Inhalt. Vorwort Standorte und Standortsysteme wirtschaftlicher Aktivitäten... 23
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- Otto Geiger
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2 Inhalt Vorwort Wirtschaftsgeographie als wissenschaftliche Disziplin Konzeption des Lehrbuchs Entwicklung von Forschungsansätzen der Wirtschaftsgeographie Gliederung der Wirtschaftsgeographie Standorte und Standortsysteme wirtschaftlicher Aktivitäten Gliederung und Dynamik der Wirtschaftssektoren Räumlicher Einfluss der Akteursgruppen Unternehmen/Betriebe Nachfrager/Konsumenten Planer/Politiker Organisation der Beziehungen zwischen den Akteuren Einflussfaktoren auf Beziehungen Formen der Organisation der Beziehungen Formen von Zusammenarbeit und Abstimmung Standorte und Standortsysteme landwirtschaftlicher Aktivitäten Modell agrarer Bodennutzung Ergänzende Ansätze räumlicher Landnutzung Vernetzung der Landwirtschaft Standorte und Standortsysteme in der Industrie Statische Ansätze von Industriestandorten Rational-ökonomische Standortwahl Verhaltenswissenschaftliche Standorterklärung Dynamische Ansätze von Industriestandorten Produktlebenszyklushypothese Theorie der Langen Wellen Regulationstheorie
3 6 Inhalt 4.3 Systemische Ansätze von Industriestandorten Interne Merkmale von Betrieben und Unternehmen Externe Vernetzungen von Betrieben und Unternehmen Waren- und Wertschöpfungsketten Standorte und Standortsysteme von Dienstleistungen Statische Ansätze von Dienstleistungsstandorten Bedeutung von Standortfaktoren Modelle der räumlichen Verteilung Modelle der räumlichen Konzentration Typische Standortsysteme Dynamische Ansätze von Dienstleistungsstandorten Standortwandel durch Angebotsveränderungen Standortwandel durch Nachfrageveränderungen Systemische Ansätze von Dienstleistungsstandorten Räume und Raumsysteme wirtschaftlicher Aktivitäten Grundbegriffe Räumliche Disparitäten Ökonomische Indikatoren Gesellschaftliche/soziale Indikatoren Umweltökonomische Indikatoren Räumliche Mobilitätsprozesse und Mobilitätshemmnisse Erklärungsansätze für räumliche Entwicklungsunterschiede Interne Erklärungsansätze Externe Erklärungsansätze Internationale Raumsysteme Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft Internationale Wirtschaftsbeziehungen Austausch von Waren und Dienstleistungen Direktinvestitionen Entwicklungszusammenarbeit Mobilität von technischem Wissen Teilräume globaler Systeme Supranationale Integrationsräume Außenwirtschaftspolitik von Nationalstaaten Global Cities
4 Inhalt 7 8 Nationale und regionale Raumsysteme Regionale Wachstums- und Entwicklungsprozesse Neoklassischer Ansatz räumlicher Entwicklung Polarisationsansatz räumlicher Entwicklung Ansätze zu Stufen räumlicher Entwicklung Regionalpolitische Strategien Ansätze von Strategien der räumlichen Integration Ansätze von Strategien der räumlichen Dissoziation Raumentwicklung in Agglomerationen Ansätze zu lokalen räumlichen Systemen Ansätze zu lokalen Handlungen Literatur Sachregister
5 2 Standorte und Standortsysteme wirtschaftlicher Aktivitäten Bild 2-1 Spezialgeschäft für Lederhandschuhe im Zentrum von Lissabon. Nur durch die Kopplungsmöglichkeiten zu anderen Anbietern der Umgebung kann eine ausreichend große Kundenzahl generiert werden. (Foto E. KULKE) Bild 2-2 Großserienproduktion von Spülmaschinen im Raum Hannover. Verfügbare Flächen im Großstadtumland begünstigen die Ansiedlung von flächenbeanspruchender sachkapitalintensiver Produktion. (Foto E. KULKE)
6 24 2 Standorte und Standortsysteme wirtschaftlicher Aktivitäten Wie in der Gliederungssystematik bereits erläutert, lassen sich als wissenschaftliche Aufgaben bzw. Betrachtungsebenen der Wirtschaftsgeographie die empirische Beobachtung, die Modell- und Theoriebildung sowie die Entwicklung von Gestaltungsempfehlungen identifizieren. Auf der einzelwirtschaftlichen Ebene sind Gegenstand dieser Betrachtungsweisen die Wirtschaftssektoren und die Akteursgruppen. 2.1 Gliederung und Dynamik der Wirtschaftssektoren Einzelwirtschaftliche Aktivitäten können verschiedenen Wirtschaftssektoren zugeordnet werden. Betriebe bzw. Unternehmen der Sektoren, bzw. als Untergruppen der Branchen, weisen jeweils ähnliche Merkmale hinsichtlich der Art der Produkte und ihrer Erstellung auf. Zudem lassen sich, und dies ist in geographischer Hinsicht das entscheidende Gliederungskriterium, jeweils sektorenspezifische typische betriebliche Standorte und Standortsysteme beobachten. Üblicherweise erfolgt eine Aufgliederung der Gesamtheit wirtschaftlicher Aktivitäten in drei Sektoren. Demnach lassen sich (M 2-1) ein primärer Sektor (Landwirtschaft), welcher der Produktion materieller Güter organischer Natur (z. B. Agrarprodukte) dient, ein sekundärer Sektor (Verarbeitendes Gewerbe/ Industrie), welcher materielle Güter verarbeitet (insbesondere Industrie) bzw. anorganische Urprodukte bearbeitet (z. B. Bergbau), und ein tertiärer Sektor (auch Dienstleistungen), welcher immaterielle Güter (Dienste) erbringt, unterscheiden. Die Abgrenzung des Dienstleistungssektors ist dabei am schwierigsten; lange Zeit galt dieser als Restgröße, zu welcher alle nicht eindeutig den anderen Sektoren zuzuordnenden Aktivitäten gezählt wurden. Heute lassen sich jedoch charakteristische Merkmale identifizieren (M 2-2, vgl. ELLGER 1993, KULKE 1998a, STAUDA- CHER 1995). Während im primären und sekundären Sektor materielle Sachgüter wie eine Kartoffel oder ein Auto hergestellt werden, erbringt der tertiäre Sektor immaterielle Güter wie einen Haarschnitt oder eine Beratung. Ein weiteres Charakteristikum ist, dass diese immateriellen Güter eine weitgehend fehlende Lagerfähigkeit aufweisen, d. h. die Leistung eines Haarschnittes kann man nicht aufbewahren und bei Bedarf verwenden. Für die Nutzung einer Dienstleistung müssen zudem der Anbieter und der Nut- M 2-1 Sektorale Gliederung der Wirtschaft Primärer Sektor (Urproduktion) Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei Sekundärer Sektor (Verarbeitende Wirtschaft = Sachgüterproduktion durch Bearbeitung und Verarbeitung sowie anorganische Urproduktion) Bergbau, Industrie, Handwerk Tertiärer Sektor (Dienstleistungswirtschaft = Erstellung immaterieller Güter) Handel, Verkehr, Finanzwesen, Gesundheitswesen, Bildung, Öffentliche Dienste u. a. Quellen: MALERI 1994, WILLMS 1991
7 2.1 Gliederung und Dynamik der Wirtschaftssektoren 25 M 2-2 Merkmale von Dienstleistungen Immaterialität der Produkte fehlende Lagerfähigkeit der Produkte Interaktionsprozess zwischen Anbieter und Nachfrager uno-actu-prinzip, Produktion und Verwendung der Dienstleistung fallen zeitlich und räumlich zusammen relativ hoher Anteil menschlicher Arbeitsleistung, hohe Humankapital- bzw. Arbeitsintensität zer in unmittelbaren Kontakt treten (Interaktionsprozess), und bei der Erstellung der Dienstleistung fallen deren Produktion und Verwendung zeitlich und räumlich zusammen (uno-actu-prinzip). Schließlich gilt für den Vorgang der Erbringung der Dienstleistung, dass hierfür ein relativ hoher Anteil menschlicher Arbeitsleistung erforderlich ist, der sich nicht im gleichen Umfang wie in den anderen Sektoren durch Sachkapital (d. h. Maschinen und Geräte) ersetzen lässt. Innerhalb der einzelnen Wirtschaftssektoren sind darüber hinaus Untergliederungen in verschiedene Wirtschaftszweige oder Branchen mit gemeinsamen Merkmalen üblich (M 2-3). Die Drei-Sektoren-Hypothese bzw. Sektorentheorie besagt (CLARK 1940, FISHER 1939, FOURASTIE 1949), dass zwischen dem Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft z. B. gemessen am Pro- Kopf-Einkommen und den Anteilen der Wirtschaftssektoren ein Zusammenhang besteht (M 2-4). In gering entwickelten Volkswirtschaften dominiert der primäre Sektor mit einem BIP- und Beschäftigtenanteil von ca. 80 %. Im Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung gewinnt der sekundäre Sektor an Bedeutung und erreicht einen maximalen Anteil von über 50 % der Arbeitskräfte. Mit weiter fortschreitendem Wirtschaftswachstum wird der M 2-3 Systematik der Wirtschaftszweige Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Produzierendes Gewerbe. Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden. Verarbeitendes Gewerbe. Energie- und Wasserversorgung. Baugewerbe Dienstleistungsbereiche. Handel, Reparatur von Kfz und Gebrauchsgütern, Gastgewerbe. Verkehr und Nachrichtenübermittlung. Kredit- und Versicherungsgewerbe. Grundstückswesen, Vermietung, Unternehmensdienstleister. Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung. Erziehung und Unterricht, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen, sonstige öffentliche und private Dienstleister, häusliche Dienste Quelle: Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland, Stand 2001
8 26 2 Standorte und Standortsysteme wirtschaftlicher Aktivitäten M 2-4 Grundmodell des sektoralen Wandels Anteil der Erwerbstätigen 100 Sekundärer Sektor 50 Tertiärer Sektor Primärer Sektor 0 Zeit / Entwicklungsstand Entwurf: E. Kulke Dienstleistungsbereich immer wichtiger; in hochentwickelten Ländern entfallen auf den tertiären Sektor Beschäftigtenanteile von über 70 %. Als wichtigste Triebkräfte des sektoralen Wandels gelten auf der Angebotsseite, d. h. bei den Betrieben oder Unternehmen, die Erhöhung der Arbeitsproduktivität und auf der Nachfrageseite, d. h. bei den Nachfragern oder Konsumenten, die bei Einkommensanstieg auftretenden verschiedenen Einkommenselastizitäten der güterspezifischen Nachfrage (M 2-5). Arbeitsproduktivitätsanstieg und Nachfrageelastizitäten sind in den Wirtschaftssektoren unterschiedlich ausgeprägt und sie gelten auch als Unterscheidungskriterium zwischen den Sektoren (M 2-6). Im Verlauf der Entwicklung einer Volkswirtschaft kommt es zu einem Einkommensanstieg und damit zur Erhöhung der Nachfrage (CLARK 1940, FISHER 1939). Entsprechend dem Gesetz der Engelkurven (M 2-7, ENGEL 1857) steigt bei zunehmendem Einkommen die Nachfrage nach Grundbedarfsgütern (z. B. Lebensmittel) nur geringfügig, d. h. Güter des primären Sektors sind einkommensunelastisch. Demgegenüber erhöht sich die Nachfrage nach einkommenselastischen höherwertigen Gütern (u. a. Bekleidung, langlebige Konsumgüter) des sekundären Sektors überproportional. Bei weiterem Einkommensanstieg werden schließlich immer mehr immaterielle Güter des tertiären Sektors (beispielsweise Freizeitdienst-
9 2.1 Gliederung und Dynamik der Wirtschaftssektoren 27 M 2-5 Definitionen zu Produktivität und Elastizität Allgemeine Produktivität: Kennziffer der Ausbringungsmenge (Output) pro Einheit der Einsatzmenge (Input) Arbeitsproduktivität: Kennziffer der Ausbringungsmenge (Output, z. B. gemessen im Umsatz) pro Einheit der eingesetzten Arbeitsmenge (z. B. pro Arbeitsstunde, pro Beschäftigten) Fortschritt der Arbeitsproduktivität: Anstieg der Ausbringungsmenge pro Einheit der eingesetzten Arbeitsmenge; verursacht durch technischen Fortschritt (z. B. neue Produktions- oder Organisationsformen) und/oder höheren Kapitaleinsatz (z. B. moderne Maschinen und Geräte) Allgemeine Elastizität: Prozentuale Änderung einer beeinflussten Größe pro prozentualer Änderung der beeinflussenden Größe Einkommenselastizität: Veränderung der Nachfrage nach einem bestimmten Gut bei Veränderung des Einkommens von Personen/Haushalten. Bei einkommensunelastischen Gütern verändert sich die Nachfrage bei Veränderung des Einkommens nicht oder nur wenig. Bei einkommenselastischen Gütern verändert sich die Nachfrage bei Veränderung des Einkommens stark und ggf. überproportional. M 2-6 Abgrenzungskriterien der Wirtschaftssektoren nach Abgrenzungs- Merkmale der Wirtschaftssektoren kriterium primärer sekundärer tertiärer Sektor Sektor Sektor FISHER Einkommens- unelasti- elastischere elastische 1939 elastizität der sche Nach- Nachfrage Nachfrage Nachfrage frage FOURASTIE Fortschritt in mittlerer hoher Pro- geringer 1949 der Arbeits- Produk- duktivitäts- Produktiviproduktivität tivitäts- zuwachs tätszuwachs zuwachs Wolfe Dominanz von Boden Kapital Arbeit 1955 Produktionsfaktoren Quellen: MALERI 1994, MEYER 1985, WILLMS 1991 leistungen) nachgefragt. Der Nachfragezuwachs begünstigt somit die Verlagerung des sektoralen Schwergewichts vom primären über den sekundären zum tertiären Sektor. Auch innerhalb des sekundären Sektors führt der Nachfragezuwachs zu Strukturveränderungen; Branchen mit Produkten hoher Einkommenselastizität (z. B. hochwertige Konsumgüter) expandieren, während Branchen, die Güter geringerer Elastizität herstellen (z. B. Lebensmittelindustrie), stagnieren. Empiri-
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