VERSICHERUNG ODER FÜRSORGE DIE WEICHENSTELLUNG IN DER ALTERSSICHERUNGSPOLITIK
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- Helmut Kappel
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1 VERSICHERUNG ODER FÜRSORGE DIE WEICHENSTELLUNG IN DER ALTERSSICHERUNGSPOLITIK Prof. Dr. Gerhard Bäcker Universität Duisburg-Essen Institut Arbeit und Qualifikation Arbeitnehmerkammer Bremen Perspektiven der Rente" am 27. August 2013 in Bremen
2 1. Einführung Die Rente ist sicher Norbert Blüm Aber: In welcher Höhe? Welches Leistungsziel? Armutsvermeidung Aktuelle Debatte: Orientierung auf das Ziel der Vermeidung von Altersarmut Weitgehend unbeachtet: Das Ziel Lebensstandardsicherung bzw. Verstetigung des Lebenseinkommens
3 2. Armutsvermeidung aber wie? 2.1 Ausgangslage Risiko zukünftig steigender Altersarmut als Folge einer Zangenwirkung von a) der Negativentwicklung auf dem Arbeitsmarkt b) der Leistungsabsenkungen in der GRV Keine Kompensation durch ergänzende private oder betriebliche Vorsorge Indikatoren für Altersarmut: Unterschreiten der Grundsicherungsschwelle (kein exaktes Maß!) Unterschreiten der Schwelle von 60 % des Durchschnittseinkommens Einkommensarmut: immer gemessen am pro-kopf- Haushaltseinkommen (Nettoäquivalenzeinkommen)
4 2.2 Lösungsvorschläge Verbesserung der Rahmenbedingungen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt mit langfristiger Wirkung Reformen der/in der Rentenversicherung - Ausbau des Solidarausgleichs (Rente nach Mindesteinkommen, Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Kindererziehungs- und Pflegezeiten - Einführung einer Mindest-, Solidar-, Garantie-, Lebensleistungsrente oder Aufwertung der Grundsicherung im Alter (Freibeträge)
5 2.3 Viele Modelle: Unterschiede Leistungsvoraussetzungen (Mindestzahl an Versicherungs- und Beitragsjahren) Leistungshöhe (Absolutbetrag, brutto/netto, Dynamik, Entgeltpunkte) Einkommensanrechnung (Einkommensarten, Freibeträge, Partnereinkommen, Vermögen) Regelungsebene und Finanzierung (innerhalb oder außerhalb der GRV, Steuer- oder Beitragsfinanziert
6 und Gemeinsamkeiten Abweichung vom Prinzip der lohn- und beitragsbezogenen Rente/Teilhabeäquivalenz Einkommensanrechnung statt unabdingbarer Versicherungsleistung (Unbeabsichtigte?) Förderung/Besserstellung von traditionellen Geschlechterrollen und Erwerbsverläufen von Frauen (Teilzeit, Minijobs, lange Erwerbsunter-brechungen und n Geringschätzung/Zurückstellung des Ziels Lebensstandardsicherung Ausklammerung der Reform Wiederanhebung des Rentenniveaus
7 Rückwirkungen auf die Rentenversicherung Je großzügiger die Leistungsvoraussetzungen und Einkommensanrechnungen desto weniger sind die vorgelagerten Reformen auf dem Arbeitsmarkt und der Ausbau des Solidarausgleichs in der GRV erforderlich größer der Empfängerkreits und mehr leistungsäquivalente Renten werden erfasst/aufgestockt weniger lohnt sich die Beitragszahlung überhaupt mehr verliert die GRV an Akzeptanz aufwändiger wird die Finanzierung größer wird der Druck auf die Finanzierung der GRV (Beitragsfinanzierung der Mindestrente, Reduzierung der Bundeszuschüsse, weitere Absenkung des Rentenniveaus) Ist das gewollt? Zurück in die Vergangenheit?
8 3. Lebensstandardsicherung und Rentenniveau 3.1 Entwicklungsgeschichte der Rentenversicherung Rente zunächst als Zuschuss, Übergang zur dynamischen Rente mit weitergehender Zielsetzung Lebensstandardsicherung Grundprinzip des modernen Sozialstaats: Verstetigung des Einkommensverlaufs im Leben kein Einkommensabsturz beim Altersübergang Berechen- und Planbarkeit des Lebens Eigentumsrechtlich geschützter Rentenanspruch
9 3.2 Lebensstandardsicherung Was heißt Lebensstandardsicherung? abhängig von der Versicherungsdauer abhängig von der lebensdurchschnittlichen Entgeltposition abhängig von der Höhe des aktuellen Rentenwerts Eine Versicherungsrente, die sich am Prinzip der Teilhabeäquivalenz orientiert, kann (und soll!) niedrige Renten nicht vermeiden Lebensstandardsicherung: Bezogen auf das Lebenseinkommen, nicht das letzte Einkommen Nie ein voller Einkommensersatz, immer eine Lücke Betriebliche und private Altersvorsorge schon immer eine Ergänzung
10 3.3 Paradigmenwechsel in der Rentenversicherung/Alterssicherungpolitik Einschränkung des Ziels Lebensstandardsicherung durch die GRV nur noch gemeinsam mit betrieblicher und privater Altersvorsorge betriebliche und private Altersvorsorge als Ersatz und nicht mehr nur Ergänzung Beitragsziel statt Leistungsziel, Absenkung des Rentenniveaus Realisiert durch mehrfache Modifikationen der Rentenanpassungsformel Riester-Faktor Nachhaltigkeitsfaktor
11 Grundlegende Philosophie: Flächendeckende Auffüllung der Lücken der GRV durch staatliche Förderung Entlastung der Arbeitgeber Teilhabe an der Expansion der Finanzmärkte, hohe Renditen Aber: Trotz Förderung nur begrenzte Inanspruchnahme der privaten und betrieblichen Vorsorge Riester-Verträge: knapp die Hälfte der Berechtigten, Rückgang der Verträge unbekannt: Bedienung der Verträge bis zum Renteneintritt??? unbekannt: Welche Verträge, in welcher Höhe??? unbekannt: Welche Dynamisierung unbekannt: Höhe de rrenditen, Risiken durch hohe Abschlussund Verwaltungskosten, sinkender Garantiezins,
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13 3.4 Folgewirkungen des sinkenden Rentenniveaus Bei absinkendem Rentenniveau bis auf 43 %: Trotz jahrzehntelanger Beitragszahlung nur eine Rente auf Grundsicherungsniveau Bei Entgeltniveau von 100 %: 32,5 Jahre, bei 70 %: 46,5 Jahre Entwertung der Leistungen des Solidarausgleichs (Kindererziehung, Pflegezeiten, Rente nach Mindesteinkommen) Auch Mindestlohn von selbst 10 Euro wirkungslos Akzeptanz- und Legitimationskrise der GRV
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16 4. Weichenstellungen in der Alterssicherung Plädoyer für die Beibehaltung einer lohn- und leistungsbezogenen Alterssicherung mit zwei Zielen: - Armutsfestigkeit - Lebensstandardsicherung notwendig sind Maßnahmen, die an mehreren Ebenen ansetzen
17 Priorität: Stärkung der Rentenversicherung Mindestziel: Sicherung des Rentenniveaus Ausbau des Solidarausgleichs (vor allem: Entfristung der Rente nach Mindesteinkommen, ausreichende Absicherung von SGBII Leistungsempfängern, höhere Zurechnungszeiten und Begrenzung der Abschläge bei EM-Renten) Einstieg in die Erwerbstätigenversicherung
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