten. Der Anspruch besteht nicht. Fall 3 - Altstadtkneipe II Wie Fall 2, jedoch hatte sich L mit seiner Kneipe im Handelsregister Bonn eintragen lassen. Fall 3 Lösungsskizze zunächst wie zuvor 1. L = Kaufmann, hier (+) gemäß 2 HGB 2. Bürgschaft = Handelsgeschäft i.s.v. 343 HGB auf Seiten des L a) Abgrenzung zum Privatgeschäft Sicht des B ist entscheidend Zweifelsregelung des 344 I HGB b) Handelsgeschäft (+) c) 766 Satz 1 BGB gemäß 350 HGB nicht anwendbar d) wirksamer Bürgschaftsvertrag (+) 3. Einrede der Vorausklage ( 771 BGB) hier unanwendbar gemäß 349 HGB daher: selbstschuldnerische Haftung des L Ergebnis: Anspruch B? G i.h.v. 10.000 Euro (+) Fall 3 - Lösung 4

1. Anders als im Fall 2 könnte L hier möglicherweise als Kaufmann anzusehen sein, so dass die Formvorschrift des 766 Satz 1 BGB gemäß 350 HGB für die Bürgschaft nicht gilt. a) L hatte seine Kneipe im Handelsregister eintragen lassen. Er ist dann zwar ebenfalls nicht schon gemäß 1 HGB Kaufmann ( Ist-Kaufmann ), wohl aber gemäß 2 HGB. Denn nach dieser Vorschrift gilt auch der Kleingewerbebetrieb als Handelsgewerbe, wenn die Firma im Handelsregister eingetragen ist ( Kann-Kaufmann ). b) Ist L aber Kaufmann, muss für die Anwendbarkeit des 350 HGB weiter geprüft werden, ob es sich bei der Erteilung der Bürgschaft auf seiner Seite um ein Handelsgeschäft i.s.v. 343 HGB handelt. Erforderlich wäre, dass die Bürgschaftserteilung zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört, es sich also nicht um ein Privatgeschäft handelt. Hier könnte man zunächst daran denken, die Bürgschaftserteilung deshalb als Privatgeschäft anzusehen, weil G ein Freund des L ist. Entscheidend ist jedoch das Vertragsverhältnis zwischen L und B, weil diese Partner des Bürgschaftsvertrages sind. Daher kommt es darauf an, ob die Bürgschaftserteilung aus Sicht des B als Handelsgeschäft des L erscheint. Dies ist hier der Fall, da L die Bürgschaft in seiner Kneipe abgegeben hat und er daher hätte klarstellen müssen, diese nur als Privatmann, nicht aber als Inhaber des Handelsgeschäfts übernehmen zu wollen. Im Zweifel gelten nämlich alle von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig ( 344 I HGB). Da das Bürgschaftsversprechen somit auf Seiten des L ein Handelsgeschäft ist, kommt gemäß 350 HGB die Formvorschrift des 766 Satz 1 BGB nicht zur Anwendung, so dass L die Bürgschaft formfrei, d.h. auch mündlich wirksam erteilen konnte. Ein wirksamer Bürgschaftsvertrag liegt daher anders als in Fall 2 vor. 2. Zu prüfen ist aber noch, ob der Bürgschaft irgendwelche Einwendungen oder Einreden entgegenstehen. Zu denken ist insbesondere an die Einrede der Vorausklage gemäß 771 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Bürge (L) die Befriedigung des Gläubigers (B) verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner (G) ohne Erfolg versucht hat. Insoweit besteht jedoch wiederum für Handelgeschäfte eine Sonderregelung in 349 HGB, wonach die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen ist. L kann also, da die Bürgschaftserteilung für ihn ein Handelgeschäft ist (oben 1.), den B nicht vorrangig an den Hauptschuldner verweisen, haftet vielmehr selbstschuldnerisch neben diesem. Der Anspruch des B gegen G in Höhe von 10.000 Euro ist daher begründet. Fall 4 - Rechtsanwalts-GmbH Der Büromaschinen-Handel H hatte der im Handelsregister Bonn eingetragenen Rechtsanwalts-GmbH (R-Gmb H) am 1. Mai fünf neue Kopiergeräte zum Gesamtpreis von 25.000 Euro geliefert. Mit dem geschäftsführenden Rechtsanwalt R war zuvor vereinbart worden, dass die Kaufpreiszahlung bei Lieferung per Scheck erfolgen sollte. Da R aber wegen eines unvorhergesehenen auswärtigen Termins am 1. Mai nicht anwesend war, sagte der die Rechnung entgegennehmende Bürovorsteher zu, den Rechnungsbetrag in Kürze zu überweisen. Erst am 1. September fällt der Buchhaltung des H auf, dass die Rechnung der R- GmbH immer noch nicht bezahlt ist. Kann H von der R-GmbH neben dem Kaufpreis auch Zinsen für die Monate Mai bis August verlangen? 5

Fall 4 Lösungsskizze H? R-GmbH auf Zinszahlung Mai August 1. AGL: 288 BGB Voraussetzung: Verzug a) Mahnung ( 286 I BGB) hier ( ) b) Mahnung entbehrlich ( 286 II BGB) hier ( ) c) 30-Tage-Regelung ( 286 III BGB) Lieferung 1. Mai => Ende Mai Verzug Also: Zinsen für Juni August Die Höhe: richtet sich nach 288 II BGB Zurzeit (seit 1.7.2007) 3,19 % + 8 % = 11,19 %. Ergebnis: 11,19 % Zinsen für Juni bis August 2. AGL: 353 HGB (sog. Fälligkeitszinsen) a) beiderseitiges Handelsgeschäft ( 343 HGB) Zu prüfen: beide Vertragsparteien = Kaufleute i.s.v. 1 ff. HGB Rechtsanwalt ( ) gemäß 1 HGB Aber gemäß 13 III GmbHG b) Höhe: hier 352 HGB (5 %), nicht 246 BGB (4 %) Ergebnis: 5 % Zinsen für Mai Fall 4 Lösung Fraglich ist, ob H von der R-GmbH Zinsen für die Monate Mai bis August verlangen kann. 1. Als Anspruchsgrundlage kommt zunächst 288 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen. ( 288 BGB ist gegenüber 353 HGB, der die Verzinsung ab Fälligkeit regelt, als lex specialis vorrangig zu prüfen. 353 HGB braucht man aber für die Zeitspanne zwischen Fälligkeit und Verzug). Der Verzugszinssatz beträgt im Regelfall für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ( 288 I BGB), bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, für Entgeltforderungen sogar acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ( 288 II BGB). a) Verzug kann gemäß 286 I BGB zunächst durch Mahnung eintreten. Für eine Mahnung ist hier jedoch nichts ersichtlich, ebenso wenig für eine Entbehrlichkeit der Mahnung gemäß 286 II BGB. ( 352 HGB, der die Höhe des gesetzlichen Zinses bei Kaufleuten bestimmt, ist ab dem Zeitpunkt des Verzugs nicht anwendbar, denn er schließt die Verzugszinsen ausdrücklich von seiner Regelung aus). b) Gemäß 286 III BGB kommt der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet. Da die Rechnung hier mit der Lieferung am 1. Mai zugegangen ist, kam die R-GmbH Ende Mai gemäß 286 III BGB in Verzug. Ob auf diese Folge in der Rechnung besonders hingewiesen worden ist (vgl. 286 III 1 Hs. 2 BGB), kann hier offen bleiben, da die R-GmbH kein Verbraucher i.s.v. 13 BGB ist. 6

c) Da die R-GmbH somit ab Anfang Juni in Verzug war, hat sie für die Monate Juni bis August Verzugszinsen gemäß 288 BGB zu zahlen. Die Zinshöhe bestimmt sich dabei nach 288 II BGB, weil an dem Rechtsgeschäft keine Verbraucher beteiligt sind. Da der Basiszinssatz, der an die Stelle des Diskontsatzes der Deutschen Bundesbank getreten ist und von der EZB regelmäßig angepasst wird, zurzeit 3,19 % beträgt, beläuft sich der Verzugszinssatz gemäß 288 II BGB derzeit auf 11,19 %. 2. Als Anspruchsgrundlage kommt darüber hinaus 353 HGB in Betracht. Danach sind Kaufleute untereinander berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften bereits vom Tage der Fälligkeit nicht erst des Verzuges Zinsen zu fordern (sog. Fälligkeitszinsen). Da die Zahlung bereits am 1. Mai fällig war, könnte sich aus dieser Vorschrift ein Zinsanspruch auch für den Monat Mai ergeben. (Für die Zeit ab Juni, d.h. ab Verzug, ist wie erwähnt die Regelung des 288 BGB dominant als lex specialis). a)voraussetzung ist ein beiderseitiges Handelsgeschäft im Sinne von 343 HGB. Zu prüfen ist daher, ob beide Vertragsparteien Kaufleute i.s.v. 1 ff. HGB sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Büromaschinen-Handel H Kaufmann nach 1 ist, also ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe i.s.v. 1 II HGB betreibt. Die Rechtsanwalts-GmbH ist hingegen nicht schon nach 1 HGB Kaufmann, weil vom Gewerbebegriff die Freiberufler, insbesondere die Rechtsanwälte, traditionell nicht erfasst werden. Da die Anwälte hier aber ihre Kanzlei in der Form einer GmbH betreiben, liegt die Kaufmannseigenschaft deshalb vor, weil die GmbH gemäß 13 III GmbHG Formkaufmann ist. Auf die Art der von der GmbH betriebenen Geschäfte kommt es dann nicht an. Da der Erwerb der Kopiergeräte zudem auf beiden Seiten zum Betrieb des Handelsgeschäfts gehört, liegt ein beiderseitiges Handelsgeschäft im Sinne von 343 HGB vor. H kann daher ab 1. Mai von der R-GmbH Fälligkeitszinsen verlangen. b) Die Höhe der Zinsen bestimmt sich hier nicht nach 246 BGB (4 %), sondern da auch insoweit eine handelsrechtliche Sondervorschrift eingreift nach 352 HGB. Der Zinssatz für den ersten Monat (Mai) beträgt daher 5 %. Für die Monate Juni bis August wären zwar auch diese Fälligkeitszinsen von 5 % zu zahlen. Da insoweit aber der höhere Verzugszins eingreift (oben 1.), ist die Anspruchsgrundlage des 353 HGB hier nicht relevant. Keinesfalls dürfen beide Zinssätze addiert werden. Ergebnis: Die R-GmbH schuldet für den Mai 5 % Zinsen, für Juni bis August 11,19 %. 7