Strukturwandel von der EWG zur EU
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- Astrid Baumhauer
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1 Zusatzthema zu Modul 1 Struktur der Europäischen Union Strukturwandel von der EWG zur EU Die heutige Europäische Union ist Nachfolgerin der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die am 25. März 1957 zusammen mit der Europäischen Atomgemeinschaft (EURA- TOM) in Rom gegründet wurde. Zuvor schon war 1951 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, Montanunion) gegründet worden, deren Laufzeit auf 50 Jahre bis 2002 begrenzt war. Die Organe Die Gemeinsame Versammlung der EGKS von 1951 war als beratendes parlamentarisches Organ ab 1958 zugleich zuständig für EWG und EURATOM und hieß nun Versammlung. Sie hatte keine legislativen Befugnisse. Die Mitglieder waren Parlamentarier ihrer Heimatländer, die in die Versammlung delegiert wurden. Der Besondere Ministerrat der EGKS hatte nur Anhörungs- und Mitwirkungsrechte, keine legislative oder exekutive Befugnis. Der Rat der EWG war nicht identisch mit dem Besonderen Ministerrat und hatte legislative Entscheidungsbefugnis. Er war verantwortlich für die Verwirklichung der Ziele nach Maßgabe des Gründungsvertrags. Gleiches galt für den Rat der EURATOM. Im EWG-Rat musste in den Anfangsjahren der EWG einstimmig entschieden werden, nach acht Jahren sollten in den Bereichen Agrarpolitik und Handelspolitik Mehrheitsentscheidungen möglich sein. Entscheidendes exekutives Organ der EGKS war die Hohe Behörde mit der Aufgabe, für die Erreichung der in diesem Vertrag festgelegten Zwecke zu sorgen. Ihr entsprach in der EWG die Kommission, die legislativen Befugnisse aber waren an den Rat übergegangen. Der Gerichtshof war die rechtsprechende (judikative) Institution der EGKS und ab 1958 auch für EWG und EURATOM zuständig. Einen Rechnungshof gab es noch nicht, da alle drei Gemeinschaften durch Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert wurden. Die EGKS wurde bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2002 durch eine steuerähnliche Umlage auf die Erzeugung von Kohle und Stahl finanziert. Die Anteile der Staaten an der Finanzierung von EWG und EURATOM (je 28 % für die großen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien) konnten vom Rat nur einstimmig geändert werden.
2 2 Am 8. April 1965 wurde in Brüssel der Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Fusionsvertrag) unterzeichnet. Mit Inkrafttreten am 1. Juli 1967 wurden die bis dahin getrennten Organe Besonderer Ministerrat und Rat (Legislative) sowie Hohe Behörde und Kommission (Exekutive) zusammengefasst. Die Versammlung der Gemeinschaften wurde in der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 in Europäisches Parlament umbenannt. Seine Mitglieder wurden 1979 erstmals von den Völkern der Mitgliedstaaten direkt gewählt. Entscheidende legislative Befugnisse erhielt das Parlament vor allem durch den Maastrichter Vertrag (Mitentscheidungsverfahren). Der Lissabon-Vertrag hat das EP in der Gesetzgebung dem Rat gleichgestellt. Zu Beginn der Währungsunion am wurden die Europäische Zentralbank (EZB) und das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) gegründet. Die EZB wurde durch den Lissabon-Vertrag zum Organ der EU aufgewertet. Der Europäische Rat ist aus den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten entstanden. Sie fanden 1969 in Den Haag, 1972 in Paris, 1973 in Kopenhagen und 1974 in Paris statt. Auf dem Treffen 1974 vereinbarten die Staats- und Regierungschefs, sich künftig regelmäßig zu treffen und nannten diese Treffen Europäischer Rat (ER). Erster Europäischer Rat war ein Treffen in Dublin im März Die Einheitliche Europäische Akte von 1986 fügte den Europäischen Rat in die Struktur der EG ein. Der ER fand zunächst in jenem Mitgliedstaat statt, der die Ratspräsidentschaft innehatte, seit 2004 nur noch in Brüssel. Der Europäische Rat wurde durch den Lissabon-Vertrag ein Organ der EU. Übergang von Beiträgen zu Eigenmitteln der Gemeinschaften Durch Beschluss vom 21. April 1970 wurden die Mitgliedsbeiträge für EWG und EURATOM abgeschafft und durch Eigenmittel der beiden Gemeinschaften ersetzt. Ihnen standen zu: die Zölle aus dem Gemeinsamen Zolltarif, die Abschöpfungen auf Agrarimporte (jetzt: Agrarzölle) und eine Abgabe der Zuckerfabriken zur Finanzierung der Subvention auf Zuckerexporte (die traditionellen Eigenmittel ). Die Agrarabschöpfungen beschränken sich heute vor allem auf die Zuckerabgabe. Eine vierte Finanzquelle waren die Mehrwertsteuer-Einnahmen bis zu einem Prozent einer Bemessungsgrundlage, die für alle Mitgliedstaaten einheitlich bestimmt wurde. Der Übergang zu Eigenmitteln erforderte einen jährlichen Haushaltsplan der Gemeinschaften, der von der Kommission entworfen und von Rat und Parlament als Haushaltsbehörde
3 3 verabschiedet wurde. Der Rat hatte dabei das letzte Wort. Der Lissabon-Vertrag hat dem Parlament die Befugnis erteilt, zusammen mit dem Rat den gesamten Haushaltsplan zu verabschieden. Das EP hat dabei das letzte Wort. Zur Kontrolle der Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaften wurde 1977 der Rechnungshof geschaffen. Im Eigenmittelbeschluss von 1985 musste der Prozentsatz für die Mehrwertsteuereinnahmen auf 1,4 % erhöht werden. Die höheren Einnahmen reichten aber für die Vollendung des Binnenmarktes nicht mehr aus, so dass 1988 ein neues Finanzierungssystem beschlossen wurde. Nun galt ein Satz von 1,2 % des Bruttosozialprodukts (BSP) aller Mitgliedstaaten als Obergrenze der Eigenmittel. Wenn die übrigen Einnahmequellen diese Obergrenze nicht erreichten, wurde der Rest als Prozentsatz auf das BSP jedes Staates erhoben. Der Eigenmittelbeschluss von 1994 erhöhte die Obergrenze der Eigenmittel auf 1,27 % des BSP und senkte den Mehrwertsteueranteil auf 1,0 % der Bemessungsgrundlage. Ab 2000 wurde die statistische Erfassung des Sozialprodukts von BSP auf Bruttonationaleinkommen (BNE) umgestellt, so dass der bisher geltende Höchstsatz von 1,27 % rein rechnerisch auf 1,24 % korrigiert wurde. Dieser Satz gilt bis heute. Ausweitung der Politikfelder und Gründung der EU 1972 beschlossen die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel in Paris, die Zusammenarbeit der EWG auf Energiepolitik, Regionalpolitik und Umweltpolitik auszuweiten. Die Einheitliche Europäische Akte von 1986 (in Kraft ab ) erweiterte die Zuständigkeit der EG um weitere Politikfelder, u. a. um Forschungs- und Technologiepolitik und Sozialpolitik. Sie regelte auch die zwischenstaatliche Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) und führte damit die Außenpolitik als einen ersten außerhalb der Gemeinschaft liegenden Arbeitsbereich ein (auch als zweiter Pfeiler bezeichnet). Durch den Maastrichter Vertrag (in Kraft seit ) wurde die Europäische Union gegründet, sozusagen als Dach über den drei Gemeinschaften EWG, EURATOM und EGKS und den Politikbereichen in zwischenstaatlicher Zusammenarbeit. Die EPZ wurde in Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) umbenannt, blieb aber intergouvernemental außerhalb der Zuständigkeit der Gemeinschaften, konnte aber deren Organe in Anspruch nehmen. Als weiterer zwischenstaatlicher Bereich kam die Polizeiliche und Justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) hinzu. Die Europäische Union wurde nun häufig, wenn auch nicht ganz zutreffend, als Tempelstruktur mit drei Pfeilern oder Säulen dargestellt: 1. Säule waren die Gemeinschaften, 2. Säule war die GASP. 3. Säule die PJZS.
4 4 Die Arbeitsfelder der EG wurden erweitert um die Bereiche Bildung, Kultur, Gesundheitswesen, Verbraucherschutz, Industrie, Entwicklungshilfe. Der Lissabon-Vertrag (in Kraft seit ) hat die Europäische Gemeinschaft und die Bereiche zwischenstaatlicher Zusammenarbeit in die Europäische Union überführt. Die Ausschüsse Der EWG-Vertrag von 1957 hat den Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) geschaffen, der durch den Maastrichter Vertrag um den Ausschuss der Regionen (AdR) ergänzt wurde. Beide müssen in bestimmten Fällen der Gesetzgebung gehört werden. Zur Errichtung der Währungsunion wurde 1998 der Wirtschafts- und Finanzausschuss geschaffen, der den Rat in Fragen der Geld- und Währungspolitik berät. Die Agenturen und sonstigen Einrichtungen und Institutionen Die Europäische Investitionsbank wurde 1958 nach Art. 129 EWGV gegründet. Sie finanziert u. a. Investitionsprogramme der EU durch Darlehen und Bürgschaften, ebenso Projekte zur Erschließung wenig entwickelter Gebiete, zur Modernisierung von Unternehmen sowie Projekte von gemeinsamem Interesse für mehrere Mitgliedstaaten. Der Rat kann durch Verordnung Agenturen schaffen, die Einrichtungen des europäischen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit sind. Sie erfüllen fachbezogene, wissenschaftliche oder administrative Aufgaben innerhalb der Politikbereiche der EU. Im EUV sind sie nicht erwähnt. Sie sind keinem Organ der EU zugeordnet. Inzwischen gibt es 25 Fachagenturen, 3 Agenturen für die GASP sowie 3 Agenturen für die Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, u. a. die Arzneimittelagentur in London, die Behörde für Lebensmittelsicherheit in Parma, die Umweltagentur in Kopenhagen, die Agentur für Flugsicherheit in Köln, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante, das Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) in Thessaloniki, die Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon, das Europäische Polizeiamt (Europol) in Den Haag, die Europäische Verteidigungsagentur in Brüssel. Unabhängige Einrichtungen der Organe
5 5 Zur Bekämpfung und Prävention von Betrug zu Lasten des EU-Haushalts wurde das Amt für Betrugsbekämpfung (Office de la Lutte Anti-Fraude, OLAF). Es fungiert als Generaldirektion der Kommission, ist aber völlig unabhängig. Das Europäische Parlament ernennt einen Europäischen Bürgerbeauftragten, der sein Amt in völliger Unabhängigkeit ausübt. Er verfolgt Beschwerden über Missstände in der EU. Vergleiche hierzu auch Zusatzthema Der Wandel der Organe von der EGKS zur EU in Modul 2.
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