1 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Autopoietische soziale Systeme Programm: 1 ) Einleitung 2) Perspektivwechsel soziologischer Theoriebi
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- Marie Winkler
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1 Wi ntersemester 07/08 Zusammenfassung zur Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" PD Dr. Udo Thiedeke Autopoietische soziale Systeme
2 1 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Autopoietische soziale Systeme Programm: 1 ) Einleitung 2) Perspektivwechsel soziologischer Theoriebi ldung 3) Grundlagen ei ner Theorie autopoietischer sozialer Systeme 4) Zusammenfassung 1 ) Einleitung - Bislang war der Paradigmenwechsel hi n zu sich sel bstorganisierenden und -reproduzierenden Systemen auf ei ner grundlegenden, al lgemei nen Ebene erläutert worden. - I n der Soziologie geht es allerdings nicht um Organismen oder informatische Systeme (etwa Computerprogramme), sondern um die Sel bstorganisation von Kommunikation und die sozialen Systeme, die sich aufgrund von sozialer Kommuni kation ausformen und weiter erhalten. - Wie wir in der zweiten Vorlesung dargestellt hatten, soll Kommunikation hier als Unterscheidungsprozess von Unterscheidungen, nicht als ' Übertragungs-' oder 'Austauschprozess' von I nformationen behandelt werden. - Es geht also um Systeme, die sich aufgrund von Unterscheidungen, an die Unterscheidungen, d. h. si nnhafte Bedeutungen, anschl ießen, als eigenständige Zusammenhänge ausformen. - Diese Übertragung des Autopoiesis-Konzepts auf soziale Sinnsysteme sol l i m Mittelpunkt der heutigen Vorlesung stehen. Wir machen jetzt also einen 'Schritt' in die Soziologie hinein. 2) Perspektivwechsel soziologischer Theoriebi ldung - Die Theorie autopoietischer sozialer Systeme wurde von dem Soziologen Ni klas Luhmann ausformul iert. - Luhmann wurde am 08. Dezember i n Lüneburg geboren. Ab studierte er in Freiburg Jura. Ab war Luhmann zehn Jahre lang als Verwaltungsbeamter in Niedersachsen tätig. Privat widmete er sich i n dieser Zeit aber bereits dem Studium von Theorien, las Bel letristi k und legte den ' Grundstei n' sei nes berühmten "Zettel kastens" wi rd er zum Studium der Verwaltungswissenschaften und Soziologie beurlaubt. Er studiert i n diesem Jahr bei dem Soziologen Talcott Parsons i n Harvard und wi rd durch dessen Handlungssystemtheorie (siehe erste Vorlesung WS. 06/ 07) zu eigenen theoretischen Publ i kationen angeregt.
3 2 Von war Luhmann am Forschungsinsitut der Verwaltungshochschule in Speyer tätig. Dort wurde er von Hel mut Schelsky ' entdeckt', promovierte und habilitierte auf dessen Anregung. Von war er Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstel le Dortmund. Von war er Professor an der neugegründeten Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld starb Luhmann i n Oerl i nghausen an Krebs. - Obwohl von Parsons angeregt, überni mmt Luhmann nicht dessen strukturfunktional istischen Ansatz. - Luhmann fragt viel mehr, wie ei ne soziale Ordnung und damit Strukturen überhaupt entstehen und bestehen können und auf welches soziale Fundamental problem ei ne solche Ordnung eine Lösung sein könnte. Weil Luhmann also zuerst nach den Funktionen und dann nach den Struktuerergebnissen fragt, nennt man diesen Ansatz auch "funktionalstrukturalistisch". [siehe zu den Unterschieden der Ansätze von Parsons und Luhmann Fol ie 1 ] - Soziale Systeme erschei nen so als kybernetische Ei nheiten, die i hre eigene Identität gegen ei ne Umwelt bewahren, i ndem sie deren Komplexität für sich reduzieren. - I n den 1 980er Jahren wird angesichts der Frage, wie soziale Sysyteme das machen, die Frage der kybernetischen Sel bststeuerung mit dem Autopoiesis-Konzept verbunden und zur Frage radikalisiert, wie Systeme gegenüber ihrer Umwelt ihre eigene Geschlossenheit produzieren und reproduzieren und wie sie dabei Umweltveränderungen verarbeiten, d. h., 'selektive Offenheit' herstel len. - Für die Sozologie hat das Konzept autopoietischer Sozialer Systeme ei nschneidende Folgen. General isierter Motivverdacht, Ideologiekriti k oder die Gewissheit soziales Verhalten zu durchschauen, werden i n Frage gestel lt. Auch wi rd die subjektzentrierte und transzendental aufgeladene Soziologie verabschiedet. Luhmann hält fest, was mit der autopoietischen Perspektive aufgegeben wi rd: "Natürl ich das Subjekt und al les das, was dem ' Menschen' zugemutet oder angedichtet wird, wenn verlangt wird, man solle ihn als 'Subjekt' beachten. Natürlich jede transzenentaltheoretische Position; denn i hr gegenüber muß man fragen, ob die Unterscheidung von transzendental und empi risch sel bst transzendental ist oder empirisch, was in beiden Fällen in eine Paradoxie führt. Ferner auch die Vorstellung, der Mensch sei (...) ei ne beobachtungsunabhängig gegebene Ei nheit. Und schl ießl ich, für die Soziologie am schmerzl ichsten, jede kategoriale (...) Verwendung des Handlungbegriffs, die nach übl ichem Verständnis zwangsläufig auf ei n si nngebendes Subjekt verweist. " (Hervorhebung i m Origi nal, 1 987: 309)
4 3 - Die neue soziologische Theoriebi ldung setzt sich also kritisch mit bestehenden Theorien der Soziologie auseinander und entwickelt neue Positionen. [vgl. Folie 2] - Die Theorie autopoietischer sozialer Systeme ist i n i hrem soziologischen Deutungsanspruch universal (sol l also für jede Form von Sozial ität von der Zweierbeziehung bis zur Gesel lschaft und für jede historische Entwicklungstufe anwendbar sei n), wi rd aber auch sel bstreferent als wissenschaftl iche Theorie gesehen, die, wei l sie (sozial-)- wissenschaftl ich beobachtet, i mmer nur begrenzten Zugang zur Welt hat. - Da sie an zentraler Stel le danach fragt, wie sich ' Ei nheit als Differenz' begreifen lässt, ergeben sich neue soziologische Fragen und Problemstel lungen. [vgl. Folie 3] 3) Grundlagen ei ner Theorie autopoietischer sozialer Systeme - Für die Theorie autopoietischer Systeme ergeben sich folgende Ansatzpunkte: 1 ) Autopoietische soziale Systeme entstehen, wenn si nnhafte Unterscheidungsoperationen (Kommuni kationen) sel bsteferent anei nander anschl ießen. 2) Kann ei n solcher Zusammenhang von Unterscheidungen entstehen (System), dann grenzt er sich von al len anderen Unterscheidungsmögl ichkeiten (Umwelt) ab. Es ist ei ne System-/Umwelt-Differenz entstanden. 3) Ei n solches System kann nicht mehr al le Unterscheidungsmögl ichkeiten real isieren (als Elemente relationieren). Zwischen System und Umwelt gi bt es also ei nen Unterschied i m Ausmaß der Komplexität. 4) Systeme, die auf dem Unterscheiden von Unterscheidungen (Sel bstbeobachtung), basieren, si nd Si nnsysteme. Sie erzeugen i hre Elemente durch Nutzung sel bst oder verwerfen sie durch Nichtnutzung und können dies wieder als Unterscheidungen protokol l ieren (Sel bstbeschrei bungen). Dabei lassen sich, je nach den verwendeten Si nnelementen, zwei Typen von Si nnsystemen unterscheiden. a) Psychische Systeme, die i hre Sel bstbeobachtung und Sel bstbeschrei bung auf Reflexionsfähigkeit, d. h., auf die Grundunterscheidung von Bewusstsei n/nichtbewustsei n stützen. Das Letztelement i hrer Unterscheidungen si nd Gedanken. b) Soziale Systeme, die i hre Sel bstbeobachtung und Sel bstbeschrei bung auf Handlungsfähigkeit, d. h., auf die Grundunterscheidung von Wahrnehmung/Nichtwahrnehmung stützen. Das Letztelement i hrer Unterscheidungen si nd Kommunikationen. [vgl. Folie 4] 5) Die Strukturen des Sinnsystems sind die von ihm im Unterscheidungsprozess ausgeprägten Si nnrelationen. Es kommt dabei zu ei ner Konditionierung (Abweichungsverstärkung) der weiteren Relationsmögl ichkeiten und so zu weiterer Strukturbi ldung (ist einmal ein Gedanke gefasst oder ein Thema angesprochen, dann beeinflusst das die weitere Gedanken- und/oder Themenwahl, sie ist dann weniger bel iebig).
5 4 4) Zusammenfassung - Mit der Theorie autopietischer sozialer Systeme fi ndet ei ne weitreichende Neuorientierung der soziologischen Model l bi ldung von Sozial ität statt. [siehe schematisch Fol ie 5] - Hieraus resultieren folgende Grundannahmen: 1 ) Diese soziologische Theorie kann weder ontologisch noch transzendental argumentieren. 2) Sozial ität lässt sich als sel bstorganisierender und -reproduzierender (autopoietischer) systemischer Zusammenhang erfassen. 3) Wenn sich Sozial ität als autopoietische Systembi ldung beobachten lässt, dann unterscheidet sie sich von den betei l igten I ndividuen. 4) Soziale Systeme und psychische Systeme (I ndividuen) bi lden sich als Si nnsysteme aufgrund der Unterscheidung von Unterscheidungen (Sel bstbeobachtung). 5) Die Grundunterscheidung bezieht sich bei psyischen Systemen auf Reflexionsfähigkeit bei sozialen Systemen auf Handl ungsfähigkeit. 6) Letztelement der Unterscheidung ist bei psychischen Systemen der Gedanke, bei sozialen Systemen die Kommuni kation. 7) Für die Bi ldung und den Erhalt autopoietischer Systeme ist i hre System-/Umwelt- Differenz konstitutiv. 8) Psychische und soziale Systeme si nd wechselseitig fürei nander Umwelt, wei l sich die ei nen durch Gedanken, die anderen durch soziale Kommuni kation sel bst produzieren und reproduzieren. Literatur Luhmann zum Autopoiesiskonzept in der Soziologie: Niklas Luhmann, 1 987: Autopoiesis als soziologischer Begriff, i n: Hans Haferamp, Michael Schmid (Hrsg.): Si nn, Kommunikation und soziale Differenzierung: Beiträge zu Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Frankfurt/M. S Allgemein zu den Neuerungen im Theoriekonzept: Gábor Kiss, (oder andere Ausgabe): Grundzüge und Entwicklung der Luhmannschen Systemtheorie. 2. Aufl. Stuttgart. S
6 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Autopoietische soziale Systeme Fol ie 1 Systemtheoretische Ansätze bei Parsons und Luhmann i m Verglech Handl ungssystemtheorie Theorie autopoietischer (Parsons) sozialer Systeme (Luhmann) Theoriedesign: strukturfunktional istisch funktionalstruktural istisch Leitunterscheidung: I nput/output System-/Umweltdifferenz Problemfassung: Strukturerhalt Strukturerzeugung (entropisch) (negentropisch) Systemtyp: offenes System geschlossenes System Reproduktionsmodel l : Al lopoiesis Autopoiesis
7 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Autopoietische soziale Systeme Fol ie 2 Wandel soziologischer Perspektiven i n der Theorie autopoietischer sozialer Systeme alte Perspektive neue Perspektive Subjektivität Autonomie transzendentaltheoretische Unterscheidungsproblem von Position Theoieebenen Unabhängigkeit von Zi rkularität der Objekt und Relation Bedi ngungen kategorialer Handlungsbegriff sel bstreferentiel ler Handl ungsbegriff
8 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Autopoietische soziale Systeme Fol ie 3 Neue Fragestel l ungen i n der Theorie autopoietischer sozialer Systeme 1 ) Kann Sein auf Differenz aufbauen? 2) Wie können sich stabi le Formen bewähren? 3) Wie wird das systeminterne Bild der Umwelt mit externen Verhältnissen synchronisiert? 4) I n welchem Verhältnis stehen autopoietische Operationen und Sel bstbeobachtungen?
9 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Autopoietische soziale Systeme Fol ie 4 Die Differenzierung von Si nnsystemen Si nnsysteme Relationierung: Sel bstbeobachtung (Unterscheidungen, die unterschieden werden) Si nndifferenz: Unterscheidung/Nichtunterscheidung Letztelement: Beobachtung Psychische Si nnsysteme Soziale Si nnsysteme Relationierung: Reflexion des Sel bst Reflexion von Handlungsfähigkeit Si nndifferenz: Bewusst/Nichtbewusst Wahrnehmung/ Nichtwahrnehmung Letztelement: Gedanke Kommuni kation
10 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Autopoietische soziale Systeme Fol ie 5 Veränderungen in der Modellbildung von Sozialität 1 ) Handlungstheorie Intension sozialen Handelns Sozial ität Ordnung von Interessen Intension sozialen Handelns 2) I nteraktionismus Symbolische Reflexion des Selbst Sozial ität Symbolische Wechselwirkung Symbolische Reflexion des Selbst 3) Theorie autopioietischer sozialer Systeme Psychisches System Sozial ität Selbstreferente Kommunikation als soziales Psychisches System
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