Rüge und Verjährung im Baugewerbe
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- Frieda Hafner
- vor 7 Jahren
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1 17. Informationstagung der Fachkommission Haftpflicht vom 30. Mai 2016 Rüge und Verjährung im Baugewerbe Dr. iur. Thomas Siegenthaler Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht Scherler + Siegenthaler Rechtsanwälte AG, Winterthur
2 Inhalt 1. Begriffe: «Garantie» 2. Geltendmachung von Mängeln gegenüber Unternehmern, Planern und Baulieferanten 3. Problem der kurzen gesetzlichen Rügefristen 4. Überlegungen «de lege ferenda» 5. Erwartungen an die Versicherer 2
3 1. Begriffe: «Garantie» «Garantie» ausserhalb der Mängelhaftung im Bereich der Mängelhaftung durch vertragsfremde Dritte Erfolgsversprechen Preisgarantie Termingarantie Solidarbürgschaft Sicherheitsleistung durch Bank/Versicherung 3
4 1. Begriffe: «Garantie» «Garantie» im Bereich der Mängelhaftung «Garantie» Eigenschaftszusicherung, Haltbarkeitsgarantie «Garantie» als Rügefrist «Garantie» als Verjährungsfrist «Garantie» als Rüge- und Verjährungsfrist 4
5 1. Begriffe: «Garantie» «Garantie» als Eigenschaftszusicherung Zusicherung einer besonderen Eigenschaft, Beschaffenheit Übernahme der Haftung für den Fall, dass die zugesicherte Eigenschaft fehlt 5
6 1. Begriffe: «Garantie» Haltbarkeitsgarantie Zusicherung einer bestimmten Werkeigenschaft für eine bestimmte Zeit (z.b. Wasserundurchlässigkeit während 10 Jahren) 6
7 1. Begriffe: «Garantie» Garantiefrist als Rügefrist Während der Rügefrist können sämtliche Mängel, die irgendwann innerhalb der Frist entdeckt werden, wirksam gerügt werden. z.b. Art. 172 u. 173 SIA-Norm 118 gesetzliche Rügefrist: Art. 367 Abs. 1 OR und Art. 370 Abs. 3 OR: «sofort» nach der Entdeckung 7
8 1. Begriffe: «Garantie» Garantiefrist als Verjährungsfrist Ansprüche wegen Mängeln des Werkes müssen innerhalb der Verjährungsfrist (durch Anhebung einer Klage gegen den Unternehmer beim Gericht bzw. durch Schlichtungsgesuch) geltend gemacht werden. z.b. Art. 371 OR, Art. 180 SIA-Norm 118 8
9 1. Begriffe: «Garantie» Garantiefrist als Verjährungsfrist Unterbrechung der Verjährung: - durch Anerkennung des Mangels durch Unternehmer - durch Verzicht des Unternehmers auf die Einrede der Verjährung («Verjährungsverzicht») - durch Anhebung einer Klage gegen den Unternehmer beim Gericht bzw. durch Schlichtungsgesuch - durch Betreibung (nur Geldforderungen) Beachte: keine Verjährungsunterbrechung durch Mängelrüge! 9
10 1. Begriffe: «Garantie» Garantiefrist als Rüge- und Verjährungsfrist Maximale Rügefrist stimmt mit Verjährungsfrist überein Fristgerechte Rüge unterbricht die Verjährung nicht! Empfehlung: Bei vertraglicher Verlängerung der Verjährungsfrist klarstellen, ob damit auch die maximale Rügefrist verlängert ist. 10
11 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Unternehmer (nach OR) Ablieferung Verjährung OR 366 II OR 367 ff. Mangel bestimmt voraussehbar: Anzeige + Fristansetzung + Androhung EV Prüfung Mangel 1 «sofort» Entdeckung Mangel 2 Rüge «sofort» Entdeckung Mangel 3 Rüge «sofort» Rüge «sobald nach übl. Geschäftsgang tunlich» OR 367 I OR 370 III 5 Jahre Verjährung 5 J. (bei unbeweglichem Werk) OR
12 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Unternehmer (nach SIA 118) Abnahme Ablauf Rügefrist Verjährung OR 366 II Art. 172 f. SIA 118 Art. 179 SIA 118 Entdeckung Mangel 1 Entdeckung Mangel 2 Entdeckung Mangel 3 Entdeckung Mangel 4 Entdeckung Mangel 5 Rüge Rüge Rüge «sofort» Rüge «sofort» Rüge 2 Jahre 5 Jahre Verjährung 5 J./10 J. Art. 180 SIA
13 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Die Erstellung von Plänen und anderen Arbeitsresultaten von Planern gilt als Werk im Sinne des Werkvertragsrechts Bei Planmängeln: Mängelrüge erforderlich Abgrenzung «Planer-Werk» zu «Planer-Auftrag» schwierig (vgl. BGer 4A_53/2012, E. 3.4) Kriterium: mess- und objektivierbarer Erfolg = Werkvertrag 13
14 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Fraglich, wie weit der Bauherr Pläne etc. bei deren Ablieferung prüfen kann und muss. Bei Entdeckung des Mangels des «Planwerkes»: sofortige Mängelrüge (OR 370 III) erforderlich «Entdeckung» des Planmangels z.b. durch Gutachten oder durch Entdeckung des Folgeschadens (= Mangel am Bauwerk) 14
15 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 Der Landbote,
16 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 Der Landbote,
17 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 Der Landbote,
18 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 Rechtliche Einordnung des sog. Gesamtvertrages? Spaltung der Rechtsfolgen mess- und objektivierbarer Erfolg? ja nein werkvertragl. Regeln auftragsrechtl. Regeln 18
19 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 Rechtliche Einordnung des Planervertrages reine Planungsleistung Bauleitung Werkvertrag Auftrag Abgrenzungskriterien mess- und objektivierbarer Erfolg 19
20 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 hier: Statik = mess- und objektivierbarer Erfolg werkvertragl. Regeln Sofortrügepflicht nach Art. 370 Abs. 3 OR Hier: nicht sofort nach der Mangel-Entdeckung gerügt (vgl. Kurzbericht des Prüfingenieurs am 12. Dez. 2006) 20
21 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 Die Sofortrügepflicht kann man vertraglich wegbedingen. Hier: Ansprüche aus Mängeln des unbeweglichen Bauwerkes verjähren innert 5 Jahren. Die Frist beginnt mit der Abnahme des Werkes bzw. des Werkteils zu laufen. Solche Mängel kann der Auftraggeber während der ersten 2 Jahre nach der Abnahme jederzeit rügen. Nach Ablauf dieser Frist sind die Mängel sofort nach der Entdeckung zu rügen. 21
22 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 Zudem: Art SIA-Ordnung 103 (2003) Ansprüche aus Mängeln des Bauwerkes verjähren innert fünf Jahren. Die Frist beginnt mit der Abnahme des Werkes bzw. des Werkteils zu laufen. Solche Mängel können während der ersten zwei Jahre nach der Abnahme jederzeit gerügt werden. Nach Ablauf dieser Frist sind die Mängel sofort nach der Entdeckung zu rügen. Den aus der verzögerten Rüge entstehenden Schaden trägt der Auftraggeber selber. 22
23 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber dem Planer (nach OR) Ein Beispiel: BGer 4A_53/2012 und 4A_55/2012 vom 31. Juli 2012 Ansprüche aus Mängeln des unbeweglichen Bauwerkes verjähren innert 5 Jahren. Die Frist beginnt mit der Abnahme des Werkes bzw. des Werkteils zu laufen. Solche Mängel kann der Auftraggeber während der ersten 2 Jahre nach der Abnahme jederzeit rügen. Nach Ablauf dieser Frist sind die Mängel sofort nach der Entdeckung zu rügen. Bundesgericht: Planmängel sind keine Mängel des unbeweglichen Bauwerkes! Klausel nicht anwendbar! 23
24 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber Planern (gem. LHO SIA 2014): Rügefrist Ordnung SIA 103 (2014), Art. 1.9 Verjährungs-/Rügefristen.4 Rügefristen Mängel sind innert 60 Tagen seit Entdeckung zu rügen. Plan- und Berechnungsmängel, die zu einem Mangel eines unbeweglichen Werks bzw. eines Werkteils führen, kann der Auftraggeber indessen während der ersten zwei Jahre nach dessen Abnahme jederzeit rügen. Den aus der verzögerten Rüge entstehenden Schaden trägt der Auftraggeber. 24
25 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber Planern (gem. LHO SIA 2014): Rügefrist Ablieferung des Plans Abnahme des Bauwerks 2 Jahre nach Abnahme des Bauwerks Entdeckung Planmangel 1 Entdeckung Planmangel 2 60 T Rüge Jederzeit während 2 Jahren nach Abnahme des Bauwerks Rüge Rügefrist: 60 T nach Entdeckung Ist ein verbandpolitischer Kompromiss. Bauherren fordern teilweise eine jederzeitige Rüge ab Ablieferung des Plans bis 2 Jahre nach Abnahme des Bauwerks (z.t. sogar 5 Jahre) 25
26 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber Planern (gem. LHO SIA 2014): Verjährung Ordnung SIA 103, Art. 1.9 Verjährungs-/Rügefristen.1 Verjährungsfrist bei Mängeln des unbeweglichen Werkes Ansprüche gegenüber dem Beauftragten aus Mängeln eines unbeweglichen Werkes verjähren innert fünf Jahren. Die Frist beginnt mit der Abnahme des unbeweglichen Werkes beziehungsweise des Werkteils zu laufen..2 Verjährungsfrist bei Gutachten Bei Gutachten bemisst sich die Verjährungsfrist nach Massgabe des Schweizerischen Obligationenrechts; sie beginnt in jedem Fall mit Ablieferung des Gutachtens an den Auftraggeber zu laufen. 26
27 2. Die Geltendmachung von Mängeln gegenüber Planern (gem. LHO SIA 2014): Verjährung Ordnung SIA 103, Art. 1.9 Verjährungs-/Rügefristen.3 Verjährungsfrist bei anderen Ansprüchen des Auftraggebers Bei anderen Ansprüchen des Auftraggebers gelten die gesetzlichen Regeln. 27
28 3. Problem der kurzen gesetzlichen Rügefrist Die Pflicht zur sofortigen Mängelrüge im Werkvertragsrecht - ist eine schweizerische Partikularität D, F, A: keine Rügefrist I: 60 Tage nach Entdeckung - zwingt zu «Schnellschüssen» und «Rundumschlägen» - bedeutet, dass verspätete Mängelrügen zu einer Haftung des Gesamtleiters (meist: Architekt) führen können 28
29 3. Problem der kurzen gesetzlichen Rügefrist Die Pflicht zur sofortigen Mängelrüge im Werkvertragsrecht - macht den oft unklaren Zeitpunkt der Entdeckung des Mangels sehr wichtig - macht die (z.t. unsichere) Unterscheidung zwischen Auftrag und Werkvertrag sehr wichtig. - passt nicht zu Planerverträgen und anderen Dienstleistungsverträgen 29
30 4. Überlegungen de lege ferenda PI Hutter: «Für faire Rügefristen im Werkvertragsrecht» (12.502) Rügefrist von 60 Tagen statt «sofort» in OR 370 III Was gilt bei offensichtlichen Mängeln bei der Abnahme? Kaufrecht bleibe unverändert («sofort») ausser PI Gössi: «Für verbindliche Haftungsregeln beim Kauf neuer Wohnungen» (14.453): 60 Tage beim Wohnungskauf. Man könnte die Rügepflicht eigentlich auch ersatzlos streichen, ohne das «Funktionieren» der Mängelhaftung zu gefährden. 30
31 5. Erwartungen an die Versicherer Planerverträge: Die Rügepflichten passen nicht auf Planerleistungen Das Wegbedingen der Rügepflichten sollte im Planervertrag nicht als «vertraglich übernommene, über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehende Haftung» gelten. mangelhaftes Plan-Werk nachträgliches Erstellen des korrigierten Plans = Nachbesserung = Unternehmerrisiko («Ansprüche auf Erfüllung von Verträgen») Was gilt, wenn das Bauwerk schon ausgeführt ist (Mangelfolgeschaden) und es ein Sanierungsprojekt ( «korrigierter Plan») braucht? m.e. Teil des gedeckten Schadens bzw. der Schadensminderungskosten. Erst recht bei Bauleitungsaufwand für Umsetzung der Sanierung. 31
32 5. Erwartungen an die Versicherer Ausdehnung der Verjährung auf 10 Jahre als «über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehende Haftung»? 5 Jahre sind kurz. Unternehmermängel gelten als «nicht versicherbar» Warum eigentlich nicht? evtl. als Einmalprämienversicherung; evtl. als Ersatz zur Solidarbürgschaft / Garantie 32
33 33 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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