Co-Referat zum Thema 9: Dipl.-Rom. Anne Najderek Lehrstuhl für ABWL und Wirtschaftsprüfung Prof. Dr. Jens Wüstemann, M.S.G.
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1 UNIVERSITÄT MANNHEIM Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsprüfung Co-Referat zum Thema 9: Wissenschaftliche Kommentierung von IAS 38 ( Immaterielle Vermögenswerte ): Anwendungsvoraussetzungen, Sinn und Zweck, Norminhalt und Literaturüberblick. Dipl.-Rom. Anne Najderek Lehrstuhl für ABWL und Wirtschaftsprüfung Prof. Dr. Jens Wüstemann, M.S.G.
2 Übersicht 2 I. Problemstellung II. III. Lösung des Bilanzierungsproblems nach IFRS Thesenförmige Zusammenfassung
3 I. Problemstellung 3 (a) Sachverhalt: Die A-AG entwickelt ein neuartiges Produktionsverfahren, das patentrechtlich nicht geschützt ist. Variante: Stellt geheim gehaltenes Know-how aus dem Entwicklungsbereich einen Vermögenswert dar? (b) Bilanzierungsproblem: Ist für das Produktionsverfahren ein immaterieller Vermögenswert anzusetzen? Was stellt den Vermögenswert dar (Produktionsverfahren oder Know-how daraus)? Variante: geheim gehaltenes Know-how (vgl. Verfügungsmacht) Im Rahmen der Definitionskriterien wird zu klären sein, ob die A-AG trotz fehlenden Patentschutzes die Verfügungsmacht über das entwickelte Verfahren hat. Im Rahmen der Ansatzkriterien wird zu klären sein, wie nach IFRS der geforderten Konkretisierung bei selbst erstellten Vermögenswerten Rechnung getragen wird.
4 4 1. Anwendungsbereich von IAS 38 Grundsatz/Konkretisierung Negativabgrenzung: Bsp.: finanzielle Vermögenswerte, zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehaltene iv (IAS 2, IAS 11), IAS 12, IAS 17, IAS 19, IFRS 4, IFRS 5, IFRS 6, Ausgaben für die Erschließung oder die Förderung und den Abbau von Mineralien, Öl, Erdgas und ähnlichen nicht regenerativen Ressourcen. Abgrenzung materiell/immateriell Positivabgrenzung (IAS 38.5): bspw. Ausgaben für Aus- und Weiterbildung, Gründung und Anlauf eines Geschäftsbetriebs, Forschungs- und Entwicklungsprojekte Produktionsverfahren nicht zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten IAS 38.5: Forschungs- und Entwicklungsprojekte immateriell?: F&E: Obwohl diese Aktivitäten zu einem Vermögenswert mit physischer Substanz (z.b. einem Prototypen) führen können, ist das physische Element des Vermögenswertes sekundär im Vergleich zu seiner immateriellen Komponente, d.h. das durch ihn verkörperte Wissen. IAS 38 [+]
5 5 2. Aktivierungskriterien für immaterielle Vermögenswerte im Normgefüge der IFRS (a) Definitionskriterien für immaterielle Vermögenswerte (b) Ansatzkriterien/-Verbote s.u. (aa) Vermögenswertdefinition (bb) Definitionsmerkmale immaterielle Vermögenswerte (aaa) Kriterium des erwarteten zukünftigen wirtschaftlichen Nutzenzuflusses (bbb) Kriterium Ereignis in der Vergangenheit (ccc) Kriterium der Verfügungsmacht (aaa) Immaterialität (bbb) Identifizierbarkeit
6 6 (aa) Vermögenswertdefinition gemäß IAS 38 (aaa) Kriterium des erwarteten zukünftigen wirtschaftlichen Nutzenzuflusses Konkretisierung direkter oder indirekter Beitrag zum Zufluss von Zahlungsströmen IAS 38.17: Zufluss von Zahlungsmitteln (Produktverkauf) Kosteneinsparungen andere Vorteile [..] für das Unternehmen Produktionsverfahren - wirtschaftlicher Nutzen für A-AG durch Kosteneinsparung [+] - direkter Zufluss wi Nu bspw. durch Verkauf des Verfahrens denkbar - unzweifelhaft [+] Variante: geheim gehaltenes Know-how - Nutzenzufluss durch indirekten Beitrag zum Zufluss von Zahlungsströmen [+] - Konkretisierung möglich?
7 7 (aa) Vermögenswertdefinition gemäß IAS 38 (bbb) Kriterium Ereignis in der Vergangenheit Konkretisierung Sinn und Zweck: objektivierter Nachweis des Vermögenswerts am Bilanzstichtag Abgrenzung bereits eingetretener von zukünftigen Ereignissen Transaktion (bspw. Erwerb) liegt vor internes Ereignis (regelmäßig i. S. v. Herstellung) liegt vor Produktionsverfahren: - internes Ereignis; Entwicklungstätigkeit - Ereignis in der Vergangenheit [+] Variante: - grundsätzlich gegeben: Entwicklungstätigkeit [+]
8 8 (aa) Vermögenswertdefinition gemäß IAS 38 (ccc) Kriterium der Verfügungsmacht Konkretisierung Sinn und Zweck: Objektivierung des Vermögensausweises Kontrolle des zukünftigen Nutzens - Macht [..] wirtschaftlichen Nutzen [..] zu verschaffen (IAS 38.13) - Beschränkung (Ausschluss) Dritter ist faktisch möglich - Juristisch durchsetzbare Ansprüche (vertraglich/gesetzlich) - keine notwendige Voraussetzung (IAS 38.13) - Beherrschung auf andere Weise möglich (Bsp.: IAS ) Produktionsverfahren - Macht, Nutzen zu verschaffen? - Ausschluss Dritter vom Nutzen möglich? - rechtlicher Schutz [-] - auf andere Weise möglich? - IAS 38.14: Vertraulichkeitserklärungen [+] - IAS 38.15? Variante - IAS 38.14/ RK.57: geheim gehaltenes Know-how [+] - IAS 38.15: grundsätzlich [-]
9 9 (bb) Definitionsmerkmale immaterielle Vermögenswerte (aaa) Immaterialität Konkretisierung fehlende physische Substanz - Unscharf bei Mischprodukten - Ermessensbehaftete Beurteilung der Wesentlichkeit - Vgl. IAS 38.4/IAS 38.5 Nicht-Monetarität im Bestand befindliche Geldmittel und Vermögenswerte, für die das Unternehmen einen [ ] Geldbetrag erhält (IAS 38.8) Produktionsverfahren - s.o. Obwohl diese Aktivitäten zu einem Vermögenswert mit physischer Substanz (z.b. einem Prototypen) führen können, ist das physische Element des Vermögenswertes sekundär im Vergleich zu seiner immateriellen Komponente, d.h. das durch ihn verkörperte Wissen. - fehlende physische Substanz [+] - Nicht-Monetarität [+] Variante: unkritisch [+]
10 10 (bb) Definitionsmerkmale immaterielle Vermögenswerte (bbb) Identifizierbarkeit Konkretisierung SuZ: vgl. IAS 38.11: Abgrenzbarkeit vom Geschäfts- oder Firmenwert Separierbarkeit: - absatzorientierte Verwertbarkeit des Nutzens - wenn Vermögenswert (hypothetisch) verkauft, übertragen, lizenziert, vermietet oder getauscht werden kann - kein notwendiges Kriterium Vertragliche/sonstige juristische Rechte - unabhängig davon, ob diese Rechte vom Unternehmen oder von anderen Rechten und Verpflichtungen übertragbar oder separierbar sind (IAS 38.12(b)) - Separierbarkeit dann unmaßgeblich Produktionsverfahren - separierbar - Identifizierbarkeit [+] Variante - Separierbarkeit [+ (s.o.)/-] - Know-how zwar durch Verträge geschützt, aber: - Contractual-Legal-Kriterium nicht erfüllt, da Know-how nicht aus den Geheimhaltungsverpflichtungen entsteht => [-] - IFRS 3: CLK erfüllt, wenn Nutzenzufluss aus Vermögenswert geschützt ist (vgl. IFRS 3, IE.E), Unterschied Verfügungsmacht?
11 11 2. Aktivierungskriterien für immaterielle Vermögenswerte im Normgefüge der IFRS (a) Definitionskriterien für immaterielle Vermögenswerte s.o. (b) Ansatzkriterien/-Verbote (aa) Ansatzkriterien (bb) Ansatzverbote (aaa) Wahrscheinlicher Nutzenzuflusses (bbb) Verlässliche Bewertung (aaa) Originärer Godwill (bbb) Aktivierung von Forschungsausgaben
12 12 (aa) Ansatzkriterien (aaa) Wahrscheinlicher Nutzenzufluss Konkretisierung SuZ: zusätzlich objektivierendes Kriterium Beurteilung anhand vernünftiger und begründeter Annahmen bestmögliche Einschätzung des Managements -> ermessensbehaftet Schätzung gemäß IAS 38.23; Externe substanzielle Hinweise größeres Gewicht -> Konkretisierung? Typisierung: Einzelerwerb (IAS 38.25) und Unternehmenserwerb (IAS 38.33) [+] Ein zu geringer Grad an Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses dürfte wohl schon eine Feststellung jeglicher Form der Verfügungsmacht schwierig werden lassen (Duhr) -> entbehrliches Kriterium? Produktionsverfahren - Differenzierung nach Forschung (IAS ) und Entwicklung (IAS ) - Ergänzende Ansatzkriterien gemäß IAS 38.57: - technische Realisierbarkeit [+/-], - Absicht der Fertigstellung [+], - Fähigkeit zur Nutzung bzw. zum Verkauf [+/-], - Nachweis über die Art des künftigen Nutzens [+] - Verfügbarkeit von Ressourcen zur Fertigstellung [+/-] - zuverlässige Bewertbarkeit [+/-] - faktisches Aktivierungswahlrecht aufgrund von Ermessensspielräumen Variante: technologisches Know-how s. o.
13 13 (aa) Ansatzkriterien (bbb) Verlässliche Bewertung Konkretisierung SuZ: zusätzlich objektivierendes Kriterium Zuverlässige Ermittlung der AHK grds. möglich RK86: hinreichende Genauigkeit ausreichend Unterscheidung nach Art der Anschaffung Einzelerwerb (IAS 38.26): AHK und Unternehmenserwerb (IAS ff): beizulegender Zeitwert grds. [+] -> Würdigung: gekürzte Ansatz- und Objektivierungskriterien, geringere Nachweisschwelle (Pauly/Hommel), Entobjektivierung? Selbst geschaffene Vw (IAS ): zusätzliche Kriterien IAS Produktionsverfahren - selbst geschaffener ivw: zusätzliches Kriterium bei der Beurteilung der Verlässlichen Bewertbarkeit nach IAS (f), Sinn und Zweck? - Evtl. problematisch, wenn Produktionsverfahren auf Lerneffekten beruht, da Ausgaben kaum zurechenbar sind, dann aber Nutzenzufluss wohl auch nicht erfüllt - Daten: Internes Rechnungswesen => grds. [+] Variante - technologisches Know-how, s. o.
14 14 (bb) Ansatzverbote Konkretisierung Selbstgeschaffener GoF (IAS ) keine kontrollierbare identifizierbare Ressource, deren Herstellungskosten verlässlich bewertet werden können, weder separierbar, noch aus vertraglichen Rechten entstanden (IAS 38.49) Verbot der Aktivierung von Forschungsausgaben (IAS ) Unschärfen der Kriterien zur Differenzierung von Forschung und Entwicklung Entwicklungsausgaben: s.o. IAS Produktionsverfahren Entwicklungstätigkeit: ergänzende Kriterien, ermessensbehaftet, objektivierend? => [+/-] Variante - IAS 38.63: Selbst geschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie ihrem Wesen nach ähnliche Sachverhalte dürfen nicht als immaterielle Vermögenswerte angesetzt werden. - ähnliche Sachverhalte? - s.o.
15 III. Thesenförmige Zusammenfassung 15 (1) Dem vorliegenden Sachverhalt liegt ein ungeschütztes Produktionsverfahren aus dem Entwicklungsbereich zugrunde. Hinsichtlich der Einordnung des Geschäftsvorfalls in das Normengefüge der IFRS ist zunächst zu prüfen, inwieweit ein ansatzfähiger immaterieller Vermögenswert nach IAS 38 (immaterielle Vermögenswerte) vorliegt und inwieweit die Kriterien des IAS 38 dienlich sind, einen objektivierten Ansatz von immateriellen Vermögensgegenständen zu gewährleisten. (2) Sofern das ungeschützte Produktionsverfahren geheim gehalten wird, mithin das Know-how, das den Vermögenswert verkörpert durch vertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen geschützt ist, kann die Erfüllung des Kriteriums der Verfügungsmacht wohl bejaht werden. Das geheim gehaltene Produktionsverfahren erfüllt weiterhin die Definitionskriterien eines immateriellen Vermögenswerts, da von der Separierbarkeit des Vermögenswerts ausgegangen werden kann. (3) Die Ansatzkriterien von immateriellen Vermögenswerten vermögen nicht durch eine einheitliche Konzeption zu überzeugen: Während sich einerseits bei separat erworbenen und bei durch Unternehmenszusammenschluss zugegangenen immateriellen Vermögenswerten faktisch gekürzte Ansatzkriterien ergeben, unterliegen selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände der Anforderung der Erfüllung zusätzlicher Ansatzkriterien.
16 III. Thesenförmige Zusammenfassung 16 (4) Gleichwohl entfalten die geforderten ergänzenden Kriterien für selbst erstellte Vermögenswerte aus dem Entwicklungsbereich keine hinreichend objektivierende (und eingrenzende) Wirkung. Aufgrund sich ergebender Ermessensspielräume und fehlender Konkretisierungen hinsichtlich der geforderten Nachweise ist eine zweckentsprechende Objektivierung des Ansatzes solcher Vermögenswerte nicht gegeben, so dass Vermögensgegenstände aus der Entwicklung eines Unternehmens grundsätzlich großen Ermessensspielräumen unterliegen. (5) Der Ansatz des geheim gehaltenen Produktionsverfahrens ist demnach davon abhängig, dass die A-AG Nachweise über die geforderten zusätzlichen Kriterien erbringen kann, bspw. dass das Produktionsverfahren einen Beitrag zur Nutzenverbesserung darstellt, das Verfahren eingesetzt werden kann und die A-AG über die dafür notwenigen Ressourcen verfügt. Sich ergebende Normunschärfen stellen die Aktivierung des Vermögenswerts (geheim gehaltenes Verfahren) in das Ermessen des Bilanzierenden. (6) Geheim gehaltenes Know-how aus der Entwicklungstätigkeit eines Unternehmens ist regelmäßig von der Aktivierung als immaterieller Vermögenswert ausgeschlossen, wenn es nicht spezifiziert ist (Bsp.: Mitarbeiter Know-how) und mithin aufgrund mangelnder Erfüllung von Definitions- und Ansatzkriterien (Verfügungsmacht/Identifizierbarkeit, zuverlässige Bewertbarkeit) nicht aktivierbar ist. Handelt es sich um technologisches Know-how ergibt sich obige Prüfung, wobei die Identifizierbarkeit bei nicht vorhandener Separierbarkeit kritisch zu betrachten ist.
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