Strafprozessrecht II Master. Strafprozessuale Grundsätze. Dr. iur Julian Mausbach. Rechtswissenschaftliches Institut

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1 Strafprozessrecht II Master Strafprozessuale Grundsätze Dr. iur Julian Mausbach StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 1

2 Teil 1 Organisatorisches zur Veranstaltung Strafprozessrecht II (Master)

3 Grundprinzipien Vorlesung Verteidigung Vorlesung Zwangsmassnahmen I Vorlesung Termine Vorlesungen und Übungen Zwangsmassnahmen II Vorlesung Beweis Vorlesung Richter im Strafprozess Vorlesung Referat Aeschbacher Revision StPO Vorlesung Referat Goldschmid Karfreitag Osterferien Staatsanwalt und Verteidiger im Strafprozessrecht Vorlesung Referat Colombi / Brunner Tag der Arbeit Verteidigung/ Haft/ verdeckte Fahndung und Ermittlung Übung Verteidigung/ Haft/ verdeckte Fahndung und Ermittlung Übung Strafverfolgung in Staaten mit dysfunktionalen Strukturen am Beispiels von Kolumbien Vorlesung Referat Zuluaga Verteidigung/ Haft/ verdeckte Fahndung und Ermittlung Übung

4 Übungen im Strafprozessrecht: 8. Mai / 15. Mai / 29. Mai Ausgewählte strafprozessuale Problembereiche werden anhand von bundesgerichtlicher Rechtsprechung und EGMR Entscheiden vertieft angeschaut und diskutiert Durchführung in kleineren Gruppen Interaktiv Vorbereitung obligatorisch StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 4

5 Allgemeine Hinweise zu den Übungen (I) Die Übungen werden in drei Gruppen durchgeführt. Sie verbleiben immer in derselben Übungsgruppe und wechseln zwischen den 3 Dozierenden. Die Zuteilung in die Übungsgruppe ist zwingend einzuhalten. Für jede Übungsstunde finden Sie auf der Homepage des Lst. Jositsch Informationen zur Vorbereitung (Aufgabenblatt, Pflichtlektüre und allenfalls Zusatzlektüre) StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 5

6 Lernziele Fallbasiertes Erkennen von strafprozessualen Problemstellungen Fähigkeit erwerben, strafprozessuale Problemstellungen in einem grösseren Zusammenhang zu verstehen Bewertung unterschiedlicher Argumentationen sowohl aus der Perspektive des Beschuldigten als auch der Verteidigung Schulung der eigenen Argumentationsfähigkeiten Lösen von strafprozessualen Fällen Prüfungsvorbereitung StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 6

7 Allgemeine Hinweise zu den Übungen (II) Bitte lesen Sie das Aufgabenblatt sorgfältig durch und bereiten Sie die Pflichtlektüre vor. Die Zusatzlektüre dient dem besseren Verständnis des Themas und muss nicht für die Übungsstunde vorbereitet werden. Die in den Übungen behandelten Entscheide und Probleme der Pflicht- und Zusatzliteratur gehören auch zum Prüfungsstoff gleiches gilt dem Grundsatz nach für den Inhalt der Referate, die innerhalb der Vorlesungszyklus gehalten werden. Bei Fragen zu den einzelnen Übungsstunden wenden Sie sich bitte direkt an die Übungsleiter und Übungsleiterinnen. Bei allgemeinen Fragen zur Veranstaltung wenden Sie sich bitte an StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 7

8 Themen / Dozierende Übungen Thema 1 (Sophie Matjaz): Verteidigung Thema 2 (Katarina Clavuot-Jaksic): verdeckte Fahndung/verdeckte Ermittlung Thema 3 (Julian Mausbach): Haft StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 8

9 Organisation Übungen / Dozierende Die Einteilung in drei Übungsgruppen erfolgt bis spätestens anfangs Mai Studierende rotieren zwischen den Dozierenden. Angaben zu den Gruppen und den Räumen finden Sie ab spätestens 1. Mai 2020 auf der Homepage des Lehrstuhls Jositsch StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 9

10 Prüfung - Der Inhalt der Prüfung richtet sich nach der Modulbeschreibung. Er umfasst dabei auch und sowohl den in den Vorlesungen und Referaten als auch in den Übungen vermittelten Stoff. - Die Prüfung wird schriftlich abgehalten. Es werden Multiple Choice Fragen zu beantworten sein. - Im Fall einer schriftlichen Prüfung dauert diese 1 Stunde; im (höchst unwahrscheinlichen) Fall von mündlichen Prüfungen werden diese ca. 15 Minuten dauern StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 10

11 Teil Grundprinzipien des Strafverfahrens Einleitung Ziel und Ablauf

12 Ziel des Strafverfahrens Gerechte Entscheidung = Wahrheit (materiell) Fairness (formell) Zur Vertiefung: Gerechtigkeit und Wahrheit im modernen Strafprozess, Thommen, recht 2014, 264 f. StPO II, FS 2002, Dr. Julian Mausbach RA Seite 12

13 Art. 6 EMRK Recht auf ein faires Verfahren Fairness StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 13

14 Beispiel Horgener Zwillingsmord Fairness Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hob das Urteil des Geschworenengerichts im Fall des Zwillingsmords von Horgen auf. Der Fall musste damit erstinstanzlich neu verhandelt werden. Zu prüfen war unter dem Aspekt der ungenügenden Verteidigung, ob sich der Vorinstanz aus damaliger Sicht d.h. insbesondere auch vor einer entsprechenden Stellungnahme der Verteidigerin die Verteidigung dermassen ungenügend präsentierte, dass die Vorinstanz hätte einschreiten müssen. Das Kassationsgericht sah eine ungenügende Verteidigung und die Fürsorgepflicht des Richters als nicht erfüllt an = Nicht FAIR StPO II, FS 2018, Dr. Julian Mausbach RA Seite 14

15 Fall Gäfgen Wahrheit Entführung/Tötung Jakob v. Metzler (11 J.) Folterandrohung Polizei-Vize Daschner StPO II, FS 2002, Dr. Julian Mausbach RA Seite 15

16 Zielkonflikte bzw. das Spiel der Kräfte. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 16

17 Ablauf des Strafverfahren Polizeiliches Ermittlungsverfahren Untersuchungsverfahren Zwischenverfahren Gerichtsverfahren Rechtsmittel Delikt Eröffnung Nichtanhandnahme Anklage Urteil Polizei Staatsanwalt Staatsanwalt Gericht Weiterer Instanzenzug StPO II, FS 2002, Dr. Julian Mausbach RA 17

18 Teil 3 Strafprozessuale Grundsätze

19 Prinzipien des Strafprozess Grundprinzipien Schutz des Beschuldigten Allgemeine Verfahrensprinzipien Amtsführung durch StA und Gerichte Feststellung und Würdigung des Sachverhalts StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 19

20 Achtung der Menschenwürde Geltung der Grundsätze im Strafverfahren Polizeiliches Ermittlungsverfahren Untersuchungsverfahren Zwischenverfahren Gerichtsverfahren Rechtsmittel Spätestens ab hier: Legalitätsprinzip typischerweise hier: Opportunitätssprinzip bis hier Unschuldsvermutung Delikt Eröffnung Nichtanhandnahme Anklage Urteil Polizei Staatsanwalt Staatsanwalt Gericht Weiterer Instanzenzug StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA 20

21 Strafprozessuale Grundsätze Was folgt aus einer Verletzung derselben? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 21

22 Grundprinzipien Beachtung der Menschenwürde Justizgewährungspflicht Offizialprinzip Legalitätsprinzip Akkusationsprinzip Immutabiltätsprinzip Erledigungsprinzip Ne bis in idem StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 22

23 Hans Rintfleisch Rintfleisch wird in einem Wirtshaus seine Geldbörse gestohlen. Er konnte den Wirt als Dieb ausfindig machen und klagte ihn an. Der Dorfrat hat nun nicht nur die Todesstrafe durch den Strang über den Wirt verhängt, sondern darüber hinaus, weil gerade kein Henker im Ort verfügbar war, auch den Geschädigten also Hans Rintfleisch zur eigenhändigen Vollstreckung des Urteils verpflichtet. Sollte sich Hans Rintfleisch weigern, so der Dorfrat in seinem Urteil, seinen Schädiger entsprechend zu sanktionieren, würde er selbst gehängt werden. Der arme Mann musste also zum Vollzug der Strafe schreiten. Wann spielt dieser Fall? Welche Gedanken kommen Ihnen mit Blick auf die Prinzipien des Strafprozesses?

24 Allgemeine Verfahrensprinzipien Grundsatz der (Un-)Mittelbarkeit Grundsatz der Mündlichkeit / Schriftlichkeit Begründungspflicht Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 24

25 Begrenzung von Öffentlichkeit - Beispiele 1. Kann das Opfer eines Sexualdelikts verhindern, dem Beschuldigten bei der eigenen Einvernahme begegnen zu müssen? 2. In einem Strafverfahren um häusliche Gewalt, will der Richter sicherstellen, dass die Persönlichkeitsrecht der Beteiligten nicht verletzt werden (junger Angeklagter, psychische Probleme bei Angeklagtem wie Geschädigter) und schliesst die Öffentlichkeit bis auf akkreditierte Bereichterstatter, welche es unter Auflagen zulässt - aus. Zu Beginn der Hauptverhandlung fragt der Richter die drei anwesenden Journalisten, ob sie garantieren können, dass die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten gewahrt bleiben. Ein Journalist antwortet: Ich garantiere für nichts, das entscheidet mein Chef!. Der Richter schliesst diesen Journalisten aus. Zu Recht? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 25

26 Öffentlichkeitsprinzip Ermittlungen Untersuchungs V AnklagezulassungsV Hauptverhandlung Urteilsberatung RechtsmittelV BesondereV ZwangsmassnahenGV - ParteiÖ. + ParteiÖ + ParteiÖ + ParteiÖ. - ParteiÖ. + ParteiÖ. + ParteiÖ. + (aber Anwalt erster Stunde) MedienÖ - PublikumsÖ: - MedienÖ - PublikumsÖ: - MedienÖ + PublikumsÖ: + MedienÖ - PublikumsÖ: - MedienÖ - PublikumsÖ: - MedienÖ - PublikumsÖ: - MedienÖ - PublikumsÖ: - StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

27 Prinzipien zum Schutz des Beschuldigten Unschuldsvermutung Fair trial Grundsatz des rechtlichen Gehörs Grundsatz von Treu und Glauben Richterliche Unabhängigkeit Garantie des gesetzlichen Richters StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 27

28 GS für die Amtsführung von StA und Gerichten Pflicht zur Objektivität Beschleunigungsgebot Konzentrationsgrundsatz Wahrung des Amtsgeheimnisses Aktenführung Verbot der Berichtannahme Verhältnismässigkeitsgrundsatz StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 28

29 Beispiel Objektivitätspflicht (1B_13/2013 Urteil vom 17. April 2013) Der damalige Bezirksamtmann-Stellvertreter des Bezirksamts Muri, Y., führte 2004/2005 eine Strafuntersuchung gegen X. wegen sexueller Handlungen mit Kindern. Dieser wurde verdächtigt, am 15. Oktober 2004 über den Computer seiner Eltern auf der Gemeindehomepage der Stadt A. einen Text platziert zu haben, mit welchem er "zwecks Abbau sexueller Spannungen weibliche Minderjährige" suchte. Anlässlich einer Akteneinsichtnahme äusserte sich Bezirksamtmann-Stellvertreter Y. nach seinen eigenen Angaben gegenüber X. wie folgt: "Wenn ich ihr Vater wäre und Sie meinen PC für solche Veröffentlichungen verwendet hätten, damit zuerst der Verdacht auf den Vater fällt, hätten Sie von mir links und rechts eins an die Ohren bekommen." Nach Darstellung von X. lautete die Aussage Y. s: "Das sind also Sie gewesen! Ihnen hätte man links und rechts an den Grind geben sollen!" Kann Y das Verfahren weiter führen?

30 Grundsätze zur Feststellung und Würdigung des Sachverhalts Instruktionsmaxime Grundsatz der freien Beweiswürdigung In dubio pro reo StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 30

31 Beispiel in dubio pro reo Anton wird von der Staatsanwaltschaft wegen gewerbsmässigem Diebstahl angeklagt. In seiner Wohnung fand man Diebesgut und stellte dieses sicher. Anton zeigt sich zu keiner Zeit im Verfahren geständig. Für die Zeiten der vorgeworfenen Diebstähle hat Anton kein Alibi. Es sind keine weiteren Beweise für oder gegen die Täterschaft des Anton vorhanden. Verurteilung möglich? StPO II, FS 2017, Dr. Julian Mausbach RA Seite 31

32 Beispiel in dubio pro reo Anklage wegen gewerbsmässigem Diebstahl Diebesgut in der Wohnung des Angeklagten sichergestellt Kein Geständnis Kein Alibi für die Zeiten der Diebstähle Keine weiteren Beweise Verurteilung möglich? StPO II, FS 2017, Dr. Julian Mausbach RA Seite 32

33 Unschuldsvermutung / in dubio pro reo Art. 10 Unschuldsvermutung und Beweiswürdigung Unschuldsvermutung 1 Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig. 2 Das Gericht würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung. freie Beweiswürdigung 3 Bestehen unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, so geht das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus. in dubio pro reo StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 33

34 Seite 34 Teil 4 Legalitäts- und Oppurtinitätsprinzip

35 Legalitätsprinzip Art. 7 Verfolgungszwang 1 Die Strafbehörden sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit ein Verfahren einzuleiten und durchzuführen, wenn ihnen Straftaten oder auf Straftaten hinweisende Verdachtsgründe bekannt werden. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 35

36 Zweck des Legalitätsprinzips Justizgewährleistung Verhinderung von Willkür Rechtsgleichheit Rechtsdurchsetzung StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

37 Legalitätsprinzip im Gesetz Diese Verpflichtung wird in zahlreichen anderen gesetzlichen Vorschriften direkt oder indirekt konkretisiert: Art. 16 Abs. 1: Pflicht der Staatsanwaltschaft zur gleichmässigen Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs Art. 300: Pflicht zur Einleitung eines Vorverfahrens Art. 302: Anzeigepflicht Art. 309: Pflicht zur Eröffnung einer Untersuchung Art. 310: Zulässigkeit einer Nichtanhandnahme Art. 319: Zulässigkeit einer Verfahrenseinstellung Art. 324: Anklageerhebung StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

38 Legalitätsprinzip Strafmonopol des Staates = Verfolgungszwang Beispiel: Daher etwa keine (grosse) Kronzeugenregelung (beachte aber aber 260 ter StGB) Grenzen bei Immunität und Antragsdelikten Agent provokateur wird bestraft Opportunitätsprinzip Grenze findet diese allgemeine Regelung auch dort, wo es die StPO den Behörden erlaubt, sich im Rahmen eines abgekürzten Verfahrens mit dem Beschuldigten zu einigen. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

39 Der singende Dieb Anton ist wieder einmal knapp bei Kasse. Dieses Problem löst er, indem er seiner Mutter aus dem Portmonaie 500 CHF entwendet. Hocherfreut über seinen Coup, fühlt er das dringende Bedürfnis, dies seinem Freund Beat an einer Tramhaltestelle zu berichten. Der Polizist Paul hört diesen Bericht. a) Kann/Muss P ein Ermittlungsverfahren einleiten? b) Was ändert sich, wenn der Anton das Geld aus der Brieftasche eines Arbeitskollegen entwendet? c) Wie sieht es aus, wenn der Arbeitskollege ein begeisterter Kredikartenutzer ist und sein Portmonaie daher nur 20 CHF Bargeld enthielt. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

40 Legalitätsprinzip Nochmal zur Frage b) Was ändert sich, wenn der Anton das Geld aus der Brieftasche eines Arbeitskollegen etwendet? Darf der Paul etwa weil er befürchtet, dass dies seine Teilnahme an einer Vereinsfeier gefährden könnte von einer Verfolgung absehen? Macht es einen Unterschied, ob Paul im Dienst ist oder nicht? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

41 Opportunitätsprinzip Art. 8 Verzicht auf Strafverfolgung 1 Staatsanwaltschaft und Gerichte sehen von der Strafverfolgung ab, wenn das Bundesrecht es vorsieht, namentlich unter den Voraussetzungen der Artikel 52, 53 und 54 des Strafgesetzbuches (StGB). 2 Sofern nicht überwiegende Interessen der Privatklägerschaft entgegenstehen, sehen sie ausserdem von einer Strafverfolgung ab, wenn: a. der Straftat neben den anderen der beschuldigten Person zur Last gelegten Taten für die Festsetzung der zu erwartenden Strafe oder Massnahme keine wesentliche Bedeutung zukommt; b. eine voraussichtlich nicht ins Gewicht fallende Zusatzstrafe zu einer rechtskräftig ausgefällten Strafe auszusprechen wäre; c. eine im Ausland ausgesprochene Strafe anzurechnen wäre, welche der für die verfolgte Straftat zu erwartenden Strafe entspricht. 3 Sofern nicht überwiegende Interessen der Privatklägerschaft entgegenstehen, können Staatsanwaltschaft und Gerichte von der Strafverfolgung absehen, wenn die Straftat bereits von einer ausländischen Behörde verfolgt oder die Verfolgung an eine solche abgetreten wird. 4 Sie verfügen in diesen Fällen, dass kein Verfahren eröffnet oder das laufende Verfahren eingestellt wird. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 41

42 Legalität versus Opportunität Legalitätsprinzip Art. 2 Abs. 1 StPO: Justizmonopol Art. 7 Abs. 1 StPO: Legalitätsprinzip/Verfolgungszwang Art. 6 StPO: Untersuchungsgrundsatz Art. 8 StPO: Verzicht auf Strafverfolgung (Art. 316 StPO: Vergleich) (Art. 358 StPO: abgekürztes Verfahren) Art StGB: Strafbefreiung Opportunitätsprinzip StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

43 Legalität versus Opportunität Rechtsgleichheit Verhältnismässigkeit Rechtsdurchsetzung Verfahrensökonomie rechtlich Gebotenes ökonomisch Machbare StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

44 Art. 8 StPO Verzicht auf Strafverfolgung 1 Staatsanwaltschaft und Gerichte sehen von der Strafverfolgung ab, wenn das Bundesrecht es vorsieht, namentlich unter den Voraussetzungen der Artikel 52, 53 und 54 des Strafgesetzbuches (StGB). Gemässigtes Opportunitätsprinzip Strafbefreiung und Einstellung StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

45 wenn das Bundesrecht es vorsieht Art. 319 Abs. 2 StPO (Auf zwingendes Verlangen des minderjährigen Opfers kann StA einstellen) Art. 23 StGB (Rücktritt und tätige Reue); Art. 55a Abs. 3 StGB Art. 171 Abs. 2 StGB (durch wirtschaftliche Anstrengung des Beschuldigten erreichtes Zustandekommen eines gerichtlichen Nachlassvertrags bei Konkurs- und Betreibungsdelikten); Art. 173 Ziff. 4 StGB (Rücknahme einer ehrverletzenden Äusserung als unwahr); Art. 177 Abs. 2 3 StGB (Provokation und Retorsion); Art. 187 Ziff. 3 StGB, Art. 188 Ziff. 2 StGB, Art. 192 Abs. 2 StGB, Art. 193 Abs. 3 StGB (Absehen von Strafe nach Sexualdelikten, wenn der Täter mit dem Opfer eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft eingegangen ist) Art. 293 Abs. 3 StGB (Absehen von Strafe, wenn das an die Öffentlichkeit gebrachte Geheimnis von geringer Bedeutung ist); Art. 308 Abs. 1 StGB (Berichtigung von Falschaussagen nach Art. 303, 304, 306 und 307 StGB); Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG (Absehen von Strafe bei besonders leichten SVG-Delikten); Art. 100 Ziff. 2 Abs. 2 SVG (Absehen von Strafe bei auf Geheiss des Vorgesetzten begangenen SVG-Übertretungen); Art. 115 Abs. 4 AuG (Absehen von Strafverfolgung, Überweisung an das Gericht oder Bestrafung bei rechtswidrig ein- oder ausgereisten Ausländern, sofern sie sofort ausgeschafft werden); Art. 119 Abs. 2 AuG (Absehen von Strafe oder Strafverfolgung, wenn eine Person, die eine Ein- oder Ausgrenzung missachtet hat, sofort ausgeschafft werden kann oder sich in Vorbereitungs- oder Ausschaffungshaft befindet); Art. 19a Ziff. 2 BetmG (Einstellung des Verfahrens oder Absehen von Strafe bei leichten Fällen unbefugten Betäubungsmittelkonsums); Art. 98 Abs. 3 LFG (Absehen von der Durchführung eines Strafverfahrens, wenn strafbaren Handlungen «an Bord ausländischer Luftfahrzeuge über der Schweiz oder an Bord schweizerischer Luftfahrzeuge ausserhalb der Schweiz verübt worden» sind).

46 Art. 52, 53, 54 StGB Schuld und Tatfolgen gering = Bagatellen Wiedergutmachung Absehen von Verfolgung, wenn der Täter durch die Folgen der Tat schwer betroffen ist = Verhältnissmässigkeitsprüfung (Rechtsfrieden [noch immer] ausreichend gestört?) StPO II, FS 2017, Dr. Julian Mausbach RA

47 Verfolgen oder nicht? Der Bankangestelle A überwies während eines Jahres insgesamt 184tCHF Kundengelder auf sein Privatkonto. Dies fiel auf, weil er die letzte Tranche recht hoch (60 tchf) ausfallen lies. (Straftatbestand: Veruntreuung 138 StGB) A zeigte sich geständig, zahlte den Betrag vollständig zurück und entschuldigte sich beim CEO der Bank. Die Staatsanwaltschaft ist sich nicht ganz sicher, soll sie diesen Fall verfolgen oder nicht? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 47

48 Art. 8 Abs. 2 StPO Verzicht auf Strafverfolgung 2 Sofern nicht überwiegende Interessen der Privatklägerschaft entgegenstehen, sehen sie ausserdem von einer Strafverfolgung ab, wenn: a. der Straftat neben den anderen der beschuldigten Person zur Last gelegten Taten für die Festsetzung der zu erwartenden Strafe oder Massnahme keine wesentliche Bedeutung zukommt; b. eine voraussichtlich nicht ins Gewicht fallende Zusatzstrafe zu einer rechtskräftig ausgefällten Strafe auszusprechen wäre; c. eine im Ausland ausgesprochene Strafe anzurechnen wäre, welche der für die verfolgte Straftat zu erwartenden Strafe entspricht. 3 wenn die Straftat bereits von einer ausländischen Behörde verfolgt oder die Verfolgung an eine solche abgetreten wird. Interesse der Privatklägerschaft und für Verfahrensausgang belanglose Delikte, oder belanglose Zusatzstrafe, oder Anrechnung deckt erwartete Strafe, oder Ausländische Strafverfolgung

49 Strafprozessrecht II Mastervorlesung Frühjahrssemester 2020 Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch

50 Vorlesungsprogramm Strafprozessrecht II Lektion Datum Inhalt 2 Fr, Verteidigung 3 Fr, Zwangsmassnahmen I 4 Fr, Zwangsmassnahmen II Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 2

51 Literatur D. Jositsch, Grundriss des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl., Zürich/St.Gallen, 2017 N. Schmid/D. Jositsch, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen, Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 3

52 Strafprozessrecht II Lektion 2: Verteidigung

53 Aufgabe der Verteidigung StPO 128: Grundsatz: Verteidigung ist nur den Interessen der beschuldigten Person verpflichtet Jedoch ist die Verteidigung nicht an die Weisungen der beschuldigten Person gebunden Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 5

54 Genügende Verteidigung Wirksame Ausübung der Verteidigungsrechte: Verteidiger hat die Verfahrensrechte der beschuldigten Person Ausreichend Zeit vor Verfahrenshandlungen, Rücksicht auf Verfügbarkeit des Verteidigers und Information des Verteidigers Freier schriftlicher und mündlicher Verkehr zwischen Verteidigung und der beschuldigten Person Pflicht zu sorgfältiger Verteidigung: Wahrnehmung der Verteidigungsrechte im Vorverfahren (z.b. Akteneinsicht, Teilnahmerechte) und in der Hauptverhandlung Rechtsmittel in einigermassen aussichtsreichen Fällen Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 6

55 Recht auf Verteidigung Recht auf Verteidigung: (EMRK 6 Ziff. 3, IPBPR 14 III lit. b, BV 32 II, StPO 129 I i.v.m. StPO 127 I und V sowie VStR 32 ff.) Zwei Teilgehalte: Formell: Recht der beschuldigten Person in jedem Straffall und jedem Verfahrensstadium einen Verteidiger zu bestellen Materiell: Jede Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, zur Entlastung der beschuldigten Person aktiv auf das Verfahren einzuwirken Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 7

56 Arten der Verteidigung Wahlverteidigung (StPO 129) Notwendige Verteidigung (StPO 130 f.) Amtliche Verteidigung (StPO 132 ff.) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 8

57 Wahlverteidigung/amtliche Verteidigung Freiwillige Verteidigung Notwendige Verteidigung Wahlverteidigung Amtliche Verteidigung Wahlverteidigung Amtliche Verteidigung Voraussetzungen: Voraussetzung: Fehlende Finanzielle Mittel Komplexe Sach- oder Rechtsfragen Kein Bagatellfall Die beschuldigte Person hat selbst keinen Verteidiger bestellt Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 9

58 Wahlverteidigung (StPO 129) Voraussetzung: schriftliche Vollmacht der beschuldigten Person oder protokollarische Erklärung Bestellung der Verteidigung: Gemäss Vereinbarung zwischen Verteidiger und beschuldigter Person mittels einer Vollmacht Einschränkung (StPO 127 V): Vertretung der beschuldigten Person vor Gerichtsbehörden nur durch eingetragene Rechtsanwälte Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 10

59 Notwendige Verteidigung (1/2) Zwingende anwaltliche Vertretung der beschuldigten Person (StPO 130): Untersuchungshaft mehr als 10 Tage Drohende Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr, eine freiheitsentziehende Massnahme oder eine Landesverweisung Körperliche oder geistige Beeinträchtigung oder aus anderen Gründen Anwesenheit des Staatsanwaltes bei der Gerichtsverhandlung Im abgekürzten Verfahren gemäss StPO Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 11

60 Notwendige Verteidigung (2/2) Beginn der notwendigen Verteidigung: Sobald ein Grund nach StPO 130 erkennbar ist Bestellung der notwendigen Verteidigung (StPO 131): Der beschuldigten Person wird zur Bestellung des Verteidigers eine Frist gesetzt Ist die beschuldigte Person anschliessend nicht verteidigt, wird ein amtlicher Verteidiger eingesetzt Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 12

61 Fall 1 (BJM 2012 S. 48 ff.) Im Nachtclub X kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, wobei zwei Personen Schnittverletzungen am Halsund Kopfbereich erlitten haben. A wurde daraufhin als beschuldigte Person durch die Staatsanwaltschaft einvernommen und darauf hingewiesen, dass gegen ihn ein Vorverfahren wegen versuchter Tötung eingeleitet worden ist. Des Weiteren wurde A auf sein Recht eine Verteidigung beizuziehen oder gegebenenfalls eine amtliche Verteidigung zu beantragen, hingewiesen. A verzichtete darauf. Nach einer durch die Staatsanwaltschaft angeordneten Hausdurchsuchung wurde A erneut durch die zuständige Verfahrensleitung einvernommen, wobei ihm seine Rechte eine Verteidigung beizuziehen erneut erläutert wurden. Daraufhin gab A zu Protokoll, dass er die Einvernahme ohne Verteidiger bestreiten werde. Im Anschluss darauf wurde A festgenommen und zwei Tage später dem Zwangsmassnahmengericht zugeführt. Auf Wunsch von A, wurde Verteidiger B eingesetzt. Dieser machte geltend, dass es sich von Anfang an um einen erkennbaren Fall der notwendigen Verteidigung gehandelt habe und aus diesem Grund die ersten beiden Einvernahmen gemäss Art. 141 Abs. 5 StPO nicht verwertbar seien. Handelt es sich hierbei um einen Fall der notwendigen Verteidigung? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 13

62 Amtliche Verteidigung (1/2) Voraussetzungen der amtlichen Verteidigung (StPO 132): bei notwendiger Verteidigung, wenn kein Wahlverteidiger vorhanden ist die beschuldigte Person nicht über die für einen Wahlverteidiger notwendigen Mittel verfügt und eine Verteidigung für die Wahrung der Interessen geboten ist Interessenswahrung geboten: Kein Bagatellfall Schwierigkeit in tatsächlicher/rechtlicher Hinsicht Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 14

63 Amtliche Verteidigung (2/2) Bestellung der amtlichen Verteidigung (StPO 133): Die amtliche Verteidigung wird durch die Verfahrensleitung bestellt: die Wünsche der beschuldigten Person werden nach Möglichkeit berücksichtigt kein Anspruch der beschuldigten Person auf einen Verteidiger seiner Wahl Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 15

64 Fall 2 (Urteil 1B_23/2016 vom 8. Februar 2016 E. 2.5 ff.) A und B sind kosovarische Staatsangehörige und wohnhaft in Frankreich. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, ohne Bewilligung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in die Schweiz eingereist zu sein, um auf der Baustelle von C zu arbeiten. Die Staatsanwaltschaft erlässt gegen die Beschuldigten, Strafbefehle und spricht sie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz für schuldig. Die Geldstrafe von 120 TS zu CHF 30.- wird bedingt ausgesprochen und mit einer Busse von CHF verbunden. A und B erheben Einsprache gegen die jeweiligen Strafbefehle und ersuchen um amtliche Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft weist beide Gesuche ab. Wurden die Gesuche betreffend amtlicher Verteidigung zurecht durch die Staatsanwaltschaft abgewiesen? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 16

65 Fall 3 (Entscheid Obergericht Kanton Bern, BK vom 28. Oktober 2013) Anlässlich der Hafteinvernahme informiert Staatsanwalt S den Beschuldigten A über sein Recht eine amtliche Verteidigung beizuziehen. Er fragt A, ob er einen Verteidiger kennt, welchen er kontaktieren möchte. A schlägt die Verteidiger B und C vor. Daraufhin unterbricht S die Einvernahme kurz und teilt A mit, dass sowohl B als auch C seines Wissens nach nicht mehr als Verteidiger tätig sind. Daraufhin händigt er A eine Liste mit Pikettanwälten aus. Kurze Zeit später erfährt A, dass C entgegen der Aussage des Staatsanwaltes, noch als Strafverteidiger tätig ist. Daraufhin ersucht A um einen Wechsel der amtlichen Verteidigung, welche ihm verwehrt bleibt. Der zuständige Staatsanwalt äussert sich dahingehend, dass aus dem Protokoll nicht klar hervorgeht, dass A einen konkreten Wunsch bezüglich der Verteidigung geäussert hat und des Weiteren bestehe keine rechtliche Befolgungspflicht. A legt dagegen eine Beschwerde ein. Wie sehen seine Erfolgschancen aus? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 17

66 Anwalt der ersten Stunde (StPO 158) Grundsatz: Recht der beschuldigten Person auf Verteidigung ab der ersten Einvernahme Belehrungspflicht der einvernehmenden Behörde (StPO 158 Abs. 1), ansonsten absolute Unverwertbarkeit (StPO 158 Abs. 2) Teilgehalte des Rechts auf einen Anwalt der ersten Stunde: Recht einen Anwalt zu kontaktieren Beschränkte Unterstützungspflicht der Staatsanwaltschaft bei der Anwaltssuche Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 18

67 Fall 4 (Urteil 1B_66/2015 vom 12. August 2015) Die Staatsanwaltschaft führte gegen A eine Strafuntersuchung u.a. wegen versuchten Diebstahls. Konkret wurde ihm vorgeworfen, eine Armbanduhr im Wert von Fr. 39' in einem Geschäft anprobiert und ständig belanglose Fragen gestellt zu haben, wohl in der Hoffnung, die Verkäuferin werde vergessen, dass er die Uhr noch am Handgelenk trage. Er habe sodann telefonieren müssen und dabei Anstalten gemacht, das Geschäft verlassen zu wollen, bevor er von der Verkäuferin auf die Uhr angesprochen worden sei. Daraufhin habe er sich noch einmal nach dem Preis erkundigt und gesagt, er müsse es sich überlegen, ehe er das Geschäft verlassen habe. Anlässlich der ersten polizeilichen Befragung am 3. Dezember 2014 verlangte A den «Anwalt der ersten Stunde». Der beigezogene Verteidiger stellte im Namen des Beschuldigten während der Einvernahme ein Gesuch um Bestellung als amtlicher Verteidiger. Am 10. Dezember 2014 wies die Oberstaatsanwaltschaft, Büro für amtliche Mandate, das Gesuch um Bestellung einer amtlichen Verteidigung ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht am 5. Februar ab. Mit Beschwerde in Strafsachen vom 2. März 2015 an das Bundesgericht beantragte A unter anderem, der Beschluss des Obergerichts vom 5. Februar sei aufzuheben und ihm sei für das bei der Staatsanwaltschaft geführte Strafverfahren in der Person des Rechtsanwalts P eine amtliche Verteidigung beizugeben und mit Fr zu entschädigen. Hat A für das bei der Staatsanwaltschaft geführte Strafverfahren einen Anspruch auf amtliche Verteidigung? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 19

68 Einschränkungen der Verteidigung (1/2) Rechtliche Einschränkungen: Sitzungspolizeiliche Massnahmen (StPO 63 ff.) Keine umfassende Übersetzung (StPO 68) Wechsel der Verteidigung Faktische Einschränkungen: unzureichende finanzielle Mittel der beschuldigten Person mangelnde Sprachkenntnisse Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 20

69 Einschränkungen der Verteidigung (2/2) Einschränkung der Teilnahmerechte: Bei Verhinderung des Rechtsbeistandes (keine Wiederholung, wenn unentschuldigt oder unverhältnismässig aufwändig) Im Rechtshilfeverfahren (grundsätzlich kein Anspruch auf Teilnahme bei Beweiserhebungen im Ausland) Durch Schutzmassnahmen Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 21

70 Strategie der Verteidigung Freispruch milde Bestrafung Beweislage günstig Beweislage ungünstig Kooperation Obstruktion Passivität Ethische Grenze: Verteidiger als Garant des Rechtsstaates Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 22

71 Entschädigung der Verteidigung Wahlverteidigung: Durch die beschuldigte Person gemäss Vereinbarung Anspruch auf Entschädigung der Wahlverteidigung (StPO 429 I a) Nur soweit die Anwaltskosten angesichts der Strafsache verhältnismässig und notwendig sind Amtliche Verteidigung: Entschädigung notwendiger und verhältnismässiger Leistung durch den Staat Bemessung anhand der Anwaltstarife des Bundes bzw. Kantons Rückzahlungspflicht gemäss StPO Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 23

72 Fall 5 Saralisa wird dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend vom Gericht zu 4 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Anschliessend kann sie den von ihr bestellten Wahlverteidiger Dieter nicht bezahlen. Kann Dieter seine Forderung gegenüber dem Staat geltend machen? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 24

73 Zusammenfassung Recht auf Verteidigung gliedert sich in einen formellen und materiellen Teilgehalt (StPO 128) Das Gesetz unterscheidet zwischen verschiedenen Arten der Verteidigung (Wahl-, amtlicher und notwendiger Verteidiger) Der Verteidiger verpflichtet sich die Interessen der beschuldigten Person zu wahren und die Verteidigungsrechte wirksam und sorgfältig auszuüben Rechte der Verteidigung können eingeschränkt werden (rechtlich/faktisch) Entschädigung der Verteidigung: Wahlverteidiger durch die beschuldigte Person gemäss Auftrag Amtliche Verteidigung durch den Staat gemäss Anwaltstarif Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 25

74 Strafprozessrecht II Lektion 3: Zwangsmassnahmen im Allgemeinen, Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie Ersatzmassnahmen Frühjahrssemester 2020 Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch

75 Zwangsmassnahmen Allgemein (1/3) StPO 196: Verfahrenshandlungen der Strafbehörden Grundrechtseingriffe Zweck: Beweissicherung (z.b. Hausdurchsuchung) Sicherstellung der Anwesenheit von Personen (z.b. Vorführung) Gewährleistung der Vollstreckung (z.b. Sicherheitshaft) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 2

76 Zwangsmassnahmen Allgemein (2/3) Voraussetzungen (StPO 197 I): Gesetzliche Grundlage (lit. a) Hinreichender Tatverdacht (lit. b) Kein milderes Mittel (Erforderlichkeit) (lit. c) Bedeutung der Straftat rechtfertigt die Zwangsmassnahme (Verhältnismässigkeit i.e.s.) (lit. d) Aber auch analog zu BV 36: Wahrung des Kerngehalts, Eignung des Grundrechtseingriffs Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 3

77 Zwangsmassnahmen Allgemein (3/3) Zuständigkeit (StPO 198): Durch die Staatsanwaltschaft (lit. a) oder das zuständige Gericht (lit. b) Durch die Polizei nur soweit gesetzlich erlaubt: z.b. StPO 241 III Anordnung: Grundsätzlich schriftliche Anordnung i.d.r. in Form eines Befehls, welcher der beschuldigten Person gegen Empfangsbestätigung zu übergeben ist Ausnahme: Geheimhaltungsgründe Rechtsmittel: Beschwerde gemäss StPO 393 ff Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 4

78 Rechtliche Grundlagen des Freiheitsentzugs (1/2) Rechtliche Grundlagen: Freiheitsentzug im Allgemeinen: BV 31, EMRK 5, IPBPR 9 Vorläufige Festnahme: (Haftbefehl: StPO 207 I d; Polizei auf frischer Tat: StPO 217 I a; Private auf frischer Tat: StPO 218) Untersuchungshaft/Sicherheitshaft: Untersuchungshaft: StPO Sicherheitshaft: StPO Ersatzmassnahmen: StPO Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 5

79 Rechtliche Grundlagen des Freiheitsentzuges (2/2) Grundsatz: Die beschuldigte Person bleibt während des Strafverfahrens in Freiheit Haft wird nur bei besonderen Haftgründen angeordnet Die Haft während des Strafverfahrens verfolgt keinen Strafzweck Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 6

80 Beginn des Freiheitsentzuges Vorladung (StPO 201 ff.) Durch polizeiliche Vorführung (StPO 207 ff.) Vorläufige Festnahme (StPO 217 ff.) Anschliessend wird die beschuldigte Person einvernommen und über ihre Rechte und den Gegenstand des Strafverfahrens aufgeklärt (StPO 158). Ergeben oder bestätigen sich Haftgründe, stellt die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht den Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft (StPO 224 II) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 7

81 Untersuchungs- und Sicherheitshaft (1/2) Begriff (StPO 220): Untersuchungshaft Sicherheitshaft Abgrenzung: Vorzeitigen Straf- und Massnahmenvollzug (StPO 236) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 8

82 Untersuchungs- und Sicherheitshaft (2/2) Voraussetzungen (StPO 221): Dringender Tatverdacht, dass Verbrechen oder Vergehen begangen wurde (Abs. 1) Besonderer Haftgrund Fluchtgefahr (lit. a) Kollusions- bzw. Verdunkelungsgefahr (lit. b) Wiederholungsgefahr (lit. c) Ausführungsgefahr (Abs. 2) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 9

83 Anordnung der Untersuchungshaft - Übersicht Vorladung (StPO 201) Vorführungsbefehl (StPO 207 I lit. d) Vorführung zum Staatsanwalt (StPO 219 III Satz 2 und IV, StPO 209 II) Vorläufige Festnahme (StPO 217 ff.) Befragung durch die Polizei (StPO 219 I und II) Befragung durch die Staatsanwaltschaft (224 StPO) Entlassung des Vernommenen Einstweilige Festnahme und Antrag ans Zwangsmassnahmengericht auf Anordnung der Untersuchungshaft Antrag ans Zwangsmassnahmengericht auf Anordnung von Ersatzmassnahmen gemäss StPO 237 ff. Antrag an das Zwangsmassnahmengericht unverzüglich, spätestens innert 48 Stunden seit der Festnahme Entscheidung durch das Zwangsmassnahmengericht (StPO 226) (unverzüglich, spätestens 48 Stunden nach Eingang des Antrags) Keine Untersuchungshaft: unverzügliche Freilassung Ersatzmassnahmen nach StPO 237 ff. Anordnung/Fortsetzung der Untersuchungshaft Rechtsmittel Beschwerde (StPO 222) Zudem: Strafrechtsbeschwerde ans Bundesgericht (BGG 78-81) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 10

84 Dauer zwischen Festnahme und Anordnung der Untersuchungs- /Sicherheitshaft Die Staatsanwaltschaft hat innert 48 Stunden den Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft beim Zwangsmassnahmengericht zu stellen (StPO 224 II). Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet hierüber innert 48 Stunden (StPO 226 I). Rechtsprechung Bundesgericht: Die Fristen sind Maximalwerte, die nur auszuschöpfen sind, wenn dies notwendig ist. Die Fristen von 48 Stunden sind gemäss Bundesgericht interne Fristen, für Betroffene ist die Gesamtdauer von 96 Stunden relevant. Die Überschreitung der 96 Stunden begründet keinen Anspruch auf Freilassung, wenn danach die Haft rechtmässig angeordnet wird Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 11

85 Dauer der Untersuchungs-/Sicherheitshaft Zeitliche Beschränkung der Haft Nach Ablauf der angeordneten Haftdauer oder der drei Monate (bei unbeschränkter Haftdauer) kann die Haft um jeweils drei (ausnahmsweise 6) Monate verlängert werden Keine absolute Höchstgrenze Die Haft ist aufzuheben: Wenn die Haft die zu erwartende Freiheitsstrafe übersteigt Der Haftgrund oder dringende Tatverdacht wegfällt Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 12

86 Fall 1 (Urteil 1B_283/2016 vom 26. August 2016) Seit anfangs 2010 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten X wegen qualifizierter Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie vorsätzlicher Tötung. Im Zuge der Ermittlungen drängt sich der Verdacht auf, dass X der Kopf einer organisierten kriminellen Gruppierung ist. X befindet sich seit Beginn des Verfahrens in Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr. Er wechselt im Dezember 2014 in den vorzeitigen Strafvollzug. Die Staatsanwaltschaft reicht im Januar 2015 beim zuständigen Gericht die Klage ein und beantragt eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Im Mai 2016 reicht der Beschuldigte beim Zwangsmassnahmengericht ein Gesuch um sofortige Entlassung ein, eventualiter sollen Ersatzmassnahmen zur Bannung der Fluchtgefahr angeordnet werden. Das Gesuch wird abgewiesen, woraufhin der Beschuldigte die Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht erhebt. Unter anderem rügt er, dass eine Haft von 5 Jahren in zeitlicher Hinsicht unverhältnismässig ist und dass das Strafverfahren durch die Behörden nicht genügend vorangetrieben werde. Liegt eine unverhältnismässige Haftdauer vor? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 13

87 Anordnung der Sicherheitshaft (StPO 229 ff.) Bei vorbestehender Untersuchungshaft (StPO 229 I): Durchführung eines Haftverlängerungsverfahrens i.s.v. StPO 227 Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet auf Gesuch der Staatsanwaltschaft hin Haftgründe ergeben sich nach der Anklageerhebung: (StPO 229 II): Analoge Behandlung wie bei Anordnung der Untersuchungshaft gemäss StPO Erstinstanzliches Gericht führt vorbereitendes Haftverfahren gemäss StPO 224 durch und beantragt beim Zwangsmassnahmengericht die Anordnung von Sicherheitshaft Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 14

88 Sicherheitshaft nach erstinstanzlichem Urteil (StPO 231) Anordnung: Freispruch der beschuldigten Person Die Staatsanwaltschaft kann die Fortsetzung der Sicherheitshaft beim erstinstanzlichen Gericht zu Handen des Berufungsgerichts beantragen, wenn sie das Urteil mit Berufung anfechten will Zuständigkeit: Verfahrensleitung der Berufungsinstanz, innert fünf Tagen nach der Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft Beschwerde: Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht (BGG 78 ff.) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 15

89 Fall 2 (Urteil 1B_247/2016 vom 27. Juli 2016) Die Staatsanwaltschaft führte gegen A eine Strafuntersuchung wegen gewerbsmässigen Betrugs und weiteren Vermögensdelikten und liess A am 17. November 2015 festnehmen. Am 20. November 2015 versetzte das Zwangsmassnahmengericht A in Untersuchungshaft. Am 13. April 2016 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen A wegen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung, mehrfachen Pfändungsbetrugs und Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug; sie beantragte beim Zwangsmassnahmengericht die Anordnung von Sicherheitshaft. Am 6. Mai 2016 versetzte das Zwangsmassnahmengericht A bis zum 6. August 2016 in Sicherheitshaft. Am 2. Juni 2016 wies das Obergericht die Beschwerde von A gegen den Haftentscheid wegen Wiederholungsgefahr ab. Dies mit der Begründung, es sei im Falle einer Haftentlassung zu befürchten, A würde seine finanziellen Verhältnisse erneut auf kriminelle Weise, namentlich durch Betrügereien, aufzubessern versuchen. Daraufhin beantragt A mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Lässt sich die Fortführung der Haft mit Wiederholungsgefahr rechtfertigen? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 16

90 Fall 3 Ronald soll als Zeuge in einem Strafverfahren gegen eine kriminelle Organisation aussagen. Da er sich vor Racheakten fürchtet, bereitet er seine Flucht ins Ausland vor. a) Kann die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht für Ronald Untersuchungshaft beantragen? b) Wie ist die Situation, wenn Ronald als Auskunftsperson einvernommen werden soll, weil er als Mitbeschuldigter nicht ausgeschlossen werden kann? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 17

91 Fall 4 Caroline steht unter dem dringenden Verdacht, den Postboten erwürgt zu haben. Die Staatsanwaltschaft beantragt daraufhin Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr, weil der Beschuldigten eine langjährige Freiheitsstrafe droht. Liegt ein hinreichender Haftgrund vor? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 18

92 Fall 5 Gegen X wird wegen versuchter Tötung an seiner Ehefrau ein Strafverfahren geführt. Offenbar hatte X seiner Ehefrau die Pulsadern am Handgelenk aufgeschnitten. Das Opfer fürchtet, dass X seine Tat doch noch verwirklichen werde, sollte nicht bis zur Verurteilung Untersuchungs- und Sicherheitshaft angeordnet werden. Liegen Haftgründe vor? (Flucht- und Kollisionsgefahr bestehen nicht) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 19

93 Ersatzmassnahmen (1/2) Ersatzmassnahmen (StPO 237 ff.) Allgemeines: Ersatzmassnahmen = mildere/verhältnismässigere Mittel als Untersuchungs-/Sicherheitshaft Entspricht dem Subsidiaritäts- und Verhältnismässigkeitsgrundsatz Haben keine selbstständige Bedeutung, sondern treten an die Stelle der Untersuchungs-/Sicherheitshaft Voraussetzungen der Anordnung: Dringender Tatverdacht Besonderer Haftgrund gemäss StPO Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 20

94 Ersatzmassnahmen (2/2) Nicht abschliessende Aufzählung in StPO 237 II: Sicherheitsleistung (Kaution) Ausweis- und Schriftensperre Auflagen zu Kontrollbesuchen, Aufenthaltsort, Meldepflichten etc. Electronic Monitoring Kontaktverbot zu bestimmten Personen (z.b. dem Zeugen der nicht beeinflusst werden soll) Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 21

95 Fall 6 (Urteil 1B_419/2015 vom 21. Dezember 2015) Die Staatsanwaltschaft führt gegen B eine Strafuntersuchung wegen Verdachts der mehrfachen Drohung und mehrfachen Nötigung (häusliche Gewalt). A wurde am 24. August 2015 festgenommen und mit Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts bis zum 24. November 2015 wegen Kollusions- und Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft versetzt. Ein von ihm gestelltes Haftentlassungsgesuch, dem die Staatsanwaltschaft nicht entsprechen wollte, wies das Zwangsmassnahmengericht mit Entscheid vom 21. September 2015 ab. Am 19. Oktober 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht gestützt auf Art. 227 Abs. 1 und 2 sowie Art. 237 StPO die Anordnung von Ersatzmassnahmen anstelle der bestehenden Untersuchungshaft. Das Zwangsmassnahmengericht wies dieses Begehren ab. Es bejahte Flucht- sowie Wiederholungsgefahr und erwog, die vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen, mit denen der Fluchtgefahr begegnet werden sollte, seien nicht von ausreichender Sicherungsqualität. Die gegen diese Verfügung von A erhobene Beschwerde wies das Obergericht ab. Mit Beschwerde in Strafsachen gelangt A an das Bundesgericht und beantragt, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und er sei, allenfalls unter Anordnung von Ersatzmassnahmen, aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Durfte das Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft anordnen, obwohl die Staatsanwaltschaft Ersatzmassnahmen beantragt hat? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 22

96 Vorzeitiger Straf- und Massnahmenvollzug (StPO 236) Allgemeines: Wechsel in den Strafvollzug vor einem rechtskräftigen Strafurteil Ziel: Verbesserung der Resozialisierungschancen Testen von Massnahmen Im Zweifelsfall: Anwendung der Vorschriften der Untersuchungs- und Sicherheitshaft Voraussetzungen: Anhand von Tatvorwurf und Untersuchungsstand (Beweislage) ist eine Freiheitsstrafe zu erwarten oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine sichernde Massnahme Antrag der beschuldigten Person Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 23

97 Zusammenfassung Zwangsmassnahmen greifen in die Grundrechte einer Person ein und müssen deshalb den Voraussetzungen von BV 36 entsprechen. StPO 197 bildet die formell-rechtliche Grundlage für strafprozessuale Zwangsmassnahmen Bei der Untersuchungs- und Sicherheitshaft handelt es sich um die einschneidensten Zwangsmassnahmen. Solche sind nur gestattet, wenn zusätzlich ein dringender Tatverdacht sowie ein besonderer Haftgrund bejaht werden können Ersatzmassnahmen tragen dem Subsidiaritäts- und Verhältnismässigkeitsgrundsatz Rechnung. Sie haben keine selbstständige Bedeutung, sondern treten an die Stelle von Untersuchungs- und Sicherheitshaft Die Staatsanwaltschaft muss innerhalb von 48h seit der Festnahme einen Haftantrag beim Zwangsmassnahmengericht stellen, welches innerhalb von 48h darüber entscheidet. Bei den insg. 96h Freiheitsentzug handelt es sich um eine Maximaldauer, welche bei einer Überschreitung nicht zwangsläufig eine Freilassung legitimiert Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 24

98 Strafprozessrecht II Lektion 4: Durchsuchung von Aufzeichnungen, Siegelungsverfahren, Beschlagnahme Frühjahrssemester 2020 Dr. iur. Julian Mausbach

99 Durchsuchung, Siegelung, Beschlagnahme Allgemein: Privatsphäre: BV 13; EMRK 8; IPBPR 17 Eigentum: BV 26 Durchsuchung von Aufzeichnungen, Siegelung: StPO 246 ff. Beschlagnahme: StPO 263 ff. Rechtsmittel: Zwangsmassnahmen werden in Form von Verfügungen angeordnet, welche mit Beschwerde angefochten werden können Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 2

100 Durchsuchung von Aufzeichnungen (1/2) Definition: Aufzeichnungen = Träger menschlicher Gedankenäusserungen und Aufzeichnungen von Vorgängen im weitesten Sinne (weiter als Urkundenbegriff gemäss StGB 110 IV) Voraussetzung: Begründetet Vermutung, dass Informationen enthalten sind, die der Beschlagnahme (StPO 263 ff.) unterliegen Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 3

101 Durchsuchung von Aufzeichnungen (2/2) Anordnung der Durchsuchung durch schriftlichen Befehl. Dieser bezeichnet: Gegenstand der Durchsuchung Zweck der Massnahme Die durchsuchende Behörde Durchführung: Durch Staatsanwaltschaft oder das Gericht In dringlichen Fällen durch die Polizei gemäss StPO 241 III oder durch Delegation an die Polizei gemäss StPO Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 4

102 Fall 1 (Bger 1B_131/2015) Die Staatsanwaltschaft führt gegen X eine Strafuntersuchung wegen Landfriedensbruch bzw. Planung und Organisation einer Massenschlägerei. Um an beweisrelevante Informationen zu gelangen, möchte der zuständige Staatsanwalt das sichergestellte Mobiltelefon des Beschuldigten durchsuchen. Dabei interessiert er sich vor allem für Konversationen zwischen dem Beschuldigten X und der Drittperson Y per WhatsApp. Kann der zuständige Staatsanwalt auf der Grundlage von StPO 246 eine Durchsuchung des Mobiltelefons von X veranlassen? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 5

103 Siegelung (StPO 248) Allgemein: Sofortmassnahme zum Schutz von Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrechten des Inhabers Die Siegelung entfaltet ihre Wirkung durch die blosse Geltendmachung Die Unterlagen werden unter besonderen Verschluss in amtliche Verwahrung genommen Berechtige Person: Faktischer Inhaber der Information Umstritten ist die Legitimation bei Personen, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Geheimhaltung des Inhalts haben Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 6

104 Siegelung (StPO 248) Entsiegelung: Staatsanwaltschaft hat 20 Tage nach der Versiegelung Zeit, um ein Entsiegelungsgesuch beim Zwangsmassnahmengericht zu stellen Das Zwangsmassnahmengericht prüft ob: die Durchsuchung rechtmässig ist und ob Geheimhaltungsinteressen des Inhabers gegenüber den Verfahrensinteressen überwiegen Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet innerhalb eines Monats Herausgabe oder Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 7

105 Durchsuchung von Aufzeichnungen (StPO 246 ff.) Der Inhaber ist einverstanden Inhaber macht Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht geltend Papiere werden in amtliche Verwahrung genommen und versiegelt (StPO 248 I) Entsiegelungsgesuch der Strafbehörden innert 20 Tagen (StPO 248 II) Zwangsmassnahmengericht Gericht, bei welchem der Fall hängig ist Entscheidung über Entsiegelung (StPO 248 III) Ordnungsmässigkeit der Durchsuchung hinreichenden Tatverdacht Interessenabwägung: Geheimhaltungs- vs. Verfahrensinteresse wenn ja wenn nein Durchsicht und gegebenenfalls Beschlagnahme durch StA Rückgabe der Papiere Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 8

106 Fall 2 (BGE 140 IV 28 E ) Die Staatsanwaltschaft führt ein Verfahren gegen X wegen mehrfacher Vergehen gegen das UWG. Ein ehemaliger Mitarbeiter von X meldet sich bei der Staatsanwaltschaft und behauptet, er sei im Besitz von wichtigen Unterlagen, welche er im Auftrag von X hätte beiseite schaffen sollen. Diese Unterlagen übermittelt er daraufhin der Staatsanwaltschaft. Als X davon erfährt, verlangt er sofort die Siegelung der betreffenden Unterlagen. Ist X als beschuldigte Person im Strafverfahren berechtigt eine Siegelung zu verlangen? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 9

107 Fall 3 (Urteil 1B_382/2017 vom 22. Dezember 2017) Die Staatsanwaltschaft führt eine Strafuntersuchung gegen A wegen Betruges. Am 2. März 2017 liess die Staatsanwaltschaft diverse Hausdurchsuchungen und vorläufige Sicherstellungen von Beweisunterlagen vollziehen. An zwei von insgesamt acht Standorten wurden solche Zwangsmassnahmen in den Büroräumlichkeiten von sechs Gesellschaften durchgeführt. A beantragte gleichentags die Siegelung der dort sichergestellten Unterlagen. Am 20. März und 30. Mai 2017 zog der Beschuldigte sein Siegelungsbegehren (nach entsprechenden Absprachen mit der Staatsanwaltschaft) je teilweise zurück. Bei 30 Asservaten verlangte er hingegen, dass diese mit Verweis auf das Anwaltsgeheimnis versiegelt zu bleiben hätten. Am 14. Juni 2017 stellte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht diesbezüglich das Gesuch um Entsiegelung und um Freigabe zur Durchsuchung. Mit Entscheid vom 24. August 2017 trat das Zwangsmassnahmengericht auf das Entsiegelungsgesuch nicht ein. der Beschwerdeführer habe vor Einreichung des Entsiegelungsgesuches - im Rahmen der Verhandlungen über einen allfälligen Rückzug des Siegelungsbegehrens -eine prozessuale «Mitwirkungspflicht» gegenüber der Staatsanwaltschaft verletzt. Sein «Interesse an der Aufrechterhaltung der Siegelung» habe «bloss in einer Obstruktion des Verfahrens» gelegen. Sein Verhalten sei rechtsmissbräuchlich und als «Verzicht» auf die Siegelung zu interpretieren. Daher habe es «keines Entsiegelungsgesuches mehr bedurft». Gleichzeitig ermächtigte das Zwangsmassnahmengericht die Staatsanwaltschaft, die Siegel an den 30 Asservaten zu entfernen und die Unterlagen zu durchsuchen. Durfte das Zwangsmassnahmengericht vorliegend ohne materielle Beurteilung des Entsiegelungsgesuchs die fraglichen Unterlagen zur Durchsuchung freigeben? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 10

108 Beschlagnahme (StPO 263 ff.) Allgemein: Entziehung bzw. Beschränkung der Verfügungsgewalt über deliktsrelevante Gegenstände oder Vermögenswerte ohne Einverständnis der betroffenen Person Zuständigkeit: Staatsanwaltschaft oder Gericht In dringenden Fällen: Polizei Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 11

109 Voraussetzungen der Beschlagnahme (1/2) Der Beschlagnahme unterliegen Vermögenswerte und Gegenstände gemäss StPO 263: die als Beweismittel in einem Strafverfahren dienen die zur Sicherstellung von Verfahrenskosten, Entschädigungen, Geldstrafen dienen die den Geschädigten zurückzugeben sind die der selbständigen Einziehung gemäss StGB 69 ff. unterliegen Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 12

110 Voraussetzungen der Beschlagnahme (2/2) Die Beschlagnahme ist ausgeschlossen (StPO 264): Wenn die Aufzeichnungen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung oder Personen mit Zeugnisverweigerungsrecht stammen Bei persönlichen Aufzeichnungen, wenn das private Interesse (z.b. Persönlichkeitsschutz) schwerer als das Strafverfolgungsinteresse wiegt Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr mit Zeugnisverweigerungsberechtigten Gegenstände aus dem Verkehr einer anderen Person mit Anwälten Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 13

111 Durchführung der Beschlagnahme (StPO 266) Schriftlicher Befehl der Staatsanwaltschaft / des Gerichts (Ausnahme in dringlichen Fällen) Aufforderung an den Inhaber die Gegenstände / Vermögenswerte herauszugeben Zwangsmassnahmeneinsatz nur wenn der Inhaber die Herausgabe verweigert oder die Aufforderung den Zweck der Beschlagnahme vereiteln würde Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 14

112 Entscheid über beschlagnahmte Gegenstände (StPO 267) Grundsatz: Wegfall des Grundes für die Beschlagnahme Rückgabe Verhältnismässigkeitsprinzip Entscheid über Beschlagnahme im Endentscheid: Rückgabe des Vermögenswertes an die berechtigte Person oder Einziehung Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 15

113 Fall 3 Beim Doktoranden Sergio wird eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dabei werden auch seine Festplatten, auf welchen sich Entwürfe seiner Dissertation befinden, gespiegelt. Kann Sergio verhindern, dass vom Inhalt der Dissertation Kenntnis genommen wird? Variante: Nebst seiner Dissertation befinden sich auf dem Computer von Sergio auch filmische Aufzeichnungen seines Liebeslebens mit verschiedenen Frauen, die allerdings nicht wussten, dass sie gefilmt werden. Kann Sergio hiergegen etwas unternehmen? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 16

114 Fall 4 (Urteil 1B_213/2016 vom 7. September 2016) Gegen X wird eine Untersuchung wegen des Verdachts der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit und der mehrfachen groben Verkehrsregelverletzung geführt. Während der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme hat X mehrfach mit seinem Mobiltelefon, Gespräche geführt. Zwischen den beiden Telefonaten hat X an seinem Mobiltelefon hantiert, weshalb der Verdacht aufkam, er nehme damit widerrechtlich das gesprochene Wort auf. Die Staatsanwaltschaft stellte das Mobiltelefon sicher, um die von X bereits abgerufene oder versendete Fernmeldekorrespondenz zu durchsuchen, die mit den untersuchten Straftaten in Zusammenhang stehen. X stellte einen Siegelungsantrag. Die Staatsanwaltschaft reichte ein Entsiegelungsgesuch ein, welches durch das Zwangsmassnahmengericht bewilligt wurde. X erhebt dagegen Beschwerde und wendet ein, dass sein Aussageverweigerungsrecht als beschuldigte Person ein Entsiegelungshindernis darstellt. Wie sehen die Erfolgschancen von X aus? Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 17

115 Zusammenfassung Aufzeichnungen dürfen durchsucht werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, dass sich darunter Informationen befinden, welche der Beschlagnahme unterliegen (StPO 246) Durchsuchungen werden durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht durchgeführt. Bei Gefahr in Verzug auch durch die Polizei Bei der Siegelung handelt es sich um eine Sofortmassnahme, welche dem faktischen Inhaber zusteht Mittels der Beschlagnahme sollen deliktsrelevante Gegenstände eingezogen werden. Den Befehl dazu erteilt die Staatsanwaltschaft oder das zuständige Gericht Strafprozessrecht II, Lehrstuhl Prof. Dr. iur. Daniel Jositsch Seite 18

116 Beweisverwertung StPO II (Master) FS 2020 Dr. Julian Mausbach RA

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119 Beweise Warum eigentlich machen sich die Staatsanwaltschaften eine solche Mühe Beweise beizubringen? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

120 Kurze Repetition zu Begriffen des Beweisrechts Beweis Beweisgegenstand Beweisumfang Beweiswürdigung StPO II, FS 2019, Dr. Julian Mausbach RA

121 Beweis Ein Beweis ist jede Prozesshandlung, mit der bei der rechtsanwendenden Behörde die Überzeugung geweckt soll, dass eine bestimmte Tatsache vorliegt. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

122 Beweisgegenstand Einbringen innerer oder äusserer Tatsachen, die bei der rechtsanwendenden Behörde die Überzeugung wecken, dass ein objektives oder subjektives Tatbestandsmerkmal (nicht) erfüllt ist. Gegenstand des Beweises unmittelbar relevante Tatsachen (direkter Beweis) mittelbar relevante Tatsachen (indirekter Beweis) Hilfstatsachen und Indizien StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

123 Was ist zu beweisen? Alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Es sei denn: Ausnahmen des Art. 139 II StPO Zumutbarkeit StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

124 Art. 10 StPO Unschuldsvermutung und Beweiswürdigung 1 Jede Person gilt bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig. 2 Das Gericht würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung. 3 Bestehen unüberwindliche Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, so geht das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

125 Beweiswürdigung Grundsätzlich: frei Daher auch alle möglichen Beweismittel denkbar (Grundsatz der Beweisfreiheit Art. 139) neue Technologien sind nutzbar Grenze: Menschenwürde, verfassungsmässig geschützte Freiheitssphäre der Person StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

126 Einschränkungen der freien Beweiswürdigung Beweisverwertungsverbote Antizipierte Beweiswürdigung Gesicherte Erkenntnisse Gutachten Kein Nachteil aus Gebrauch des Schweigerechts StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

127 Beweisverbote - Begriffe Beweisthemaverbot Beweismittelverbot Beweismethodenverbot Verbotene Beweiserhebung (Art. 3 II lit. d, 140) Beweisverwertungsverbote (141) StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

128 Beweisthemaverbot Art. 173 Ziffer 3 StGB Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

129 Beweiserhebungsverbot 2 Beweisthemaverbot Beweismethodenverbot Beweismittelverbot 1A 1B 1C Beweisverwertungsverbot relative (141 II) absolute (141 I) Kein Beweisverwertungsverbot (141 III) StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

130 Beweiserhebungsverbote Sind jene Regeln, welche die Beweisführung in einem Strafprozess dergestalt beschränken, dass bestimmte Erkenntnisse von dem Vorgang der Sachverhaltsfeststellung in freier Beweiswürdigung ausgeschlossen werden. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

131 Beweiserhebungsverbote Formal richtiges Vorgehen nötig (etwa bei Telefonüberwachung die nicht nach Art. 269 f. lief = Folge ; Abnahme von Beweisen ohne Anwesenheit der Parteien. Folge: unverwertbar) Methoden die physische oder psychische Gewalt beinhalten (Zwangsmittel, Täuschung, Gewaltanwendung und Drohung); Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens des Einzuvernehmenden Narkoanalyse, Polygraf, versetzen in Rausch (selbst wenn dies die Person verlangt) StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

132 Grundsatz Beweisverwertung rechtswidrig erlangte Beweismittel unterliegen einem Beweisverwertungsverbot dann, wenn sie a) durch einen Verstoss gegen materielles Strafrecht, b) aufgrund verbotener Vernehmungsmethoden oder c) «in anderer Weise in Missachtung der Menschenwürde und von Grundsätzen des Rechts» erlangt worden sind. Aber schauen wir noch etwas genauer hin: StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

133 Art. 140 StPO Verbotene Beweiserhebungsmethoden 1 Zwangsmittel, Gewaltanwendung, Drohungen, Versprechungen, Täuschungen und Mittel, welche die Denkfähigkeit oder die Willensfreiheit einer Person beeinträchtigen können, sind bei der Beweiserhebung untersagt. 2 Solche Methoden sind auch dann unzulässig, wenn die betroffene Person ihrer Anwendung zustimmt. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

134 verbotene Täuschung vs. kriminalistische List Glaubt der Verdächtige, dass ein Mittäter gestanden hat oder die Tatwaffe gefunden wurde, obwohl dies nicht zutrifft, so muss dies nicht aufgeklärt werden => Eine bestehende Geständnisbereitschaft des Verdächtigen kann dann «genutzt» werden. (aber aufgrund GS «Treu und Glauben» der auch die StA bindet str.!) Nicht zulässig ist es, dem Verdächtigen vorzugaukeln ein Mittäter habe gestanden oder die Tatwaffe sei gefunden worden => ein daraufhin erfolgtes Geständnis kann nicht verwertet werden. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

135 Erlaubte List Verschweigen der Herkunft eines legal beschafften Beweismittels Ausnutzen vorher bestehender Irrtümer Freundliches Auftreten Signalisieren von Verständnis Taktisch geplante Reihenfolge des Vorhaltens von Beweismitteln Taktisch geplantes Zurückhalten von Beweismitteln Verbotene Täuschung Lüge in Bezug auf die Existenz eines Beweismittels Falsche Darstellung des Prozessgegenstandes in der einleitenden Belehrung Nötigende Täuschung (z. B. Androhung von Beugehaft) Vorspiegeln einer falschen Rechtslage Vorspiegeln einer falschen Lage (bezüglich der Tatsachen des zu ermittelnden Lebenssachverhalts) Deutlich falsche Informationen zum zu erwartenden Strafmass Aus: Henriette Haas, Christoph Ill Gesprächsführungstechniken in der Einvernahme, forumpoenale S0/2013 S. 2

136 Art. 141 StPO Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise 1 Beweise, die in Verletzung von Artikel 140 erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar. Dasselbe gilt, wenn dieses Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. 2 Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. 3 Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind verwertbar. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

137 Übungsfall (BGer, StrA, , 6B_725/2011) Nach seiner Festnahme verlangt der Beschuldigte anlässlich der ersten polizeilichen Einvernahme eine Verteidigung. Diesen Wunsch erneuerte er anlässlich der Haftprüfung vor dem Zwangsmassnahmengericht. Im Protokoll der Haftrichterverhandlung wurde vermerkt, dass ihm ein amtlicher Verteidiger zu bestellen sei, was aber erst gut zwei Monate später erfolgte. Bestritt der Beschwerdeführer in der ersten Einvernahme noch das ihm vorgeworfenen Delikt, gestand er dieses in den darauffolgenden polizeilichen Einvernahmen. Sein Geständnis widerrief er dann in der untersuchungsrichterlichen Einvernahme, die rund sieben Monate später stattfand. Kann er gestützt auf sein Geständnis und weitere Indizien wegen der ihm vorgeworfenen Tat verurteilt werden? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 22

138 Art. 141 Abs.1 Satz 2 Unter Verletzung der Teilnahmerechte erhoben 147 Abs. 4 (Achtung Umfang im Detail str.); Beweissammlungen im Ausland unter Verletzung der Parteirechte nach Art. 148 Abs. 1, Art. 148 Abs. 2 i.v.m. Art. 147 Abs. 4; Beschuldigteneinvernahmen, die ohne Hinweis auf die Rechte des Einvernommenen durchgeführt wurden; Zeugeneinvernahmen ohne Hinweis auf die Zeugnisverweigerungsrechte sind dann nicht verwertbar, wenn sich die Zeugen nachträglich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen (Art. 177 Abs. 3 Satz 2); Informationen, die unter Verletzung eines Berufsgeheimnisses nach Art erlangt wurden (Art. 271 Abs. 3 a.e.); Informationen, die unter Zusicherung der Anonymität erlangt wurden, wenn das Zwangsmassnahmengericht die Zusicherung (nachträglich) verweigert (Art. 150 Abs. 3); Ergebnisse aus nicht genehmigten Überwachungen des Post- und Fernmeldeverkehrs (Art. 277 Abs. 2); Ergebnisse aus nicht genehmigten Überwachungen mit technischen Überwachungsgeräten (Art. 281 Abs. 4 i.v.m. Art. 277 Abs. 2); Ergebnisse aus nicht genehmigten verdeckten Ermittlungen (Art. 289 Abs. 6); Informationen, die als Zufallsfunde im Zusammenhang mit der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs gefunden wurden (Art. 278 Abs. 4, vgl. aber: Art. 278 Abs. 5); Erklärungen, die eine Partei im Hinblick auf das abgekürzte Verfahren abgegeben hat, sind nach Ablehnung eines Urteils im abgekürzten Verfahren nicht im ordentlichen Verfahren verwertbar (Art. 362 Abs. 4). gesetzliche Verwertungsverbote ausserhalb der StPO (str, Art. 369 Abs. 7 Satz 2 StGB +) StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

139 Art. 141 StPO Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise 1 Beweise, die in Verletzung von Artikel 140 erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar. Dasselbe gilt, wenn dieses Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. 2 Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. 3 Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind verwertbar. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

140 Art. 141 StPO Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise 1 Beweise, die in Verletzung von Artikel 140 erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar. Dasselbe gilt, wenn dieses Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. 2 Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. 3 Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind verwertbar. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

141 Abgrenzung (?) Gültigkeitsvorschrift Norm, die ausschliesslich oder vorrangig den Schutz der beschuldigten Person anstrebt. Eine solche liegt vor, wenn die Vorschrift für die Wahrung der zu schützenden Interessen der betreffenden Person eine derart erhebliche Bedeutung hat, dass sie ihr Ziel nur erreichen kann, wenn bei Nichtbeachtung die Verfahrenshandlung ungültig ist. Ordnungsvorschrift Norm, deren Funktion sich darin erschöpft, die äussere Ordnung des Verfahrens zu regeln. Sie dient der einfachen Abwicklung des Strafverfahrens und berührt die Zuverlässigkeit der Beweisführung und die Voraussetzungen eines fair trial nicht. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

142 Art. 141 StPO Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise 1 Beweise, die in Verletzung von Artikel 140 erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar. Dasselbe gilt, wenn dieses Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. 2 Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. 3 Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind verwertbar. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

143 Art. 141 StPO Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise 1 Beweise, die in Verletzung von Artikel 140 erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar. Dasselbe gilt, wenn dieses Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. 2 Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. 3 Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind verwertbar. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

144 Übungsfall K wird verdächtigt an einer Kneipenschlägerei beteiligt gewesen zu sein. Gegen Ende einer langen Nachtschicht können die Polizisten A und B den K ausfindig machen, nehmen ihn fest und bringen K aufs Revier. Sowohl A und auch B sind müde, hungrig und wollen gerne zügig nach Hause. Sie wissen aber auch, dass ihr Chef es nicht leiden kann, wenn die Dinge nicht so weit vorangetrieben werden, wie es möglich ist. Insbesondere erwartet ihr Chef von seinen Beamten die zügige Durchführung von Einvernahmen, da er der Ansicht ist, dass sich die betreffenden Personen dann noch am klarsten erinnern. Schon ein wenig mit den Gedanken beim verdienten Schichtende, befragen sie daher K umgehend zur Sache. Dieser ist geständig. Ist dieses Geständnis verwertbar? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 29

145 Übungsfall Variante: Wie stünde es um die Verwertbarkeit einer Tatwaffe als Beweismittel, wenn K deren Aufbewahrungsort (Küchenschublade in seiner Wohnung) im Geständnis preisgegeben hat, diese aber bei einer bereits angesetzten Wohnungsdurchsuchung ohnehin gefunden worden wäre? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 30

146 Art. 141 StPO 1 Beweise, die in Verletzung von Artikel 140 erhoben wurden, sind in keinem Falle verwertbar. Dasselbe gilt, wenn dieses Gesetz einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. 2 Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. 3 Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind verwertbar. 4 Ermöglichte ein Beweis, der nach Absatz 2 nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist dieser nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre. 5 Die Aufzeichnungen über unverwertbare Beweise werden aus den Strafakten entfernt, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss gehalten und danach vernichtet. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

147 Fall Gäfgen Entführung/Tötung Magnus Gäfgen Jakob v. Metzler (11 J.) Folterandrohung Lösegelderpressung Familie von Metzler Polizei-Vize Daschner StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

148 Case of Gäfgen vs. Germany Welche Prüfung nimmt der EGMR mit Blick die Zulässigkeit von Beweisen vor? «It is not ( ) the role of the Court to determine, as a matter of principle, whether particular types of evidence for example, evidence obtained unlawfully in terms of domestic law may be admissible. The question which must be answered is whether the proceedings as a whole, including the way in which the evidence was obtained, were fair.» ( 163) StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 33

149 Case of Gäfgen vs. Germany Zusammenfassung der Mehrheitsmeinung: EGMR anerkennt eine Verletzung von Art. 3 EMRK. Ebenso stellt der EGMR fest, dass zwischen der Verletzung von Art. 3 EMRK und den Sachbeweisen (Leiche, Reifenspuren) ein direkter Zusammenhang besteht. Die Verwertung von Sachbeweisen, die mittelbar auf Grund eines Verstosses gegen Art. 3 EMRK erlangt worden sind, verstößt in der Regel gegen Art.6 EMRK, wenn sich die Verurteilung oder die Strafe auf das Beweismittel kausal stützen. Dies verneint der EMRK. X hätte aus freien Stücken ein zweites Geständnis abgelegt, welches im Wesentlichen die Grundlage war für die Verurteilung. Entsprechend durfte der (indirekte) Sachbeweis verwertet werden...wie könnte die Mehrheitsentscheidung kritisiert werden? StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 34

150 Wie wäre die Frage der Zulassung der Beweise nach schweizerischem Recht zu lösen? Ob die Fernwirkung auch für absolute Beweisverwertungsverbote gilt, ist gesetzlich nicht geregelt und umstritten. In der Lehre werden zwei Lösungen vorgeschlagen: 1. Absolutes Beweisverwertungsverbot gilt auch für indirekte Beweise 2. Analoge Anwendung von Art. 141 Abs. 4 StPO: - Ermöglichte ein Beweis die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist dieser nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre. - Vorliegend: Das erzwungene Geständnis kann wohl hinweggedacht werden ohne dass der Fund der Leiche und das Sichern der Reifenspuren entfiele. In einer breit angelegten Suche welche rechtmässig möglich gewesen wäre wäre die Polizei mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Leiche und Reifenspuren gestossen. Der indirekte Beweis darf also verwertet werden. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 35

151 Fernwirkung BGE 138 IV 169 und 133 IV 329: Während verschiedene Autoren für eine Fernwirkung des Verwertungsverbots eintreten, wenden sich andere gegen eine solche umfassende Unverwertbarkeit von Folgebeweisen: Es sei einzig von der Unverwertbarkeit auszugehen, wenn der ursprüngliche, ungültige Beweis unverzichtbare Voraussetzung des mittelbar erlangten Beweises ist. Das BGer hat sich für die zweite Lösung ausgesprochen, weil dadurch ein angemessener Ausgleich erzielt werde, zwischen den divergierenden Interessen an der Einhaltung der Regeln über die Beweiserhebung und an der Ermittlung der materiellen Wahrheit. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 36

152 Verwertbarkeit nach Art. 141 StPO konkret: 1. Wurde ein Beweismittel durch verbotene Vernehmungsmethoden gewonnen (Verstoss gegen Art. 140 StPO)? Wenn ja, ist es unverwertbar (Art. 141 Abs. 1 Satz 1 StPO) 2. Wurde ein Beweismittel in einer Weise erlangt, die ein ausdrücklich in der StPO angeordnetes Beweisverwertungsverbot auslöst? Wenn ja, ist es unverwertbar (Art. 141 Abs. 1 Satz 2 StPO). 3. Wurde ein Beweismittel von den Strafverfolgungsbehörden unter Verletzung einer Gültigkeitsvorschrift erhoben? Wenn ja, ist es grundsätzlich unverwertbar, es sein denn, eine Verwertung ist zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich (141 Abs. 2 StPO). Wichtig: Hier hat eine Abwägung stattzufinden 4. Handelt es sich um ein (indirektes) Beweismittel, dessen Erhebung nur durch ein unverwertbares (direktes) Beweismittel möglich wurde? Wenn ja, ist es unverwertbar (Art. 141 Abs. 4 StPO) (sogenannte. «Fernwirkung») StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA Seite 37

153 Zurück zum Video

154 Video

155 Beweiserhebungsverbote Sind von Privaten gesammelte Beweise verwertbar? pro Gilt Art. 141 StPO für Man kann den Privaten deliktisch und jedenfalls als Zeugen hören. privat erlangte (sogar, wenn der den Beweise? Angeschuldigten nicht auf sein Aussageverweigerungsrecht aufmerksam machte) contra Rechte des Betroffenen können auch hier nicht ausser Acht gelassen werden. StPO II, FS 2020, Dr. Julian Mausbach RA

156 Seite 41

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