Wahlen zur Nationalversammlung in Südkorea

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1 Wahlen zur Nationalversammlung in Südkorea Opposition schlägt Regierungspartei Analyse Lars-André Richter und Lim Sung-eun Wahllokal in Seoul Stiftung für die Freiheit Die Konservativen haben die Wahlen zur Nationalversammlung verloren. Seit 1996 gibt es erstmals wieder drei Fraktionen im Parlament. In Südkoreas Politik kommt Bewegung. Doppelte Niederlage für Südkoreas Konservative bei den Parlamentswahlen am 13. April: Die Saenuri-Partei (SP), zu Deutsch: Neue-Welt-Partei, hat nicht nur die absolute Mehrheit der Sitze in der Gukhoe, der Nationalversammlung, verloren. Sie landete mit 122 Abgeordneten zudem hinter der oppositionellen Democratic Party (DP). Diese errang genau einen Sitz mehr. 1/5

2 Einer der Hauptgründe für die Niederlage war die Unzufriedenheit mit der Politik von Präsidentin Park Geun-hye. Zwar stand die Saenuri-Politikerin gar nicht zur Abstimmung - Präsidentschaftswahlen finden erst Ende kommenden Jahres statt. Viele Wähler schienen ihren Frust über die wirtschaftliche Lage des Landes solange allerdings nicht unterdrücken zu wollen. Sie nahmen die SP insgesamt in Haft. Viele Stammwähler blieben diesmal einfach zuhause In der Tat geben die Wirtschaftsdaten nicht unbedingt Anlass zum Optimismus: Die Staatsschulden steigen, die Unternehmensinvestitionen erreichen immer neue Negativrekorde, das Pro-Kopf-Einkommen schrumpft, die Jugendarbeitslosigkeit steigt, die Schiffbauindustrie, einst eine Vorzeigebranche des Landes, vermeldet sinkende Auftragszahlen. Nicht mal die seit Wochen anhaltenden Provokationen Pjöngjangs führten dazu, dass sich die Massen wie sonst üblich hinter den Konservativen versammelten. Viele Saenuri-Stammwähler blieben den Abstimmungslokalen diesmal einfach fern. Umgekehrt stieg die Wahlbeteiligung der Zwanzig- bis Vierzigjährigen deutlich an. Diese Alterskohorte neigt eher den progressiven Kräften zu und hat mit für das überraschend gute Abschneiden der Opposition gesorgt. Notorische Zerstrittenheit der Opposition Die SP hatte bei den letzten Wahlen 2012 noch 152 der insgesamt dreihundert Sitze gewonnen. Ihr Selbstbewusstsein vor dem Urnengang 2016 speiste sich freilich weniger aus der Erfolgsbilanz der zurückliegenden Jahre. Die SP hoffte vor allem, aus der notorischen Zerstrittenheit der größten Oppositionspartei Profit schlagen zu können. Diese war 2012 unter dem Namen Democratic United Party (DUP) angetreten und hatte sich 2014 in New Politics Alliance for Democracy (NPAD) umbenannt. Ende vergangenen Jahres spaltete sie sich. Eine Gruppe um den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Ahn Choel-soo gründete die People's Party (PP). Die geschrumpfte NPAD benannte sich hernach in Democratic Party um. Davon, dass der Wähler inner- oder zwischenparteiliche Zerstrittenheit nicht honoriert, kann nach dem Wahltag keine Rede mehr sein. DP und PP zusammen konnten das Ergebnis der noch ungeteilten Mutterpartei - die DUP kam 2012 auf 127 Sitze deutlich ausbauen. Die DP stellt diesmal 123, die PP 38 Abgeordnete. Die gegenwärtige, von der SP gestellte Regierung verfügt fortan über keine parlamentarische Mehrheit mehr. In der Mitte, aber nicht liberal 2/5

3 In der Mitte, aber nicht liberal Mit der PP zieht erstmals seit 1996 wieder eine dritte Partei in Fraktionsstärke in die Nationalversammlung ein. Die Untergrenze dabei liegt bei zwanzig Sitzen. Die PP kann am ehesten in der politischen Mitte angesiedelt werden, zwischen den Konservativen und der linksprogressiven DP. Durch und durch liberal ist sie deshalb allerdings noch nicht. In Sachen Anti- Terror- und Nordkorea-Politik steht sie eher an der Seite der SP. Freiheitlich sind allenfalls ihre Einlassungen zur Wirtschaftspolitik. Unabhängig von der weltanschaulichen Verortung: Der Wahlerfolg der PP beendet eine Epoche, in der zwei große Parteien, die eine links, die andere rechts, das politische Geschehen in Südkorea dominierten. In der neuen, aus drei Fraktionen bestehenden Nationalversammlung dürfte es schwieriger werden, Kompromisse zu finden und Mehrheiten zu organisieren. Die politische Diskussion dürfte noch leidenschaftlicher werden als ohnehin schon. Zahlreiche Hochburgen wechselten politische Farbe Was Präsidentin Park anbelangt, macht seit der Wahl das Wort der Lame Duck die Runde. Zwar schlägt das Staatsoberhaupt den Premierminister und die Kabinettsmitglieder vor. Die Regierung aber ist auf die Unterstützung des Parlaments angewiesen. Vor allem zwei Dinge hat Park noch weit oben auf der Agenda: wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Reformen sowie die Förderung der Kreativwirtschaft, mit der in Südkorea vor allem der IT-Bereich gemeint ist. Kaum vorzustellen, dass die Präsidentin in den verbleibenden knapp zwei Jahren im Amt hier noch nennenswerte Erfolge verbuchen kann. Der Wahltag war auch deshalb historisch, weil zahlreiche Partei-Hochburgen die politische Farbe wechselten. Die SP verlor in den Großstädten Busan und Daegu mehrere traditionell konservative Wahlkreise an die DP. Die DP ihrerseits gab weite Teile der beiden Jeolla- Provinzen, ihre Erbhöfe im Südwesten des Landes, an die PP ab. Dafür sicherte sie sich das Gros der Sitze in der bevölkerungsreichen Metropolregion Seoul. 3/5

4 Wahlergebnisse in Südkorea Stiftung für die Freiheit Mehrheitsverhältnisse noch nicht in Stein gemeißelt Kim Moo-seong, Vorsitzende der SP, kündigte nach Bekanntgabe der Ergebnisse seinen Rücktritt an. Trotzdem ist noch nicht gesagt, dass die SP im Laufe der neuen Legislaturperiode nicht doch noch stärkste Fraktion wird. Gewählt wurden nämlich auch elf unabhängige Kandidaten. Sieben von ihnen gehörten zur SP, bis sie die Partei im Streit verließen. Die meisten von ihnen haben bereits signalisiert, sich der SP-Fraktion unter bestimmten Umständen wieder anzuschließen. Für eine absolute Mehrheit reicht es allerdings auch dann noch nicht. Kurzum: In Stein gemeißelt sind die Mehrheitsverhältnisse in der frischgewählten Nationalversammlung noch längst nicht. Rund 42 Millionen Menschen waren in diesem Jahr zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Nationalversammlung, einzige Kammer in Südkorea, wird alle vier Jahre gewählt. Jeder Wähler hat zwei Stimmen. Gewählt wird nach einem Grabenwahlsystem: 253 der insgesamt dreihundert Abgeordnetenwerden werden direkt gewählt, die restlichen 47 nach dem Verhältniswahlrecht. Die Wahlkreise waren erst zu Beginn des Jahres neu zugeschnitten worden. Das Verfassungsgericht hatte diesen Schritt angeordnet. Seinetwegen war es zu langwierigen Konflikten zwischen SP und Opposition gekommen. Die Aufstellung der Kandidaten für die Parlamentswahlen erfolgte entsprechend relativ spät und überlagerte alle Ansätze einer inhaltlichen Auseinandersetzung im Wahlkampf. Trotzdem stieg die Wahlbeteiligung leicht, von rund 55 Prozent vor vier Jahren auf knapp sechzig in diesem. Aus Sicht der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit erfreulich: Shin Bora, langjährige Vorsitzende der wirtschaftsliberalen Jugendorganisation Youth Alliance for the Future of Korea, einem Kooperationspartner der Stiftung, zog für die SP in die Nationalversammlung ein. 4/5

5 Lars-André Richter leitet das Korea-Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Seoul. Lim Sung-eun ist Programmassistentin für Südkorea. Dr. Lars-André Richter Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Tel.: Quell-URL: 5/5