Silvia Bender, staatl. anerkannte Logopädin 2010
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- Elizabeth Voss
- vor 7 Jahren
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1 Sprache ist mehr als Sprechen Kommunikationsfähigkeit bedeutet viel mehr, als sich verbal mit sich selbst und seiner Umwelt auseinander zu setzen. Die Art und Weise unserer Kommunikation sagt auch viel über unsere Persönlichkeit aus, und Kommunikationsförderung ist damit auch immer Arbeit an der Persönlichkeit. Ein Kind zunächst positiv anzunehmen, sich ihm zuzuwenden und eine tragfähige Beziehung zu gestalten ist der wichtigste Aspekt auch der logopädischen Arbeit. Die kommunikativen und sprachlichen Fähigkeiten bestimmen die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und es braucht neben fachlichen Anregungen zunächst viel Zeit, sein eigenes Selbstkonzept aufzubauen und zu stärken. Bewegung, Wahrnehmung und Sprache Neben der reinen Förderung und Unterstützung kindlicher Sprachentwicklung ist die logopädische Arbeit immer auch eine Förderung der persönlichen Kommunikationskompetenz. Kommunikationsperformanz wird in unserer Gesellschaft ein immer wichtigerer Gesichtspunkt. Dem entgegen stehen jedoch immer mehr Kinder mit eingeschränkten sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten. Daneben fällt in der therapeutischen Praxis prägnant auf, dass Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen auch in anderen Entwicklungsbereichen wie Wahrnehmung Motorik und sozialer Interaktion Probleme aufweisen. Aufgrund ihrer Komplexität können sich Sprachauffälligkeiten isoliert, aber auch vermehrt im Kontext mit anderen Entwicklungsproblemen äußern. Eine besondere Rolle in der Kommunikationsentwicklung des Kindes nimmt dabei die emotionale Zugewandtheit und Annahme des Kindes durch die Eltern ein. Mangelnde oder nicht ausreichend liebevolle zwischenmenschliche Interaktion kann dazu führen, 1
2 dass ein Kind in der vorsprachlichen Phase beim Erwerb des Grundwortschatzes nicht über ausreichende Referenzbezüge verfügt ( vgl. Füssenich 1999). Ein Ausbleiben des Sprachverständnisses oder ein verspäteter Sprechbeginn sind häufig die Folge. In diesem Zusammenhang wird der dialogische Blick und die Triangulierung als eine nichtsprachliche Form des kommunikativen Ausdrucks für den pragmatischen Erwerb von Sprache mitverantwortlich gemacht (vgl. Zollinger 1997). Sprachentwicklungsauffälligkeiten führen meist zu einer veränderten Kommunikationsstruktur zwischen Eltern und Kind und damit auch häufig zu Kommunikationsstörungen, die die kognitive und soziale Entwicklung des Kindes beeinträchtigen können. Sprache und Spiel Auffällig ist, dass Kinder mit verspätetem Bedeutungserwerb auch in ihrer Spielentwicklung und Kreativität eingeschränkt sind. Häufig hat sich ein Symbolspiel noch nicht entwickelt, die Kinder sind verhaftet in Funktionalspiel. Im Funktionsspiel probieren Kinder aus, mit welchen Dingen und deren Funktionen ihre Umgebung ausgestattet ist. Sie entdecken dabei, dass sich mit gleichen Gegenständen immer dasselbe tun lässt, z.b. mit dem Telefon telefonieren. Durch ständiges Wiederholen lernen sie spezifische Eigenschaften besser kennen. Bald aber rückt auch das Resultat ihres Tuns in den Mittelpunkt. Das Kind kann etwas Neues entstehen lassen, und dem eine Bedeutung geben, es kann so tun als ob. Dazu muss das Kind innere Bilder entwickelt haben und Handlungen und Gegenstände mit bestimmten Ereignissen verknüpfen können. Kinder mit Spracherwerbsstörungen zeigen oft rein funktionales Spiel und Handlung, die keinen Anfang und kein Ende haben. Sprechen ist nicht Sprache Ein Wort zu sprechen heißt noch nicht, die Sprache entdeckt zu haben ( vgl. Zollinger ). Sprechen und Sprache sind zwei sehr unterschiedliche Vorgänge. Sprache braucht zwei wichtige Voraussetzungen: erstens die Möglichkeit, sich etwas nicht vorhandenes vorzustellen und zweitens die Lust, einem Du etwas zu erzählen, wohl wissend, dass die andere Person nicht automatisch das Gleiche denkt wie ich. 2
3 Kinder mit Problemen im Verstehen von Sprache, haben oft nicht genügend Kompetenzen, etwas mitzuteilen. Menschen, die nicht alles verstehen, sind von konkreten Situationen, Gegenständen und Personen abhängig, vom Hier und Jetzt. Wörter und Sätze können nicht direkt mit den entsprechenden Beziehungen in Zusammenhang gebracht und verstanden werden. Deshalb brauchen diese Kinder noch lange das Spiel und Handeln im Hier und Jetzt, in Raum und Zeit...im bewegten, dialogischen Tun. Förderung durch psychomotorische Spielsituationen Der psychomotorische Ansatz in der Logopädie orientiert sich an mehrdimensionalen Angeboten, wobei die kindlichen Fähigkeiten und Ressourcen im Vordergrund stehen. Die Stimulation der basalen Entwicklungsbereiche Bewegung und Wahrnehmung des Kindes mit seinen Besonderheiten gehören ebenso wie das Spiel als Medium von Entwicklung zur einer psychomotorisch- orientierten Kommunikationsförderung. Eine partnerschaftliche Elternarbeit, die die Eltern in den Dialog mit einbezieht und den Blick auf neue Wege öffnet, begleitet die Therapie. Psychomotorisch orientierte logopädische Kommunikationsförderung spricht die vielfältigen Möglichkeiten der Kommunikationsfähigkeit von Kindern auf allen Ebenen an. Körpererfahrungen sind begleitendes Moment des Spürens und Bewegens und werden als Vorstufe zur Handlungserfahrung genutzt. Im Umgang mit der materialen Welt lernt das Kind Handlungen zu planen und mit den Eigenschaften der materialen Umwelt zu verbinden. Vorsprachliches Handeln und Planen sind Voraussetzung zur Entwicklung von Sprachverständnis, Semantik und Syntax und dienen der Hinführung zur inneren Sprache.(vgl. Wygotski) Auch der Spielraum, wie Zollinger ihn beschreibt, in dem das Kind sich selbst die Themen seines Spiels wählt und dabei die Sprache entdeckt, wird in den psychomotorischen Raum übertragen. In der gemeinsamen sozialen Erfahrung einer logopädisch-psychomotorischen Gruppentherapie lernen sprachentwicklungsauffällige Kinder sich mit ihren Ressourcen zu verständigen und auf allen kommunikativen Ebenen in den Austausch zu gehen. Das kindliche Spiel und Problemlösungen werden stets verbal reflektiert. 3
4 Als bestimmende Faktoren einer logopädisch- psychomotorischen Kommunikationsförderung sind zu nennen: - Entwicklungsorientierung: Das Kind wird auf seinem individuellen Entwicklungsstand abgeholt und gemäß seiner eigenen Möglichkeiten und seinem Tempo gefördert - Dialogorientierung: Der Erwachsene steht immer mit Akzeptanz und Zugewandtheit im Dialog und kommuniziert auf einer dem Kind angemessenen Ebene - Kindorientierung: Das Kind ist Akteur seiner Entwicklung (Zimmer, 1989). Die Angebote des Kindes werden ernstgenommen und das Kind setzt die Signale für Förderinterventionen - Ressourcenorientierung: Die kindlichen Ressourcen und nicht seine Schwächen stehen im Vordergrund der Therapie. Durch den spielerischen Umgang mit Körper und Umwelt kann das Kind seine Stärken erkennen und entwicklungsgestaltend mit umsetzen. - Systemorientierung: Die Sichtweise auf den biographischen Kontext des Kindes und die Einbeziehung des Familiensystems in die Förderung ist wichtigster Bestandteil einer psychomotorischen Kommunikationstherapie. Sprachfördernde Interventionen In der Gruppensituationen ist eine spezifische, individuelle linguistische Intervention nicht immer möglich. Die Spiel und Handlungssituationen erfordern vor allem dialogisch orientierte Interventionen. Hierzu gehören folgende Strategien: o Corrective Feed-back : Das Feedback beinhaltet verschiedene Aspekte kommunikativer Unterstützung und Förderung. Durch das Feedback wird dem Kind signalisiert ich habe dir zugehört und dich verstanden! Das Kind erlebt sich als kompetenten Sprecher, es erfährt ein Verstandenwerden auf inhaltlich- kognitiver und emotionaler Ebene. Das Feedback bietet dem Kind gleichzeitig die korrekte Form dessen an, was es ausgesagt hat und fordert zum Dialog auf. Somit kann das Kind sein Gesprochenes nochmals damit abgleichen, wie die korrekten Formen anzuwenden sind und gegebenenfalls sein Muster korregieren. 4
5 o Formatstrukturierung : Die Strukturierung auf bestimmte grammatische Formate ( z.b. einen Subjekt Prädikat Objektsatz ) trägt zu einer Ordnung bei, die für ein Kind mit Problemen im Grammatikerwerb noch nicht ausreichend vorhanden ist. So steht das Kind nicht vor dem Problem, Mehrfachaufträge verstehen zu müssen, komplizierte Nebensatzstrukturen entschlüsseln zu können und danach entsprechend zu handeln. Des weiteren erlaubt es diese Formatstrukturierung immer wieder, die korrekte Form zu hören und in das eigene Sprachhandeln zu übertragen. o Dialogisches Gestalten: Durch die Nähe zum Kind und der Gestaltung der Beziehung im Spiel ist es möglich, den Dialog sprachfördernd zu gestalten, dem Kind Sprachangebote zu bieten, Sprechanlässe zu schaffen und Raum zum Zuhören zu gewähren. Zu erleben, das ihm Zeit bleibt, es nicht verbessert oder übersetzt wird, ist für ein sprachauffälliges Kind oft ein neues Erkennen. o Modellverhalten: Im Kontakt mit dem Kind muss uns bewusst sein, dass wir in jeder Hinsicht Modellcharakter haben. So ist auch das kommunikative Verhalten, die Wahl der Worte und deren Struktur von sprachprägender Bedeutung. Den Blickkontakt und die Triangulation zuzulassen ( nicht mit etwas anderem beschäftigt sein ), deutlich und korrekt zu sprechen, die Wortwahl präzise zu gestalten in dieser und noch viel mehrfacher Hinsicht sind die Erwachsenen das wichtigste Lernvorbild des Kindes. Psychomotorische Förderung in der Logopädie holt den Spielraum des Therapiezimmers in die Turnhalle und bindet das sprachauffällige Kind in eine Gruppe von sprachkompetenten Kindern ein. Dabei lässt sie dem Kind Zeit, die individuellen Schritte der Entwicklung nach seinem Tempo zu gestalten. Das wichtigste an diesem, wie an jedem anderen Angebot für Kinder ist die Beziehung zu dem Kind und dessen Eltern. Die psychomotorische Gestaltung schafft eine gute Motivation und öffnet einen Blick für die besonderen Fähigkeiten des Kindes ( Mehrdimensionalität ). In der kommunikativen psychomotorischen Arbeit mit dem Kind ist ein hohes Maß an Authentizität notwendig, da Entwicklung nur dort passiert, wo Echtheit und Wahrhaftigkeit die Beziehung prägt. 5
6 Psychomotorische Angebote können die Möglichkeiten der logopädischen Arbeit erweitern und einen neuen Blickwinkel auf die Arbeit eröffnen. Eine ressourcen- und stärkenzentrierte Sprachförderung unter psychomotorischen Aspekten bietet vor allem für Kinder, die in mehreren Entwicklungsbereichen Probleme haben, eine gelöste, stressfreie und sinnbetonte Möglichkeit zur Entfaltung von Motorik, Wahrnehmung, Sprache und Persönlichkeit. Der Spaß an der Bewegung, dem Miteinander und der Reiz des angebotenen Materials lässt die Kinder die gewohnte Therapiesituation schnell vergessen. Natürlich ist die psychomotorisch- orientierte Förderung nicht als generelle, überall einsetzbare Therapieform zu sehen. Auch zeigt sie, wie allerdings bei vielen anderen Fördermethoden und Möglichkeiten nicht den sofortigen, schnellen Erfolg. Geduld und Erfahrung sind nötig, um das Kind und seine Familie den ihm eigenen Weg finden und beschreiten zu lassen. Es ist, so zeigt meine Erfahrung, ein gangbarer und spannender Weg, der für alle Beteiligten immer wieder neue Erfahrungen eröffnet, und die Kinder, aber auch den Therapeuten, in der Persönlichkeitsentwicklung sichtbar voranschreiten lässt. Gerade auch die sprachliche Kompetenz der Kinder erweitert, verändert und verbessert sich hierbei deutlich. Wer spontan und intuitiv arbeiten und sich auf eine Prozess einlassen kann, und um die lange individuelle weise von Entwicklungsschritten weiß, sollte diese spannende Form der Therapie und Förderung ruhig mal ausprobieren, denn Psychomotorik, Bewegung, Wahrnehmungserfahrung und Kommunikation machen Spaß! Wenn ich nur darf, wenn ich soll, aber nie kann wenn ich will, dann mag ich auch nicht wenn ich muss. Wenn ich aber darf, wenn ich will Dann mag ich auch wenn ich soll Und dann kann ich auch wenn ich muss. Denn schließlich: Die können sollen müssen auch wollen dürfen! 6
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