Prügungsthema Sprache und Sprachgebrauch untersuchen
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- Brigitte Meyer
- vor 7 Jahren
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1 Prügungsthema Sprache und Sprachgebrauch untersuchen Thorsten Pohl Gliederung 1. Typisch Grammatikunterricht! - Ein Unterrichtstranskript als Ausgangsbeispiel 2. Zum Begriff Grammatik: Grammatik-I vs. Grammatik-E 3. Zur Legitimationsproblematik von Grammatikunterricht für Muttersprachler 4. Das Methodenspektrum modernen Grammatikunterrichts 5. Überlegung zu einem Methodenpluralismus im Grammatikunterricht 1
2 Grammatikunterricht und der Arbeitsbereich des Deutschunterrichts insgesamt Arbeitsbereich Über Sprache reflektieren Über grammatische Kategorien und Strukturen reflektieren: Grammatikunterricht Typisch Grammatikunterricht! Ein Unterrichtstranskript als Ausgangsbeispiel 1 5. Klasse, Realschule, Kasustestfragen zur Satzgliedbestimmung Analysegegenstand: Das Schlingern des schweren Eidotters bremst die Drehbewegung Almi: Was bremst das Schlingern des schweren Eidotters? Lehrerin: Du was ist schon mal ganz gut. [...] Könnte man auch anders fragen? Schüler X: Was bremst? Lehrerin: Ja, hat er gesagt. Alexander. Alexander: Warum? Lehrerin: Neeneenee, nich warum. Alexander: Was machen die Eier? Lehrerin: Almi hatte ganz recht mit seiner Frage was und ich frage noch, könnt man noch ein kleines anderes - Schüler: [murmeln verschiedenes, u. a. fällt:] was 2
3 Typisch Grammatikunterricht! Ein Unterrichtstranskript als Ausgangsbeispiel 2 5. Klasse, Realschule, Kasustestfragen zur Satzgliedbestimmung, (Fortsetzung) Lehrerin: Was ist gut, aber bitte, was ist gut, aber braucht ihr nicht immer wieder neu sagen, was ist gut. Es ist auch ein bissel schwierig für euch, da drauf zu kommen, weil was klappt ja tatsächlich wunderbar. Ja, Almi. Almi: Warum? Lehrerin: Neenee, nich warum. Schüler Y: Wer? Lehrerin: Auch nicht wer. Alexander. Alexander: Wen? Lehrerin: Wen, ganz toll, wen oder was, das hast du prima gemacht. Oh das ist toll. Wen oder was fragt man. (übernommen aus Boettcher 1995) Typisch Grammatikunterricht! Ein Unterrichtstranskript als Ausgangsbeispiel 3 Boettchers Analyse des gegenwärtigen Grammatikunterrichts (1995): Ambivalenz der Lehrer gegenüber dem Grammatikunterricht: Ehrfurcht und Langeweile Ergebniszentriertheit: es bestehe ein Druck anzukommen Tempo presto: zu hohes Grundtempo irrige Annahmen über die Einfachheit [besser: Eineindeutigkeit/ Entscheidbarkeit, T. P.] grammatischen Wissens Ungeduld: plädiert für Streifzüge, Wanderungen und Klettertouren 3
4 Zum Begriff Grammatik 1: Verwendungsweisen/Bedeutungsaspekte Verwendungsweisen der Ausdrücke Grammatik und grammatisch: Grammatik als Buch mit Kategorien und Regeln Grammatik als Teildisziplin der Sprachwissenschaft Grammatik als Regelsystem einer Sprache Grammatik als (Teil)-Kompetenz von Sprechern einer Sprache Zum Begriff Grammatik 2: Grammatik-I vs. Grammatik-E Grammatik-I implizit unbewusst knowing how prozessuales Wissen Können Grammatik-E explizit bewusst knowing that deklaratives Wissen Wissen 4
5 Zum Begriff Grammatik 3: Veranschaulichende Beispiele 1. Wussten Sie, dass die normale Abfolge nominaler Glieder im Mittelfeld: Subjekt vor Dativ- vor Akkusativobjekt ist? Ich erklärte, dass ich dem Herrn das Buch gegeben habe. 2. Wussten Sie, dass Sie diese Folge von Dativ- und Akkusativobjekt bei der Verwendung von Pronomen umkehren (vgl. zu 1. und 2. Dürscheid 2003, 102)? Ich erklärte, dass ich dem Herrn das Buch gegeben habe. Ich erklärte, dass ich es ihm gegeben habe. Ø Sie wussten (Wissen!) es vielleicht nicht, aber Sie tun (Können!) es tagtäglich! Zur Legitimationsproblematik von Grammatikunterricht für Muttersprachler 1 Der Kern der Legitimationsproblematik besteht darin, dass Muttersprachler in der Regel über die Grammatik-I ihrer Muttersprache sicher verfügen (ggf. dialektal geprägt). In dieser Konstellation soll ihnen zusätzlich (wenigstens in Teilen) eine Grammatik-E vermittelt werden. Ø Die entscheidende Frage oder der Knackpunkt ist dann: Ø Zu welchem Zweck oder mit welcher Funktion sollen die Lerner das betreffende Wissen erwerben? 5
6 Zur Legitimationsproblematik von Grammatikunterricht für Muttersprachler 2 Legitimationsstrategien/-zusammenhänge im Überblick (in Anlehnung an Eichler 1998) Lernziel: Einsicht in Bau und Struktur der Sprache kulturgüterorientiertes Lernziel (Grammatik als Bildungsgut) Lernziel: Förderung des analytischen (logischen) Denkens Grammatik als Turngerät des Geistes Lernziel: Hilfsfunktion für andere Fächer insb. für den gelenkten Fremdsprachenerwerb Lernziel: Förderung anderer Kompetenz- und Arbeitsbereiche des Deutschunterrichts Mündliche Kommunikationsfähigkeit Schriftliche Kommunikationsfähigkeit Orthographie (Großschreibung, Zeichensetzung etc.) Lernziel: Distanzierung, Reflexion, Analyse analytische Grundhaltung zu kommunikativen Prozessen Analyse mündliche Kommunikationshandlungen Analyse von literarischen und expositorischen Texten Das Methodenspektrum modernen Grammatikunterrichts 1- Einordnungskriterien Drei zentrale Dimensionen zur Einordnung von Grammatikunterricht: 1. systematischer GU vs. integrierter GU 2. formaler GU vs. funktionaler GU 3. deduktiver GU vs. induktiver GU Diese drei Dimensionen bilden insofern wichtige didaktische Orientierungshilfen, als Sie sie immer alle zugleich an Konzeptionen, Materialen, Schulbuchkapitel etc. zum Grammatikunterricht anlegen können, um so eine erste didaktische Einschätzung/Einordnung zu gewinnen. 6
7 Das Methodenspektrum modernen Grammatikunterrichts 2 - systematisch vs. integriert Systematischer Grammatikunterricht: fokussiert grammatische Kategorien und Strukturen isoliert und vermittelt Teilsysteme grammatischen Wissens vollständig (z. B. alle Wortarten, alle Tempusformen, alle Deklinationstypen) Integrierter Grammatikunterricht: thematisiert grammatische Kategorien und Strukturen im Zusammenhang mit anderen Lernbereichen, Kompetenzen und Fächern dabei ist eine vollständige Erfassung grammatischer Teilsysteme nicht primäres Lernziel Das Methodenspektrum modernen Grammatikunterrichts 3 - systematisch vs. integriert Integrationsmöglichkeiten/-varianten: situativ integriert (grammatische Fragestellungen sollen sich aus realen Kommunikationssituationen der Schüler und Schülerinnen ergeben) integriert in andere Arbeits- und Kompetenzbereiche des Deutschunterrichts (z. B. Orthographie, Textanalyse, Textüberarbeitung) fächerübergreifend integriert (z. B. Thematisierung der Passivkonstruktionen anlässlich eines Protokolls zu einem Experiment im Chemie-Unterricht) 7
8 Das Methodenspektrum modernen Grammatikunterrichts 4 - formal vs. funktional Formaler Grammatikunterricht: fokussiert primär das bestehende grammatische Formspektrum Ausdrucksseite zentrale Ausrichtung: Wie wird das Perfekt gebildet? Wie sind die Kasusendungen in der Substantivdeklination? Etc. Funktionaler Grammatikunterricht: fokussiert primär die Funktionen grammatischer Formen/ Kategorien (auch: grammatische Bedeutung) Inhaltsseite im engeren Sinn: Welche Funktion hat das Perfekt im Deutschen? Wofür benötigen wir unterschiedliche Kasusendungen bei der Substantivdeklination? Etc. im weiteren Sinn: Welche stilistische Funktion haben Nominalisierungen in unterschiedlichen Kontexten? Etc. Das Methodenspektrum modernen Grammatikunterrichts 5 - deduktiv vs. induktiv Deduktiver Grammatikunterricht: gibt den Lernenden grammatische Kategorien und Strukturerkenntnisse vor diese werden entliehen aus bestehenden Grammatiken/Grammatikmodellen (u. a. aus der sogenannten Schulgrammatik, Dependenzgrammatik, Phrasenstrukturgrammatik etc.) Induktiver Grammatikunterricht: lässt die Lernenden grammatische Kategorien und Strukturerkenntnisse selbstständig entdecken im experimentierenden Umgang sollen die Lernenden durch die Anwendung von Proben (z. B. Umstell- und Weglassprobe) selbst (wie kleine Wissenschaftler) auf grammatische Kategorien stoßen insbesondere realisiert in der Grammatikwerkstatt (vgl. Eisenberg und Menzel 1995) 8
9 Überlegung zu einem Methodenpluralismus im Grammatikunterricht 1 Denkbare Probleme, Gefahren oder Nachteile der vorliegenden Ansätze: Systematischer GU: Integrierter GU: Formaler GU: Funktionaler GU: Deduktiver GU: Induktiver GU: Isoliertheit grammatischen Wissens Fragmentarisierung grammatischen Wissens (Gefahr der Scheinintegration) sinnlose Formenpaukerei Vernachlässigung grammatischer Formspektren (z. B. Konjunktivformen)? Vernachlässigung selbsttätigen Lernens Anschließbarkeit/Allgemeingültigkeit grammatischen Wissens Überlegung zu einem Methodenpluralismus im Grammatikunterricht 2 Aus den kritischen Überlegungen lässt sich ein Plädoyer für einen Methodenpluralismus im Grammatikunterricht ableiten. Alters- resp. entwicklungsbezogene Methodenwahl (z. B. bestimmte Varianten der Grammatikwerkstatt erst ab Ende Mittelstufe) Aufeinander aufbauende Methodenwahl (von integriert zu systematisch) Wechselseitig aufeinander bezogene Methodenwahl (insbesondere formaler und funktionaler Aspekte) Ineinander zu überführende Methodenwahl (induktiv ermittelte Ergebnisse werden mit deduktiv vorgegebenen verglichen) 9
10 Anhang Ergänzend verwendete Literatur: Bremerich-Vos, Albert (1999): Zum Grammatikunterricht in der Grundschule: wie gehabt, gar nicht, anders? In: Zur Praxis des Grammatikunterrichts. Mit Materialen für Lehrer. Hrsg. v. Albert Bremerich-Vos. Freiburg/Br.: Fillibach. S Boettcher, Wolfgang (1995): Zur gegenwärtigen Praxis des Grammatik-Unterrichts: eine kritische Bestandsaufnahme. In: Mitteilungen des deutschen Germanistenverbandes. Nr. 2. S Dürscheid, Christa (2003): Syntax. Grundlagen und Theorien. 2., durchges. u. aktual. Aufl. Wiesbaden: Westdt. Verl. Eichler, Wolfgang (1998): Grammatikunterricht. In: Taschenbuch des Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis der Sprach- und Literaturdidaktik. Bd. I. Hrsg. v. Günter Lange et al. 6., vollst. überarb. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verl. Hohengehren. S Eisenberg, Peter & Wolfgang Menzel (1995): Grammatik-Werkstatt. In: Praxis Deutsch. H S
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