1 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Kommuni kationsprobleme Programm: 1 ) Was ist Kommunikation? 2) Kommuni kation und I nformation 3) Ko
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1 Wi ntersemester 07/08 Zusammenfassung zur Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" PD Dr. Udo Thiedeke Kommuni kationsprobleme
2 1 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Kommuni kationsprobleme Programm: 1 ) Was ist Kommunikation? 2) Kommuni kation und I nformation 3) Kommuni kation und I nteraktion 4) Zusammenfassung 1 ) Was ist Kommunikation? - Die Antwort auf die Frage "was ist Kommuni kation" schei nt aufgrund unserer al ltäglichen Erfahrungen ganz einfach zu sein. - Sie könnte i n etwa lauten: Kommunkation ist der Vorgang, den Menschen nutzen, wenn sie I nformationen austauschen, um sich dadurch zu verstehen. - Auch wenn wi r i n gängigen kommuni kationswissenschafl ichen Lehrbüchern oder Lexi ka nachschlagen fi nden wi r i n der Regel Defi nitionen, die auf diesem Al ltagsverständnis aufbauen. Sie lauten bspw. : "Unter Kommuni kation wi rd der zeichenhafte Austausch zwischen mi ndestens zwei I ndividuen (face-to-face-kommuni kation) mit dem Ziel der Verständigung oder gegenseitigen Beei nflussung verstanden (...)" [Stichwort "Kommuni kationspraxis" von Getraud Koch, i n: Das grosse Lexi kon Medien und Komuni kation, hrsg. v. Leon R. Tsvasman, Würzburg. S ] - Manchmal lesen wi r auch vom "Austausch von I nformationen", was als ei ne "Übertragung" von "Bedeutungen" verstanden wi rd. Als Träger der I nformation sol len bei sozialer Kommuni kation dann vor al lem Sprachhandlungen, bzw. Sprechakte dienen (auf diesen Überlegungen baut etwa das "kommuni kative Handel n" i n der Theorie von Jürgen Habermas auf). - Entsprechend fi ndet sich i n den "Standardmodel len" sozialer Kommuni kation zum ei nen die kausal logische Figur, dass ei n Sender ("Kommuni kator"/"kommuni katori n") I nformationen bzw. Bedeutungen an ei nen Empfänger ("Rezi pienten"/"rezi pientin") übermittelt und so 'wirkt'. [siehe ein einfaches Modell als Bsp. im Anhang] - Zum anderen geht man davon aus, dass dies, vor allem als Sprechakt nur möglich ist, wenn sich Sender und Empfänger auf ei nen gemei nsamen Zeichenvorrat beziehen und bei der Kommuni kation somit "symbol ische Handlungen" ausführen.
3 2 - Die Grundannahmen dieses "Übertragungsmodel ls sozialer Kommuni kation" lassen sich daher wie folgt festhalten: - Kommuni kation ist ei n Übertragungsprozess von I nformationen. - Kommunizierende I ndividuen wol len I nformationen an andere I ndividuen übertragen. - Kommuni kation hat Verständigung zum Ziel. - Kommuni kation basiert auf symbol ischen Handlungen. - Kommunikation ist die Ursache für Wirkungen beim Empfänger. [vgl. Fol ie 1 ] - Angesichts der Al ltagserfahrungen mit Kommuni kation, die sich nur al lzuoft durch Missverständnisse, Widersprüche, Leerstel len und nicht nur durch Verständigung und Verständnis im Sinne der I ntensionen des "Senders" auszeichnen, stellen sich aber Fragen, ob diese "Standardmodel l " nicht zu ideal isiert ' gebaut' ist und sich auch zu sehr an Sprache als Kommuni kation und an Face-to-face-Begegungen orientiert. - Es kommt das methodisch Problem hi nzu, dass, wenn man ei ne kausale Ursache Wi rkungsbeziehung zwischen "Sender" und "Empfänger" behauptet, man diese Model lvorstel lung an die Vielzahl an Kommuni kationsmögl ichkeiten und -situationen anpassen muss, die zwischen Menschen mögl ich si nd. Das führt i n der Forschungspraxis dazu, immer mehr Variablen in die Modelle einzuführen oder durch strike Typisierung der Kommuni kationsmodel le auszuschl ießen. - Eine so griffige Aussage wie die von Harold D. Laswell geprägte Formel der Kommunikation: "Who says what, in wich channel to whom with what effect", wirft daher sofort weitere Fragen auf, z. B. "warum sagt jemand etwas" oder "i n welcher Situation", "aufgrund welcher Erfahrungen" sagt man etwas und man kann fragen, was passiert, wenn man nicht "sagt", sondern "si ngt" usw.? - Wi r können aufgrund dieser determi nistisch/kausal logischen Übertragungsmodel le also nicht sagen, was soziale Kommuni kation ist, sondern nur, wie besti mmte Kommuni kationsformen i n ei ngeschränkten Situationen auftreten können. - Viel leicht sol lten wi r daher danach fragen, wie so etwas, wie das "Mitei nandergemei nmachen" oder besser "Mitei nandergemei nwerden" das schon i m latei nischen "communicatio" angesprochen wi rd, überhaupt zu Stande kommen kann? - Dazu si nd aber sowohl I nfomation, als auch I nteraktion von Kommuni kation zu unterscheiden.
4 3 2) Kommuni kation und I nformation - I n den Standardmodel len, die Kommuni kation als I nformationsübertragung vom "Sender" zum "Empfänger" auffassen, wi rd I nformation metaphorisch wie ei n "Ding" behandelt das hin und her geschoben oder ausgetauscht wird. - Nur, wie sieht dieses ' Ding' aus? Ist I nformation ein Teilchen, eine mathematische Grösse, ei n Bit, das sich vom Nicht-Bit unterscheidet, ei n kognitiver Zustand, ei ne Aussage, eine Liedzeile, ein Klang, ein Bild? Und wo kommt die I nformation her, wo geht sie hin? Habe ich bspw. keine Informationen mehr, wenn ich sie ' übermittelt' habe, hat der oder die andere jetzt viel leicht zuviel davon? Sammelt sich al le I nformation i n ei ner I nformationssenke, bis es zum "I nformationoverflow" kommt etc.? - Ursachen für die Ding-Metaphorik der I nformation scheinen einerseits in den handlungstheoretischen Vorstel lungen von Mani pulation, also aktivem Umgehen und Bewegen von Gegenständen durch Handel n und i n den i nteraktionistischen Vorstel lungen von symbol ischen Zeichenvorräten zu l iegen. - Andererseits schei nt dafür das mathematisch/technische Übertragungsmodel l von I nformation verantwortl ich zu sei n, das Claude E. Shannon Ende der 1 940er Jahren erstmals publ izierte (1 948 nochmals gemei nsam mit Warren Weaver veröffentl icht) [siehe das schematische Model l Fol ie 2] - Shannon gi ng es dabei nicht um ' Bedeutungen', sondern nur um die technische Übertragungsmögl ichkeit von Signalen. Entsprechend ist für i hn I nformation ei n Maß für Ordnung, bzw. für den Abstand, den ei n Signal über dem Grundrauschen des Übertragungskanals erreichen kann (Signal-Rauschabstand). - Schon Luhmann hat aber darauf hi ngewiesen, dass i n Shannons Model l I nformation an der "Quelle" 'ausgewählt' wird (1 984: 1 95), allerdings aus einem endlichen Zeichenvorrat. - Da ei n solcher Zeichenvorrat sozial angesichts konti ngenter Kommuni kationsmögl ichkeiten kaum denkbar erschei nt, sol l I nformation nicht mehr als Zeichen (oder Di ng) gelten, sondern als Unterscheidung die ei ne Unterscheidung anregt. Luhmann verweist hier auch auf Gregory Bateson der von "difference wich makes a difference" (1 972: 31 5) spricht. - Noch kürzer kann man I nformation als das Moment der Differenz, als Ereignis des Übergangs zwischen zwei Zuständen bezeichnen, das i mmer neu, unbekannt, anders, entfernt sei n muss, um I nformation zu sei n. - Daraus folgt: Mit I nformation wi rd nichts Materiel les ausgewählt, sondern die Anregung ei ner Unterscheidung aus ei nem konti ngenten Konti nuum von Unterscheidungsmögl ichkeiten. I nformation kann daher i m Zusammenhang der Kommuni kation nicht ' übertragen', sondern nur selektiv/reflexiv unterschieden werden.
5 4 - Damit können wi r uns soziale Kommuni kation nicht mehr als Übertragungsprozess von I nformation vorstel len. Soziale Kommuni kation erschei nt viel mehr als wechselseitige Anregung von ereignishaften Unterscheidungen, für die wi r kei ne sel bstverständl iche Identität bei "Sender" und "Empfänger" behaupten können. - Wir können deshalb nur bedingt vorhersagen, wie Kommunikation sozial wirkt oder welche Unterscheidungen I nformation anregt. Aber, wi r können sagen, dass sie Unterscheidungen anregt, wenn I nformation kommuniziert wi rd. [vgl. Folie 3] 2) I nteraktion und Kommuni kation - Als zweites ist soziale Kommuni kation von I nteraktion zu unterscheiden, um die Dimension i hrer Unterscheidungskapazitäten aufzuzeigen. - Wird im I nteraktionismus etwa bei Mead und Goffman "I nteraktion" und "Kommunikation" meist synonym verwendet und entspricht es auch unseren Al ltagserfahrungen, dass beides identisch ist, so sol l hier i m Gegentei l behauptet werden: 1 ) Nicht jede Interaktion ist eine Kommunikation. 2) Kommunikation ist nicht immer eine I nteraktion. Wie ist das zu verstehen? Zu 1 ): - I nteraktionen schei nen voraussetzungsloser zu sei n, als soziale Kommuni kation. Für I nteraktion reicht es bspw. aus, dass wahrgenommen wi rd, dass andere wahrnehmen, etwa so, dass man sich i n ei ner Menschenmenge gegenseitig ausweicht. - Soziale Kommuni kation schei nt demhi ngegen mehr Unterscheidungskapzitäten zu beanspruchen. Sie geht über reflexive Wahrnehmung hi naus, wei l sie die soziale Unterscheidung der Annahme oder Ablehnung von Unterscheidungen mögl ich macht und so ei nen ' Gemei nwerden' erlaubt. - Kommuni kation ' zündet' soziale Systeme, I nteraktion nur bedi ngt. Wenn man sich etwa in einer Menschenmenge mit einem Lächeln signalisiert, dass man sich für das Ausweichen der anderen bedankt und darauf von den anderen zurückgelächelt wi rd, dann ist Interaktion für einen Moment in Kommunikation umgeschlagen. Zu 2): - Kommunikation muss aber nicht immer als I nteraktion, also als unmittelbare oder mitel bare Begegnung mit reflexiven Wahrnehmungsmögl ichkeiten stattfi nden. - So kann z. B. heute noch der tote Niklas Luhmann mit uns kommunizieren. Wir können auf das von i hm Geschriebene reagieren, können es annehmen, i n Gesprächen weiterkommunizieren, darüber schrei ben oder dazu Bi lder malen. Wi r können es ablehnen, wegwerfen und damit die Kommuni kation abbrechen. Wi r können aber nicht mehr mit Luhmann i nteragieren. Luhmann kann nicht mehr auf unsere Reaktionen reagieren. I nteraktion bedarf der reflexiven Begegnung.
6 5 4) Zusammenfassung - Annahmen zur sozialen Kommuni kation: 1 ) Kommuni kation ist nicht hi nreichend dadurch beschrieben, dass Subjekte i m aufei nander bezogenen Handel n Verständigung erzielen wol len. 2) Kommuni kation ist i n i hrer Entfaltung nicht auf Sprechakte beschränkt. 3) Kommuni kation basiert nicht auf dem 'Austausch' von I nformationen. 4) Kommuni kation ist sozial voraussetzungsreicher und folgenreicher als I nteraktion. 5) Kommuni kation bedarf nicht zwangsläufig der I nteraktion für i hr Zustandekommen. 6) Soziale Kommuni kation konstituiert sich i n ei nem fortgesetzter Prozess der Unterscheidung von Unterscheidungen (I nfomation) als ei ne eigene Wi rkl ichkeit der Sozialität. Diese Wirklichkeit kann nicht unabhängig von der Beteiligung kommunikationsfähiger Ei nheiten entstehen und fortdauern, repräsentiert aber nicht diese komunikationsfähigen Einheiten. Literatur Zur Laswell-Formel der Kommunikation: Harold D. Laswel l, 1 948: The Structure and Function of Communication i n Society, in: Bryson, Lyman (Hrsg.): The Communication of Ideas. A Series of Addresses. New York, London. S Zum mathematisch/technischen Kommunikationsmodell: Claude E. Shannon, 1 948: A Mathematical Theory of Communication, i n: Bell System Technical Journal. 27 July und Oktober. S ; Wiederabdruck: Claude E. Shannon, Warren Weaver, 1 963: The Mathematical Theory of Communication. Urbana, I l l. Überlegungen zu Unterscheidungen: Gregory Bateson, 1 972: Steps to an Ecology of Mind. San Francisco. Luhmann zu Information und Kommunikation: Niklas Luhmann, 1 984: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt/M. Besonders; 1 02f. ; 1 95.
7 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Kommunikationsprobleme Ei nfaches Beispiel für das "Standardmodel l " der Kommuni kation Quel le: Leon R. Tsvasman (Hrsg.), 2006: Das Grosse Lexi kon Medien und Kommuni kation. Würzburg. S
8 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Kommuni kationsprobleme Fol ie 1 Grundannahmen i m Übertragungsmodel l der Kommuni kation 1 ) Kommuni kation ist ei n Übertragungsprozess von I nformationen. 2) Kommunizierende I ndividuen wol len I nformationen an andere I ndividuen übertragen. 3) Kommuni kation hat Verständigung zum Ziel. 4) Kommuni kation basiert auf symbol ischen Handl ungen. 5) Kommunikation ist die Ursache für Wirkungen beim Empfänger.
9 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Kommuni kationsprobleme Fol ie 2 Claude E. Shannons Übertragungsmodel l der Kommuni kation verei nfacht: Sender Übertragungskanal Empfänger ausführl ich: Botschaft Signal übetr. Signal Botschaft I nformations quel le Überträger I. Empfänger I nformations ziel Rausch quel le
10 Vorlesung: "Soziale Kommuni kation" Kommuni kationsprobleme Fol ie 3 Grundannahmen zu ei nem nichtdetermi nistischen Model l der I nformation 1 ) I nformation ist eine Unterscheidungsoperation in einem kontingenten Konti nuum von Unterscheidungsmögl ichkeiten. 2) I nformation kann als Unterscheidung unterschieden werden. 3) I nformation kann nur dann unterschieden werden, wenn sie ereignishaften Charakter hat. 4) I nformation wird in der Kommunikation nicht identisch übertragen.
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