Diagnostik Motivation Psychotherapie Migration Fragebogen
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- Regina Huber
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1 Türkische Übersetzung und erste psychometrische Überprüfung der deutschsprachigen FAMOS (Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata) und INK (Inkongruenzfragebogen) Özgür Tamcan 1 und Martin Grosse Holtforth 2 Zusammenfassung Theoretischer Hintergrund: Standardisierte psychologische Messinstrumente in der Psychotherapie für Personen mit Migrationshintergrund fehlen weitgehend. Fragestellungen: Die türkischsprachigen Übersetzungen des Fragebogens zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS) und des Inkongruenzfragebogens (INK) wurden in die türkische Sprache übersetzt und psychometrisch überprüft. Methode: Insgesamt füllten 73 türkischsprachige Patienten und 230 gesunde türkischsprachige Personen mit Migrationshintergrund in der Schweiz FAMOS und INK aus. Ergebnisse: Die Skalen von FAMOS und INK zeigen gute Reliabilität und Validität. Patienten weisen stärker ausgeprägte Vermeidungsziele und Inkongruenzwerte als gesunde Personen auf. Schlussfolgerungen: Die türkischen Versionen von FAMOS und INK eignen sich sowohl für die klinisch-psychologische Forschung als auch für die Praxis. Schlüsselwörter Diagnostik Motivation Psychotherapie Migration Fragebogen Abstract Turkish-language versions of the Inventory of Approach and Avoidance Motivation (IAAM [German: FAMOS]) and the Incongruence Questionnaire (INC [German: INK]) translation and psychometric evaluation Theoretical Background: There is a current need for specific assessment tools in the psychotherapy of migrant populations. Research Questions: This article presents the Turkish translations of the Inventory of Approach and Avoidance Motivation (IAAM) and the Incongruence Questionnaire (INC), as well as their psychometric evaluation. Methods: 73 Turkish migrants who are current psychotherapy patients in Switzerland and 230 Turkish non-patient migrants in Switzerland completed IAAM and INC. Results: The scales of IAAM and INC showed satisfactory reliabilities as well as evidence of validity. Patients generally reported stronger avoidance goals as well as higher incongruence levels than control subjects. Conclusions: The Turkish-language IAAM and INC are well suited for use in clinical research and practice. 1 Institut für Sozial und Präventivmedizin, Universität Bern, Schweiz. 2 Psychologisches Institut, Universität Zürich, Schweiz. Klin. Diagnostik u. Evaluation, 2. Jg., , ISSN
2 120 Özgür Tamcan und Martin Grosse Holtforth Keywords assessment motivation psychotherapy migration questionnaire Einleitung Zielgruppenspezifische Gesundheitsinformationen sind insbesondere in Ländern von besonderer Bedeutung, die eine lange Migrationsgeschichte und entsprechend hohe Personenzahlen mit Migrationshintergrund in der Wohnbevölkerung aufweisen. Für die psychotherapeutische Versorgung der meisten Personengruppen mit Migrationshintergrund fehlt solches Wissen allerdings weitgehend. Ein klinischer Bereich, in welchem migrationsspezifisches psychologisches Wissen besonders rar ist, sind motivationale Faktoren im Zusammenhang mit psychischen Störungen. Im Zentrum dieser Untersuchung stehen motivationale Ziele, deren Intensität mit dem Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS) (Grosse Holtforth & Grawe, 2002) und deren Ausmaß der Befriedigung mit dem Inkongruenzfragebogen (INK) (Grosse Holtforth, Grawe, & Tamcan, 2004) erfasst werden können. Motivationale Ziele sind zentrale Konstrukte der Konsistenztheorie (Grawe, 1998, 2004), die der Entwicklung von FAMOS und INK zugrunde lag. Die vorliegende Arbeit berichtet über die Übertragung dieser Instrumente in die türkische Sprache sowie die empirische Überprüfung dieser türkischsprachigen Versionen. Motivationale Ziele Nach der Konsistenztheorie (Grawe, 1998, 2004) sind motivationale Ziele neben psychischen Störungen und zwischenmenschlichen Beziehungsmustern zentrale Bestimmungsstücke des psychischen Geschehens. Sie benennen diejenigen Wahrnehmungen, die eine Person anzustreben oder zu vermeiden sucht. Die Konsistenztheorie stellt ein umfassendes Modell der Entstehung, Aufrechterhaltung und Veränderung psychischer Störungen dar. In der Psychotherapie auf der Basis der Konsistenztheorie dienen motivationale Ziele als zentrale Elemente der Fallkonzeption und Therapieplanung. Für den deutschsprachigen Raum haben Grosse Holtforth und Grawe (2000, 2002) zur Erhebung motivationaler Ziele den Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS) und zur Erfassung der Befriedigung motivationaler Ziele den Inkongruenzfragebogen (INK) (Grosse Holtforth et al., 2004) entwickelt. Im Folgenden wird nach einer Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen, der Konstruktion und der teststatistischen Überprüfung der deutschsprachigen Fragebögen FAMOS und INK die Übersetzung und Überprüfung der türkischen Versionen berichtet. Die Grundannahme des konsistenztheoretischen Modells ist, dass Menschen nach der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse sowie nach dem Schutz
3 Türkische Versionen von FAMOS und INK 121 vor deren Verletzung streben. Dazu entwickeln sie im Laufe der individuellen Entwicklung unter dem Einfluss konkreter Lebensbedingungen bestimmte motivationale Ziele. Motivationale Ziele lassen sich in Annäherung- und Vermeidungsziele unterteilen. Annäherungsziele dienen dazu, Bedürfnisbefriedigung zu erreichen. Vermeidungsziele entstehen aus der Verletzung von Grundbedürfnissen und richten sich auf das Vermeiden von Bedürfnisverletzungen. Es wird angenommen, dass Vermeidungsziele bei einem Individuum verhindern können, dass es seine Annäherungsziele umsetzen kann (z. B. versuchen, jemandem nahe zu sein, aber gleichzeitig vermeiden, eingeengt zu werden). Nach der Konsistenztheorie ist folglich ein wesentliches Ziel der Psychotherapie, den Einfluss von Vermeidungszielen so weit zu schwächen, dass die Person ihre psychologischen Bedürfnisse nach z. B. Bindung oder Kontrolle wieder besser befriedigen kann (Grawe, 1998, 2004). Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS ) und Inkongruenzfragebogen (INK) Zur Entwicklung des Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata (FA- MOS) wurden von Grosse Holtforth und Grawe (2000, 2002) aus einer großen Zahl psychotherapeutischer Fallkonzeptionen motivationale Ziele extrahiert, die in Items umformuliert wurden und über Hauptkomponentenanalysen in 14 Skalen für Annäherungsziele (57 Items) und 9 Skalen für Vermeidungsziele (37 Items) resultierten. Aus den Werten der Annäherungsziel- und Vermeidungszielskalen werden je eine zusammenfassende Skala sowie ein Gesamtwert für das Verhältnis von Vermeidungs- zu Annäherungszielen (Vermeidungsdominanz) berechnet. Die interne Konsistenz der Skalen erwies sich als befriedigend, und substantielle Korrelationen mit dem Ausmaß der Symptombelastung und verschiedenen Massen des Wohlbefindens wiesen auf eine gute klinische Validität des deutsprachigen Fragebogens hin. Zur Messung der Befriedigung motivationaler Ziele wurde der Inkongruenzfragebogen (INK) (Grosse Holtforth & Grawe, 2003; Grosse Holtforth et al., 2004) entwickelt, der bezüglich der gleichen Inhalte wie der FAMOS erfragt, wie gut die Probanden ihre Annäherungsziele befriedigen können bzw. wie stark aversive Erfahrungen (Vermeidungsziele) eintreffen. In mehreren empirischen Untersuchungen zeigten die Items und Skalen des INK befriedigende Reliabilitäten bzw. Selbst- und Fremdtrennschärfen (Grosse Holtforth et al., 2004). Substantielle Korrelationen mit dem Ausmaß der Symptombelastung, verschiedenen Maßen des Wohlbefindens und Depressivität bzw. bedeutsame Unterschiede zwischen Patienten und Personen ohne bekannte psychische Auffälligkeiten ( Gesunde ) zeigten eine gute klinische Validität des INK.
4 122 Özgür Tamcan und Martin Grosse Holtforth Übersetzung von FAMOS und INK in die türkische Sprache Ziel der Übersetzung von FAMOS und INK ins Türkische war es, eine der deutschen Version möglichst vergleichbare türkische Version zu schaffen. Dafür wurden zunächst die Items von vier Übersetzern unabhängig voneinander in die türkische Sprache übertragen und nachfolgend hinsichtlich sprachlicher Formulierungen und der Übereinstimmung zwischen den Formulierungen beurteilt. 154 türkischsprachige Items wurden zum Rückübersetzen ausgewählt, die von zwei anderen Übersetzerinnen auf Deutsch zurückübersetzt wurden. Nach der Rückübersetzung wurden 109 Items ausgewählt, welche untereinander sowie mit den ursprünglichen Items inhaltlich übereinstimmten. Zur Überprüfung der Gleichwertigkeit der Items wurden die übersetzten und die ursprünglichen Items einer Stichprobe von 24 zweisprachigen Personen (M = 26.5 J., Range J., 50 % Frauen) in einwöchigem Abstand zweimal mit vertauschter Reihenfolge (Deutsch-Türkisch, Türkisch-Deutsch) zur Beantwortung vorgelegt. Als heuristisches Kriterium für die Gleichwertigkeit wurde die Test-Retest-Reliabilität derjenigen deutschen FAMOS-Skala aus dem Testmanual (Grosse Holtforth & Grawe, 2002) genommen, der das Item angehörte. Nach dieser Überprüfung wurden diejenigen Items in die türkische Version des FAMOS aufgenommen, die Korrelationen aufwiesen, die höher oder gleich waren oder um höchstens.20 nach unten vom Original abwichen. Hauptstudie: Fragestellungen und Hypothesen In der Hauptstudie werden die türkischsprachigen Übersetzungen von FA- MOS und INK sowie deren psychometrische Überprüfung vorgestellt. Im Sinne der Konstruktvalidität des FAMOS wird erwartet, dass Vermeidungsziele bei Psychotherapiepatienten stärker ausgeprägt sind als bei gesunden Personen. Zudem besteht die Erwartung, dass Patienten ihre motivationalen Ziele schlechter befriedigen können als gesunde Personen, und dass eine schlechtere Befriedigung dieser Ziele (Inkongruenz) wiederum mit psychischen Problemen einhergeht. Darüber hinaus besteht die Hypothese, dass sowohl starke Vermeidungsziele als auch starke Inkongruenz mit einer höheren psychopathologischen Symptombelastung und einer stärkeren Ängstlichkeit einhergehen. Methode Stichprobe Die Datenerhebung fand zwischen September 2000 und April 2001 statt. Teilnehmer waren insgesamt 73 türkischsprachige Patienten in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung in der deutschsprachigen Schweiz sowie eine
5 Türkische Versionen von FAMOS und INK 123 Kontrollgruppe von 230 türkischsprachigen Personen mit Migrationshintergrund 3 ohne psychische Auffälligkeiten. Die Erhebung bei den Patienten erfolgte jeweils vor Beginn ihrer Behandlungen. Die Patienten wurden über eine psychiatrische Tagesklinik in Basel rekrutiert und wiesen unterschiedliche psychische Störungen auf. Zur Überprüfung der Test-Retest-Reliabilität füllte eine separate Gruppe von insgesamt 234 türkischsprachigen Personen den FAMOS und INK zweimal mit einem einwöchigen Abstand aus. Die Verteilung der Testbatterie erfolgte über den Bekanntenkreis des Erstautors und über unterschiedliche Institutionen mit enger Beziehung zu den aus der Türkei stammenden Personen. Die Testbatterie wurde Kontrollpersonen mit einem rückadressierten, frankierten Couvert ausgehändigt. Die Datenerhebung bei Patienten konnte nach der Genehmigung der Kantonalen Ethikkommission Bern (KEK) (225/2000) beginnen. Die Patienten, welche an der Studie teilnehmen wollten, unterschrieben eine Einverständniserklärung. In Tabelle 1 werden die Alters- und Geschlechtsverteilungen sowie weitere soziodemographische Merkmale der Probandinnen und Probanden dargestellt. Personen in der Retest-Gruppe sowie Kontrollpersonen sind im Durchschnitt etwas jünger als die Patienten. Das Geschlechterverhältnis war bei allen Stichproben vergleichbar, wohingegen die Stichproben variierten hinsichtlich des Zivilstandes und des Bildungsniveaus. Tabelle 1: Demographische Eigenschaften der untersuchten Gruppen Merkmale Patienten (n = 73) Kontrollgruppe (n = 230) Test-Retest (n = 234) Alter (M [SD]) 39,3 (9,9) 34,4 (8,7) 28,6 (8,8) Geschlecht Weiblich (N [%]) 41 (60 %) 87 (38 %) 144 (61,5 %) Zivilstand (N [%]) Verheiratet 118 (51 %) 48 (67 %) Geschieden/Getrennt 39 (17 %) 17 (24 %) Verwitwet 4 (2 %) 1 (1 %) Ledig 69 (30 %) 6 (8 %) Ausbildung Keine Ausbildung 2 (3 %) Primar/Mittelschule 58 (25 %) 40 (55 %) Gymnasium/Berufsschule 96 (42 %) 29 (39 %) Fachschule/Universität 76 (33 %) 2 (3 %) 3 Als Personen mit Migrationhintergrund werden in diesem Artikel in der Schweiz lebende Personen sowohl aus der ersten als auch aus der zweiten Generation bezeichnet.
6 124 Özgür Tamcan und Martin Grosse Holtforth Messinstrumente Das türkischsprachige Fragebogenpaket enthielt neben den türkischsprachigen FAMOS und INK, welche wie die deutschen Originalversionen aus 94 Items (57 Annäherungsziele, 37 Vermeidungsziele) bestehen, u. a. auch die türkischsprachigen Versionen der Brief Symptom Inventory (BSI) (Derogatis, 1992), die Taylor Manifest Anxiety Scale (T-MAS) (Taylor, 1953) sowie die Satisfaction with Life Scale (SWL) (Diener, Emmons, Larsen, & Griffin, 1985). Die Testbatterie umfasste insgesamt 317 Items, und das Ausfüllen beanspruchte ca. 1 Stunde. Ergebnisse Überprüfung der psychometrischen Eigenschaften der türkischen FAMOS und INK Reliabilität. Die Ergebnisse der Überprüfung der Retest-Reliabilität sowie der internen Konsistenz der FAMOS-Skalen können Tabelle 2 entnommen werden. Die Werte der Retest-Reliabilitäten für das Intervall von einer Woche liegen im mittleren bis hohen Bereich. Für die Annäherungsziele des FAMOS liegen die Werte zwischen r icc =.81 und r icc =.87 (Mittelwert r icc =.83) und für die Vermeidungsziele zwischen r icc =.74 und r icc =.87 (Mittelwert r icc =.83). Die Retest-Reliabilitäten der INK-Annäherungszielskalen liegen zwischen r icc =.76 und r icc =.92 (Mittelwert r icc =.82) und damit in vergleichbarer Höhe. Die Retest- Reliabilitäten für die INK-Vermeidungszielskalen fallen mit Werten zwischen r icc =.70 und r icc =.84 (Mittelwert r icc =.76) etwas niedriger aus. Die mittleren internen Konsistenzen der FAMOS-Annäherungszielskalen liegen sowohl bei Patienten als auch bei der Kontrollgruppe bei α =.74 (Range = bei Kontrollgruppe, bei Patienten). Die mittleren internen Konsistenzen der FAMOS-Vermeidungszielskalen liegen bei α =.71 in der Kontrollgruppe (Range =.52.88) und α =.72 bei den Patienten (Range =.54.90). Unzureichende interne Konsistenzen (Alphas unter.70; Lienert & Ratz, 1998) in einzelnen Stichproben zeigen die FAMOS-Skalen Intimität/Bindung, Autonomie, Kontrolle haben, Bildung/Verstehen, Glauben/Sinn, Erniedrigung, Vorwürfe/Kritik, Abhängigkeit/Autonomieverlust, Sich verletzbar machen. Bei den anderen Skalen liegen die Werte über.70. Die mittleren internen Konsistenzen der INK-Annäherungszielskalen liegen in der Kontrollgruppe bei α =.81 (Range =.61.93), bei den Patienten bei α =.82 (Range =.69.95) und der INK-Vermeidungszielskalen bei α =.75 in der Kontrollgruppe (Range =.68.85) und bei α =.80 bei den Patienten (Range =.52.89). Unzureichende interne Konsistenzen (Alphas unter.70) in einzelnen Stichproben zeigen die INK Glauben/Sinn und Sich verletzbar machen. Bei den anderen Skalen liegen die Werte für Cronbach s Alpha über.70.
7 Türkische Versionen von FAMOS und INK 125 Tabelle 2: Cronbach s Alpha der Skalen von FAMOS und INK bei den Patienten und gesunden Kontrollpersonen sowie die Test-Retest-Reliabilitätswerte für eine Woche als Intra-Klassen-Korrelationen mit 95 % Konfidenzintervallen (CI). FAMOS INK Cronbach s Alpha Test-Retest (1 Wo.) Cronbach s Alpha Test-Retest(1 Wo.) Patienten Kontroll r icc (CI 95 %) Patienten Kontroll r icc (CI 95 %) Intimität/Bindung (.83.90) (.82.89) Geselligkeit (.80.88) (.75.85) Anderen helfen (.79.88) (.74.85) Hilfe bekommen (.79.88) (.77.86) Anerkennung/Wertschätzung (.77.86) (.73.84) Überlegensein/Imponieren (.77.86) (.81.89) Autonomie (.76.85) (.82.89) Leistung (.79.88) (.76.86) Kontrolle haben (.78.87) (.75.85) Bildung/Verstehen (.78.87) (.75.85) Glauben/Sinn (.77.86) (.72.83) Das Leben auskosten (.78.87) (.87.92) Selbstvertrauen/Selbstwert (.78.87) (.69.81) Selbstbelohnung (.78.87) (.81.89) Mittelwerte Alleinsein/Trennung (.80.88) (.70.82) Geringschätzung (.83.90) (.63.78) Erniedrigung (.83.90) (.63.78) Vorwürfe/Kritik (.76.86) (.65.80) Abhängigkeit/Autonomieverlust (.66.80) (.79.88) Spannungen mit anderen (.79.88) (.79.88) Sich verletzbar machen (.70.82) (.66.80) Hilflosigkeit/Ohnmacht (.77.86) (.76.86) Versagen (.83.90) (.61.77) Mittelwerte
8 126 Özgür Tamcan und Martin Grosse Holtforth Unterschiede zwischen Patienten und gesunden Personen Bei der Überprüfung der Hypothesen in Bezug auf Unterschiede zwischen Patienten und gesunden Personen wurden die Faktoren Geschlecht und Alter berücksichtigt, um den zuvor festgestellten Alters- und Geschlechtsunterschiede zwischen den beiden Gruppen Rechnung zu tragen. Mittelwerte und Standardabweichungen von Patienten und Kontrollpersonen, von Männer und Frauen sowie von Altersgruppe mit Personen im Alter unter 35 Jahren (17 35 Jahre alt) und mit denjenigen über 35 (36 62) in den FAMOS- und INK-Skalen können Tabelle 3 und Tabelle 4 entnommen werden. Mittelwertsunterschiede wurden anhand von dreifaktoriellen Varianzanalyse (Gruppe Geschlecht Alter) überprüft. Die Ergebnisse der Varianzanalysen sind in der Tabelle 3 und Tabelle 4 als Effektstärken (Cohen s d; Rosenthal, 1991) dargestellt, wobei die Effektstärke nur für die Gruppenunterschiede, aber nicht für die Interaktionseffekte berechnet wurde. Für die Interpretation der Effektstärken als klein (d = 0.2), mittel (d = 0.5) oder groß (d = 0.8) wurde die Klassifikation von Cohen (1988) herangezogen. Die Ergebnisse der Varianzanalyse zeigten signifikante Haupteffekte sowohl in den Skalen des FAMOS als auch des INK für den Faktor Gruppe sowie den Faktor Geschlecht. Ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Alter zeigte sich nur für die Skalen des FAMOS. Es konnte ein Interaktionseffekt (Gruppe Geschlecht Alter) für die Skala Intimität/Bindung des Inkongruenzfragebogens festgestellt werden. Die Effekte für die Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollgruppe liegen für die Skalen des FA- MOS im mittleren Bereich, während sich für die Skalen des INK große Effekte zeigten. Die Effekte für die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie zwischen jüngeren und älteren Teilnehmern waren klein (siehe Tabelle 3 und 4). Patienten zeigen deutlich stärker ausgeprägte Vermeidungsziele als gesunde Personen sowie tendenziell stärker ausgeprägte Annäherungsziele, so dass das Verhältnis von Vermeidungszielen zu Annäherungszielen bei Patienten ebenfalls eindeutig stärker ausgeprägt ist. Bei den Annäherungszielen zeigen Patienten in den Skalen Geselligkeit, Anderen helfen, Hilfe bekommen, Anerkennung/Wertschätzung, Überlegensein/Imponieren, Glauben/ Sinn und Selbstbelohnung signifikant höhere Werte als gesunde Kontrollpersonen. Patienten zeigen bei allen Vermeidungszielen signifikant höhere Werte als Kontrollpersonen, lediglich in der Skala Abhängigkeit/Autonomieverlust zeigte sich der Unterschied knapp (p <.06) nicht signifikant. In allen Skalen des INK geben Patienten eine schlechtere Befriedigung ihrer Ziele als Kontrollpersonen an. Diese Unterschiede sind in den Skalen Hilflosigkeit/Ohnmacht, Abhängigkeit/Autonomieverlust, Selbstvertrauen/ Selbstwert, Alleinsein/Trennung sowie Versagen am größten. Hingegen sind die Unterschiede in den Skalen Anderen helfen, Hilfe bekommen, Überlegensein/Imponieren, Leistung, Anerkennung/Wertschätzung so-
9 Türkische Versionen von FAMOS und INK 127 wie Glauben/Sinn etwas geringer als in anderen motivationalen Bereichen. Die Unterschiede sind bei Vermeidungszielen generell größer als bei Annäherungszielen. Frauen zeigen signifikant stärker ausgeprägte motivationale Ziele in den Skalen Glauben/Sinn sowie Selbstvertrauen/Selbstwert als Männer. Außer bei den Skalen Versagen, Sich verletzbar machen und Geringschätzung sind die Vermeidungsziele bei Frauen signifikant stärker ausgeprägt als bei Männern. Hingegen befriedigen Frauen ihre Annäherungsziele Hilfe bekommen, Anerkennung/Wertschätzung, Überlegensein/Imponieren, Leistung und Glauben/Sinn signifikant besser als Männer und geben in der Skala Geringschätzung signifikant geringere Inkongruenzwerte an als Männer. Die Unterschiede zwischen den Altersgruppen waren nur in einigen Skalen des FAMOS signifikant. So waren die Werte der Skalen Geselligkeit und Anderen helfen bei den älteren Personen signifikant höher als bei jüngeren. Bei den Vermeidungszielen zeigte die Gruppe der älteren Personen tendenziell höhere Werte als die jüngere Gruppe, wobei die Unterschiede in den Skalen Alleinsein/Trennung, Erniedrigung, Vorwürfe/Kritik, Spannungen mit anderen, Hilflosigkeit/Ohnmacht und Versagen signifikant waren. Zusammenhänge von FAMOS- und INK-Skalen mit Psychopathologie und Ängstlichkeit In Tabelle 5 werden die Pearson-Korrelationen für die Zusammenhänge zwischen den einzelnen FAMOS- und INK-Skalen mit dem Gesamtwert des BSI und der Taylor-Ängstlichkeitsskala angegeben. Die Ausprägung der Vermeidungsziele hängt mit einer starken Symptombelastung sowie einer starken Ausprägung der Ängstlichkeit zusammen. Diese Zusammenhänge sind in jeder Skala signifikant und die Effekte liegen im mittleren bis hohen Bereich. Ebenfalls geht die Ausprägung von Annäherungszielen mit einer starken Symptombelastung sowie einer starken Ausprägung der Ängstlichkeit einher. Die Zusammenhänge sind deutlich stärker für Vermeidungsziele als für Annäherungsziele. Die Effekte liegen für Annäherungsziele im mittleren bis hohen Bereich, für Vermeidungsziele im hohen bis sehr hohen Bereich.
10 128 Özgür Tamcan und Martin Grosse Holtforth Tabelle 3: Mittelwerte und Standardabweichungen der FAMOS-Skalen bei den untersuchten Gruppen und Ergebnisse der dreifaktoriellen Varianzanalyse als Effektstärke Mittelwerte und Standartabweichungen von FAMOS-Skalen Kontroll Patienten Frauen Männer Jung Alt M (SD) M (SD) ES M (SD) M (SD) ES M (SD) M (SD) ES Intimität/Bindung 4.02 (0.66) 4.00 (0.82) (0.70) 4.01 (0.69) (0.66) 4.01 (0.74) 0.07 Geselligkeit 3.37 (0.93) 3.58 (1.06) (0.94) 3.48 (0.98) (0.94) 3.60 (0.94) 0.28* Anderen helfen 3.85 (0.84) 4.14 (0.86) (0.80) 3.87 (0.88) (0.83) 4.05 (0.83) 0.24* Hilfe bekommen 3.12 (0.91) 3.79 (0.93) 0.55** 3.46 (0.88) 3.16 (1.00) (0.94) 3.34 (0.98) 0.07 Anerken./Wertschätzung 3.33 (0.95) 3.75 (0.97) 0.29* 3.55 (0.89) 3.34 (1.02) (0.96) 3.47 (0.99) 0.03 Überlegensein/Impon (0.96) 2.61 (1.02) 0.23* 2.38 (0.87) 2.50 (1.04) (0.93) 2.52 (1.03) 0.04 Autonomie 4.16 (0.61) 4.06 (0.82) (0.68) 4.11 (0.65) (0.61) 4.15 (0.72) 0.01 Leistung 3.98 (0.73) 4.09 (0.89) (0.75) 3.99 (0.79) (0.77) 4.01 (0.78) 0.12 Kontrolle haben 3.88 (0.72) 3.99 (0.76) (0.72) 3.91 (0.74) (0.70) 3.87 (0.76) 0.13 Bildung/Verstehen 4.00 (0.62) 3.88 (0.84) (0.76) 3.99 (0.61) (0.69) 3.99 (0.67) 0.08 Glauben/Sinn 3.58 (0.82) 3.86 (0.94) (0.81) 3.49 (0.85) 0.44** 3.64 (0.87) 3.66 (0.85) 0.15 Das Leben auskosten 3.43 (0.84) 3.35 (0.96) (0.85) 3.36 (0.87) (0.87) 3.42 (0.87) 0.02 Selbstvertr./Selbstwert 4.23 (0.63) 4.16 (0.79) (0.63) 4.13 (0.69) 0.30* 4.29 (0.66) 4.15 (0.69) 0.15 Selbstbelohnung 3.65 (0.88) 3.87 (1.02) (0.93) 3.56 (0.88) (0.87) 3.67 (0.99) 0.13 Alleinsein/Trennung 3.95 (0.78) 4.51 (0.63) 0.45** 4.25 (0.66) 3.97 (0.84) 0.31** 4.00 (0.80) 4.20 (0.75) 0.23* Geringschätzung 3.36 (0.99) 3.93 (0.97) 0.39** 3.61 (0.94) 3.43 (1.06) (0.99) 3.59 (1.03) 0.11 Erniedrigung 3.84 (0.87) 4.39 (0.69) 0.41** 4.09 (0.82) 3.88 (0.88) 0.23* 3.84 (0.88) 4.12 (0.80) 0.27* Vorwürfe/Kritik 2.99 (0.95) 3.95 (0.93) 0.63** 3.49 (0.95) 3.03 (1.04) 0.33** 3.11 (1.05) 3.35 (0.99) 0.25* Abhäng./Autonomieverl (0.60) 4.30 (0.71) (0.59) 4.13 (0.65) 0.26* 4.15 (0.64) 4.27 (0.60) 0.19 Spannungen mit anderen 3.51 (0.84) 4.10 (0.76) 0.44** 3.82 (0.81) 3.52 (0.87) 0.29* 3.52 (0.90) 3.78 (0.78) 0.25* Sich verletzbar machen 2.65 (0.90) 3.56 (0.95) 0.81** 2.88 (1.05) 2.86 (0.94) (0.95) 3.00 (1.00) 0.09 Hilflosigkeit/Ohnmacht 3.93 (0.74) 4.36 (0.68) 0.35** 4.17 (0.67) 3.94 (0.78) 0.34** 3.94 (0.80) 4.12 (0.68) 0.27* Versagen 3.29 (0.92) 4.00 (0.82) 0.56** 3.51 (0.96) 3.43 (0.95) (0.98) 3.62 (0.91) 0.26* Mittel, Annäherungsziele 3.64 (0.55) 3.79 (0.68) (0.54) 3.64 (0.61) (0.56) 3.71 (0.61) 0.05 Mittel, Vermeidungsziele 3.52 (0.61) 4.12 (0.61) 0.65** 3.79 (0.61) 3.58 (0.69) 0.27* 3.56 (0.68) 3.78 (0.63) 0.29* Verhältnis Verm./Ann (0.16) 1.11 (0.24) 0.53** 1.02 (0.19) 0.99 (0.19) (0.16) 1.04 (0.21) 0.29* Anmerkungen: Die Effektstärken wurden nach Rosental (1991) als Cohen s d berechnet. Die Sternen bedeuten **p <.01, *p <.05.
11 Türkische Versionen von FAMOS und INK 129 Tabelle 4: Mittelwerte und Standartabweichungen der INK-Skalen bei den untersuchten Gruppen sowie die Ergebnisse der dreifaktoriellen Varianzanalyse als Effektstärke Mittelwerte und Standartabweichungen der INK-Skalen Normale Patienten Frauen Männer Jung Alt M (SD) M (SD) ES M (SD) M (SD) ES M (SD) M (SD) ES Intimität/Bindung 2.68 (0.91) 3.49 (0.89) 0.67** 2.83 (1.07) 2.90 (0.88) (1.00) 2.91 (0.93) 0.04 Geselligkeit 2.81 (0.89) 3.60 (0.96) 0.70** 2.95 (1.02) 3.02 (0.93) (0.96) 2.95 (0.98) 0.12 Anderen helfen 2.69 (1.00) 3.16 (1.31) 0.40** 2.70 (1.12) 2.87 (1.09) (1.03) 2.70 (1.15) 0.18 Hilfe bekommen 3.26 (0.93) 3.67 (0.99) 0.42** 3.16 (1.06) 3.49 (0.84) 0.28* 3.23 (0.99) 3.44 (0.91) 0.00 Anerken./Wertschätzung 2.70 (0.78) 3.24 (0.97) 0.56** 2.71 (0.88) 2.91 (0.83) 0.32** 2.80 (0.83) 2.82 (0.88) 0.17 Überlegensein/Imponie (0.79) 3.88 (0.85) 0.41** 3.43 (0.88) 3.64 (0.76) 0.26* 3.53 (0.78) 3.56 (0.85) 0.07 Autonomie 2.61 (0.88) 3.60 (0.98) 0.88** 2.82 (1.06) 2.87 (0.96) (0.98) 2.90 (1.00) 0.03 Leistung 2.59 (0.81) 3.23 (1.18) 0.61** 2.64 (1.02) 2.81 (0.89) 0.30* 2.74 (0.91) 2.74 (1.00) 0.15 Kontrolle haben 2.40 (0.81) 3.45 (0.91) 0.99** 2.63 (0.99) 2.67 (0.92) (0.90) 2.74 (0.98) 0.09 Bildung/Verstehen 2.46 (0.69) 3.46 (0.98) 1.00** 2.68 (0.94) 2.71 (0.83) (0.80) 2.73 (0.94) 0.01 Glauben/Sinn 2.90 (0.83) 3.56 (0.90) 0.63** 2.93 (0.96) 3.14 (0.84) 0.32** 3.00 (0.89) 3.09 (0.89) 0.01 Das Leben auskosten 3.30 (0.91) 4.22 (0.72) 0.86** 3.40 (1.04) 3.59 (0.88) (0.96) 3.61 (0.93) 0.10 Selbstvertr./Selbstwert 2.16 (0.86) 3.45 (1.02) 1.11** 2.49 (1.18) 2.44 (0.96) (1.05) 2.45 (1.06) 0.15 Selbstbelohnung 2.98 (0.92) 3.90 (0.93) 0.76** 3.16 (1.06) 3.22 (0.96) (0.96) 3.36 (1.02) 0.16 Alleinsein/Trennung 2.09 (0.85) 3.37 (1.13) 0.93** 2.54 (1.14) 2.28 (1.00) (1.06) 2.42 (1.07) 0.06 Geringschätzung 1.55 (0.70) 2.62 (1.11) 1.01** 1.78 (0.92) 1.82 (0.95) 0.26* 1.74 (0.88) 1.86 (0.99) 0.02 Erniedrigung 1.30 (0.54) 2.33 (1.17) 1.12** 1.59 (0.89) 1.52 (0.84) (0.86) 1.57 (0.85) 0.15 Vorwürfe/Kritik 1.79 (0.78) 2.99 (1.14) 1.04** 2.20 (1.12) 1.99 (0.93) (0.97) 2.14 (1.05) 0.01 Abhäng./Autonomieverl (0.77) 3.20 (1.13) 1.14** 2.27 (1.16) 2.03 (0.95) (0.99) 2.12 (1.11) 0.01 Spannungen mit anderen 1.58 (0.61) 2.45 (1.19) 0.88** 1.80 (0.89) 1.79 (0.86) (0.79) 1.82 (0.94) 0.07 Sich verletzbar machen 2.02 (0.84) 3.03 (0.98) 0.89** 2.34 (1.00) 2.21 (0.95) (0.94) 2.31 (1.01) 0.04 Hilflosigkeit/Ohnmacht 1.80 (0.85) 3.41 (1.12) 1.23** 2.33 (1.19) 2.07 (1.11) (1.06) 2.25 (1.23) 0.13 Versagen 1.70 (0.66) 2.93 (1.20) 1.09** 2.03 (1.03) 1.98 (0.94) (0.92) 2.06 (1.02) 0.01 Ink total Annäherung 2.79 (0.64) 3.57 (0.74) 0.96** 2.90 (0.81) 3.02 (0.68) 0.27* 2.92 (0.72) 3.00 (0.75) 0.05 Ink total Vermeidung 1.73 (0.57) 2.93 (0.91) 1.31** 2.10 (0.87) 1.97 (0.82) (0.79) 2.06 (0.88) 0.01 Inkongruenz total 2.26 (0.49) 3.25 (0.76) 1.32** 2.50 (0.76) 2.49 (0.67) (0.66) 2.53 (0.74) 0.03 Anmerkungen: Die Effektstärken wurden nach Rosental (1991) als Cohen s d berechnet. Die Sternen bedeuten **p <.01, *p <.05.
12 130 Özgür Tamcan und Martin Grosse Holtforth Tabelle 5: Korrelationen der Skalen von FAMOS und INK mit Symptombelastung und Ängstlichkeit FAMOS INK GSI MAS GSI MAS Intimität/Bindung.11*.11*.43**.36** Geselligkeit.19**.18**.39**.34** Anderen helfen.21**.22**.25**.18** Hilfe bekommen.36**.36**.31**.23** Anerkennung/Wertschätzung.30**.34**.37**.31** Überlegensein/Imponieren.20**.27**.28**.25** Autonomie **.48** Leistung.12*.16**.38**.30** Kontrolle haben.17**.16**.59**.52** Bildung/Verstehen **.47** Glauben/Sinn.28**.24**.45**.38** Das Leben auskosten **.48** Selbstvertrauen/Selbstwert **.53** Selbstbelohnung **.44** Alleinsein/Trennung.39**.39**.69**.60** Geringschätzung.33**.32**.63**.52** Erniedrigung.34**.35**.63**.51** Vorwürfe/Kritik.44**.45**.60**.50** Abhängigkeit/Autonomieverlust.14**.13*.74**.59** Spannungen mit anderen.37**.34**.55**.41** Sich verletzbar machen.52**.51**.64**.53** Hilflosigkeit/Ohnmacht.37**.32**.74**.64** Versagen.43**.40**.66**.51** Annäherungsziele.23**.24**.58**.48** Vermeidungsziele.50**.49**.78**.64** Verhältniswert bzw. Inkongruenz Gesamt.32**.31**.76**.63** Anmerkungen: **p <.01, *p <.05. Diskussion Primäres Ziel der vorliegenden Studie war es, die deutschsprachigen Instrumente FAMOS und INK in entsprechende Instrumente in der türkische Sprache zu übersetzen und die resultierenden Skalen psychometrisch zu überprüfen. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass dieses Ziel im Wesentlichen erreicht wurde.
13 Türkische Versionen von FAMOS und INK 131 Überprüfung psychometrischer Eigenschaften von FAMOS und INK Die türkischen Versionen von FAMOS und INK zeigten Retest-Reliabilitäten im mittleren bis hohen Bereich sowie größtenteils befriedigende bis gute interne Konsistenzen. Wie von der Konsistenztheorie angenommen zeigte sich außerdem, dass bezüglich Vermeidungszielen die Unterschiede zwischen Patienten und Gesunden stärker ausgeprägt sind als für Annäherungsziele. Die hier gefundene Unterschiede sind teilweise noch stärker ausgeprägt als in vorherigen Studien mit deutschsprachigen Probanden (Grosse Holtforth & Grawe, 2000). Auch der Grad der Befriedigung psychotherapeutisch relevanter motivationaler Ziele kann offenbar mit dem Inkongruenzfragebogen (INK) in der türkischen Sprache hinreichend valide erfasst werden. Patienten können ihre motivationalen Ziele deutlich schlechter befriedigen als psychisch gesunde Personen und scheinbar auch weniger gut verhindern, aversive Erfahrungen zu machen. Auch zeigen sich bedeutsame Korrelationen der FAMOSund INK-Skalen mit verschiedenen Indikatoren psychischer Gesundheit und Krankheit. Der Ausprägungsgrad der Vermeidungsziele über alle Skalen hinweg sowie für einzelne Skalen hängt mit starker Symptombelastung sowie starker Ausprägung der Ängstlichkeit zusammen. Die Zusammenhänge fallen für Vermeidungsziele deutlicher aus als für Annäherungsziele, was wiederum für die konsistenztheoretisch angenommen gewichtige Rolle der Vermeidungsziele bei der Erklärung der Entstehung und der Aufrechterhaltung psychischer Symptome spricht. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Annäherungsziele und Vermeidungsziele bei Frauen im Vergleich zu Männern sowie bei älteren im Vergleich zu jüngeren stärker ausgeprägt sind. Darüber hinaus zeigte sich, dass Frauen ihre motivationalen Ziele generell als besser befriedigt sehen als Männer. Einschränkungen und zukünftige Forschung Die untersuchte Gelegenheitsstichprobe erlaubt keine Verallgemeinerung auf die Gesamtpopulation türkischer Personen mit Migrationshintergrund in der Schweiz. Die vorgefundenen Geschlechtsunterschiede könnten darauf zurückgeführt werden, dass die Rekrutierung der Probanden vorwiegend über den Kontakt mit türkischen Vereinen in der Schweiz stattfand, wobei die Versammlung in Vereinen meist den Männern vorbehalten ist und diese darum häufiger erreicht worden sind. Die externe Validität ist somit eingeschränkt und zur weiteren Generalisierung der Ergebnisse bedarf es weitergehender Forschung mit repräsentativen bzw. parallelisierten Stichproben. In zukünftigen Untersuchungen sollte zudem eine genauere Differenzierung der Patienten nach ihren klinischen Diagnosen vorgenommen werden, was in dieser Untersuchung mangels standardisierter Diagnostik nicht möglich war. Hinzu kommt, dass soziodemographische Kenndaten nur sehr beschränkt verfügbar waren, so dass Besonderheiten von Untergruppen nicht weiter untersucht
14 132 Özgür Tamcan und Martin Grosse Holtforth werden konnten. Alle Ergebnisse wurden querschnittlich gewonnen, so dass sie einer längsschnittlichen Replikation und Erweiterung bedürfen. Entsprechend sollte in zukünftiger Forschung untersucht werden, ob und wie sich die Werte der türkischen Versionen von FAMOS und INK im Rahmen psychotherapeutischer Behandlungen verändern. Schlussfolgerung Die türkischsprachigen FAMOS und INK können in Forschung und Praxis bei Personen mit und ohne psychische Beeinträchtigungen eingesetzt werden 4. Literatur Cohen, J. (1988). Stastical power analysis fort he behavioral sciences. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Derogatis, L. R. (1992). The Brief Symptom Inventory: Administration, Scoring and Procedures manual II. Baltimore: Clinical Psychometric Research Inc. Diener, E., Emmons, R. A., Larsen, R. J., & Griffin, S. (1985). The Satisfaction With Life Scale. Journal of Personality Assessment, 49, Grawe, K. (1998). Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe. Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe. Grosse Holtforth, M., & Grawe, K. (2000). Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS). Zeitschrift für Klinische Psychologie, 29, Grosse Holtforth, M., & Grawe, K. (2002). Fragebogen zur Analyse Motivationaler Schemata (FAMOS) ein Instrument für Praxis und Forschung. Göttingen: Hogrefe. Grosse Holtforth, M., & Grawe, K. (2003). Der Inkongruenzfragebogen (INK) Ein Messinstrument zur Analyse motivationaler Inkongruenz. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 32, Grosse Holtforth, M., Grawe, K., & Tamcan, Ö. (2004). Inkongruenzfragebogen. Göttingen: Hogrefe. Lienert, G. A., & Ratz, U. (1998). Testaufbau und Testanalyse. Weinheim: Beltz PsychologieVerlagsUnion. Rosenthal, R. (1991). Meta-analytic procedures for social research. Newbury Park, CA: Sage. Taylor, J. A. (1953). A personality scale of manifest anxiety. Journal of Abnormal Psychology, 48, Korrespondenzadresse: Özgür Tamcan, Institut für Sozial und Präventivmedizin, Universität Bern, Abteilung Gesundheitsforschung, Niesenweg 6, CH-3012 Bern; otamcan@ispm.unibe.ch 4 Die türkischen Fragebögen können vom Erstautor angefordert werden.
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