Höhere Mathematik II. 7 Lineare Algebra II. für naturwissenschaftliche Studiengänge. 7.1 Wiederholung einiger Begriffe
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1 Dr. Mario Helm Institut für Numerische Mathematik und Optimierung Fakultät für Mathematik und Informatik Höhere Mathematik II für naturwissenschaftliche Studiengänge Sommersemester Lineare Algebra II 7.1 Wiederholung einiger Begriffe In Kapitel 6 hatten wir uns mit Vektorräumen beschäftigt. Unser Standardbeispiel war der K n (mit K = R oder C). Auch hier werden wir fast ausschließlich mit R n und C n arbeiten. Folgende Begriffe spielen wieder eine zentrale Rolle, und sollen daher kurz wiederholt werden: Linearkombinationen und Unterräume, Basis und Dimension, lineare Abbildungen, Orthogonalität. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 460 Linearkombination und Unterraum Zu gegebenen Vektoren v 1,..., v k K n und Zahlen λ 1,..., λ k heißt v = k λ i v i i=1 eine Linearkombination der Vektoren v 1,..., v k. Die Menge aller Linearkombinationen von v 1,..., v k K n heißt der von v 1,..., v k aufgespannte Unterraum U von K n. Schreibweise: U = span ( v 1,..., v k ) (Anmerkung: Menge aller Linearkombinationen meint, dass die v i s fest sind, aber die λ i s variabel gewählt werden können.) Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 461
2 Lineare Unabhängigkeit, Basis und Dimension Die Vektoren v 1,..., v k heißen linear unabhängig, wenn aus k i=1 λ i v i = 0 stets λ 1 = λ 2 =... = λ k = 0 folgt. Andernfalls nennt man sie linear abhängig. Lineare Unahängigkeit bedeutet, dass sich keiner der Vektoren als Linearkombination der anderen schreiben lässt. Die maximale Anzahl linear unabhängiger Vektoren, die man in einem Unterraum U K n finden kann, heißt Dimension von U (dim(u)). Eine solche maximale Menge linear unabhängiger Vektoren heißt Basis von U. Jede Basis von U enthält genau dim(u) Vektoren. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 462 Beispiel: Unterräume des R 3 Im R 3 haben die Unterräume folgende Struktur: Es gibt genau einen 0-dimensionalen Unterraum; dieser besteht nur aus dem Ursprung 0. Die eindimensionalen Unterräume sind die Geraden durch den Ursprung. Die zweidimensionalen Unterräume sind die Ebenen durch den Ursprung. Es gibt genau einen 3-dimensionalen Unterraum; dieser ist der R 3 selbst. Achtung: Im allgemeinen sind Geraden und Ebenen jedoch keine Unterräume des R 3, sondern lediglich verschobene Versionen davon! Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 463 Koordinaten bezüglich einer Basis Ist B = { b 1,..., b n } eine Basis des R n, so existieren zu jedem Vektor x R n eindeutig bestimmte Zahlen λ 1,..., λ n mit x = λ 1 b1 + λ 2 b λ n bn. Die Zahlen λ i (i = 1,..., n) heißen Koordinaten von x bezüglich der Basis B. Die Vektoren 1 2 [ 1 1 ] und 1 2 [ 1 1 ] bilden eine Basis B des R 2. (Warum?) Wie lauten die Koordinaten von x = [ 2 0 ] bezüglich dieser Basis? Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 464
3 Lineare Abbildungen Eine Abbildung f : R m R n heißt linear, wenn f( x + y) = f( x) + f( y) und f(λ x) = λ f( x) (1) für alle x, y R m und alle λ R gilt. Die beiden Beziehungen aus (1) kann man auch in einer Gleichung zusammenfassen: f(λ x + y) = λ f( x) + f( y). (2) Machen Sie sich klar, warum. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 465 Darstellung als Matrix-Vektor-Multiplikation Matrix-Vektor-Multiplikationen sind lineare Abbildungen (bei fester Matrix und variablem Vektor). Umgekehrt lässt sich jede lineare Abbildung f : R m R n als Matrix-Vektor-Multiplikation schreiben: f( x) = A x. (3) Dabei ist die Matrix A R n m eindeutig bestimmt. Ihre Spalten sind gerade die Bilder f( e 1 ),..., f( e m ) der Einheitsvektoren des R m. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 466 Wiederholen Sie die bei Bedarf die Gesetzmäßigkeiten der Matrizenmultiplikation (HM 1, Kap. 6.2, S. 366 ff). Rechnen Sie die Beziehungen (1) bzw. (2) für Funktionen des Typs f( x) = A x nach. Wie lautet die Abbildungsmatrix zur linearen Abbildung f : R 3 R 2 mit [ ] [ ] [ ] 3 f( e 1 ) =, f( e2 7 ) = und f( e ) =? 1 Warum ist eine lineare Abbildung f : R m R n durch die Bilder der Einheitsvektoren eindeutig bestimmt? Kann man auch die Bilder m beliebiger linear unabhängiger Vektoren verwenden? Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 467
4 Skalarprodukt und Orthogonalität Auf K n (mit K = R oder C) kann man ein Skalarprodukt definieren mittels x, y = x T y für x, y R n, x, y = x H y für x, y C n. Zwei Vektoren heißen orthogonal oder senkrecht wenn ihr Skalarprodukt null ist. Die Norm (Länge) ergibt sich aus dem Skalarprodukt über x = x, x (= n x 2 i für x R n ). i=1 Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 468 Projektion und Winkelmessung Das Skalarprodukt zweier Vektoren x, y R n kann desweiteren über den Kosinus des eingeschlossenen Winkels ϕ dargestellt werden: x T y = x y cos ϕ. Interpretiert man diese Formel an folgender Skizze, y y 0 ϕ y cos ϕ x x so sieht man, dass das Skalarprodukt gleich der (vorzeichenbehafteten) Länge der orthogonalen Projektion von y auf x, multipliziert mit der Länge von x, ist. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 469 Orthonormalbasen Eine Basis B = { b 1, b 2,..., b n } des R n heißt Orthonormalbasis (ONB), wenn alle Basisvektoren die Länge 1 haben und paarweise aufeinander senkrecht stehen, in Formeln: { b T 1, für i = j, j bi = 0, für i j. Die Koordinaten eines Vektors x bezüglich einer ONB entsprechen gerade den Orthogonalprojektionen auf die Basisvektoren: x = ( b T 1 x) b1 + ( b T 2 x) b ( b T n x) bn. Bearbeiten Sie die Aufgabe auf Seite 464 unter diesem Aspekt erneut. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 470
5 7.2 Spiegelungen, Drehungen, orthogonale Abbildungen Eine große Klasse linearer Abbildungen sind die orthogonalen Abbildungen. Sie spielen insbesondere bei geometrischen Transformationen eine Rolle und zeichnen sich durch die Eigenschaft aus, Längen und Winkel unverändert zu lassen. So lassen sich zum Beispiel Drehungen und Spiegelungen häufig mit orthogonalen Abbildungen mathematisch beschreiben. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 471 Drehungen des R 2 mit Winkel α und Zentrum in 0 sind zunächst lineare Abbildungen, wie an folgenden Skizzen deutlich wird: f(λ x) = λ f( x) α λ x f( x) x f( x + y) = f( x) + f( y) f( y) f( x) α x y x + y Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 472 Zeichnen Sie eine analoge Skizze für Spiegelungen des R 2 an einer Geraden durch 0. Natürlich lässt sich dieses geometrische Argument analog auf Drehungen und auf Spiegelungen an Ebenen im R 3 anwenden. Sowohl Drehungen um den Ursprung als auch Spiegelungen an einer Geraden (Ebene) durch den Ursprung können also als Matrix-Vektor-Multiplikationen beschrieben werden. Wir begeben uns auf die Suche nach den Abbildungsmatrizen zu diesen Abbildungen. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 473
6 Drehungen um den Ursprung im R 2 Die Spalten der gesuchten Abbildungsmatrix sind gerade die Bilder der Einheitsvektoren unter der Drehung. 1 f( e 2 ) α e 2 f( e 1 ) α e 1 1 Es gilt f( e 1 ) = [ cos sin α α ] und f( e 2 ) = [ cos sin α α ]. Damit ist die gesuchte Abbildungsmatrix [ ] cos α sin α D α =. sin α cos α Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 474 Die Matrix D α ist invertierbar, denn det D α = cos 2 α + sin 2 α = 1. Ihre Inverse realisiert gerade die Drehung um α, d. h. [ ] [ Dα 1 cos( α) sin( α) cos α sin α = D α = = sin( α) cos( α) sin α cos α Für D α gilt also die bemerkenswerte Beziehung D 1 α = D T α. ] Berechnen Sie Drehmatrix für eine Drehung um den Ursprung mit α = 30. Geben Sie das Bild des Vektors [2, 3] T an. Wiederholen Sie bei Bedarf die Begriffe Inverse, Invertierbarkeit und Determinante aus HM1, Kap. 6.4 und 6.5. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 475 Drehungen im Raum Drehungen im R 3 werden durch eine Drehachse (die den Ursprung enthält) und einen Drehwinkel α festgelegt. Die Drehachse wird dabei durch einen Vektor d festgelegt, der in die positive Achsenrichtung zeigt. α x f( x) d Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 476 0
7 Besonders einfach wird die Angabe der Drehmatrizen, wenn man die Einheitsvektoren (also die Koordinatenachsen) als Drehachsen verwendet: D x,α = cos α sin α 0 sin α cos α, D y,α = cos α 0 sin α sin α 0 cos α, D z,α = cos α sin α 0 sin α cos α Jede beliebige Drehung im R 3 lässt sich als Komposition von Drehungen um die Koordinatenachsen schreiben. Physiker sprechen daher häufig von drei möglichen Freiheitsgraden der Rotation. Machen Sie sich an einem der obigen Beispiele klar, dass die angegebene Matrix die gewünschte Transformation realisiert. Berechnen Sie dazu das Produkt D x für die gewählte Drehmatrix D. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 477 Exkurs: allgemeine Drehmatrix Natürlich kann man auch im allgemeinen Fall die Drehmatrix angeben. Bei vorgegebenem Achsvektor d (mit d = 1) und Winkel α lautet diese cos α + (1 cos α)d 2 1 (1 cos α)d 1d 2 d 3 sin α (1 cos α)d 1d 3 + d 2 sin α (1 cos α)d 1d 2 + d 3 sin α cos α + (1 cos α)d 2 2 (1 cos α)d 2d 3 d 1 sin α (1 cos α)d 1d 3 d 2 sin α (1 cos α)d 2d 3 + d 1 sin α cos α + (1 cos α)d 2 3 Eine explizite Abbildungsvorschrift ist gegeben durch f( x) = cos α x + (1 cos α)( x T d) d + sin(α)( d x). Dies alles schaut man bei Bedarf aber am besten in der Literatur nach. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 478 Spiegelungen in der Ebene Wir betrachten zunächst Spiegelungen im R 2 an einer Geraden durch 0 senkrecht zum Vektor n. Dabei sei n auf Länge 1 normiert ( n = 1). Wir lesen das Spiegelbild f(x) von x aus folgender Skizze ab: n x f( x) f(x) = x 2( n T x) n Beachten Sie dabei, dass wegen der Normierung von n die Länge der Projektion von x auf n gerade n T x ist. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 479
8 Es gilt also f(x) = x 2( n T x) n = x 2 n( n T x) = x 2( n n T ) x, d. h. die Spiegelung wird durch Multiplikation mit der Matrix [ ] [ S n = I 2 n n T 1 2n 2 = 1 2n 1 n 2 n 2 2n 1 n 2 1 2n 2 = 2 n 2 1 2n 1 n 2 2 2n 1 n 2 n 2 1 n2 2 ] beschrieben (beachte n n2 2 = 1). Geben Sie die Spiegelungsmatrix für die Spiegelung an der Geraden x 2 = x 1 an. Multiplizieren Sie diese Matrix mit einem Vektor x. Kann man das Ergebnis auch rein geometrisch begründen? Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 480 Spiegelungen im Raum Bei Spiegelungen im R 3 verwendet man statt der Spiegelachse eine Spiegelebene durch den Ursprung, welche ganz analog durch den Normalenvektor n festgelegt ist ( n = 1). Die Spiegelungsmatrix besitzt jetzt drei Zeilen und Spalten, allerdings die gleiche Struktur: S n = I 2 n n T. Zeichnen Sie eine geeignete Skizze, in welcher die Analogie sichtbar wird. Wie lautet die Matrix S n in ausgeschriebener Form? Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 481 Orthogonale Abbildungen Drehungen und Spiegelungen gehören zur Klasse der orthogonalen linearen Abbildungen, die sich auch für höhere Dimensionen erklären lassen: Definition 7.1. Eine Matrix U R n n heißt orthogonal, wenn sie das Innenprodukt nicht verändert, d. h. (U y) T (U x) = y T x für alle x, y R n. Insbesondere ist eine orthogonale Matrix längenerhaltend, d. h. U x = x für alle x und winkeltreu, d. h. (U x, U y) = ( x, y) für alle x, y. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 482
9 Satz 7.2 (Charakterisierung orthogonaler Matrizen). Sei U R n n. Die folgenden Aussagen sind äquivalent: U ist orthogonal. Die Spalten (Zeilen) von U bilden eine Orthonormalbasis des R n. U ist invertierbar mit U 1 = U T. Machen Sie sich klar, warum aus Punkt 1 Punkt 2 und daraus wiederum Punkt 3 folgt. Bestätigen Sie mit Punkt 3, dass die 2D-Spiegelungsmatrix S = I 2 n n T orthogonal ist. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 483 Exkurs: Unitäre Abbildungen Die Entsprechung zu orthogonalen Matrizen im C n sind unitäre Matrizen. Auch hier verwendet man das unveränderte Skalarprodukt zur Begriffsfestlegung. Dabei muss natürlich statt y T x immer das komplexe Skalarprodukt y H x verwendet werden. Die Aussagen von Satz 7.2 gelten dann analog die Beziehung im letzten Punkt lautet dabei U 1 = U H. Unitäre Abbildungen werden Ihnen möglicherweise in der Quantenmechanik begegnen. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg Eigenwerte und Eigenvektoren Motivation: Resonanzphänomene Wir betrachten ein Flugzeug, das auf einer holprigen Piste landet. Modell des Flugzeugs: drei Massen: m 1 (Rumpf und Motor); m 2, m 3 (Flügel), drei Steifigkeiten (k 1, k 2, k 3 ) für die federnde Verbindung der Teile. Die Piste wird durch eine Sinuskurve r(t) = r 0 sin(ω 0 t) modelliert. Der Rumpf ist dann einer externen Kraft f 1 (t) = k 1 r 0 sin(ω 0 t) ausgesetzt. Die Frequenz ω 0 hängt von der Landungsgeschwindigkeit v ab. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 485
10 Situationsskizze x 2 x 1 x 3 6x10 5 N/m 6x10 5 N/m 300 kg 1300 kg 300 kg r 0 1.7x10 5 N/m Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 486 Die mathematische Analyse des Beispiels wird erst am Ende des Semesters gelingen. Wir zeigen hier aber schon die Lösungen x 1,2,3 (t) [in m] über t [in s] für v = 120 km/h und v = 108 km/h: 6 x ω 0 = 10, r 0 = ω 0 = ω 1, r 0 = Beachten Sie, dass sich die Amplituden bei den verschiedenen Landungsgeschwindigkeiten um 7 Größenordnungen(!!!) unterscheiden. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 487 Im zweiten Fall tritt ein Resonanzphänomen auf: Wenn die Anregungsfrequenz ω 0 (nahezu) mit einer der Eigenfrequenzen ω 1,2,3 des Flugzeugs übereinstimmt, kommt es zu gefährlich großen Oszillationen. Die Nichtbeachtung von Eigenfrequenzen und Resonanz kann z. B. bei Brücken oder Hochhäusern katastrophale Auswirkungen haben: Weitere Beispiele: Broughton suspension bridge, Manchester 1831; Millennium footbridge, London Tacoma Narrows Bridge (WA, 1940). Bild: Prelinger Archives Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 488
11 Eigenwerte und Eigenvektoren Um z. B. Resonanzphänomene zu analysieren, benötigt man die folgenden Begriffe: Definition 7.3. Sei A R n n (oder C n n ). Eine Zahl λ C heißt Eigenwert von A, wenn es einen Vektor v C n, v 0, gibt, so dass A v = λ v. (4) Jeder Vektor v C n \ { 0}, der (4) erfüllt, heißt Eigenvektor von A zum Eigenwert λ. Achtung: Auch wenn wir nur reelle Matrizen betrachten: bei Eigenwerten und Eigenvektoren lässt man immer auch komplexe Zahlen zu! Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 489 Geometrische Interpretation Die Richtung eines Eigenvektors wird durch die lineare Abbildung A nicht verändert der Eigenvektor wird lediglich gestreckt. Das rechte Bild entsteht z. B. aus dem linken durch eine Scherung der Leinwand. Bild: Wikimedia Commons Der rote Vektor bleibt unverändert und ist damit ein Eigenvektor zum Eigenwert 1. Der blaue Vektor ändert hingegen seine Richtung und ist daher kein Eigenvektor der Scherungsabbildung. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 490 Welche reellen Eigenwerte besitzt eine Drehung im Raum um die x 1 Achse, und welcher reelle Eigenvektor kommt in Frage? Wie verhält es sich mit einer Spiegelung in der Ebene an einer Geraden durch 0 und senkrecht zu n? Argumentieren Sie rein geometrisch! Bestätigen Sie, dass λ = 1 Eigenwert von A = [ 5 zugehörigem Eigenvektor v = [2, 1] T ist ] mit Zeigen Sie, dass jedes komplexe Vielfache des Vektors [1, i] T ein Eigenvektor von B = [ ] zum Eigenwert λ = i ist. Formulieren Sie eine allgemeingültige Aussage und bestätigen Sie diese durch Einsetzen in (4). Anmerkung: Bislang wissen wir weder, wie man EW und EV berechnet, noch ob in den Beispielen alle EW und EV erfasst wurden. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 491
12 Berechnung von Eigenwerten Wir benutzen zur Herleitung der Formel für die Eigenwertberechnung folgende Äquivalenzkette: λ C ist Eigenwert von A R n n... Es gibt einen Vektor v 0 mit A v = λ v. Ein Vektor v 0 löst das homogene LGS (A λi) v = 0. det(a λi) = 0. Die Eigenwerte sind also gerade die Nullstellen der Funktion c A (λ) := det(a λi). Diese Funktion ist ein Polynom vom Grad n und wird das charakteristische Polynom von A genannt. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 492 Satz 7.4. Für A R n n ist das charakteristische Polynom c A (λ) = det(a λi) ein Polynom vom exakten Grad n mit reellen Koeffizienten und Höchstkoeffizienten 1 oder 1. Die Eigenwerte von A sind genau die Nullstellen von c A, also die Lösungen der Gleichung c A (λ) = det(a λi)! = 0. (5) Berechnen Sie sämtliche Eigenwerte der Matrizen [ ] [ A = und B = (vgl. 2. und 3. Kasten auf S. 491). ] Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 493 Berechnung von Eigenvektoren Sei λ Eigenwert der Matrix A. Die zugehörigen Eigenvektoren von A sind die (nicht-trivialen) Lösungen des homogenen Gleichungssystems (A λi) v = 0. (6) Zusammen mit 0 bilden sie einen Unterraum des C n, den sogenannten Eigenraum von A zum Eigenwert λ, Eig(A, λ) := { x C n : A x = λ x} = { x C n : (A λi) x = 0} = N (A λi) Berechnen Sie sämtliche Eigenvektoren zu den Eigenwerten der Matrizen A und B von Seite 493. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 494
13 Vielfachheiten von Eigenwerten Definition 7.5. Die algebraische Vielfachheit ν alg (λ) eines Eigenwerts λ von A ist seine Vielfachheit als Nullstelle des charakteristischen Polynoms c A von A. Die geometrische Vielfachheit ν geom (λ) eines Eigenwerts λ von A ist die Dimension des zugehörigen Eigenraums dim(eig(a, λ)). Anmerkung zur Berechnung Um die algebraischen Vielfachheiten zu bestimmen, muss man nur das charakteristische Polynom c A kennen. Um die geometrische Vielfachheiten zu berechnen, reicht die Kenntnis von c A allein nicht aus. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 495 Nach dem Fundamentalsatz der Algebra summieren sich die algebraischen Vielfachheiten der Eigenwerte einer Matrix A R n n zu n. Die Summe der geometrischen Vielfachheiten kann dagegen kleiner sein. Es gilt folgender Satz: Satz 7.6. Sei λ Eigenwert der Matrix A R n n mit algebraischer Vielfachheit ν alg (λ) und geometrischer Vielfachheit ν geom (λ). Dann gilt: 1 ν geom (λ) ν alg (λ) n. Machen Sie sich am Beispiel der Matrix [ ] klar, dass die geometrische Vielfachheit eines Eigenwerts tatsächlich kleiner sein kann als die algebraische. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 496 Beim Beispiel im Kasten auf S. 496 handelt es sich um einen sogenannten Jordan-Block, d. h. eine Matrix der Form λ 1 λ Rn n. λ Dieser besitzt nur den Eigenwert λ mit geometrischer Vielfachheit 1 und algebraischer Vielfachheit n. Bestätigen Sie diese Aussagen. Für die geometrische Vielfachheit nutzen Sie am besten die Beziehung ν geom (λ) = dim(eig(a, λ)) = n rang(a). Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 497
14 Mögliche Konstellationen für A R 2 2 Das charakteristische Polynom einer reellen 2 2-Matrix A besitzt die Struktur c A (x) = x 2 + px + q (mit p, q R). In Kombination mit Satz 7.6 ergeben sich verschiedene Möglichkeiten für die Eigenwerte. Es existieren (b. w.) entweder zwei verschiedene reelle Eigenwerte λ 1 und λ 2, die geometrische und algebraische Vielfachheit 1 haben. Zu jedem Eigenwert gibt es reelle Eigenvektoren. oder zwei verschiedene konjugiert-komplexe Eigenwerte λ 1 und λ 2, die geometrische und algebraische Vielfachheit 1 haben. Zu jedem Eigenwert gibt es komplexe Eigenvektoren. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 498 oder nur einen Eigenwert λ, der dann zwangsläufig reell ist. Er besitzt die algebraische Vielfachheit 2 und entweder die geometrische Vielfachheit 2, d. h. jeder Vektor aus C 2 ist Eigenvektor. A besitzt dann die Form [ ] λ 0 A = λi = 0 λ oder die geometrische Vielfachheit 1. Ordnen Sie die Beispiele von S. 493 und S. 496 den entsprechenden Fällen zu. Führen Sie eine ähnliche Analyse für den 3 3-Fall durch. (Auf die Unterscheidung zwischen reellen und komplexen Eigenwerten können Sie dabei verzichten.) Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 499 Eigenschaften von Eigenvektoren Wir widmen uns nun der Frage, wie groß die Dimension des von den Eigenvektoren einer Matrix A R n n aufgespannten Unterraums ist. Insbesondere wollen wir wissen, wann es eine Basis des C n aus Eigenvektoren von A gibt. Wir beginnen mit folgendem Satz: Satz 7.7. Gehören die Eigenvektoren v 1,..., v r zu verschiedenen Eigenwerten λ 1,..., λ r der n n-matrix A, dann sind sie linear unabhängig. Machen Sie sich dies zumindest für den Fall r = 2 klar. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 500
15 Wenn es n verschiedene Eigenwerte zur Matrix A R n n gibt, existiert also eine Basis des C n, die nur aus Eigenvektoren von A besteht. Allgemeiner gilt sogar: Satz 7.8. Sei A R n n. Es existiert genau dann eine Basis des C n aus Eigenvektoren von A, wenn die geometrische und algebraische Vielfachheit für jeden Eigenwert von A übereinstimmen. Beispiel Die Matrix A = [ ] besitzt die Eigenwerte λ1 = 1 und λ 2 = 7 mit den Eigenvektoren v 1 = [2, 1] T und v 2 = [ 4, 1] T (vgl. S. 493 f.). Sie bilden eine Basis des C 2 (und in diesem Falle auch eine Basis des R 2 ). Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 501 Eigenwerte spezieller Matrizen Satz 7.9. Sei A R n n. Dann gelten: A und A T besitzen dasselbe charakteristische Polynom, also dieselben Eigenwerte (mit i. a. verschiedenen Eigenräumen). Besitzt A den Eigenvektor x zum Eigenwert λ, dann besitzen αa, A m, A + βi n, p(a) = α m A m + + α 1 A + α 0 I n denselben Eigenvektor x, allerdings zum Eigenwert αλ, λ m, λ + β, p(λ) = α m λ m + + α 1 λ + α 0. A ist genau dann invertierbar, wenn alle Eigenwerte von A von 0 verschieden sind. Ist dann λ ein Eigenwert von A mit Eigenvektor x, so ist λ 1 ein Eigenwert von A 1 mit demselben Eigenvektor x. Verifizieren Sie einige dieser Aussagen. Lineare Satz Algebra II TU Bergakademie Freiberg 502 Weiterhin kann man Eigenwerte sehr einfach bestimmen, wenn A bestimmte strukturelle Eigenschaften besitzt: Satz Ist A eine (untere oder obere) Dreiecksmatrix, so sind die Hauptdiagonaleinträge von A genau die Eigenwerte von A. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn A eine Diagonalmatrix ist. In diesem Fall sind die Einheitsvektoren zugehörige Eigenvektoren. Erinnerung/Bemerkung: Eine Diagonalmatrix enthält nur auf der Hauptdiagonalen Einträge ungleich Null. Sind λ 1,..., λ n C die Einträge entlang der Diagonalen, so schreibt man D = diag(λ 1,..., λ n ). Bei Dreiecksmatrizen sind alle Elemente ober- bzw. unterhalb der Hauptdiagonalen gleich Null. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 503
16 Ähnliche Matrizen Definition Zwei Matrizen A, B C n n heißen ähnlich, wenn es eine invertierbare Matrix V C n n gibt, so dass A = V 1 BV. (7) Eine Matrix A C n n heißt diagonalisierbar, wenn A ähnlich zu einer Diagonalmatrix D C n n ist, d. h. wenn es eine invertierbare Matrix V C n n gibt mit D = V 1 AV. Bemerkung: Gleichung (7) ist äquivalent zu V A = BV und B = V AV 1. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 504 Ähnliche Matrizen haben das gleiche charakteristische Polynom, wie folgende Rechnung zeigt: Wir fassen zusammen: Satz c V 1 BV (λ) = det(v 1 BV λi) = det(v 1 (B λi)v ) = (det V ) 1 det(b λi) det V = c B (λ). Ähnliche Matrizen haben das gleiche charakteristische Polynom und damit die gleichen Eigenwerte. Die Eigenvektoren zu einem Eigenwert λ sind dabei allerdings verschieden: x ist genau dann Eigenvektor von A = V 1 BV, wenn V x Eigenvektor von B ist. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 505 Hintergrund: Ähnlichkeit und Basistransformation Um den Ähnlichkeitsbegriff vollständig zu verstehen, muss man sich mit Basistransformationen auseinandersetzen. Wir gehen dabei von der Darstellung B = V AV 1 von S. 504 aus. Zu einem gegebenen Vektor x lässt sich V x als Linearkombination der Spalten v 1,..., v n von V schreiben: V x = x 1 v 1 + x 2 v x n v n. Fasst man x als Koordinatenvektor bezüglich der Basis B V = { v 1,..., v n } auf, so ist V x gerade der zugehörige Koordinatenvektor bezüglich der Standardbasis. Man sagt daher auch, V stellt eine Basistransformation von der Basis B V in die Standardbasis dar. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 506
17 Die Abbildung V 1 macht die Transformation rückgängig und stellt somit eine Basistransformation von der Standardbasis nach B V dar. Verifizieren Sie beide Aussagen am Beispiel der Basis B = { 1 2 [ 1 1 ], [ ] [ 2 ] 1 } und des Vektors 0 = [ 1 1 ] B von S In B x = V AV 1 x kann man die rechte Seite nun von rechts nach links wie folgt lesen: Stelle x als Koordinatenvektor bezüglich der Basis B V = { v 1,..., v n } dar (d. h. Multiplikation mit V 1 ). Führe die durch B beschriebene lineare Abbildung in den Koordinaten bezüglich B V aus (d. h. Multiplikation mit A). Transformiere das Ergebnis wieder zurück in die Standardkoordinaten (Multiplikation mit V ). Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 507 Wir haben somit erkannt: Satz Ähnliche Matrizen stellen die gleiche lineare Abbildung bezüglich verschiedener Basen dar. Folglich besitzen ähnliche Matrizen dieselbe Determinante, denselben Rang und denselben Defekt. Auch die Aussage von Satz 7.13 wird mit dieser Erkenntnis noch ein Stück verständlicher. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 508 Diagonalisierbare Matrizen Sei A C n n eine Matrix, für eine Basis des C n aus Eigenvektoren von A existiert (vgl. Satz 7.8). Dann kann die Abbildung A bezüglich dieser Basis nur durch Streckungen der Basisvektoren ausgedrückt werden (Multiplikation mit einer Diagonalmatrix). Beispiel Die Matrix A = [ ] besitzt die Eigenwerte λ1 = 1 und λ 2 = 7 mit den Eigenvektoren v 1 = [2, 1] T und v 2 = [ 4, 1] T (vgl. S. 493 f./501). Es gilt die Darstellung [ ] [ ] [ ] 1 A = V DV = In der Diagonalmatrix D stehen die Eigenwerte und in den Spalten von V die Eigenvektoren. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 509
18 Die allgemeine Situation beschreibt folgender Satz: Satz Eine Matrix A C n n ist genau dann diagonalisierbar, wenn die algebraische und geometrische Vielfachheit für jeden Eigenwert übereinstimmen. Sind λ 1,..., λ n die Eigenwerte und v 1,..., v n zugeordnete Eigenvektoren, die eine Basis des C n bilden, so gilt die Darstellung A = V DV 1. Dabei gilt D = diag(λ 1,..., λ n ), und v 1,..., v n sind in dieser Reihenfolge die Spalten von V. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 510 Eigenwerte symmetrischer Matrizen Eine Matrix A R n n heißt symmetrisch, wenn A = A T gilt, d. h. die Einträge symmetrisch zur Hauptdiagonalen liegen. Symmetrische Matrizen haben bemerkenswerte Eigenschaften: Satz Ist A R n n symmetrisch, so besitzt A nur reelle Eigenwerte. Es gibt eine Orthonormalbasis des R n, die aus Eigenvektoren von A besteht. Es gibt also eine Diagonalmatrix D R n n und eine orthogonale Matrix U R n n (d. h. U T = U 1 ), so dass Insbesondere ist A diagonalisierbar. A = UDU T. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 511 Eigenwerte orthogonaler Matrizen Für orthogonale Matrizen gibt es ein ähnliches Ergebnis. Beachten Sie aber, dass die Eigenwerte hier i. A. komplex sind! Satz Ist A R n n orthogonal, so besitzt A nur Eigenwerte mit Betrag 1. Es gibt eine Orthonormalbasis des C n, die aus Eigenvektoren von A besteht. Es gibt also eine Diagonalmatrix D C n n und eine unitäre Matrix U C n n (d. h. U H = U 1 ), so dass Insbesondere ist A diagonalisierbar. A = UDU H. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 512
19 Bestimmen Sie die Eigenwerte und Eigenvektoren der Matrizen [ ] A = cos α sin α und D α = sin α cos α Geben Sie in beiden Fällen eine Darstellung der Form V DV 1 an. Erkennen Sie die Matrix B von S. 493 f. wieder? Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 513 Ziele erreicht? Sie sollten nun (bzw. nach Abschluss der Übungen/Tutorien): über die Zusammenhänge zwischen Matrizen und linearen Abbildungen bescheidwissen, einfache geometrische Transformationen wie Drehungen und Spiegelungen mit Hilfe orthogonaler Matrizen beschreiben können, wissen, was orthogonale Matrizen charakterisiert, die Begriffe Eigenwert, Eigenvektor und Vielfachheit tiefgreifend verstanden haben, Eigenwerte und Eigenvektoren sicher berechnen können, ggf. auch unter Beachtung der Matrixstruktur, wissen, was es mit Basen von Eigenvektoren und Diagonalisierbarkeit auf sich hat. Lineare Algebra II TU Bergakademie Freiberg 514
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