Rechtliche Aspekte bei der betrieblichen Suchtprävention. Dr. Reinhard Künzl Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
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- Volker Geisler
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1 Rechtliche Aspekte bei der betrieblichen Suchtprävention Dr. Reinhard Künzl Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
2 Übersicht: 1. Suchtmittelverbote im Betrieb 2. Feststellen der Suchtmitteleinnahme 3. Umgang mit Arbeitnehmern unter Suchtmitteleinfluss 4. Präventionsmaßnahmen des Arbeitgebers 5. Mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer (Entgeltverlust, Abmahnung, Kündigung) 6. Mögliche Konsequenzen für Vorgesetzte/Arbeitgeber 7. Sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen 2
3 1. Suchtmittelverbote im Betrieb I. Alkohol 1. Absolute Verbote Spezielle Unfallverhütungsvorschriften (BO9Kraft; Bewachungsgewerbe) Ggf. Betriebsvereinbarung 2. Relative Verbote Arbeitschutzgesetz Unfallverhütungsvorschrift (Allgemeiner Teil) Straßenverkehrsrecht Arbeitsvertrag (Nebenpflicht) Ggf. Betriebsvereinbarung 3
4 1. Suchtmittelverbote im Betrieb II. Drogen Betäubungsmittelgesetz ( 29 BtMG) Arbeitsschutzgesetz ( 3 ff, 7, 15 ArbSchG) Straßenverkehrsgesetz ( 24a StVG) Unfallverhütungsvorschriften (insbesondere 15 II BGV A1) ggf. Betriebs9 oder Dienstvereinbarung 4
5 2. Feststellen der Suchtmitteleinnahme I. Alkohol Atemalkoholtest: nur mit Zustimmung des betreffenden Mitarbeiters Bluttest: nur mit Zustimmung des betreffenden Mitarbeiters (Körperverletzung!) damit verbleibt nur Nachweis auf Grund Indizien: z.b. Fahne, schwankender Gang; Verhaltensveränderung; Sprache 5
6 2. Feststellen der Suchtmitteleinnahme II. Drogen Pupillenreaktion; Urintest, Haartest: nur mit Zustimmung des betreffenden Mitarbeiters Haartest und Pupillenreaktion stellen eine Körperverletzung dar (!) Nachweis auf Grund von Indizien: wie bei Alkohol 6
7 3. Umgang mit Arbeitnehmern unter Suchtmitteleinfluss I. Entfernen vom Arbeitsplatz Rechtsgrundlage: 7 II BGV A1; 241 II BGB Erscheinen unter Suchtmitteleinfluss: nicht an den Arbeitsplatz lassen Einschränkung: Vorliegen eines nennenswerten Suchtmitteleinflusses 7
8 3. Umgang mit Arbeitnehmern unter Suchtmitteleinfluss II. Sicherer Nach9Hause9Weg Fürsorgepflicht des Arbeitgebers/Vorgesetzten Alternativen: Ausnüchtern oder leichtere Arbeit stellen nur theoretische Alternativen dar. Sicherer Weg: nach feststellbaren Grad der Alkoholisierung, Länge des Weges und dessen Gefährlichkeit 8
9 3. Umgang mit Arbeitnehmern unter Suchtmitteleinfluss Beispiele für sicheren Heimweg: Abholen lassen Mitnahme durch Kollegen Nach9Hause9Bringen durch den Werksschutz Taxi ggf. Krankenwagen/Polizei Begleitung: 192 Mitarbeiter als Begleitung (bis zur Wohnungstüre 9
10 3. Umgang mit Arbeitnehmern unter Suchtmitteleinfluss III. Kosten Anfallende Kosten hat der angetrunkene Mitarbeite zu übernehmen, wie etwa Telefonkosten Verauslagte Taxikosten Lohnkosten für die Begleitpersonen Lohnabzug im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen ist möglich ( 394 BGB, 850 c ZPO) 10
11 4. Präventionsmaßnahmen des Arbeitgebers I. Allgemein Immer wieder erfolgende Hinweise und Aufklärung über die Gefährlichkeit von Suchtmitteln am Arbeitsplatz Konkrete Information bei besonders gefährlichen Tätigkeiten II. Konkrete Hilfsangebote bei (vermutet) Suchtmittelabhängigen 11
12 5. Mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer (Entgeltverlust, Abmahnung, Kündigung) I. Entgeltverlust Wer suchtmittelbedingt seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, bekommt für diese Zeit kein Entgelt bei bestrittener Alkoholisierung: Arbeitnehmer muss den Nachweis der Arbeitsfähigkeit erbringen. nur wenn dieser gelingt, ist die Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu entrichten. 12
13 5. Mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer (Entgeltverlust, Abmahnung, Kündigung) II. Abmahnung Vor Kündigungsausspruch wegen eines steuerbaren Fehlverhaltens ist regelmäßig eine Abmahnung erforderlich (vgl. 314 II 1 BGB) steuerbares Verhalten liegt aber nur bei Missbrauch, nicht aber bei Sucht vor. i.d.r. in Betrieb/Dienststelle nicht zu beurteilen, ob bereits eine Suchterkrankung vorliegt. Dennoch: Es sollte stets abgemahntwerden. Darin kann der erste Hinweis auf ein problematisches (Trink9)Verhalten liegen. 13
14 5. Mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer (Entgeltverlust, Abmahnung, Kündigung) Achtung (!): Fehlverhalten (bekannt) suchtkranker Mitarbeiter: Auch suchtkranke Mitarbeiter können je nach der Situation schuldhaft handeln. Aber:Nicht jedes objektive Fehlverhalten eines Suchtkranken ist auch als solches anzusehen. U.U. stellt dies eine bloße Suchtfolge dar (z.b. Arbeitszeitverstöße von Alkoholkranken, die infolge ihrer Sucht nicht mehr [so] zuverlässig sind) 14
15 5. Mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer (Entgeltverlust, Abmahnung, Kündigung) Inhalt der Abmahnung Hinweisfunktion: Das Fehlverhalten ist so konkret als möglich aufzuzeigen. Warnfunktion: Für den Fall des neuerlichen Fehlverhaltens werden arbeitsrechtliche Konsequenzen (Kündigung) angedroht. Dokumentation: Abmahnung sollte zu Dokumentationszwecken schriftlich erfolgen 15
16 5. Mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer (Entgeltverlust, Abmahnung, Kündigung) III. Kündigung Verhaltensbedingte Kündigung bei Suchtmittelmissbrauchund vorwerfbarem Fehlverhalten Suchtkranker i.d.r: schuldhaftes Fehlverhalten erforderlich 16
17 5. Mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer (Entgeltverlust, Abmahnung, Kündigung) Krankheitsbedingte Kündigung bei Suchterkrankung negative Prognose(z.B. auch künftig häufige Ausfallzeiten) ist bei Sucht nach BAG nicht so genau zu prüfen, wie bei anderen Erkrankungen m.e. unzutreffend: bei Sucht ist die Prognose wegen vorliegender empirischer Daten nur einfacher zu treffen 17
18 5. Mögliche Konsequenzen für Arbeitnehmer (Entgeltverlust, Abmahnung, Kündigung) da aber nur eine unbehandelte Suchtzur Eskalation neigt, begründet eine behandelte Suchteine positive Prognose. Das bedeutet: Vor Ausspruch einer Kündigung muss eine Interventionskette abgelaufen sein. Der Arbeitgeber muss dem betreffenden Mitarbeiter mit dem notwendigen Nachdruck die Erforderlichkeit einer Therapie nahe gebracht haben. Nur wenn dann die Therapie verweigert wird, kann eine Kündigung ausgesprochen werden. 18
19 6. Mögliche Konsequenzen für Vorgesetzte/Arbeitgeber I. Strafrechtliche Konsequenzen Bei Verletzung des unter Suchtmitteleinfluss stehenden Arbeitnehmers oder auch bei Verletzung dritter Personen: fahrlässige Körperverletzung ( 230 StBG) ggf. fahrlässige Tötung ( 222 StBG) ggf. Aussetzung ( 221 StGB) falls der Vorgesetzte/Arbeitgeber trotz erkannten oder erkennbaren Suchtmitteleinflusses nicht eingeschritten war. 19
20 6. Mögliche Konsequenzen für Vorgesetzte/Arbeitgeber II. Zivilrechtliche Konsequenzen Haftung für Personenschäden (Betriebsangehöriger) Haftung nur bei Vorsatz oder Wegeunfall Haftung für sonstige Schäden (Eigentum/Personenschäden Betriebsfremder) Haftung je nach Verschuldengrad Vorsatz: volle Haftung Grobe Fahrlässigkeit: grundsätzlich volle Haftung Mittlere Fahrlässigkeit: anteilige Haftung Leichteste Fahrlässigkeit: keine Haftung
21 7. Sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen I. Lösung von der versicherten Tätigkeit bei Suchtmitteleinnahme II. Lösung erfolgt bei Alkohol: Grundsätzlich ab 2,5 Promille Im Übrigen: wenn sich ein Unfall ohne Alkohol nicht oder nicht in dieser Schwere ereignet hätte (Alkohol als wesentliche Bedingung) Sonstige Suchtmittel: Keine Grenzwerte (Einzelfallbetrachtung) 21
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