Klausur. Anton Ahnungslos (A) ist seit längerem als erfahrener und tierlieber Tierarzt im Landkreis Fürth tätig.
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- Irmgard Falk
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1 Klausur Anton Ahnungslos (A) ist seit längerem als erfahrener und tierlieber Tierarzt im Landkreis Fürth tätig. Ebenso im Landkreis Fürth ansässig ist Elfriede Ohnesorg (E), die dort in der Gemeinde Hardhof bei Langenzenn einen landwirtschaftlichen, nach streng ökologischen Kriterien geführten Betrieb mit Milchvieh-, Hühnerhaltung und Direktvermarktung der Erzeugnisse bewirtschaftet. Ende Mai 2015 kam es in Brandenburg, Thüringen und Sachsen in einzelnen Landkreisen zum Ausbruch einer besonders schwer verlaufenden Form der Aviären-Influenza (Vogelgrippe). Sie wird durch ein Influenza-A-Virus verursacht, das in der klassischen Form überwiegend Hühner und Puten anfällt. Bei Hühnern und Puten führt die Krankheit nach wenigen Tagen zum Tod. Die Vogelgrippe ist im Höchstmaß ansteckend und breitet sich schnell aus. Besonders aggressiv sind die Stämme des Subtyps H5 und H7. Sie verfügen über hochgradig pathogene (krankmachende) Eigenschaften. Treffen viele Vögel aufeinander, etwa auf Geflügelfarmen, Ausstellungen oder Märkten, ist das Risiko für den Ausbruch der Vogelgrippe besonders hoch. Aus Sorge, dass auch ihr Betrieb durch den Erreger betroffen werden könnte, wendet sich die E an den A mit der Bitte, ihren Hühnern einen geeigneten Impfstoff zu verabreichen. A, der bereits von den Ausbrüchen der Vogelgrippe aus den Medien wusste, ist gut vorbereitet und sichert der E sofort seine Unterstützung zu: Seit Jahren arbeitet er mit dem Impfstoffhersteller B zusammen, der auf die Herstellung von Impfstoffen für Hühner spezialisiert ist. B gelang es kurz zuvor einen neuen Impfstoff gegen die Subtypen H5 und H7 der Vogelgrippe herzustellen, der das gesetzlich vorgeschriebene Zulassungsverfahren des staatlichen Paul-Ehrlich-Instituts in Langen (Hessen) ohne Probleme und Auffälligkeiten passierte. A bestellt bei B für die Hühner der E eine entsprechende Menge Serum. A begibt sich bereits zwei Tage später zum Betrieb der E, wo die Seuche zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgebrochen war, und impft sämtliche Hühner. Dennoch kam es eine Woche später, am 5. Juni 2015, zum Ausbruch der Vogelgrippe im Betrieb der E. Auf Anordnung der zuständigen Veterinärbehörde werden, zum Schutze der anderen Geflügelbetriebe, sämtliche Hühner der E geschlachtet.
2 Hierdurch ist ihr ein Schaden in Höhe von Euro entstanden. Die E ist entsetzt. Nachforschungen des um seinen Ruf als Tierarzt fürchtenden A ergeben, dass B von dem bewährten, dem Stand der Technik entsprechenden Verfahren, das Serum in besonders ultrahoch-erhitzten desinfizierten Flaschen zu verfüllen, aus Kostengründen abgewichen ist. Das Serum wurde nur noch durch thermische Erhitzung bei 100 C desinfiziert. So kam es dazu, dass das Serum, das A den Hühnern verabreichte, verunreinigt war und die Seuche trotz der Impfung auf dem Hof der E zum Ausbruch kam. Die E wendet sich an einen, mit ihr befreundeten Rechtsanwalt und will wissen, ob sie Ersatz des ihr entstandenen Schadens von A und B verlangen. Prüfen Sie die Ansprüche der E gegen A und B! Bearbeitervermerk: Arzneimittelrechtliche Vorschriften sind nicht zu prüfen! Lösungsskizze: A.) Ansprüche der E gegen A: I SE gem. 631, 633 Abs. 1, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB Schuldverhältnis Werkvertrag 631 BGB: Das Impfen der Hühner mit dem Impfstoff (+) Pflichtverletzung Der Impfstoff ist verunreinigt, sodass die Hühner dennoch erkranken (+) Verschulden 280 Abs. 1 S. 2 BGB: Eigenes Verschulden des A? Keine Anhaltspunkte (-) Zurechnung fremden Verschuldens gem. 278 BGB? Hersteller ist nicht Erfüllungsgehilfe! (-) Ergebnis: SE gem. 631, 633 Abs. 1, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB II SE 823 Abs. 1 BGB (verkürzte Prüfung zulässig) Verschulden des A? Kein Verschulden des A ersichtlich! B.) Ansprüche der E gegen B:
3 I Vertragliche Ansprüche 1) Garantievertrag zwischen E und B? (-) Keine Anhaltspunkte 2) Vertrag zwischen A und E mit Schutzwirkung für Dritte? a) Leistungsnähe der E? (+) b) Interesse des Gläubigers am Einbezug des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags? Nach der älteren Rechtsprechung wurde dem Gläubiger ein Einbeziehungsinteresse unterstellt, sofern er für das Wohl-und-Wehe des Dritten zumindest mitverantwortlich war. hier: Kein Personenschaden, sondern Sachschaden Die neuere Rechtsprechung erweitert nun die Wohl und Wehe Formel dahingehend, dass der Dritte auch dann schon in den Schutzbereich einbezogen wird, sofern der Gläubiger ein besonderes (typisiertes) Interesse daran hat und der Vertrag dahingehend ausgelegt werden kann. Dies wird vermutet, sofern sich dies aus den Umständen des Einzelfalls ergibt oder die Leistung des Schuldners auch dem Dritten zugutekommen soll. Dass A das Serum nicht für sich selbst, sondern für die Ausübung seines Berufs benötigt und das Serum deshalb durch die Verabreichung in Kontakt mit den Rechtsgütern eines Dritten kommt, dürfte aus den Umständen zu entnehmen sein. Interesse (+) (a.a. vertretbar) c) (Objektive) Erkennbarkeit der Einbeziehung des Dritten? Die Kriterien a. und b. müssten für den Schuldner subjektiv erkennbar sein. Das Haftungsrisiko kann dem Schuldner dabei nur zugemutet werden, sofern er die möglichen Haftungsnehmer eingrenzen kann. Dabei muss die Zahl der möglichen Haftungsnehmer nicht feststehen, aber aus einem überschaubaren Personenkreis stammen. Nach Rspr. des BGH fehle es an der Erkennbarkeit der Einbeziehung des Dritten (Kriterium b) in den Vertrag: Zwar ließe sich aus der Bestellung von Flaschen Serum erkennen, dass es sich maximal um Endabnehmer handeln kann. Andererseits ist die Zahl der dahinterstehenden Endabnehmer nichts objektiv erkennbar aus der Bestellung.
4 Erkennbarkeit (-) Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (-) 3) Drittschadensliquidation (DSL) Zufällige Schadensverlagerung zwischen Gläubiger (A) und Schuldner (B)? A könnte den Schaden bei B liquidieren. Der Einsatz des Impfstoffes außerhalb der Sphäre des A war von Anfang an beabsichtigt: Da der Schaden so regelmäßig beim Endabnehmer, d.h. hier den E, eintritt, liegt keine zufällige Verlagerung des Schadens vor. DSL (-) II. Deliktische Ansprüche 4) Schadensersatzanspruch 1 Abs. 1 ProdHaftG a) 16, 19 ProdHaftG (+): Produkt nach in Verkehr gebracht b) 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG: Körper- Gesundheits- oder Sachbeschädigung: hier 90a Hühner = Sache Sachbeschädigung (+) c) 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG: Sachschaden nur an anderer Sache (+), die für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt ist, hier: landwirtschaftlicher Betrieb (-) Schadensersatzanspruch 1 Abs. 1 ProdHaftG (-) 5) Schadensersatzanspruch gem. 823 Abs. 1 BGB a) Rechtsgutverletzung: Eigentumsverletzung aufseiten der E b) durch ein Verhalten des Anspruchsgegners aa) positives Tun oder Unterlassen: Inverkehrbringen des fehlerhaften Produkts durch B (aktives Tun) bb) haftungsbegründende Kausalität (+)
5 d) Rechtswidrigkeit: bei mittelbaren Verletzungshandlungen ist eine objektive Pflichtverletzung erforderlich, damit ein die Rechtswidrigkeit indizierender Tatbestand vorliegt in Betracht kommt die Verletzung einer herstellerspezifischen Verkehrssicherungspflicht danach muss der Hersteller im Rahmen des objektiv Möglichen und Zumutbaren die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit von diesen Produkten keine Gefahren ausgehen und Schäden anderer Personen durch produktbedingte Gefahren vermieden werden zu unterscheiden sind Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions- und Produktbeobachtungsfehler Konstruktionsfehler: Der Fehler des Produkts liegt darin, dass es schon von seiner Konstruktion bzw. Zusammensetzung nicht die Beschaffenheit aufweist, die man zur Vermeidung der Gefahr erwarten muss; hier: Das Serum selbst ist wirksam, geprüft und zugelassen durch das staatliche Paul-Ehrlich-Institut. (-) Fabrikationsfehler: Der Fehler des Produkts ist auf die Fertigung eines ordnungsgemäß konstruierten Produkts zurückzuführen, liegt also in der planwidrigen Abweichung von der Sollbeschaffenheit des Produkts. Kein Fabrikationsfehler liegt vor, wenn es sich um einen einmaligen Ausreißer handelt, der trotz aller Vorsichtsmaßnahmen durch den Hersteller unvermeidbar war. Der Fehler geht darauf zurück, dass B das Serum in Flaschen abfüllte, die nur noch durch thermische Erhitzung bei 100 C desinfiziert wurden. Das geeignete Verfahren, ultrahoch erhitzte Flaschen zu verwenden, wurde aus Kostengründen ersetzt. Instruktionsfehler (-) Produktbeobachtungsfehler (-) e) Verschulden Hier liegt ein Fabrikationsfehler vor. Das bedeutet für die Beweislast, dass das Verschulden des Herstellers, hier B, grundsätzlich vermutet wird in Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz, dass dieses durch den Anspruchsteller nachgewiesen werden müsste. Das bedeutet, dass B sich entlasten müsste: Dies ist gerade nicht der Fall. B hat positiv eine Sorgfaltspflicht verletzt: Ein sog. Ausreißer (einmaliger Vorgang) zur Entlastung der B kommt nicht in Betracht. (+)
6 f) Rechtsfolge E steht ein Anspruch auf Schadenersatz gem. 249 ff. BGB i.h.v Euro zu. (+)
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