Stephanie Rupp Modellgeleitete Diagnostik bei kindlichen lexikalischen Störungen
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- Gotthilf Steinmann
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1 Stephanie Rupp Modellgeleitete Diagnostik bei kindlichen lexikalischen Störungen
2 Stephanie Rupp Modellgeleitete Diagnostik bei kindlichen lexikalischen Störungen Stephanie Rupp absolvierte ihre Ausbildung zur Logopädin auf der Insel Reichenau am Bodensee und studierte anschließend an der RWTH Aachen Lehr- und Forschungslogopädie. Während des Studiums arbeitete sie als Logopädin vorwiegend im Bereich der Sprachentwicklungsstörungen. Seit Abschluss des Studiums mit Diplom 2005 arbeitet Stephanie Rupp als Lehrlogopädin für den Fachbereich Kindersprache an der SRH Fachschule für Logopädie in Karlsruhe. Die Schwerpunkte ihrer Lehrtätigkeit sind semantisch-lexikalische Entwicklungsstörungen, late talking, kindliche Aussprachestörungen, Phonologische Bewusstheit und Lese-Rechtschreibschwäche sowie Bilingualität im Kindesalter. Neben der Lehrtätigkeit und eigenen Fortbildungen ist derzeit ein Forschungsprojekt in Vorbereitung. Die hier vorliegende Arbeit wurde 2007 mit dem Forschungspreis des deutschen Bundesverbandes für Logopädie ausgezeichnet.
3 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Inhalt Danksagung 8 Vorwort des Herausgebers 9 Die Informationen in diesem Werk sind von der Verfasserin und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Besuchen Sie uns im Internet: 1. Auflage 2008 ISBN Alle Rechte vorbehalten Schulz-Kirchner Verlag GmbH, 2008 Mollweg 2, D Idstein Vertretungsberechtigter Geschäftsführer: Dr. Ullrich Schulz-Kirchner Fachlektorat: Prof. Dr. Claudia Iven Lektorat: Susanne Koch Layout: Petra Jeck Titelabbildungen: Stephanie Rupp Druck und Bindung: Rosch-Buch Druckerei GmbH, Bamberger Str. 15, D Scheßlitz Printed in Germany 1 Einleitung 11 2 Theoretischer Hintergrund Die Lexikonentwicklung Präverbale Voraussetzungen der Lexikonentwicklung Die frühe Entwicklung der Sprachwahrnehmung Vorsprachliche Mittel der Referenz Objektpermanenz und Symbolfunktion Phase der ersten 50 Wörter Die ersten symbolisch-referentiellen Wörter Der Vokabelspurt Auftretende Phänomene: Über- und Untergeneralisierungen Erklärungen für den Vokabelspurt Die Komposition des kindlichen Lexikons Semantiktheorien und der Bedeutungserwerb beim Kind Die Semantische Merkmalshypothese Funktionale Kernhypothese Prototypentheorie nach Rosch Die Organisation von Wortbedeutungen in Relationen Phonologische Entwicklung und Wortformentwicklung Zusammenfassung Lexikalische Störungen bei Kindern Subgruppen lexikalischer Störungen Das diagnostische Problem Lexikonmodelle Das Modell nach Dell Subgruppen-Einteilung im Dell-Modell Die Wortformstörung 48
4 Die Wortbedeutungsstörung Das quantitative Defizit auf der Wort-Ebene Die konzeptuell-semantische Störung Übersicht der angenommenen Subgruppen bei semantisch-lexikalischen Entwicklungsstörungen Fragestellung für das Experiment 56 3 Praktisch-empirischer Teil Vorarbeit: Ergänzungs-Tests Diagnostische Überlegungen Methode der Testentwicklung Verwendetes Material bei der Assoziationsstudie Probanden der Assoziationsstudie Durchführung der Assoziationsstudie Methode der Auswertung Ergebnisse der Assoziationsstudie Auswahl der Items für die Tests Ergebnis: Der Wortverständnis-Test Ergebnis: Der Semantik-Test Diskussion der Vorarbeit Die empirische Studie Methode Material und Durchführung Auswertung der Testergebnisse Probanden Die Untersuchungen Psychometrische Eigenschaften Geschlechtsspezifische Unterschiede Semantik Phonologie und Benennleistung Semantik Wortverständnis Wortproduktion Gruppenvergleich: Kontrollgruppe vs. klinisch auffällige Gruppe Homogenität der klinisch auffälligen Gruppe und Einzelfallanalysen Deskriptive Darstellung der Gesamtgruppe Diskussion Psychometrische Eigenschaften Geschlechtsspezifische Unterschiede Semantik Phonologie und Benennleistung Semantik Wortverständnis Wortproduktion Gruppenvergleich: Kontrollgruppe vs. klinisch auffällige Gruppe Homogenität der klinisch auffälligen Gruppe Einzelfallprofile im Dell-Modell Ergebnisse der Gesamtgruppe Zusammenfassung und Ausblick 150 Literaturverzeichnis 155 Anhang 160 Ergebnisse der Assoziationsstudie 160 Entwickelte Zusatztests 186 Protokollbögen 197
5 Stephanie Rupp Modellgeleitete Diagnostik bei kindlichen lexikalischen Störungen Danksagung Auf der Suche nach Antworten bleiben Fragen darin gleicht die Wissenschaft dem Leben. Für Marc Dieses Buch ist eine leicht überarbeitete Version meiner an der RWTH Aachen im Studiengang Lehr- und Forschungslogopädie entstandenen Diplomarbeit. Ein herzliches Dankeschön gilt allen, die mich in meinem Werdegang, dem Studium und der Durchführung dieser Arbeit unterstützt haben. An erster Stelle möchte ich Prof. Huber für die inhaltlich-methodische Unterstützung bei dieser Arbeit danken, ebenso Prof. Willmes für die statistische Betreuung. Beiden gilt ebenso der Dank für die Gründung und Leitung des Studienganges der Lehr- und Forschungslogopädie, welcher von Begeisterung für Wissenschaft und Forschung, Idealismus und der Vermittlung von Wissen geprägt ist. Für mich persönlich waren die 5 Jahre Studium in Aachen eine deutliche fachliche und persönliche Bereicherung und Inspiration. Ebenso danke ich Dr. Monika Rausch, die mich bei der Themenfindung betreut und die Arbeit inhaltlich begleitet hat, sowie Sabine Nybelen und Marion Grande, die die Arbeit inhaltlich weiterführten. Ein weiterer Dank gilt Irmgard Radermacher, die mir unterstützend bei der Anfertigung der PC-Testversionen zur Seite stand, sowie den logopädischen Praxen Sandra Oye-Holl und Judith Nahlbach, die mir ihre Praxisräume zur Verfügung stellten und mir halfen, geeignete Probanden zu finden. Veronika Gutmann und Hanna Peters möchte ich für ihre zahlreichen Anregungen, für fachliche Diskussionen und ihre Unterstützung danken. Nicht zu vergessen gilt den teilnehmenden Kindern, ihren Eltern und den Kindergärten und Kindertagestätten ein herzliches Dankeschön. Ein ganz besonderer Dank geht an meine liebe Familie, die mir diesen Werdegang ermöglichte und jederzeit unterstützend zur Seite steht, sowie an Torsten Knorr für seine uneingeschränkte Unterstützung bei all meinen Vorhaben. Stephanie Rupp Vorwort des Herausgebers Was ist ein Wort? Intuitiv hat jeder, der sich sprachlich verständigen kann, eine Vorstellung davon. Wörter werden als Bausteine einer Sprache betrachtet. Ohne Wörter lässt sich keine neue Sprache erwerben, und Vokabellernen gilt als unverzichtbar in der Fremdsprachendidaktik. Doch der Versuch, mit wissenschaftlichem Blick den Prozessen der Lexikonentwicklung bei Kindern mit und ohne Sprachentwicklungsstörung auf die Spur zu kommen, enthüllt kompliziertere Zusammenhänge. Nicht nur für Wissenschaftler mit Erkenntnisinteresse am Aufbau des kindlichen Wortschatzes ist die Organisation des mentalen Lexikons im Verlauf der Sprachentwicklung ein spannendes Geschehen. Auch für Logopädinnen und Logopäden, die sich mit den Störungen der kindlichen Sprachentwicklung beschäftigen, diese diagnostisch erkennen und therapeutisch behandeln, ist es unverzichtbar, ihr Wissen über die Charakteristik der Wortschatzentwicklung und deren mögliche Störungen immer mehr zu vertiefen. In diesem Spannungsfeld von Theorie und Praxis ist die vorliegende Arbeit angesiedelt, und sie belegt exemplarisch, dass in diesem Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis der fruchtbarste Boden für die Weiterentwicklung der Logopädie liegt. Fragen, wie beispielsweise die Frage nach Untergruppen von Kindern mit eingeschränktem Wortschatz, entstehen im Alltag klinischer Praxis, können dort aber nicht beantwortet werden. Hier ist die Wissenschaft gefordert, durch geeignete Untersuchungsdesigns, wie in der vorliegenden Arbeit beispielsweise durch die Integration von Aspekten der klassischen Testtheorie und eines modellorientierten Einzelfallansatzes, nach Antworten zu suchen und auch neue Methoden-Entwicklungen anzustoßen. Konkret legt die Arbeit dazu zwei Ergänzungstest zum AWST, einem in der Praxis etablierten Verfahren, vor. Angesichts der Komplexität der Materie können im Rahmen einer Einzelarbeit nicht alle Fragen beantwortet werden. Ebensowenig kann eine umfassende psychometrische Absicherung der neu entwickelten Ergänzungstests geleistet werden. Damit können die Ergebnisse der Arbeit nicht unmittelbar in die klinische Praxis übersetzt werden. Doch diese Einschränkungen schmälern nicht den Beitrag, den die Arbeit für die Weiterentwicklung der Logopädie leisten kann. Denn Wissenschaft soll nicht allein zu neuen Erkenntnissen führen, sondern auch Anregungen zu neuen Fragen und zum 8 9
6 Stephanie Rupp Modellgeleitete Diagnostik bei kindlichen lexikalischen Störungen Weiterdenken geben. Der Impuls der vorliegenden Arbeit etwa zur Präzisierung lexikalischer Störungen bei Kindern führt zu verfeinerten differenzialdiagnostischen Methoden und regt dazu an, über eine daran angepasste, störungsbildspezifischere Therapie nachzudenken. So ist dem vorliegenden Buch zu wünschen, dass es viele Logopädinnen und Logopäden zu einer Reflexion ihres Wissen über die lexikalische Entwicklung von Kindern anregt und zu einer Reflexion der Zusammenhänge von Störungscharakteristik, Diagnostikmethoden und Therapieplanung. Dann kann die Veröffentlichung der Arbeit und die Hervorhebung durch den dbl- Forschungspreis, der vom Schulz-Kirchner-Verlag dankenswerterweise auch finanziell unterstützt wird, dazu beitragen, die Logopädie im Wechselspiel von Theorie und Praxis weiterzuentwickeln zum Wohle der Patienten. Dr. Monika Rausch Präsidentin des dbl 10 1 Einleitung Die Aufgabe von Sprache ist grundsätzlich die Übermittlung von Informationen. Ziel sprachlichen Austausches ist Verständigung und Kommunikation. Durch das Medium Sprache können Gedanken ausgehend von einem Sprecher zu einem Empfänger gelangen, von welchem die Informationen dann wieder in Vorstellungen umgewandelt werden. Es finden Kommunikation, gedanklicher Austausch und Verständigung statt. Diese Verständigung wird ermöglicht über ein sprachliches System, das in der Lautsprache aus Worten (in Gebärdensprachen Gebärden) besteht, die alle Teilnehmer einer Population kennen und denen festgelegte Bedeutungen zugeordnet werden können. Es ist demnach ein hoch komplexes Symbolsystem, das uns ganz alltäglich und wie selbstverständlich Kommunikation ermöglicht. Kinder stehen in ihrer Sprachentwicklung vor einer großen Aufgabe und müssen dieses hoch komplexe System durchschauen und sich aneignen. Es müssen mentale Repräsentationen (innere Bilder) aufgebaut werden, mit Sprache verknüpft und in Sprache übersetzt werden und umgekehrt. Durch diese stattfindenden Prozesse kann ein Kind allmählich ein mentales Lexikon aufbauen. The development of this dual function as both an internal (cognitive) and an external (communicative) representational system is a critical turning point in human history and in human ontogeny (Nelson 1998:121). Der Begriff Lexikon wird in der vorliegenden Arbeit als Kurzform für mentales Lexikon verwendet. Das mentale Lexikon bezeichnet den mental organisierten und repräsentierten Wortschatz, auf welchen in der Sprachverarbeitung zugegriffen wird (vgl. Bußmann 2002). In der Wortschatzentwicklung des Kindes greifen sprachliche und nichtsprachliche Ebenen ineinander, wirken wechselseitig aufeinander ein und stellen gegenseitig Voraussetzungen für weitere Entwicklungsschritte dar. Die genauen Zusammenhänge sind jedoch noch unzureichend erforscht (vgl. Kauschke 2000). Kauschke stellt heraus, dass erhebliche Diskrepanzen bei der Klärung der Frage bestehen, in welchem Zusammenhang die Entwicklung des Lexikons mit anderen sprachlichen Bereichen steht. Im Weiteren ist unzureichend erforscht, ob spezielle Entwicklungsschritte Auslöser oder Voraussetzung für weitere sprachliche Entwicklungsschritte darstellen und welche wechselseitigen Einflüsse darüber hinaus bestehen. Die frühe Wortschatzentwicklung wird zunehmend als Prädiktor der weiteren Sprachentwicklung angesehen und stellt somit einen wichtigen As- 11
7 Stephanie Rupp Modellgeleitete Diagnostik bei kindlichen lexikalischen Störungen pekt bei der Früherkennung von Sprachentwicklungsstörungen dar. Eng damit verbunden ist ein wachsendes wissenschaftliches Interesse, diesen Bereich der frühen Sprachentwicklung zu erforschen. Dies betrifft sowohl die physiologische als auch die pathologische Sprachentwicklung. Rothweiler (2001:93) betont: Im deutschsprachigen Raum gibt es kaum Untersuchungen, die sich auf der Grundlage empirisch erhobener Daten mit dem Aufbau des Lexikons bei sprachauffälligen Kindern befassen. Zwei wichtige Aspekte, die in der Literatur Erwähnung finden, bezogen auf die frühe Wortschatzentwicklung und auch im Hinblick auf die gestörte Wortschatzentwicklung, sind die Aspekte des Lautsystems (phonetischphonologische Fähigkeiten) und Aspekte der semantisch-konzeptuellen Entwicklung. Die phonologische Form stellt die Schnittstelle zum akustischen Signal dar und spezifiziert die Lautgestalt des Wortes. Die semantische Form bezieht sich auf die Bedeutung des Wortes und bildet den angrenzenden Bereich zum nicht-sprachlichen begrifflichen Wissenssystem (Kauschke 2000:3). Das Verhältnis dieser beiden Formen oder Ebenen wird Inhalt dieser Veröffentlichung sein. Darüber hinaus propagieren einige Autoren, dass das Sprachverständnis als eine Voraussetzung der Sprachproduktion aufzufassen sei (vgl. Steinberg et al. 2001, Nelson 1998, Szagun 2001). Nimmt man die Gesamtentwicklung des Kindes in seinem Umfeld in Augenschein, gibt es zahlreiche Faktoren (z. B. das Sprachangebot, soziale Faktoren), die im Zusammenhang mit der Wortschatzentwicklung des Kindes stehen, diese sind jedoch nicht Gegenstand der hier vorliegenden Arbeit und werden nur peripher Erwähnung finden. Die Struktur eines kindlichen Lexikons kann nicht der Lexikonstruktur eines Erwachsenen gleichgesetzt werden, da sich das kindliche Lexikon in allen Aspekten noch im Aufbau befindet. Die kindlichen Wortbedeutungen entsprechen noch nicht den zielsprachlichen Bedeutungen (vgl. Rothweiler & Meibauer 1999:13). Zunächst werden Wörter von Kindern kontextgebunden produziert, später kontextvariabel. Auch werden Aspekte der Umstrukturierung des Lexikons von thematischen Relationen hin zu klassifikatorischen diskutiert. Es ist wichtig von dem Bewusstsein auszugehen, dass das Lexikon des Kindes nicht einfach eine Miniaturform des Lexikons eines Erwachsenen ist. Dieser Gedanke, dass das Lexikon des Kindes eigene qualitative Aspekte beinhaltet, wird in dieser Arbeit durchgängig Berücksichtigung finden. Wenn von einer Interaktion zwischen kognitiv-semantischer, phonetischphonologischer und lexikalischer Entwicklung ausgegangen wird, muss man bei einer nicht typischen lexikalischen Entwicklung eines Kindes auch 12 berücksichtigen, dass Kinder mit einer lexikalischen Störung auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedlich stark ausgeprägte Defizite aufweisen könnten. Bislang fehlen für das Deutsche zur Untersuchung dieser differenzialdiagnostischen Fragestellung normierte und standardisierte Tests. Da jedoch eine gezielte differenzierte Diagnostik Voraussetzung für jede individuelle und spezifische Therapie ist, besteht ein deutlicher Forschungsbedarf zu diesem Thema. Der Gedanke einer differenzialdiagnostischen Abklärung findet auch durch die Forderung nach effizienten Therapiemethoden seine Begründung, da die Voraussetzung jeder erfolgreichen Therapie eine genaue Diagnosestellung ist. Über die Diagnostik müssen spezifische Therapieansätze ermittelt werden. Eine gute Diagnostik macht es beispielsweise möglich, zwischen spezifischen und kompensatorischen Therapieansätzen zu unterschieden. Im Rahmen dieser Arbeit soll die Entwicklung eines geeigneten Diagnostikmaterials vorgestellt werden, das einen systematischen Vergleich von nicht-sprachlich semantischen Fähigkeiten, rezeptivem Wortverstehen und Wortproduktion an jeweils demselben Itemmaterial ermöglicht. Auch phonologische Aspekte sollen Berücksichtigung finden. Zunächst wurde zu diesem Zweck eine Vorstudie durchgeführt, auf deren Grundlage semantische Daten ermittelt wurden. Basierend auf diesen Daten wurden ein Wortverständnis- und ein Semantik-Test entwickelt. Anschließend wurde eine empirische Studie durchgeführt, bei der zwei Gruppen von Kindern untersucht wurden: eine Kontrollgruppe mit Kindern, die sich im Bereich Wortschatz typisch entwickeln und eine Gruppe von klinisch wortschatzauffälligen Kindern. Durch diese Untersuchungen soll ein Beitrag zum Wissensgewinn bezüglich der physiologischen Wortschatzentwicklung wie auch zu lexikalischen Störungen bei Kindern geleistet werden. Da im Rahmen dieser Studie neue Untersuchungsverfahren eingesetzt wurden, wurden diese evaluiert. Die vorliegende Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: Zunächst wird der theoretische Hintergrund (Kapitel 2) vorgestellt, um einen Einblick zu vermitteln, wie komplex die Aufgabe ist, vor der ein Sprache erwerbendes Kind steht. Es werden die Aspekte herausgestellt und näher erläutert, die im Hinblick auf den Worterwerb und die zu erörternde Fragestellung wichtig sind. Es erfolgt ein Abriss über die Lexikonentwicklung beim Kind (Kapitel 2.1), in welchem die Voraussetzungen und die Stufen der Entwicklung beschrieben werden. Darauf aufbauend werden Semantiktheorien 13
8 Stephanie Rupp Modellgeleitete Diagnostik bei kindlichen lexikalischen Störungen und der Bedeutungserwerb beim Kind (Kapitel 2.2) anhand ausgewählter Semantik-Theorien vorgestellt und die phonologische Entwicklung (Kapitel 2.3) beschrieben. Nach den theoretischen Grundlagen, die sich primär auf die physiologische Entwicklung des Kindes beziehen, werden lexikalische Störungen bei Kindern (Kapitel 2.5) und die unterschiedlichen Störungsausprägungen bzw. Subgruppenvorschläge diverser Autoren beschrieben. In Kapitel 2.6, das sich mit Lexikonmodellen befasst, wird der Worterwerb auf das Modell von Dell et al. (2000) übertragen (Kapitel 2.6.1) und es werden mögliche Subgruppen der lexikalischen Störung anhand des Modells (Kapitel 2.6.2) vorgeschlagen und im Modell veranschaulicht. Zusammenfassend werden in Kapitel 2.7 die grundsätzlichen Fragestellungen für die empirische Studie aus der Literatur abgeleitet und beschrieben. Im praktisch-empirischen Teil dieser Arbeit (Kapitel 3) werden einführend die Methode und das grundsätzliche Vorgehen erläutert. Es folgt die Beschreibung der Entwicklung eigener Testverfahren. Dies wird als Vorarbeit (Kapitel 3.1) der eigentlichen empirischen Studie bezeichnet. Es schließt sich die Darstellung der eigentlichen empirischen Untersuchung (Kapitel 3.2) an. Es werden die speziellen Forschungshypothesen dargestellt und das verwendete Material sowie die Auswertungsmethoden beschrieben. Die untersuchte Probandengruppe wird erläutert, die statistischen Verfahren werden beschrieben und die Ergebnisse werden präsentiert. Abschließend werden die Ergebnisse in Kapitel 4 kritisch diskutiert. In Kapitel 5 werden die wichtigsten Aspekte dieser Arbeit zusammengefasst und es wird ein Ausblick gegeben. 2 Theoretischer Hintergrund Um zu verdeutlichen, welche Leistungen ein heranwachsendes und Sprache erwerbendes Kind vollbringt und mit wie vielen Fähigkeiten und Einzelaspekten dieser Prozess vonstatten geht, wird in diesem Kapitel einführend die Lexikonentwicklung beim Kind mit einigen wichtigen Aspekten vorgestellt. Wesentlicher Bestandteil der Lexikonentwicklung ist, dass das Kind lernt, Wörter als solche aus dem Sprachfluss zu identifizieren und sie einem Referenten zuzuordnen. Dies beinhaltet, dass das Kind in seiner Entwicklung lernt, dass ein Wort symbolisch für einen Referenten eingesetzt werden kann. Die folgende Erläuterung orientiert sich an den zeitlichen Entwicklungsstadien und der Erwerbsreihenfolge des Kindes. Betrachtet man die Lexikonentwicklung, muss zusätzlich erörtert werden, wie Kinder Bedeutungen an sich (Kapitel 2.2) erwerben und diese mit Sprache in Verbindung bringen. Im Weiteren wird die Entwicklung der Wortformen (Kapitel 2.3) beschrieben und wie Kinder die Phonologie der Muttersprache erwerben. Die einzelnen Entwicklungsbereiche hängen sehr eng zusammen und sind nur theoretisch, und selbst dann nicht trennscharf, isoliert beschreibbar. In der Entwicklung des Kindes sind die Bereiche stark verzahnt, greifen ineinander und beeinflussen sich wechselseitig. Trotzdem ist es in Forschungsarbeiten methodisch sinnvoll, diese künstlich anmutenden Trennungen vorzunehmen, um differenziertere Aussagen zu einzelnen Aspekten treffen zu können. Im Folgenden werden insbesondere Aspekte berücksichtigt, die eine wesentliche Rolle bei den folgenden theoretischen und experimentellen Überlegungen spielen Die Lexikonentwicklung Bevor die Lexikonentwicklung als solche mit den entsprechenden Entwicklungsschritten vorgestellt wird, muss zunächst definiert werden, was unter Lexikon bzw. unter mentalem Lexikon 2 zu verstehen ist. 1 Zu einer umfassenden Betrachtung der Lexikonentwicklung, die wiederum Teil der gesamten Sprachentwicklung ist, gehören noch etliche weitere Aspekte, wie beispielsweise pragmatische, grammatikalische oder soziale Entwicklungsaspekte. Diese können im Rahmen dieser Diplomarbeit jedoch nur peripher Berücksichtigung finden. 2 Wenn im Folgenden der Arbeit von Lexikon die Rede ist, bezieht sich dies immer auf das mentale Lexikon
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