Peer Pasternack. GM und QM: wechselseitige Irritationen Arbeitsgruppenbericht. 1. Exzellenz & Durchschnittlichkeit
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- Reiner Kruse
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1 Peer Pasternack GM und QM: wechselseitige Irritationen Arbeitsgruppenbericht In der Wissenschaft geht es typischerweise nicht um Gender, sondern um Qualität so sagt man. Die Rede ist von den besten Köpfen, von Eliten und Exzellenz. Diese sollen nun zudem systematisch erzeugt werden durch Qualitätsmanagement. Kann es dabei dennoch um Gender gehen? Damit befasste sich die Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming im Kontext von Qualitätsmanagement. Beginnen wir also bei der Exzellenz (Punkt 1) und gelangen von dieser Erörterung, wie sich zeigen wird, zwanglos zum Qualitätsmanagement (Punkt 2). 1. Exzellenz & Durchschnittlichkeit Ob Metropolen oder Provinz, ob Köln, Berlin, Nordostfriesland oder Nürtingen: Überall heißt es, wir wollen nur die besten Köpfe, bei uns entstehen die Eliten von morgen, und Exzellenz ist bei uns kein Schlagwort, sondern Realität. Noch die abgeschiedenste Fachhochschule behauptet, dass man auch dort nur die besten Studierenden und die klügsten Lehrenden haben wolle: eine wagemutige Behauptung, die, ernst genommen, zur sofortigen Schließung dutzender Hochschulen wegen Ausbleibens der Besten führen müsste. Denn der aufgeklärte Zeitgenosse weiß: Exzellenz gründet auf Durchschnittlichkeit, und jene wird erst vor dieser erkennbar. Andererseits lässt sich die Parole Wir wollen die Besten kaum umkehren. Das Gegenteil zu behaupten Wir wollen nicht die Besten ist schlecht möglich, ohne in ein schiefes Licht zu geraten. (Gleichwohl verdankt sich manche Stufung im Bildungssystem der faktischen Wirksamkeit genau dieses Satzes). Selbst der realitätsnähere Satz Wir nehmen auch die anderen ist als Parole schlecht verwendbar. Woran liegt s? Weil es eine Parole ist. Parolen verdichten nicht Argumente, sondern Ideologeme. Wir halten fest: Es ist eine merkwürdige Situation, wenn ausnahmslos alle Hochschulen davon ausgehen, erstens exzellent zu sein und zweitens exzellent zu bleiben. In der Regel stimmen beide dieser Voraussetzungen der Debatte nicht bzw. nicht vollständig. Keineswegs alle Hochschulen sind exzellent. Die tatsächlich exzellenten Hochschulen wiederum sind es nicht in jeder Hinsicht nicht zwingend zugleich in der Forschung und in der Lehre, nicht in allen Fachbereichen und Disziplinen und schon gar nicht in der Ausstattung. Und schließlich werden auch nicht sämtliche Hochschulen, die womöglich exzellent sind, dies auf alle Zeiten 150 Arbeitsgruppe 1
2 bleiben denn Exzellenz ist das Außergewöhnliche, das grandios Überdurchschnittliche, das von allem anderen positiv Abweichende. Das erwirbt man nicht, um es fortan zu besitzen, sondern allenfalls um es immer wieder neu zu erwerben. Es gehört zur Wettbewerblichkeit, dass es dabei wechselnde Gewinner und Verlierer gibt. Gleichwohl ist Exzellenz weithin der grundlegende Ansatz, wenn Hochschulen versuchen, für ihre Anliegen Legitimität in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträgern zu gewinnen. Auch wenn der implizite Marketinganteil dabei in Rechnung gestellt, also abgezogen wird, lässt sich das durchaus merkwürdig finden. Denn die Hochschulen vergeben sich derart die Chance, überwiegend erfolgreich zu sein: Wenn alle exzellent sein wollen, müssen die meisten an ihren eigenen Ansprüchen scheitern. Schließlich können ja nicht alle grandios überdurchschnittlich werden und sei es nur deshalb, weil die Feststellung der Überdurchschnittlichkeit den Durchschnitt als Bezugsgröße benötigt. Nun muss daraus kein Plädoyer folgen, sich fortan auf die Durchschnittlichkeit zu fokussieren. Doch für ein Streben nach Solidität auch der Ansprüche soll hier durchaus plädiert werden: Dieses sollte bei einer angemessenen Selbsteinschätzung beginnen, und eine realistische Stärken-Schwächen-Analyse wäre dafür sehr hilfreich. Worauf zielt das normativ? Es erscheint sehr viel angemessener, wenn Hochschulen nicht unablässig und ausschließlich davon sprächen, dass sie exzellent sind und bleiben wollen, und dass man ihnen dafür die exzellenten Ausstattungen bereitstellen müsse. Vielmehr sollten sie zunächst und vor allem sagen: Wir möchten solide Forschung leisten und eine gute Ausbildung unserer Studierenden realisieren; damit schaffen wir eine breite und qualitätsvolle Basis, auf der erst das Herausragende wachsen kann. Abseits der Exzellenzrhetorik tun das ja auch schon sehr viele. Gleichwohl sind die Rahmenbedingungen dafür nicht die besten. Unzulängliche Ressourcenausstattungen stellen eine missliche Voraussetzung für Leistungssteigerungen dar. Um dennoch voranzukommen, erfreuen sich an vielen Hochschulen die Instrumente des Qualitätsmanagements (QM) großer Beliebtheit. 2. Qualitätsmanagement und Gender Mainstreaming Qualitätsmanagement in der Wissenschaft ist, genau genommen, so etwas wie Religionscontrolling mit dem Unterschied, dass ersteres auch so genannt wird, letzteres aus Pietätsgründen aber nicht. Während die Wissenschaft ihre Abläufe inzwischen nach QM-Handbüchern organisiert, liefert die katholische Kirche die Benchmarks für ein sündenfreies Leben nach wie vor in einem Katechismus. Doch das Problem ist ein ähnliches, ob QM-Beauftragte/r oder Glaubenskongregation: Es geht um die Setzung von Standards oder Normen und die Gestaltung von Arbeitsgruppe 1 151
3 Rahmenbedingungen. Qualität selbst lässt sich nicht managen. Es lassen sich lediglich doch immerhin die Bedingungen zum Erreichen von Qualität mehr oder weniger optimal gestalten. Im eigentlichen also handelt es sich bei QM um ein Qualitätsbedingungsmanagement. QM in diesem Sinne ist die zielgerichtete Gestaltung von qualitätsfördernden Organisationskontexten. Das ist es dann auch bei der Religion wieder ganz ähnlich: Um die Qualität der religiösen Dienstleistung, erbracht von einer Kirche als Anbieterin auf dem Sinnfindungsmarkt, zu verbessern, gibt es durchaus vergleichbare Bemühungen wie an den Hochschulen, etwa in Gestalt des Handbuch Führungspraxis Kirche. Entwickeln, Führen, Modernisieren in zukunftsorientierten Gemeinden (Höher/Höher 1999). Gänzlich neu ist im Übrigen an Hochschulen weder Qualitätssicherung noch das, was heute Qualitätsmanagement heißt. Methodenbindung, Forschungskommunikation, fachkulturelle Standards, wissenschaftliche Kritik oder Prüfungsverfahren dienen seit alters her der Qualitätssicherung oder suchen zumindest diesen Eindruck zu erwecken, und ein früher Versuch in Richtung der modernen Techniken findet sich auch bereits 1802 bei Johann Jakob Engel: Einen Rektor mit seiner eingebildeten hohen Würde und den akademischen vergoldeten Zeptern könnte man füglich entbehren. Hingegen müsste ein Aufseher da sein, welcher die neu ankommenden Mitglieder der Anstalt inskribierte, die Verzeichnisse der zu haltenden Vorlesungen sammelte, die Hörsäle an die Kompetenten verteilte, über die Tätigkeiten der besoldeten Lehrer wachte, einreißenden Unordnungen wehrte... (Engel 1802: 15f.) Knallhartes Qualitätsmanagement, wie wir sehen. Neu indessen ist die Idee, dass neben anderen auch Gender eine der Qualitätsdimensionen ist. Dies vorausgesetzt, hat QM auch für die Qualitätsdimension Gender optimale Kontexte zu schaffen. Das freilich ist im QM-Alltag noch keine allgemein geteilte Auffassung. Daran etwas zu ändern, erfordert den Umgang mit einigen Schwierigkeiten. Zunächst sind Qualitätsmanagement und Gender Mainstreaming (GM) zwei Konzepte mit sehr unterschiedlichen Quellen. Qualitätsmanagement kommt aus dem ökonomischen Optimierungsdiskurs. Es zielt auf Effektivitätserhöhung, d.h. die Verbesserung von Zielerreichungsgraden, und Effizienzsteigerung, d.h. die Verbesserung von Input-Output-Relationen. Entstanden ist Qualitätsmanagement im Bereich der industriellen Massenfertigung. Gender Mainstreaming dagegen kommt aus dem Demokratiediskurs einerseits, dem Gerechtigkeitsdiskurs andererseits. Lassen sich trotz dieser unterschiedlichen Herkünfte Verbindung denken? Drei Schnittstellen zwischen Qualitätsmanagement und Gender Mainstreaming fallen auf. Zum ersten kann, wie erwähnt, Gender als eigene Qualitätsdimension aufgefasst und damit selbst zum Gegenstand von Qualitätsmanagement werden. Zweitens kann, umgekehrt, Gender Mainstreaming zum QM-Instrument werden. Das Ziel dessen wäre die Verankerung von Genderkompetenz in Organisationsentwicklungsprozessen, die wiederum kein Selbstzweck ist, sondern Ge- 152 Arbeitsgruppe 1
4 schlechtergerechtigkeit in Hochschule und Forschung, die Einbindung von Gender-Inhalten in Forschung und Lehre und damit allgemeine Qualitätssteigerungen bewirken soll. Zum dritten ähneln sich Qualitätsmanagement und Gender Mainstreaming darin, dass sie auf diejenigen, die sich zwar unbeteiligt fühlen, aber der jeweiligen Sache nicht ausweichen können, enervierend wirken. Letzteres wird besonders dann anschaulich, sobald Qualitätsmanagement und Gender Mainstreaming dem gleichen heute weit verbreiteten Modus der Entscheidungserzeugung unterworfen werden, indem sie beide in die Hände von Beratern fallen. Ein Beispiel aus einem thüringischen Dorf: 550 Seelen zählt das Örtchen Jützenbach, die den Folgerungen des Euro teuren Gutachtens über Gender Mainstreaming in der Dorferneuerung nicht entkommen können. Wo man hinblickt, im Kindergarten, der Kneipe oder bei der Freiwilligen Feuerwehr, geht es um Gender. Um Gender-Check, Gender-Controlling und das Gender-Gap, alles durch und durch diskutiert im Gender-Beirat. Es gehe darum, das Thema Gender von Top Down auf Bottom Up umzustellen, sagt der Autor der Studie, der von Haus aus Ingenieur ist. Der Mann von der Feuerwehr aber glaubt, wenn wir ihn richtig verstanden haben, daß ein gewisser Herr Gender sich die ganze Sache ausgedacht habe, um die man aber nun einmal nicht herumkomme. Was ihn tröstet, ist: Hinter jedem Feuerwehrmann steht eine Frau. (Hanfeld 2005: 42) 3. AG Ergebnisse: kritische Faktoren, neuralgische Punkte Die Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming im Kontext von Qualitätsmanagement suchte nun nach den kritischen Faktoren und neuralgischen Punkten in der Beziehung von GM und QM. Einige wurden identifiziert: 1. die Spannung zwischen dem Gerechtigkeits- und Demokratieanliegen, dessen Ausdruck das Streben nach Geschlechtergleichstellung ist, einerseits und der Nützlichkeitsorientierung des Qualitätsmanagements andererseits: Es genüge nicht, das Qualitätsmanagement als Trojanisches Pferd quasi als geborgte Akzeptanz für Gender Mainstreaming zu nutzen, sondern es gelte, Gender Mainstreaming und Frauenförderung per se zu akzeptieren. Für die erfolgreiche Implementierung von Gender Mainstreaming reiche es nicht aus, sich auf Nützlichkeitsargumente das weibliche Humankapital zu beschränken. Es gehe vielmehr um die Durchsetzung eines Wertekonsenses zur Geschlechtergleichstellung. Andererseits liefere die Verbindung geschlechtsspezifischer Anliegen mit QM- Aktivitäten auch Legitimationsressourcen, auf die zu verzichten unklug wäre; 2. die Wahrnehmung von Gender Mainstreaming als Zusatzaufgabe und -belastung: Sowohl hinsichtlich Arbeitsbelastung wie finanzieller Ausgaben empfänden sehr viele Akteure im Wissenschaftsbetrieb die gender-bezogenen Anforderungen als eine Bindung von Kapazitäten, die ohnehin schon überbeansprucht seien. Arbeitsgruppe 1 153
5 Zudem würden solche Anforderungen als abzuwehrende wissenschaftsexterne Zumutung betrachtet, da sie als Widerspruch zu Leistung und Eliteanspruch sowie als (konkurrierende) weibliche Ansprüche auf hohe Positionen erschienen; 3. die Gefahr der Reduzierung von Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft auf die familienfreundliche Hochschule : Diese Reduktion sei aktuell vielfach zu beobachten. Ihr müsse entgegengewirkt werden, ohne dabei in Vergessenheit geraten zu lassen, dass die familiengerechte Hochschule gleichwohl aus verschiedenen Perspektiven unstrittig erstrebenswert sei; 4. die Fixierung der Geschlechtergerechtigkeitsperspektive ausschließlich auf die höchsten Positionen im Wissenschaftsbetrieb: Hier zeige sich eine spezifische Wirkung der Elite- Debatte innerhalb der Gender-Debatte, die Einseitigkeiten bewirke; 5. das Problem ungenauer Zieldefinitionen: Generell scheine es ein Desiderat in den Fragen zu geben, was eigentlich konkret Geschlechtergleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit an Hochschulen bzw. in der Wissenschaft meine, und was diesbezüglich die strategischen Ziele sind. Seien dies nur statistische Parameter (wie die Frauenanteile an den ProfessorInnen, bei den Hochschulzulassungen oder in bestimmten Fachrichtungen), oder müsse es nicht vielmehr auch um beispielsweise die Vergeschlechtlichung von Themen und Denkmustern, die Veränderung akademischer Karrieremuster, die veränderte Situation der Hochschulen in der Gesellschaft gehen? 6. die bislang unzulängliche Nutzung gender-spezifischer Ergebnisse für die Außendarstellung der Hochschulen: Einschlägige Erfolge sollten viel stärker zur Erhöhung der Reputation einer Hochschule oder Wissenschaftseinrichtung beitragen ( Man kann damit angeben! ). Auf der anderen Seite sollten Defizite stärker sanktioniert werden. Originalton aus der Debatte: Wie lange lässt sich die finanzierende Gesellschaft die Ignoranz der Max-Planck-Gesellschaft gegenüber Geschlechtergleichstellung eigentlich noch gefallen? Mehrfach wurde betont, dass sich mit der Verbindung zum Qualitätsmanagement Akzeptanz für Gender Mainstreaming gewinnen ließe, die auf anderem Wege nicht zu erlangen sei. Diese gewonnene Akzeptanz schlage sich dann in strukturierten Problembearbeitungssystemen wie sie das Qualitätsmanagement biete und zusätzlichen Finanzmitteln nieder. Dem wurde entgegengehalten, dass die QM-GM- Verbindung lediglich eine Verzweckung der Gender-Anliegen bewirke, nicht aber tatsächliche Geschlechtergerechtigkeit. Hier lasse sich eine Analogie zum Diversity-Management ziehen: Dieses ziele keineswegs auf eine Harmonisierung von Verschiedenheit, sondern auf die profitable Ausnutzung der Verschiedenheit von Humankapital. Gleichwohl: Der entscheidende Erfolgsfaktor für eine wirksame Verbindung von Gender Mainstreaming und Qualitätsmanagement dürfte immer noch die 154 Arbeitsgruppe 1
6 finanzielle Untersetzung der gender-bezogenen Anliegen sein. Zwar werden dann die richtigen Dinge u. U. aus falschen Gründen getan. Doch scheint das immer noch besser zu sein, als wenn ein falscher Weg mit falschen Gründen so konsequent fortgesetzt wird, als sei er der richtige. Literatur Höher, Friederike; Peter Höher (1999): Handbuch Führungspraxis Kirche. Entwickeln, Führen, Modernisieren in zukunftsorientierten Gemeinden. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. Engel, Johann Jakob (1802): Denkschrift über Begründung einer großen Lehranstalt in Berlin (13. März 1802), in: Ernst Müller (Hg.), Gelegentliche Gedanken über Universitäten, Leipzig 1990: Reclam, S Hanfeld, Michael (2005): Der Feuerwehrmann und seine Frau. Wie so genannte Berater das Land in Grund und Boden gutachten, in: F.A.Z., , S. 42. Arbeitsgruppe 1 155
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