Verschiedenheit ist Stärke Gleichheit ist einseitig
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- Dieter Flater
- vor 6 Jahren
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1 Einblicke in die Coaching-Praxis #1 Mit dieser Reihe Einblicke in die Coaching-Praxis möchte ich gerne mögliche Coaching-Modelle und deren Nutzen für Führungskräfte und deren Teams vorstellen. Den Auftakt der Reihe bildet das Riemann-Thomann-Modell: Verschiedenheit ist Stärke Gleichheit ist einseitig Dieser Beitrag erläutert, wie mit einfachen Methoden während einer TeamEntwicklung, zum einen die Verschiedenheit (und somit die Stärken) der Teilnehmer körperlich erfahren und zum anderen geklärt werden kann, wohin sich das Team entwickeln möchte. Möglicherweise kennen einige das DISG -Modell nach Seiwert, L., Gay, F. (2007) und wissen auch, welchem Typ sie in diesem Modell entsprechen. Dieses Wissen kann einer Auswertung vorher ausgefüllter Fragebögen entnommen werden. Ich arbeite gerne mit dem Riemann-Thomann-Modell, welches ebenfalls mit 4 verschiedenen Polen arbeitet. Welches Modell schlussendlich angewendet wird, ist hier grundsätzlich nicht von Belang. Worauf ich hier eingehen möchte, ist die Besonderheit, wenn sich der Chef und sein Team selber während einer Teambildungs-Massnahme in einem Modell körperlich einordnen sollen. Keine Fragebögen beantworten, sondern auf sich selbst hören Ich arbeite dabei nicht mit einem Fragebogen, sondern lasse die Teilnehmer sich selbst einschätzen. Hintergrund: die meisten Menschen kennen ihr Bedürfnisse und was sie mögen und nicht mögen sehr gut. Und die Einschätzung erfolgt nicht auf dem Papier, sondern körperlich im Raum. 1
2 Doch bevor ich auf den Nutzen dieser körperlichen Erfahrung eingehe, stelle ich kurz das Riemann-Thomann-Modell vor. Es unterscheidet 4 verschiedene Wesenstypen (siehe Bild 1): zum einen die Zeit-Achse mit den Polen Dauer und Wechsel und zum anderen die Raum-Achse mit den Polen Nähe und Distanz. Dabei hat jeder Pol Eigenschaften, die weder gut noch schlecht sind, es sei denn, wir selbst bewerten die eine oder andere Eigenschaft als gut oder schlecht. Distanz Sachlichkeit Abgrenzung Unabhängigkeit Ruhe Ordnung Prinzipien Gewissenhaftigkeit Kontrolle Dauer Wechsel Flexibilität Kreativität Spontanität Abwechslung Nähe Kontakt Gutes Klima Geborgenheit Einfühlung Bild 1: Die 4 Pole des Riemann-Thomann-Modells Menschen mit einer Tendenz zum Pol Distanz leben dabei nach dem Motto Störe meine Kreise nicht ; Abgrenzung ist für diese Menschen ganz wichtig (siehe Bild 2). Während Menschen, die sich dem gegenüberliegenden Pol zugehörig fühlen, dem Teamleiter oder anderen Kollegen überall hin folgen möchten, da ihnen eine gute Beziehung das Wichtigste ist. Wesenstypen vom Pol Dauer hingegen benötigen Ordnung, ansonsten fühlen sie sich nicht wohl. Und Personen mit dem Hang zum Pol Wechsel nehmen fehlenden Strukturen recht gelassen hin, es ermöglicht ihnen mehr Flexibilität und Spontanität. 2
3 Bild 2: Bedürfnisse und Ängste der 4 Pole Es gibt Menschen, die sich nur einem Pol zugehörig fühlen, aber am häufigsten gibt es Mischformen. Wichtig ist auch zu wissen, dass jeder Mensch jeden Wesenstyp in sich hat. Auch Menschen, die keine einengenden Strukturen mögen, können Ordnung schaffen. Aber er kostet sie viel mehr Energie und macht ihnen in der Regel gar keinen Spass. Anwendung in der Praxis Zu Beginn der Einheit positioniere ich die 4 Pole im Seminarraum auf den Boden und gebe zu den Polen jeweils noch ergänzende Infos, damit sich jeder ein Bild machen kann, wo er sich am ehesten sehen würde (siehe Bild 2). Weiterhin ist mir wichtig zu erläutern, dass es sich hier um ein Modell handelt und nicht um die einzige Wahrheit. Es geht nicht um richtig oder falsch, sondern um den Austausch der Team-Mitglieder untereinander und welches Bild sie jeweils von sich und den anderen haben (an dem heutigen Tag). 3
4 Vor den Augen des Chefs und der Kollegen Dann dürfen sich alle gleichzeitig auf den Boden innerhalb des Rasters stellen. Es könnte auch je nach Thema der Gruppe interessant sein, wenn z. B. zuerst nur der Teamleiter seine Mitarbeitenden positionieren würde. Aber nehmen wir mal an, jeder darf sich selbst positionieren, dann haben wir den Effekt, dass dies vor den Augen des Chefs und der Kollegen passiert. Es ist natürlich für jeden interessant, ob er sich richtig einschätzt und ob diese Einschätzung geteilt wird. Aus diesem Grund lasse ich jeden zuerst erzählen, warum er dort steht. Anschliessend dürfen die Kollegen und der Chef ihre Erfahrungen zu der Person erläutern und die erste Einschätzung entweder bekräftigen oder mit anderen Sichtweisen ergänzen. Wichtig ist hier einfach der Austausch und auch das Gehörte, vor allem, wenn Irritationen auftauchen und Selbsteinschätzungen nicht von allen Gruppenmitgliedern geteilt werden. Diese Selbstbild-Fremdbild-Einschätzung soll den Teilnehmern mögliche blinde Flecke aufzeigen. Manchmal ändern Teilnehmer ihre erste Positionierung dann auch oder auch nicht. Sehen wo ich und die anderen stehen das bleibt im Gedächtnis Das Interessante an dieser Vorgehensweise ist, dass alle Personen von ihren Stühlen aufstehen und sich im wahrsten Sinne des Wortes positionieren müssen! Dabei kommt Bewegung in die Gruppe und in die einzelnen Personen. Weiterhin ist die Distanz und Nähe zu den anderen Personen für jeden körperlich und visuell erfahrbar. Das kann irritierend, spannend, lustig oder unangenehm sein, aber durch die verschiedenen Emotionen bleibt dieses Bild gut im Gedächtnis der Teilnehmer verankert. Sie können sich also auch noch später gut daran erinnern, wer wo stand. Wenn ein Team noch nie mit solchen Modellen gearbeitet hat, dann kann diese Form der Aufstellung einen grossen Aha-Effekt auslösen, vor allem wenn erkannt wird, dass Verschiedenheit normal ist und warum der Kollege so tickt wie er tickt. Die Gleichheit und Andersartigkeit erfahren Interessant ist auch das Gesamt-Bild der Gruppe: Stehen manche sehr dicht aufeinander oder andere diametral auf der anderen Seite oder manche ganz alleine? Was bedeutet das Bild nun für das Team und die Team-Entwicklung? Der Chef und die Kollegen erfahren körperlich, wem sie in ihrem Wesenstyp eher ähneln und wem nicht. Je eher man sich gleicht umso besser kann man in der 4
5 Regel miteinander kommunizieren. Häufig arbeiten diese Personen dann auch im selben Zimmer oder gehen gemeinsam in die Pause. Je weiter eine Person von einer anderen Person entfernt ist, umso eher steigt das Konflikt-Potenzial zwischen den beiden Personen. Achtung: ich spreche von Konflikt-Potenzial nicht von Konflikten. Für die Team-Entwicklung ist es gut zu wissen, wer mit wem Probleme haben könnte, da die Bedürfnisse andere sind. Entscheidend ist jedoch, wo sich das Team in seiner Team-Entwicklung bereits befindet! Kennen sich bereits alle sehr gut, dann weiss auch jeder mit den Macken (aus seiner Sicht) umzugehen und bestenfalls diese positiv einzusetzen. Wird die Verschiedenheit jedoch eher negativ empfunden und Gleichheit angestrebt, dann könnten sich die Anderen oder die Alleinstehenden vielleicht auch genauso im Team fühlen, nämlich anders und allein. Hier kann dann das Coaching ansetzen, um genau diese Probleme zu thematisieren. Denn das Ziel einer Teamentwicklung muss es meines Erachtens sein, die Vielseitigkeit der verschiedenen Teammitglieder sichtbar zu machen und die Andersartigkeit als Stärke im Team nutzen zu können. Aber was ist, wenn das Team fast nur aus Gleichen besteht? Wenn zum Beispiel alle eher dem Pol Distanz zugeordnet sind, weil sie selbst alle auch Chefs sind. Dieses Team ist bestimmt sehr schnell und entscheidungsfreudig, aber gibt es auch wirklich ein Miteinander und neue kreative Ansätze? Und werden die Mitarbeitenden auch wirklich bei den Entscheidungen mitgenommen? Was kann das Team tun, um nicht zu einseitig zu handeln? Wer sind wir als Team und wohin soll es gehen? Bis jetzt habe ich nur über die verschiedenen Personen in dem Team gesprochen. Spannend ist aber auch zu erfragen, welchen Wesenstyp denn das Team sozusagen als Person innehat oder welcher Wesenstyp vielleicht ganz fehlt? Also werden alle Teammitglieder aufgefordert, ihre Einschätzung über ihr Team innerhalb der 4 Pole abzugeben. Ist das Team eher dem Pol Nähe zuzuordnen, weil das Team viel ausserhalb der Arbeitszeiten unternimmt oder eher dem Pol Distanz, weil jeder für sich arbeitet? Und gehört es eher zum Pol Dauer, weil wirklich alles geregelt ist und alle Abläufe geklärt sind oder zum Pol Wechsel, weil das pure Chaos herrscht und Kreativität dadurch gefördert wird? Und wohin möchte sich das Team denn nun entwickeln und haben alle darüber dieselbe Einschätzung? Dies gilt es vor Ort zu besprechen und festzulegen. Denn herrscht hier das gleiche Bild, dann ziehen alle trotz ihrer Verschiedenheit am selben Strang! 5
6 Literatur Seiwert, L., Gay, F. (2007): Das neue 1x1 der Persönlichkeit: Dominant, Initiativ, Stetig, Gewissenhaft Riemann-Thomann-Modell entwickelt nach Riemann, F. (1975) und Thomann, Chr. (1988) Autor Annette Jordan Inhaberin Glaubwürdige und praxisnahe Verbindung aus Business- und Personen-orientierter Beratung da sowohl Praxis-Erfahrung als Top-Managerin als auch Studium in Team- und Organisationsberatung Coach, Supervisorin und Organisationsberaterin mit Masterabschluss Anerkannte Supervisorin der grössten Schweizerischen und Deutschen Coaching-Verbände (BSO und DGSv) 15 Jahre Erfahrung als Führungskraft bei der DB und SBB, davon 10 Jahre im Top-Management Diplom-Ingenieurin Maschinenbau, Schwerpunkt Logistik 6
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