Wissenschaftliche Sitzung der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin 24. November 2010
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- Helene Bauer
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1 Wissenschaftliche Sitzung der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin 24. November 2010 Glattmuskulärer uteriner Tumor mit unsicherem malignem Potential STUMP - Tumor (smooth muscle tumor with uncertain malignant potential) Fallvorstellung Anne-Christine Storck Chefarzt: Prof. Dr. med. Jens-Uwe Blohmer
2 Fallvorstellung 64-jährige Patientin B.F. Gynäkologische Vorstellung Anfang 2009 wegen Postmenopausenblutung, sonst keine Beschwerden, MP 1990; Z.n. 1 x Spp., 1 x Cür. (Blutungsstörg.) - keine relevanten Nebenerkrankungen, Karnofsky-Index 100% OP I: fraktionierte Abrasio 02/2009 (auswärtig) Externe Histologie, Prof. Dr. med. Dr. hc. D. Schmidt, Referenzzentrum für Gynäkopathologie Mannheim: Mikroskopisch sieht man ein teils spindelzelliges, teils rundzelliges zellreiches Tumorgewebe mit einer geringgradigen Kernpleomorphie, teilweise prominenten Nukleolen und einem eosinophilen fibrillären Zytoplasma. Dieses ist vielfach auch klarzellig. Es kommen einige Mitosen vor (bis 4/10 HPF).
3 S T U M P - Fallvorstellung B.F. - Immunhistochemie - Prof. Dr.med. Dr.h.c. D. Schmidt, Referenzzentrum für Gynäkopathologie Mannheim: Immunhistochemisch ergeben sich folgende Befunde: Desmin: positiv HMB45: fokal positiv CD10: fokal positiv H-Caldesmon: positiv Wachstumsfraktion: ca. 5% Immunhistochemisch beweisend für glattmuskuläre Tumoren ist die Expression von Desmin und Caldesmon.
4 S T U M P - Fallvorstellung B.F. - Histologische Beurteilung I Prof. Dr. med. Dr. hc. D. Schmidt, Referenzzentrum für Gynäkopathologie Mannheim: Es handelt sich um einen proliferationsaktiven und zellreichen glattmuskulären Tumor mit geringgradiger stromaler und perivaskulärer Differenzierung sowie leichten Kernatypien. Koagulationsnekrosen sind nicht nachzuweisen. Insgesamt sollte man den Tumor auf der Grundlage des Nachweises von Kernatypien, Zellreichtum und Mitosen als glattmuskulären Tumor von ungeklärtem malignen Potential (STUMP) einstufen. - Eine Hysterektomie ist angezeigt. Es erfolgte die Überweisung der Patientin an das Sankt Gertrauden-Kankenhaus zur operativen Therapie.
5 S T U M P - Fallvorstellung B.F. - präoperative Diagnostik - CT Abdomen: Verplumpter Uterus mit betontem Adnex links. Ein Lymphknoten / DD peritonealer Knoten (ca. 8 mm) unmittelbar ventral der Milz bzw. medial des Colon descendens. Hierbei kann es sich um einen solitären Lymphknoten, ggf. aber um eine peritoneale Metastase handeln. Z. n. Cholezystektomie. Nierenzyste rechts. Kein Harnaufstau. Sigmadivertikulose. Röntgen Thorax in 2 Ebenen: Normaler Thorax.
6 S T U M P - Fallvorstellung B.F. - Operation und abschließende Histologie II - OP II am : Längsschnitt-Laparotomie mit Hysterektomie und Adnexektomie bds. Uterus 44 g (Foto: Institut für Pathologie, Dr. med. K. Wölke, Sankt Gertrauden-Krankenhaus)
7 S T U M P - Fallvorstellung B.F. - Operation und abschließende Histologie II - Übersendung des vollständig aufgearbeiteten Materials an Prof. Dr. med. Dr. hc. D. Schmidt, Referenzzentrum für Gynäkopathologie Mannheim: Vollständig eingebetteter Uterus mit 3 mm großem, subserös gelegenem, scharf begrenzten Infiltrat, das histolog. dem von Prof. Schmidt diagnostizierten glattmuskulären Tumor mit geringer stromaler und perivaskulärer Differenzierung entspricht. (Fotos: Institut für Pathologie, Dr. med. Katharina Wölke, Sankt Gertrauden-Krankenhaus)
8 S T U M P - Fallvorstellung B.F. Vorstellung im Rahmen der interdisziplinären Online-Tumorkonferenz, Charité Comprehensive Cancer Center: Fragestellung: Ist die Nachsorge und Kontrolle des Milzbefundes mittels CT in 6 Monaten ausreichend, oder muss der Patientin eine weiterführende Therapie angeboten werden??
9 S T U M P - Fallvorstellung B.F. Ergebnis der Online-Tumorkonferenz, Charité Comprehensive Cancer Center: Die Patientin stellt sich mit einer sehr seltenen Tumorentität eines STUMP-Tumors (smooth muscle tumor with unclear malignant potential) vor, in sano reseziert. Die Läsion im Bereich der Milz ist eher nicht als maligne einzustufen, sie sollte einmal kontrolluntersucht werden. Danach ist keine weitere Nachbeobachtung notwendig. Allgemeine gynäkologische Untersuchung sowie vaginale Sonografie sollten ausreichend sein, um ein Rezidiv zu entdecken. Die Intervalle sollten innerhalb der ersten drei Jahre drei Monate betragen, ohne dass hier valide Daten aus der Literatur vorliegen. Eine Indikation zu einer adjuvanten Therapie, egal welche, kann aufgrund des insgesamt günstigen tumorbiologischen Profils nicht ausgesprochen werden.
10 S T U M P - Fallvorstellung B.F. Nachsorge / Verlauf: Kontroll-CT nach 6 Monaten: Die kleine Struktur ventral der Milz im peritonealen Fettgewebe ist vom Aspekt ausgehend in erster Linie benigne, z.b. kleines Fibrom bzw. kleines Gefäßkonvolut. Keine malignomsuspekten Veränderungen Im Becken bei Z.n. HE und Adnexektomie kein Nachweis eines lokoregionären Rezidives. Es erfolgte ambulant eine regelmäßige klinische und gynäkologische Untersuchung der Patientin mit Vaginalsonografie. Die Patientin ist bis heute - 19 Monate nach ED eines STUMP - tumorfrei.
11 Histopathologische Unterschiede glattmuskulärer Tumoren: [ Bell et al.: Problematic uterine smooth muscle neoplasms. a clinicopathologic study of 213 cases. AmJSurgPathol 1994] Leiomyome Leiomyosarkome Tumoren mit blandem Erscheinungsbild Fehlen von Tumorzellnekrosen Tumoren, die min. 2 der folgenden 3 Hauptkriterien aufzeigen: 4 Mitosen pro 10 HPF Variationen: (1.) mitotisch aktive Leiomyome mit > 5 und < 19 Mitosen pro 10 HPF (2.) atypische (oder symplastische) Leiomyome: weisen zelluläre Atypien auf - nicht aber Tumorzellnekrosen und < 10 Mitosen pro 10 HPF (1.) diffuse zelluläre Atypien (2.) Tumorzellnekrosen (3.) 10 Mitosen pro 10 high-power- fields (HPF) benigne maligne Tumoren, die nicht eindeutig nach diesen Kriterien zuzuordnen sind, werden als STUMP klassifiziert.
12 S T U M P - Definition nach histopathologischen Kriterien: Es handelt sich um eine Ausschlußdiagnose. smooth muscle tumor of uncertain malignant potential = Glatte Muskelzelltumoren, die auf Grund der Kriterien Atypien, Nekrosen und mitotischer Index nicht mehr als sicher benigne Leiomyome, aber auch nicht als maligne Leiomyosarkome eingestuft werden können. Die Bezeichnung begründet hierbei jedoch keine eigene Tumorentität zwischen benignen Leiomyomen und malignen Leiomyosarkomen, sondern sie ist Ausdruck der limitierten verfügbaren Kriterien für eine präzise histologische Diagnose von Tumoren mit grenzwertig atypischen Merkmalen.
13 S T U M P - Klinischer Verlauf 3 Kasuistiken - Berretta et al. [ Int. Journal of Gynecological Cancer 2008;18: Epub 2007 Nov 6] Kasus 1: 44 - jährige Pat in mit schnellwachsendem Uterustumor, OP: abdominale Hysterektomie ohne Adnexektomie; Nachsorge: alle 6 Monate gyn. Untersuchung, CT alle 12 Monate. - tumorfrei seit 4 Jahren Kasus 2: 35 - jährige Pat in mit schnell wachsendem Myom in der Schwangerschaft; OP - 6 Monate nach Sectio: Myomenukleation wegen Schmerzen; Nachsorge: alle 6 Monate gyn. Untersuchung, Rö-Thorax alle 12 Monate. - tumorfrei seit 1 Jahr Kasus 3: 33 - jährige Pat in erhält HE bei Vd. auf großes Leiomyosarkom; 5 Jahre Nachsorge, währenddessen tumorfrei. - Rezidiv nach 9 Jahren im Sinne von Lungenmetastasen; Therapie: Thorakotomie mit Lungenteilresektion, dann nach 1 J. bei persist. Lungen-Tumor: Aromatasehemmer + GnRH-Agonist - tumorfrei seitdem (47 J. alt bei Report)
14 S T U M P - Klinischer Verlauf 3 Kasuistiken - Berretta et al. [ Int. Journal of Gynecological Cancer 2008;18: Epub 2007 Nov 6] Schlußfolgerungen: Bei glattmuskulären uterinen Tumoren mit unsicherem malignen Potential ist der klinische Verlauf nicht vorhersehbar. Es kann selten (in ca. 7%) zu einer Metastasierung in Form von schlecht-differenzierten Neubildungen in anderen Organen auch einige Jahre nach der Erstdiagnose kommen, selbst bei Fehlen von negativen prognostischen Faktoren wie zum Beispiel Tumorzellnekrosen.
15 S T U M P - Rezidivtherapie 3 Kasuistiken - Guntupalli SR et al. [ Gynecologic Oncology 2009;113: ] Rezidivfall 1: Rezidiv nach 13 Monaten; Befund: pelvine Tumormasse und ein isolierter pulmonaler Rundherd; Therapie: abd. Tumorentfernung und Lobektomie - Histo: STUMP; postop. Medroxyprogesteronacetat + GnRH-Analogon - seit 144 Monaten tumorfrei Rezidivfall 2: Rezidiv nach 68 Monaten; Befund: pelvine RF, retroperitoneal bis in das obere Abdomen reichend + multiple periton. Absiedelungen - Histo: beides STUMP; Therapie: abdom. komplette Tumorentfernung, keine Information über postop. Therapie - seit 106 Monaten tumorfrei Rezidivfall 3: Rezidiv nach 47 Mon.; Befund: monströse, retroperitoneale, tumoröse Raumforderung; Therapie: abdom.tumorentfernung, bds. Adnexektomie - Histo: Leiomyosarkome (Tumormasse + Ovar re.) - Chemotherapie: Doxorubicin/Cisplatin - seit 150 Monaten tumorfrei
16 S T U M P - Rezidivtherapie / Prognose Ergebnisse: Guntupalli SR et al. [ Gynecologic Oncology 2009;113: ] 41 Patientinnen mit uterinem STUMP; mittleres follow-up: 45 Monate 3 Pat innen mit Rezidiv ( 7,3%), davon: 2 Rezidive mit STUMP-Histologie 1 Rezidiv = histologisch Leiomyosarkom Alle 3 Patientinnen mit Rezidiv waren nach 121 Monaten follow-up am Leben und ohne Tumornachweis. Der Verzicht auf Hysterektomie und Adnexektomie zeigte in dieser Studie keinen Einfluss auf die Rezidivrate. fraglicher Benefit für die Patientin bezüglich der Durchführung einer radikalen Operation
17 STUMP - PROGNOSE: Kein sicherer prognostischer Marker für den klinischen Verlauf oder die Rezidivwahrscheinlichkeit bei STUMP-Tumoren bekannt.? Assoziation mit einer schlechteren Prognose: - Vorhandensein von Koagulationsnekrosen im Primärtumor - Expression von immunhistochemischen Markern wie Ki-67, Cycline E/A, Cyclin-abhängige Kinasen, Östrogen- und Progesteron-Rezeptoren, DNA- Ploidie und p53 (Tumorsuppressorgen) Metastasierung selten (in ca. 7% der Fälle), schlecht-diff. Neubildungen in anderen Organen u. U. Jahre nach ED; - selbst bei Fehlen von negativen prognostischen Faktoren - unabhängig von der Radikalität der primären operativen Therapie. Gesamtüberleben auch nach einem Rezidiv-Tumor bei nahezu 100%.
18 STUMP-Tumoren FAZIT für die Praxis: Nach der Primär-OP sind engmaschige gynäkologische Kontrollen über mehrere Jahre mit klinischer Untersuchung und Vaginalsonografie anzuraten und erscheinen ausreichend. Bei fraglichem Benefit ist der Verzicht auf eine (sekundäre) Radikaloperation in Einzelfällen selbst nach primärer uteruserhaltender Operation - zu diskutieren. Eine adjuvante Therapie wird generell nicht empfohlen.
19 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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