Zugfestigkeit von Werkstoffen
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- Lilli Schulz
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1 Fachbereich 1 Laborpraktikum Physikalische Messtechnik/ Werkstofftechnik Zugfestigkeit von Werkstoffen Bearbeitet von Herrn M. Sc. Christof Schultz christof.schultz@htw-berlin.de Inhalt 1. Werkstofftechnische Grundlagen Aufgabenstellung Versuchsdurchführung Verwendete Geräte Kolloquiumsfragen Quellen Anhang... 9 Physikalische Messtechnik S.1
2 1. Werkstofftechnische Grundlagen Das Verformungsverhalten von Werkstoffen wird durch den Bindungscharakter und die Realstruktur maßgeblich bestimmt. Bei mechanischer Beanspruchung unterscheiden sich Metalle, Keramiken und Polymere deshalb stark voneinander. Keramiken sind spröde und lassen in der Regel nicht plastisch verformen. Das Verhalten der Metalle hängt von ihren Bindungsanteilen und sehr stark von ihrer Realstruktur ab. In der Regel folgt auf einen Bereich elastischen Verhaltens bei relativ niedrigen Spannungen ein Bereich, in dem sich Metalle gut plastisch verformen lassen. Die Polymer-Werkstoffe zeigen ein komplexes Verformungsverhalten, wofür ihr molekularer Aufbau verantwortlich ist. Örtliche Verlagerung einzelner Atome findet nie isoliert statt, sondern stets als kooperative Bewegung mit den Nachbaratomen oder sogar ganzer Molekülsegmente. Bis zu einem gewissen Grade kann elastisches Verhalten auftreten. Oberhalb einer bestimmten Spannung (Streckspannung σ s ) kann eine Verstreckung von mehreren hundert Prozent auftreten. Bild 1 zeigt zum Vergleich Baustahl St37 und UltramidA3K. Abbildung 1: Spannungs-Dehnungs-Diagramme von Stahl St37 und Ultramid A3K (14d bei 20 C und 35% rel. Feuchte gelagert) Physikalische Messtechnik S.2
3 Kenntnisse über das Verformungsverhalten der Werkstoffe sind für den Werkstoffentwickler bzw. Werkstoffforscher von Bedeutung. Er muss Aussagen treffen können, ob das gewünschte Entwicklungs-Ergebnis erreicht worden ist. Vor allem aber braucht der Konstrukteur Daten zum Werkstoffverhalten. Er muss wissen, welche Belastungen der von ihm gewählte Werkstoff unter bestimmten Bedingungen ertragen kann. Dabei sind neben den mechanischen Belastungen auch die Form der Bauteile und die jeweiligen Umgebungsbedingungen zu beachten. Das sind insbesondere die Temperatur, die umgebenden Medien und die Verformungsgeschwindigkeit. Prüfgeschwindigkeit und temperatur sind von größerer Bedeutung als bei Metallen und Keramiken. Der Zugversuch ermöglicht eine derartige Beurteilung des Verhaltens von Werkstoffen. Das Material wird dabei einachsig auf Zug beansprucht. Da der Zugversuch auch der Qualitätskontrolle dient, ist es erforderlich, definierte (genormte) Prüfbedingungen einzuhalten. Das betrifft die Probenform, die Führung des Versuchs (z.b. Prüfklima und Prüfgeschwindigkeit) sowie die Auswertung. Form und Maße der möglicher Probekörper zeigt Bild 2. Die Wahl des Probekörpers hängt von dem zu prüfenden Erzeugnis ab. Soweit die Form nicht in den einschlägigen Werkstoffnormen festgelegt ist, muss sie vereinbart werden. Abbildung 2: Probekörper Physikalische Messtechnik S.3
4 Falls notwendig, kann ein Probekörper so hergestellt werden, dass seine Maße in einem konstanten Verhältnis zu denen der Probekörper Nr. 3 und Nr. 4, in Abb. 2, stehen. Auch die Auswertung erfolgt nach Normen. Die Auswertung nach DIN ISO 527 ist auch in diesem Versuch vorzunehmen. Aus den Einzelwerten für die Dicke und die Breite des Probekörpers wird der kleinste Anfangsquerschnitt A 0 ermittelt. Zugfestigkeit σ R in N/mm -2 Bruchdehnung ε R in % σ R = F R A 0 (1) ε R = L R L (2) Verformungsverhalten von Polymer-Werkstoffen Eine umfassende Beurteilung des Verhaltens von Polymer-Werkstoffen bei Zugbeanspruchung ist nur möglich, wenn Festigkeits- und Formänderungseigenschaften bei verschiedenen Prüfbedingungen (z.b.: Prüfgeschwindigkeit, Temperatur, Vorbehandlung) bestimmt werden. Bild 3 illustriert dass in dieser Werkstoffgruppe sehr große Unterschiede im Verformungsverhalten auftreten können. Abbildung 3: Schematisches Kraft-Verformungs-Diagramm von Polymeren, Bei Deformation von Kunststoffen unterscheidet man rein elastische, visko-elastische und plastische Anteile. Alle drei Anteile zusammen bestimmen das Verhalten des jeweiligen Materials. In Abbildung 4 sind Beispiele von σ-ε-diagrammen einiger Kunststoffe einander gegenübergestellt. Amorphe Polymere können elastisches Verhalten zeigen, z.b. wenn Knäuel-Struktur vorliegt. Diese Knäuel werden gestreckt und können nach Entlastung den alten Zustand wieder einnehmen. Auch Physikalische Messtechnik S.4
5 Polymere weisen also eine HOOKEsche Gerade auf. Allerdings sind der E-Modul und der G-Modul viel kleiner als bei Metallen oder bei Keramiken. Der visko-elastische Anteil besteht in Mikroumlagerungen, die noch nicht zu irreversiblen Verformungen des Gesamtvolumens führen. Er hängt sehr stark von der Temperatur und der Belastungsdauer ab. Plastisches Verhalten wird durch die Bildung von Fließzonen verursacht. Man unterscheidet dabei Craze- und Scherband-Verformung. Crazes sind rissähnliche Gebilde, die aus hochorientierten Kettenmolekülen gebildet werden. Wichtiger für die Verformung sind Scherbänder. Bei deren Verformung werden sphärolithische Strukturen zu Fibrillen gestreckt und in die Verformungsrichtung eingedreht. Bei dieser Verformung können mehrere hundert Prozent Dehnung erreicht werden. Beispiele für derartig unterschiedliches Verformungsverhalten zeigt Bild 4. Abbildung 4: Spannungs-Dehnungs-Diagramm einiger Kunststoffe Bei Polymeren sind neben den Bindungsverhältnissen die Herstellungsbedingungen von großer Bedeutung, denn sie bestimmen die Lage der Makromoleküle im Werkstoff. Es ist deshalb erforderlich, festzulegen, ob Proben parallel oder quer zur Herstellungsrichtung entnommen werden. Da Polymer- Werkstoffe z.t. in erheblichem Maße Feuchtigkeit aufnehmen können, sind auch dazu Angaben nötig (vgl. Bild 1). Physikalische Messtechnik S.5
6 2. Aufgabenstellung Mechanisches Verhalten von Polymer-Werkstoffen und Kupferfolien unter Zugbeanspruchung. Der Zugversuch wird an einer Festigkeitsprüfmaschine (Universal-Werkstoff-Prüfmaschine) durchgeführt. Die Prüfkraft wird durch eine Hydraulik erzeugt. Die Messung der Prüfkraft erfolgt elektronisch durch eine Kraftmessdose. Während des Zugversuchs wird durch einen Bandschreiber das Kraft- Verlängerungs-Diagramm aufgezeichnet. Zielstellung Im Rahmen dieses Laborversuches soll das Verformungsverhalten von verschiedenen Werkstoffen untersucht und miteinander verglichen werden. Die für den Zugversuch vorhandene Werkstoffprüfmaschine hat nur begrenzte Möglichkeiten der Lastaufbringung. Dem müssen die verwendeten Proben angepasst werden. Die jeweils vorhandenen Proben werden am Arbeitsplatz beschrieben. Setzt man einen Prüfkörper einer Zugbelastung aus, dann erfährt er eine Dehnung, die für jeden Werkstoff spezifisch ist. Bild 3 zeigt, dass 3 Hauptgruppen von Spannungs-Dehnungs-Diagrammen (σε-diagramm) unterschieden werden können (in der Praxis gibt es viele Übergangsformen). Folgende Eigenschaften können aus diesen Spannungs-Dehnungs-Diagrammen bzw. Kraft- Verlängerungs-Diagrammen (Bild 5, Anhang) ermittelt werden: - Dehnung ε: auf die ursprüngliche Messlänge L0 des Probekörpers bezogene Längenänderung ΔL zu jedem beliebigen Zeitpunkt des Versuches. Die Dehnung bei Höchstkraft wird mit ε B, die Reißdehnung wird mit ε R, die Dehnung bei Streckspannung wird mit ε S und die Dehnung bei x% - Dehnspannung wird mit ε Sx bezeichnet. - Zugspannung σ: auf den kleinsten gemessenen Anfangsquerschnitt des Probekörpers bezogene Zugkraft zu jedem beliebigen Zeitpunkt des Versuches. - Zugfestigkeit σ B : Zugspannung bei Höchstkraft. - Reißfestigkeit σ R : Zugspannung im Augenblick des Reißens. - Streckspannung σ S ist die Zugspannung, bei der die Steigung der Kraft-Längen- Änderungskurve (siehe Bild 5) zum ersten Mal gleich Null wird. Physikalische Messtechnik S.6
7 3. Versuchsdurchführung Die Arbeitsschritte hängen davon ab, welches Probenmaterial zur Verfügung steht. Es können Abweichungen von der genannten Reihenfolge notwendig sein. Diese Änderungen werden Ihnen bei der Einweisung mitgeteilt. - Probenmaterial: Das Material ist in Form von Folien vorhanden, diese müssen noch ausgestanzt werden. - Die Proben werden mit dem am Arbeitsplatz vorhandenen Werkzeug ausgestanzt. Dabei werden Probekörper sowohl in Längs- als auch in Querrichtung aus dem Material entnommen. Diese Richtungen sind nicht immer zu erkennen, die Proben werden deshalb jeweils um 90o gedreht entnommen. - Dicke und Breite des Probekörpers werden innerhalb der Messlänge an mindestens 3 Stellen gemessen - Messmarken zur Bestimmung der Dehnung werden entsprechend Bild 4 auf die Probekörper in geeigneter Weise aufgebracht. Die Messlänge wird in mm ermittelt. - Der Probekörper wird so in die Spannvorrichtung eingespannt, dass seine Längsachse in Richtung der Zugkraft liegt und die vorgeschriebene Einspannlänge (siehe Bild 2) eingehalten wird. - Die Klemmen werden gleichmäßig und fest angezogen, so dass ein Rutschen des Probekörpers in den Klemmen vermieden wird. - Zur Bestimmung der Festigkeit und Dehnung wird der Probekörper bei einer gleich bleibenden Prüfgeschwindigkeit gedehnt. - Die Prüfgeschwindigkeiten können variiert werden (langsam und schnell). - Wurden Proben aus Matten oder Folien hergestellt, sind sie in Längs- und Querrichtung auf Reißfestigkeit σ R und Reißdehnung ε R zu prüfen. - Die während des Versuches auftretende Streckkraft und/oder die Höchstkraft sowie die Kraft im Augenblick des Reißens und die dazugehörigen Änderungen der Messlänge sind abzulesen. - Schreiben Sie von je einer Probe in Längs- und Querrichtung das Spannungs-Dehnungs- Diagramm. - Die Diagramme und die verformten Proben sind Teil des Protokolls. Die Proben sind einzukleben oder auf andere geeignete Weise zu dokumentieren. - Das Kraft-Verlängerungsverhalten bzw. Spannungs-/Dehnungsverhalten von den untersuchten Werkstoffen wird miteinander verglichen und dokumentiert. Physikalische Messtechnik S.7
8 Beobachten Sie während des Experiments besonders folgende Ereignisse: * die Kraftzunahme am Bandschreiber * die Längenzunahme der Probe * das Erreichen der Streckspannung * das Erreichen der Zugfestigkeit * das Zerreißen des Probestabes an der Einschnürungsstelle 4. Verwendete Geräte - Zug-Maschine - y-t- recorder edim Kolloquiumsfragen 1. Was ist der Unterschied zwischen Thermoplasten und Duromeren und wie unterscheidet sich das Verformungsverhalten? 2. Welche Bindungsformen treten in Polymeren auf? 3. Warum spielt die Verformungsgeschwindigkeit bei Polymeren eine größere Rolle als bei Metallischen Werkstoffen? 4. Erläutern Sie den Einfluss der äußeren Bedingungen (z.b. Temperatur u. Zeit) auf die Ergebnisse des Zugversuchs an polymeren Werkstoffen! 5. Welche Werkstoffkenngrößen sollen bei diesem Laborversuch untersucht werden? Wie sind sie definiert? 6. Kann eine Versetzung im Lichtmikroskop sichtbar gemacht werden? Wie? 7. Erläutern Sie die aus dem σ-ε-verlauf für Kunststoffe und Kupferfolie die ableitbaren Werkstoff-Eigenschaften und deren Bruchverhalten! Physikalische Messtechnik S.8
9 6. Quellen Sähn, S.; Göldner, H.: Bruch- und Beurteilungskriterien in der Festigkeitslehre, VEB Fachbuchverlag Leipzig 7. Anhang Physikalische Messtechnik S.9
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