Gender Mainstreaming im ESF Zwischenbilanz und europäische Perspektiven, Berlin
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- Hinrich Raske
- vor 6 Jahren
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1 Gender Mainstreaming im ESF Zwischenbilanz und europäische Perspektiven, Berlin Umsetzung der EU-Beschäftigungsstrategie in Deutschland: Effekte auf die Geschlechterstrukturen des Arbeitsmarkts Prof. Dr. Sigrid Betzelt HWR Berlin Berlin, Fußzeile 1
2 Agenda Umsetzung der EU-Beschäftigungsstrategie in Deutschland: Effekte auf die Geschlechterstrukturen des Arbeitsmarkts 1. Einleitung: EU-Beschäftigungsstrategie 2. Umsetzung in Deutschland: 2.1 Regulierung des Arbeitsmarktes und Effekte 2.2 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik und Effekte 3. Fazit 2
3 1. EU-Beschäftigungsstrategie Rückblick: Lissabon 2000: Frauen-Beschäftigungsquote auf mindestens 60% bis 2010 Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung : Arbeitsuchende und benachteiligte Menschen besser in Arbeitsmarkt integrieren Arbeitsmarkterfordernissen besser gerecht werden Flexicurity (Flexibilität u. Beschäftigungssicherheit) Segmentierung der Arbeitsmärkte verringern Aktivierende Arbeitsmarktpolitik als ein Handlungsfeld des Nationalen Strategischen Rahmenplans (NRP) 3
4 1. EU-Beschäftigungsstrategie Leitbild: Adult Worker Model (Zweiverdienermodell) Frauen / Mütter als explizite Zielgruppe von Aktivierung mehr soziale Teilhabe für Frauen am Arbeitsmarkt? Aktivierungsstrategie findet jeweils in verschiedenen nationalen Kontexten statt: Arbeitsmarkt, Wohlfahrtsstaat, soziale Praxis der Menschen (Erwerbsmuster Frauen/Männer, Geschlechterarrangements) Aktivierung national unterschiedlich umgesetzt: workfare enabling Effekte auf Arbeitsmarktsegmentierung? 4
5 2. Umsetzung in Deutschland 2.1 Regulierung des Arbeitsmarkts Deregulierung und Ausbau Niedriglohnsektor als erklärtes Ziel der Agenda 2010 Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor dem World Economic Forum in Davos am
6 Ausbau atypischer Beschäftigung Quelle: Statist. Bundesamt 2008; Mikrozensus; Summe niedriger als Einzelwerte wegen mehrfacher Beschäftigung in atypischen Formen; Teilzeitarbeit zählt nur < 20 Std. als atypisch; Mini-Jobs sind marginal employees 6
7 Ausbau atypischer Beschäftigung SOEP-Daten: inkl. Teilzeit >20h: 37% aller Beschäftigten atypisch (+12 PP seit 1997) Mini-Jobs verdoppelt Zeitarbeit verdreifacht Befristete +46% Quelle: Statist. Bundesamt 2008; Mikrozensus; Summe niedriger als Einzelwerte wegen mehrfacher Beschäftigung in atypischen Formen; Teilzeitarbeit zählt nur < 20 Std. als atypisch; Mini-Jobs sind marginal employees 7
8 atypisch = weiterhin Frauenarbeit, Männer holen auf Graph 2: Gender distribution of atypical employment employees in % year men: part-time employees < 20hrs men: marginal employees men: fixed-term employees men: temporary work agency employees women: part-time employees < 20hrs women: marginal employees women: fixed-term employees women: temporary work agency employees Quelle: Statist. Bundesamt 2008; Mikrozensus; Summe niedriger als Einzelwerte wegen mehrfacher Beschäftigung in atypischen Formen; Teilzeitarbeit zählt nur < 20 Std. als atypisch; Mini-Jobs sind marginal employees 8
9 atypisch = weiterhin Frauenarbeit, Männer holen auf Graph 2: Gender distribution of atypical employment employees in % MZ: 38,4% Frauen atypisch, Männer 14% SOEP: 57% Frauen, 17% Männer (2007) Männeranteil hat sich verdoppelt seit 1997 Jüngere, MigrantInnen, gering Qualifizierte überproportional atypisch beschäftigt Arbeitszeitvolumen nimmt ab, Frauen immer kürzere AZ, Anteil unfreiwilliger TZ nimmt zu weniger Verdienst und soziale Absicherung year men: part-time employees < 20hrs men: marginal employees men: fixed-term employees men: temporary work agency employees women: part-time employees < 20hrs women: marginal employees women: fixed-term employees women: temporary work agency employees Quelle: Statist. Bundesamt 2008; Mikrozensus; Summe niedriger als Einzelwerte wegen mehrfacher Beschäftigung in atypischen Formen; Teilzeitarbeit zählt nur < 20 Std. als atypisch; Mini-Jobs sind marginal employees 9
10 Enormer Zuwachs an Niedriglohnbeschäftigung Bundesgebiet 1995 und 2006 in % Niedriglohnanteil in Kategorie Änderung Niedriglohnbeschäftigung Änderung Gesamtbeschäftigung Vollzeit 11,0 14,3 +12,6% -13,5% Teilzeit 22,2 23,4 +24,5% +18,0% Minijobs 86,0 91,7 +181,2% +163,8% Gesamt 15,0 22,2 +43,3% -3,1% Quelle: Kalina/Weinkopf, IAQ-Report ; SOEP Rund 6,5 Mio. Beschäftigte arbeiten zum Niedriglohn, d.h. weniger als zwei Drittel des Medianlohns: West 9,61, Ost 6,81 brutto pro Std. (2006) 10
11 Niedriglohnbeschäftigung: weiblich Über zwei Drittel der Niedriglohnbeschäftigten sind Frauen (69%), nicht nur in Teilzeit: Niedriglohnanteile nach Geschlecht und Arbeitszeit, in Prozent (2004) Männer Frauen Vollzeit 10,8 21,8 Teilzeit 15,6 21,9 Mini-Jobs 87,4 85,5 Gesamt 12,6 29,6 Quelle: SOEP 2004, Kalina/Weinkopf, IAT-Report
12 Niedriglohnbeschäftigung: weiblich Niedriglohnsektor kein Sprungbrett, vor allem nicht für Frauen! Quelle: IAB-KB 8/
13 2.1 Fazit zu Arbeitsmarkt-Regulierung: Geschlechterungleichheiten bleiben bestehen bzw. vergrößern sich teilweise Insgesamt Abwärtsspirale nach unten Abhängigkeit von (staatlichen) Transfers nimmt zu: - nur 70% der atypisch Beschäftigten (ohne geringe TZ!) können von ihrer Arbeit leben (geg. 99% regulär Beschäftigter) - 18,1% benötigen Unterstützung Familienangehöriger - 7,3% brauchen Arbeitslosengeld II - Die Hälfte aller ALG II-Beziehenden ist erwerbstätig ( Aufstocker ) 13
14 2.2 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Allgemeines Profil: eher workfare statt enabling Primat schnelle Vermittlung statt Qualifizierung, betriebswirtschaftliche Effizienzlogik der Kundensegmentierung verschärfte Zumutbarkeit seit Hartz I Ausgaben für Qualifizierungsmaßnahmen zwischen halbiert, seither weiter rückläufig Arbeitsförderung nur noch Ermessensleistung Kurzzeitmaßnahmen (AGH) überwiegen 14
15 Entwicklung der aktiven Arbeitsmarktpolitik (TeilnehmerInnen Jahresdurchschnittsbestände) % Sonstiges Förderung der Selbständigkeit 80% Förderung abhängiger Beschäftigung (EGZ, PSA etc.) Trainingsmaßnahmen 60% Beschäftigung schaffende Maßnahmen (ABM, AGH etc.) Unterstützung der Arbeitsuche durch Dritte 40% 20% Berufliche Bildung 0% Quelle: Oschmiansky/Ebach
16 2.2 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Folgen von Hartz IV für Frauen bzgl. Arbeitsförderung: Leistungskürzungen bei Nachteilsausgleich familienbedingter Erwerbsunterbrechungen Formaler Zugang aller Arbeitslosen zu Arbeitsförderung nach SGB III und SGB II Befunde der SGB II-Evaluationsforschung: Faktischer Ausschluss bestimmter Gruppen von Frauen: - Frauen, die wegen verschärfter Anrechnung Partnereinkommen keinen ALG-II-Anspruch haben (Nichtleistungsbeziehende) dazu später mehr - Mütter von Kleinkindern (< 3 J.) wegen Ausnahme von Zumutbarkeit 16
17 2.2 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Benachteiligte Gruppen wie gering qualifizierte, arbeitsmarktferne Frauen am wenigsten gefördert Alleinerziehende unterdurchschnittlich gefördert, bleiben am längsten im Leistungsbezug Frauen besonders bei arbeitsmarktnahen Leistungen stark unterdurchschnittlich gefördert Frauen-Zielförderquote seit Jahren (im Westen) verfehlt, mit steigender Tendenz 17
18 2.2 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik (Welche) Integration in den Arbeitsmarkt durch Aktivierung? Vermittlung von Frauen überwiegend in Mini-Jobs oder Übergang in Nichterwerbstätigkeit Männer überwiegend in Leiharbeit, Vollzeit Arbeitsmarktstrukturen werden eher verstärkt als ausgeglichen Gründe für f r Geschlechterungleichheiten: Spiegelung und Verstärkung von Arbeitsmarktsegregation und von Erwerbsmustern in Paar-Haushalten Geschlechtsrollenstereotype Beratungs- / Vermittlungspraxis Ungenügende institutionelle und personelle Umsetzung des Gleichstellungsziels Fehlende Kinderbetreuung widersprüchliche Leitbilder im Gesetz: Ernährermodell Adult Worker Prämisse auf schnelle Arbeitsmarkt-Integration und Senkung passiver Leistungen verhindert Zielgruppenförderung 18
19 2.2 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Zusammenhang mit Zugang zu Arbeitslosengeld I + II: Frauen besonders benachteiligt: Hürden für ALG I aufgrund Arbeitsmarkt u. Erwerbsmuster Hürden für ALG II aufgrund verschärfter Anrechnung von Partnereinkommen Arbeitslose ohne Leistungsbezug zu 60% Frauen gleiche Mitwirkungspflichten ; seit 2009 Sanktion dreimonatige Vermittlungssperre keine Leistungsansprüche auf aktive Leistungen keine soziale Absicherung gegen Krankheit (!) u. Alter 19
20 2.2 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Nichtleistungsbeziehende (NLB): 2008: insg , Frauen (60%) 40% aller SGB III-Arbeitslosen; Ost: 49%, West: 36% Frauenanteil an NLB: Ost 65%, West 55% Eigene Studie: (Auswertung BA-Statistiken, eigene SOEP-Analyse) Seit 2005 Halbierung der Anzahl von NLB Entwicklung NLB JD 2004 JD 2005 JD 2006 JD 2007 JD 2008 insgesamt Frauen Männer 20
21 2.2 Aktivierende Arbeitsmarktpolitik Eigene Studie: Seit 2005 Halbierung der Anzahl von NLB Rückgang bes. bei Frauen mittleren Alters in Westdtl. Rückzug vieler Frauen in Stille Reserve bzw. aus der registrierten Arbeitslosigkeit? starke Erwerbsorientung und rel. große Arbeitsmarktnähe, trotzdem gelingt bei 2/3 dauerhaft keine Erwerbsintegration Förderbedarf, aber faktisch wenig Förderung 21
22 3. Fazit zu Gender-Effekten deutscher Aktivierungspolitik: Stabile Beharrungstendenzen bekannter Ungleichheiten, bei widersprüchlichen Leitbildern von Aktivierung (Ernährer Adult Worker) Arbeitsmarktstrukturen: Eher Angleichung nach unten für Männer als Verbesserung für Frauen Ent-Individualisierung sozialer Absicherung, Förderung vom Haushaltstyp und Erwerbsstatus des Partners abhängig! Frauen sind nicht die Gewinnerinnen am AM 22
23 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Zum Weiterlesen: U. Rust/ S. Betzelt u.a., 2010: Individualisierung von Leistungen nach SGB II unter Berücksichtigung der familialen Unterhaltsverpflichtungen. Baden-Baden: Nomos (erscheint Herbst 2010). S. Betzelt; T. Schmidt (2010): Die Fallstricke der Bedarfsgemeinschaft : Arbeitslose ohne Leistungsbezug. In: K. Jaehrling; C. Rudolph (Hrsg.): Grundsicherung und Geschlecht. Gleichstellungspolitische Befunde zu den Wirkungen von Hartz IV. Münster: Westfälisches Dampfboot (erscheint Herbst 2010) S. Betzelt (2010): Zwischen Re-Familialisierung und Re-Kommodifizierung: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende und ihre Wirkungen im Haushaltskontext. In: H.-G. Soeffner (Hrsg.): Unsichere Zeiten. Herausforderungen gesellschaftlicher Transformationen. Verhandlungen zum 34. Soziologiekongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Jena. Wiesbaden: VS Verlag (im Erscheinen). S. Betzelt; J. Lange; U. Rust, Hrsg. (2009): Wer wird aktiviert und warum (nicht)? Erste Erkenntnisse der gleichstellungspolitischen Ziele des SGB II. Loccumer Protokolle 79/08, Rehburg- Loccum: Evangelische Akademie. S. Betzelt (2008): Universelle Erwerbsbürgerschaft und Geschlechter(un)gleichheit - Einblicke in das deutsche Aktivierungsregime unter "Hartz IV", Zeitschrift für Sozialreform, 54 (3):
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