Soziale Akzeptanz der Energiewende aus Perspektive der sozialkonstruktivistischen Landschaftsforschung
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- Hilke Sauer
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1 Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne Stadt- und Regionalentwicklung Soziale Akzeptanz der Energiewende aus Perspektive der sozialkonstruktivistischen Landschaftsforschung Bürgerdialog Stromnetz
2 Gliederung Einleitung Die Vielfalt des Begriffs Landschaft Deutungen und Bewertungen von Windkraft Die soziale Akzeptanz der Energiewende Bürgerinitiativen und die Kommunikation von Experten Fazit 2
3 3
4 Die Vielfalt des Begriffs Landschaft 4
5 Ebenen des gesellschaftlichen Landschaftsbezugs 1. die gesellschaftliche Ebene, 2. die individuelle Ebene, 3. die Ebene der individuellen und sozialen Zuschreibung, 4. die Ebene des physische Raumes. Kühne, O. (2008): Distinktion Macht Landschaft. Zur sozialen Definition von Landschaft. Wiesbaden. 5 5 Kusel
6 Der semantische Hof (Hard 1969) von Landschaft (Kühne 2013) Hard, G. (1969): Das Wort Landschaft und sein semantischer Hof. Zur Methode und Ergebnis eines linguistischen Tests. Wirkendes Wort 19, Kühne, O. (2013): Landschaftstheorie und Landschaftspraxis. Eine Einführung aus sozialkonstruktivistischer Perspektive. Wiesbaden. 6
7 Die drei Dimensionen des Landschaftsbewusstseins in ihrer Funktion als Deutungssysteme für die private und öffentliche Kommunikation (graphisch verändert nach: Ipsen 2006) Ipsen, D. (2006): Ort und Landschaft. Wiesbaden. 7
8 Nach: Weber, M. (2008): Alltagsbilder des Klimawandels. Zum Klimabewusstsein in Deutschland. Wiesbaden. Kühne, O. (2013): Landschaftstheorie und Landschaftspraxis. Eine sozialkonstruktivistische Einführung. Wiesbaden. 8
9 Die primäre Landschaftssozialisation gliedert sich in a) die heimatliche Normallandschaft b) die stereotype Landschaft Die heimatliche Normallandschaft muss nicht (stereotyp) schön, sondern vertraut sein. Die Veränderung heimatlicher Normallandschaft wird vielfach als Heimatverlust rekonstruiert. Aber: Heimatliche Normallandschaft unterliegt einem intergenerationellen Wandel. Kühne, O. / Spellerberg, A. (2010): Heimat und Heimatbewusstsein in Zeiten erhöhter Flexibilitätsanforderungen. Empirische Studien im Saarland. Wiesbaden. Quelle unteres Bild: 9
10 Paradigmen des Umgangs mit Landschaft 1. Wiederherstellung von physischer (Kultur)Landschaft 2. Sukzessionistische Entwicklung von physischer Landschaft 3. Reflexive Gestaltung physischer Landschaft 4. Umdeutungen gesellschaftlicher Landschaftsvorstellungen Kühne, O. (2008): Distinktion Macht Landschaft. Zur sozialen Definition von Landschaft. Wiesbaden. 10
11 75% 70% 65% 60% 55% 50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 69,7% 67,4% 65,1% 57,1% 57,1% 47,5% 43,6% 38,0% 38,8% 29,5% 29,5% 25,8% 25,8% 21,4% 20,9% 19,2% 18,3% 18,4% 16,9% 16,3% 13,4% 14,4% 14,3% 13,5% 14,3% 11,5% 10,6% 9,3% 7,1% 7,1% 6,0% 6,1% 4,3% 4,7% 2,9% 2,3% 2,8% 0,0% 0,9% 0,0% hässlich natürlich traditionell modern interessant romantisch schön ordentlich unter bis bis bis 65 über 65 "Wie würden Sie den oben dargestellten Wald charakterisieren? Anteile der Antworthäufigkeiten auf diese geschlossene Frage in Bezug auf eine Abbildung, die einen Park im Stile eines Englischen Gartens darstellt, bis zu drei Antworten waren möglich, Auswertung nach Alterskohorten, n = Kühne, O. (2014): Die intergenerationell differenzierte Konstruktion von Landschaft. In: Naturschutz und Landschaftsplanung 46, H. 10,
12 Deutungen und Bewertungen von Windkraft 12
13 Die zur Beurteilung von Landschaft vorgelegten Fotos einer Gaulandschaft (a), einer Industrielandschaft (b), einer Waldlandschaft (c) und einer Offenlandschaft mit Windkraftanlagen (d). 13
14 60,0 50,0 40,0 50,1 39,1 35,5 30,0 20,0 26,2 18,0 13,6 Anteil 2004 Anteil ,0 0,0 3,12,0 2,0 0,00,7 2,0 3,34,3 1,80,7 Antwort auf die Frage: Wie würden Sie die links abgebildete Landschaft (Altindustrieanlagen) am ehesten charakterisieren?, Befragung im Saarland (n = 457 bzw. n = 447) 14
15 30,0 27,6 25,0 22,4 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 4,6 3,6 0,71,1 18,2 18,2 8,3 7,3 0,20,0 19,1 12,8 0,0 0,0 3,1 9,7 12,7 16,0 11,4 4,3 Anteil 2004 Anteil 2016 Antwort auf die Frage: Welches Gefühl haben Sie am ehesten, wenn Sie das Bild links betrachten?, Befragung im Saarland (n = 454 bzw. n = 493) 15
16 45,0 40,0 35,0 41,6 39,8 35,7 33,4 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 0,40,9 7,08,1 0,2 1,6 9,9 6,5 5,9 4,3 2,9 1,1 Anteil 2004 Anteil 2016 Antwort auf die Frage: Wie würden Sie die links abgebildete Landschaft (Landwirtschaftsflächen und Windkraftanlagen) am ehesten charakterisieren?, Befragung im Saarland (n = 457 bzw. n = 447) 16
17 35,0 30,0 25,0 32,3 24,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 3,7 7,6 2,41,6 10,8 7,7 4,23,8 17,1 14,4 0,0 0,0 4,0 4,8 3,1 10,8 14,2 11,0 12,3 7,9 Anteil 2004 Anteil 2016 Antwort auf die Frage: Welches Gefühl haben Sie am ehesten, wenn Sie das Bild links betrachten?, Befragung im Saarland (n = 454 bzw. n = 493) 17
18 Frage: Würden Sie es bedauern, wenn die abgebildete Landschaft ihren Charakter ändern würde? Erhebungsjahre 2004 ( n = 455) und 2016 (n = 436) Angaben in Prozent. Die hellgraue Flächenfärbung bezeichnet einen signifikanten, die dunkelgraue einen hochsignifikanten Unterschied zwischen den dargestellten Werten Erhebungsjahr ja nein weiß nicht Summe Gau ,6 11,2 6,1 99, ,6 11,1 3,4 100,0 Industrie ,4 57,1 11,4 100, ,8 45,4 10,8 100,0 Wald ,8 4,6 6,6 100, ,2 5,9 4,9 100,0 Windkraft ,0 61,5 20,4 100, ,1 66,4 11,4 100,0 18
19 Strukturraumzugehörigkeit der Wohnsitze der Befragten 2016 in Bezug auf Offenlandschaft mit Windkraftanlagen Charakterisierung "modern" Charakterisierung "hässlich" 39,7% 42,7% 40,1% 33,1% 32,9% 37,8% Ländlicher Raum Gefühl "Gleichgültigkeit" 21,5% 24,4% 25,7% Randzone Kernzone Nie mit dem Ausblick leben 46,3% 53,7% 58,6% Bedauern einer Veränderung 29,9% 21,8% 18,6% Keinen Beitrag zum Erhalt leisten 54,5% 47,6% 57,7% 0% 20% 40% 60% 80% 19
20 Geschlecht der Befragten 2016 in Bezug auf Offenlandschaft mit Windkraftanlagen Charakterisierung "modern" Charakterisierung "hässlich" 48,9% 36,9% 26,0% 38,6% Gefühl "Gleichgültigkeit" Nie mit dem Ausblick leben 23,7% 24,5% 51,9% 54,2% weiblich männlich Bedauern einer Veränderung 24,0% 21,4% Keinen Beitrag zum Erhalt leisten 52,7% 55,2% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 20
21 Die soziale Akzeptanz der Energiewende Bürgerinitiativen und die Kommunikation von Experten 21
22 Naturschutz Landschaft und Heimat Gesundheit ökonomische Gründe 69% 86% 83% 91% Zentrale Argumente von Bürgerinitiativen gegen den Windkraftausbau (n = 270 ). 0% 20% 40% 60% 80% 100% Landschaft und Heimat Gesundheit Naturschutz ökonomische Gründe 53% 58% 82% 86% Zentrale Argumente von Bürgerinitiativen gegen den Stromnetzausbau (n = 90 ). 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% Weber, F.; Jenal, C.; Kühne, O. (2016): Der Stromnetzausbau als konfliktträchtiges Terrain. In: UMID - Umwelt und Mensch Informationsdienst (1/März), S Weber, F.; Roßmeier, A.; Jenal, C.; Kühne, O. (2017): Landschaftswandel als Konflikt. Ein Vergleich von Argumentationsmustern beim Windkraft- und beim Stromnetzausbau aus diskurstheoretischer Perspektive. In Kühne, O.; Megerle, H.; Weber, F. (Hrsg.): Landschaftsästhetik und Landschaftswandel. Wiesbaden, im Satz. 22
23 Verteilung von Bürgerinitiativen mit aktueller Internetpräsenz gegen Windkraft in Baden- Württemberg: Stand
24 Verteilung von Bürgerinitiativen mit aktueller Internetpräsenz gegen Windkraft in Deutschland: Stand (links), Stand (rechts) Kühne, O. et al (2016): Landschaftsbild und Energiewende diskursive Muster und räumliche Verteilungen. Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN; unveröffentlichtes Manuskript). 24
25 Bürgerinitiativen und Windkraft (Stand ) Quelle: Eigene Erhebung und Darstellung. 25
26 Leitungsvorhaben und Bürgerinitiativen (Breite, leicht mattierte Linien zeigen die Vorhaben aus dem Bundesbedarfsplangesetz, dünne Linien die aus dem Energieleitungsausbaugesetz; die Punkte repräsentieren die Sitze von Bürgerinitiativen) Weber, F.; Jenal, C.; Kühne, O. (2016): Der Stromnetzausbau als konfliktträchtiges Terrain. In: UMID - Umwelt und Mensch Informationsdienst (1/März), S
27 Hochfrequente Worte im Zwischenbericht zum Dialogverfahren zur 380kV- Westküstenleitung. Grafik auf Grundlage von DUH 2013 als Textdatei, erstellt mit 27
28 Technische Umsetzung Räumliche Planung Wirtschaft Öffentlichkeitsbeteiligung/Akzeptanz Politik Versorgungssicherheit Energiewende Differenz Produktion-Verbrauch 43,6 43,6 41,8 41,8 30,9 60,0 58,2 87,3 Behandelte Themen der untersuchten Internetvideos zum Netzausbau (in den Videos werden in der Regel mehrere Themen behandelt; Angaben in Prozent (n = 55)) Ästhetik 30,9 Kulturlandschaft EEG Naturschutz Europäische Netzintegration Gesundheit Klimawandel 20,0 16,4 12,7 10,9 9,1 7,3 0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 Kühne, O./Weber, F. (2015): Der Energienetzausbau in Internetvideos eine quantitativ ausgerichtete diskurstheoretisch orientierte Analyse. In: Kost, S./Schönwald, A. (Hg.): Landschaftswandel Wandel von Machtstrukturen. Wiesbaden,
29 Konfliktbaum: Netzausbau Weber, F. et al. (2016): Analyse des öffentlichen Diskurses zu gesundheitlichen Auswirkungen von Hochspannungsleitungen Handlungsempfehlungen für die strahlenschutzbezogene Kommunikation beim Stromnetzausbau. Ressortforschungsberichte zur kerntechnischen Sicherheit und zum Strahlenschutz. Salzgitter. Online: urn:nbn:de: /3/bfs_2016_3614s pdf (zuletzt geprüft am ). 29
30 Aspekte des Widerstandes gegen Landschaftsveränderungen Ausdruck der Legitimations- und Partizipationskrise der Politik Ausdruck einer zunehmenden Technikskepsis bezogen auf den Erhalt der heimatlichen Normallandschaft Träger der Protestes: - reich an Vermögen, Bildung, sozialem Kapital; - zumeist älter, beruflich nicht erfolglos; - männlichen Geschlechts; - häufig erfahren in zivilgesellschaftlichem bzw. politischem Engagement und protesterfahren, - häufig mit natur- bzw. ingenieurwissenschaftlichem akademischen Grad oder Lehrer - Protest erzeugt neuen Lebenssinn und neues Sozialkapital Protest ist Machtkommunikation unter Nutzung von Wissenschaft als Medium Steigerung der Komplexität von Kommunikation Regionale und lokale Spezifizierung von Raumkonflikten Kühne, O. et al. (2015): Analyse des öffentlichen Diskurses zu gesundheitlichen Auswirkungen von Hochspannungsleitungen Handlungsempfehlungen für die strahlenschutzbezogene Kommunikation beim Stromnetzausbau. Arbeitsbericht zum ersten Arbeitspaket. Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz. Freising. Renn, O. (2005): Technikakzeptanz: Lehren und Rückschlüsse der Akzeptanzforschung für die Bewältigung des technischen Wandels In: Technikfolgenabschätzung Theorie und Praxis 14, Walter, F. et al. (2013): Die neue Macht der Bürger. Was motiviert die Protestbewegungen? Reinbek bei Hamburg. 30
31 Fazit 31
32 Fazit Landschaft ist kein Gegenstand, sondern eine individuelle bzw. soziale Konstruktion. Die Konstruktion von Landschaft vollzieht sich in einem rückgekoppelten Prozess insbesondere zwischen Forschung, Politik, Medien und Bevölkerung. Basis dieses Konstruktionsprozesses sind soziale (Milieu) und kulturelle Bezüge. Insbesondere kognitive und ästhetische/emotionale Bezüge bilden häufig einen Widerspruch in Bezug auf Veränderungen der physischen Grundlagen von Landschaft. Heimatliche Normallandschaft als Symbol für Dauerhaftigkeit, Pol der Ruhe bei gleichzeitig intergenerationeller Veränderlichkeit der Zuschreibungen. Große regionale Unterschiede. 32
33 Die Geschichte ist im großen und ganzen nicht sehr freundlich mit denen, die die Notwendigkeit des Wandels erkennen (Dahrendorf 1987: 108) Values are as unstable as the forms of clouds (Dewey 1958: 399). Dahrendorf, R. (1987): Fragmente eines neuen Liberalismus. Stuttgart. Dewey, J. (1958): Experience and nature. New York. 33
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