Allen Unkenrufen zum Trotz erteilt die DRV weiterhin
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- Hannelore Kolbe
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1 TRENDS & THEMEN unternehmensjurist RENTENVERSICHERUNG AUSEINANDERSETZUNGEN GEHEN WEITER Seit nahezu fünf Jahren ziehen sich die Auseinandersetzungen der Syndikusanwälte mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) um die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hin. Die ersten höchstrichterlichen Entscheidungen sind erst für Ende des Jahres zu erwarten. Wie ist der Stand der Dinge? Eine aktuelle Bestandsaufnahme. Allen Unkenrufen zum Trotz erteilt die DRV weiterhin Befreiungsbescheide, wobei sie an ihrer eigenen Verwaltungspraxis festhält, aus ihrem Blickwinkel heraus die vier Kriterien zu prüfen. Demnach hat eine anwaltliche Tätigkeit rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsanwendend und rechtsvermittelnd zu sein, um von der Versicherungspflicht befreit werden zu können. Unverändert ist die oft beschriebene Praxis von unverständlichen Ablehnungen, neu hingegen deutlich verlängerte Laufzeiten bei der Bearbeitung: Mehrere Monate sind keine Besonderheit; die Vorschrift, nach der in sechs Monaten über einen Antrag entschieden sein solle, wird nicht immer eingehalten. Glatt durch ging der Befreiungsantrag von Rechtsanwältin Stefanie Wiegard, obwohl sie im Bereich Compliance tätig ist, bei dem die DRV häufig bestreitet, dass es sich um eine anwaltliche Tätigkeit handelt. Wiegard verantwortet bei dem Automobilzulieferer Johnson Controls (JCL Beteiligungs GmbH) im bergischen Burscheid als Direktorin weltweit den Bereich Compliance. Sie hatte sich zusammen mit ihrem Arbeitgeber viel Mühe bei der Formulierung der Stellen- und Funktionsbeschreibung gegeben. Es ist gar nicht so einfach, anschaulich und praxisnah die vier Kriterien darzustellen, meint sie, obwohl sie als Spezialistin im Kartell- und Korruptionsrecht ebenso beratend tätig ist wie viele ihrer Kollegen in den Kanzleien. Offenbar waren ihre Ausführungen überzeugend, denn die Berliner Behörde gab ihrem Antrag statt. Das verdient Beachtung, denn bei der Bearbeitung von Befreiungsanträgen sorgt die Vorgehensweise der DRV in der Regel für besonderen Ärger: Klaus Kröhne ist als Syndikusanwalt, Vorgehensweise der DRV sorgt für Ärger Referent und Stellvertreter des Geschäftsführenden Direktors bei den Bühnen Köln beschäftigt und befindet sich schon im zweiten gerichtlichen Verfahren mit der DRV. Für seine frühere Tätigkeit bei der Theater und Philharmonie Essen GmbH wurde er durch Urteil des Sozialgerichts Köln (SG Köln) vom Juli 2010 von der Versicherungspflicht befreit. Seit über dreieinhalb Jahren ist das Berufungsverfahren vom Landessozialgericht nicht terminiert und ruht nunmehr, weil auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts gewartet werden soll. Für seine neue Tätigkeit, die geprägt ist von der Prüfung und Gestaltung von anwaltlichen Fragen beispielsweise aus den Bereichen Künstler-, Urheber-, Miet- und Arbeitsrecht, hat er wiederum keine Befreiung von der DRV erhalten, wogegen Kröhne nun erneut vor dem SG Köln klagt. Fortsetzung auf Seite Ausgabe 1/2014
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3 TRENDS & THEMEN unternehmensjurist Henrik M. Andresen, Rechtsanwalt, Comdirect Bank AG Klaus Kröhne, Rechtsanwalt, Bühnen der Stadt Köln Stefanie Wiegard, Rechtsanwältin, JCL Beteiligungs GmbH Fortsetzung von Seite 52 Eine Kollegin in Berlin, die ebenfalls an einem Bühnenbetrieb arbeitet und nahezu die gleiche Tätigkeit ausübt, wurde nach längerem Schriftverkehr von der DRV befreit. Darauf im Prozess hingewiesen, sieht die Behörde keinen Grund, zu dieser Ungleichbehandlung Stellung zu nehmen, sondern hält den Vortrag für unerheblich und dringt auf eine Entscheidung durch das Gericht. So darf eine Behörde wie die DRV einfach nicht arbeiten, ärgert sich Kröhne. Dabei hätte eine Befreiung erteilt werden müssen, denn nach der bestehenden Arbeitshilfe der Behörde für die Mitarbeiter vom Februar 2011 sind die als Checkliste aufgeführten Punkte in seinem Fall alle erfüllt. Auch diese Arbeitshilfe scheint jeder Sachbearbeiter anders auszulegen. Zwar haben Gerichte hier insbesondere das Sozialgericht München die Praxis der DRV immer wieder kritisiert, geändert hat sich bisher aber nichts. In den Widerspruchsausschüssen der DRV, die als Organ der Selbstverwaltung unter anderem Verwaltungsakte überprüfen, gegen die Widerspruch erhoben wurde, sitzen auch Vertreter der Arbeitgeber. Ärgerlich ist, dass Ausschussmitglieder keine Akten sehen, sondern nur ein Votum vorgelegt bekommen. Gleichwohl haben die Arbeitgebervertreter Möglichkeiten der Einflussnahme: Die Verwaltung knickt schnell ein und entscheidet rasch anders, wenn ich konkret nachfrage, sagte eine Arbeitgebervertreterin, die sich der Problematik bewusst ist und nicht alles akzeptiert, was ihr vorgelegt wird. Es wäre wünschenswert, wenn dieser kritische Blick Schule machte. Dies umso mehr, als für viele Anwälte nicht nachvollziehbar ist, wie bei Anlegen der gleichen Kriterien die Behörde zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. So stellte Henrik M. Andresen, Rechtsanwalt in Hamburg, einen Antrag auf Befreiung, als er als Underwriter bei der Allianz-Tochter Allianz Global Corporate & Speciality AG (AGCS) tätig war, also als Anwalt arbeitete, der komplexe Versicherungsverträge, etwa im Bereich der Vermögensschadenshaftpflicht oder Wechsel in Unternehmen kann teuer werden D&O-Versicherung, verhandelt und entscheidet. Befreit wurde er erst durch ein (bisher nicht rechtskräftiges) Urteil des SG München. Für seine jetzige Tätigkeit in der Rechtsabteilung der Comdirect Bank AG erfolgte jedoch die unmittelbare Befreiung durch die Behörde. Beide Tätigkeiten umfassen typische anwaltliche Beratungen, ich kann bis heute nicht nachvollziehen, wo die gravierenden Unterschiede liegen sollen, meint Andresen. Er vermutet, dass es gerade bei Versicherungen Arbeitsbereiche gibt, in denen aus Unkenntnis der spezifischen Aufgaben keine Befreiung erteilt wird. Bei der Entscheidungspraxis der DRV ist auch bei vergleichbarer Tätigkeit nicht gewährleistet, dass man eine Befreiung erhält, somit ist kaum vorhersehbar, ob eine Befreiung für eine neue anwaltliche Tätigkeit in einem Unternehmen erteilt wird. Aus diesem Grund will der Wechsel aus einer Kanzlei in ein Unternehmen ebenso gut überlegt sein wie der Wechsel des Unternehmens. Wird die Befreiung endgültig nicht erteilt, sind die Nachteile erheblich: Rund Euro netto monatlich müsste ein Arbeitgeber zusätzlich an den Arbeitnehmer zahlen, damit die Anwartschaften im Versorgungswerk so erworben werden, wie es bei einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall wäre; ein stattlicher Betrag. Und wenn der Arbeitgeber neben der gesetzlichen Rentenversicherung Zahlungen an den Arbeitnehmer leistet, die dieser dann an das Versorgungswerk weiterleitet, handelt es sich um einen geldwerten Vorteil, auf den wiederum Steuern und Sozialabgaben zu zahlen sind. Aber selbst wenn der Anwalt innerhalb seines Unternehmens in einen anderen Bereich wechselt, läuft er Gefahr, dass die bereits gestattete Befreiung aus der Rentenversicherung nicht erneuert wird. Folgendes scheint klar zu sein: Unter einem Tätigkeitswechsel beim selben Arbeitgeber lässt sich nur eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit verstehen. Wenn es beispielsweise bei einer Zusammenlegung von Abteilungen oder Umorganisationen zu Änderungen von Abteilungsbezeichnungen, Titeländerungen oder Ähnlichem kommt, ist dies unbeachtlich. Auch eine Änderung von Zuständigkeiten innerhalb einer Rechtsabteilung etwa statt dem Arbeitsrecht die Übernahme des Ressorts Sozialrecht stellt keine Änderung der Tätigkeit dar, denn es bleibt eine anwaltliche Tätigkeit, wenn vorher Fortsetzung auf Seite Ausgabe 1/2014
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5 TRENDS & THEMEN unternehmensjurist Fortsetzung von Seite 54 dafür eine Befreiung erteilt wurde. Dies gilt auch, wenn etwa die Abteilung gewechselt wird, also etwa statt dem Gesellschaftsrecht in der Rechtsabteilung nun das Arbeitsrecht in der Personalabteilung übernommen wird. Eine Beförderung ist ebenfalls kein Tätigkeitswechsel, wenn damit bei der anwaltlichen Tätigkeit mehr Verantwortung beispielsweise als Teamleiter in der Rechts- oder Personalabteilung übernommen wird. Es käme ja auch niemand auf die Idee, bei einem Aufstieg von einem angestellten Anwalt zu einem Partner die anwaltliche Tätigkeit zu verneinen. Dies sieht auch die DRV so: In der Stellungnahme vom Mai 2013 heißt es, dass Wechsel von Station zu Station oder Beförderungen vom Arzt zum Oberarzt keinen Tätigkeitswechsel darstellen. Leider finden sich dort keine Ausführungen zu Rechtsanwälten. Gerade im Hinblick auf Betriebsprüfungen ist es sinnvoll, solche Wechsel immer in der Personalakte zu dokumentieren. Wechsel immer in Personalakte dokumentieren LITERATURHINWEISE Wer sich vertieft mit der Materie befassen will, dem seien folgende Literaturhinweise auf den Weg gegeben: Zu den Urteilen des BSG vom 31. Oktober 2012 und den Auswirkungen gerade auch auf Übergangsfragen und kritisch zu vielen nicht durch das BSG geklärten Fragen siehe den Beitrag Das Befreiungsrecht des 6 SGB VI der verkammerten Freien Berufe von Jan Horn in Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS, Ausgabe 16/2013, Seite 605). Horn ist als Referent der Geschäftsführung bei der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.v. (ABV) beschäftigt. Zur Frage der Haftung des Arbeitgebers für Rentenversicherungsbeiträge und wie durchaus zu Lasten des angestellten Rechtsanwalts argumentiert wird, siehe den Artikel Rentenversicherung: Der vermeintlich befreite Syndikusanwalt der Rechtsanwälte Dr. Jochen Leßmann und Dr. Christoph Herrmann, erschienen in Der Betrieb, Heft 20/2013 auf Seite 1114, sowie Martin Reuters Beitrag Rechtsfolgen fehlerhafter Anwendung von 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 SGB VI in Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS, Ausgabe 10/2013, Seite 376). Zum Stand der Rechtsprechung und vieler Facetten der bisherigen Rechtsprechung pro und contra der Befreiung siehe den Beitrag Die Auseinandersetzung um die Befreiung der Syndikusanwälte erreicht das Bundessozialgericht von Martin W. Huff in den BRAK-Mitteilungen 2013, den sie über die Website herunterladen können. Wichtig ist, das hat das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. Oktober 2012 (B 12 R 3/11 R) noch mal bestätigt, dass ein Syndikusanwalt, der den Arbeitgeber wechselt, einen neuen Befreiungsantrag stellen muss. Argumenten, dass auf alten Befreiungsbescheiden dies so nicht ausdrücklich zu erkennen war, hat das BSG erneut eine Absage erteilt, das Urteil des BSG lässt es hier an Deutlichkeit nicht vermissen. In einer Ergänzenden Information hat die DRV Mitte Januar endlich zu den Übergangsfragen Stellung genommen: Syndikusanwälten, die für ihre aktuelle Tätigkeit keinen Befreiungsbescheid haben, wird die Möglichkeit eines neuen Befreiungsverfahrens gegeben. In diesem Verfahren wird festgestellt, ob die aktuelle Beschäftigung befreiungsfähig ist. Wird eine anwaltliche Tätigkeit festgestellt, wird die Befreiung entsprechend dem Datum des Antragseingangs erteilt. Die insoweit ausgesprochene Befreiung führt dazu, dass Beiträge für die Vergangenheit nicht erhoben werden, um die Kontinuität in der Altersversorgung zu gewährleisten (für den Wortlaut siehe Dies ist quasi eine Vertrauensschutzregelung light, in der die DRV für die Zeit vom Tätigkeitsbeginn bis zum Antrag auf die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verzichtet. Kommt die DRV hingegen zu dem Ergebnis, dass es sich um eine nicht befreiungsfähige Tätigkeit handelt, dann greifen die Verjährungsregelungen des Paragrafen 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Dies bedeutet, dass in diesen Fällen die Beiträge für bis zu vier Jahre nachgefordert werden. Dies allerdings nur, wenn es einen rechtskräftigen Bescheid gibt. Wer also den Arbeitgeber in den vergangenen vier Jahren gewechselt hat, muss sich überlegen, einen neuen Befreiungsantrag zu stellen. Dabei ist zu erwarten, dass die DRV bei ihrer restriktiven Haltung bleibt und es viele Auseinandersetzungen um Ablehnungsbescheide geben wird. Entscheidend wird in vielen Fällen eine klare und ausführliche Stellen- und Funktionsbeschreibung sein, in der die anwaltliche Tätigkeit ausführlich vom Arbeitgeber erläutert wird. Erkennbar hofft die Behörde hier auf eine für sie positive Entscheidung des BSG. Denn es ist durchaus auch möglich, dass das BSG grundsätzlich eine Befreiungsmöglichkeit ablehnt, sodass dann auch nachträglich gestellte Anträge nicht den gewünschten Erfolg haben werden. (Anm. der Red.: Siehe hierzu auch Seite 85.) 56 Ausgabe 1/2014
6 unternehmensjurist TRENDS & THEMEN Wird im Rahmen einer Betriebsprüfung nachträglich festgestellt, dass für einen Beschäftigten keine wirksame Befreiung vorliegt, muss der Arbeitgeber rückwirkend die gesamten Rentenversicherungsbeiträge bis zur Verjährungsgrenze von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche fällig geworden sind, nachzahlen. Wer muss Ohne wirksame Befreiung droht Nachzahlung nun für diese an die DRV zu zahlenden Beiträge aufkommen? Das Unternehmen hat zwar einen Rückgriffsanspruch gegenüber dem Mitarbeiter, allerdings darf es diesen nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt und nur bei den drei nächsten Gehaltszahlungen geltend machen. Ein darüber hinaus gehender Abzug ist dann möglich, wenn den Arbeitgeber kein Verschulden am unterbliebenen Abzug trifft. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen, dürfte für den Arbeitgeber aber sehr schwer nachzuweisen sein, denn er kannte ja alle Umstände. Allerdings wird in der juristischen Literatur die Ansicht vertreten, dass Paragraf 28g Satz 3 SGB IV nicht anzuwenden ist und der Rückforderungsanspruch gegen den Arbeitnehmer somit unbegrenzt ist. Der Schutzzweck der Norm die Überforderung des Arbeitnehmers werde nicht tangiert, da der Beschäftigte wiederum die Beiträge vom Versorgungswerk zurückfordern könne. Ein Anspruch des Unternehmens direkt gegen das Versorgungswerk besteht hingegen nicht, weil es zwischen ihm und dem Versorgungswerk keine Leistungsbeziehung gibt. Das BSG hat in seinem bereits zitierten Urteil vom Oktober 2012 demgegenüber die Anwendbarkeit eben dieses Paragrafen zweifelsfrei bejaht, worauf sich die Anwälte sofort berufen werden. Auch hier scheinen in manchen Unternehmen Auseinandersetzungen vorprogrammiert zu sein, gerade dann, wenn der Anwalt schon ausgeschieden ist. Es wird noch Jahre dauern, bis alle Auseinandersetzungen mit der DRV in die eine oder andere Richtung entschieden sind. Davon sollte sich ein Anwalt nicht entmutigen lassen, seine Befreiung durchzusetzen, sind doch die Kosten für die Auseinandersetzung insgesamt durchaus überschaubar, muss er doch nur die Kosten seines Anwalts tragen. Gerichtskosten fallen ebensowenig an wie Kosten auf der Beklagtenseite, da die DRV sich selbst vertritt. Und der Vorteil am Ende kann groß sein, wenn die Beiträge zur Altersversorgung zum anwaltlichen Versorgungswerk geleistet werden. Martin W. Huff Ausgabe 1/
Die entsprechende Verlautbarung der DRV ist als Anlage beigefügt. Sie kann auch unter http://www.deutsche-rentenversicherung.de abgerufen werden.
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