2.10 Lokale Funktionsanalyse
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- Irma Hausler
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1 2.1 Lokale Funktionsanalyse Aufgabe Gegeben sei die Abbildung g : R 2 R 2 mit g(x, y) : (x 3 yx, y). Man bestimme alle Mengen M k : {(ξ, η) R 2 g 1 (ξ, η) hat genau k Elemente}. Wie verhält g sich in der Nähe von Punkten aus Σ : {(x, y) R 2 det Dg(x, y) }? Lösung Die zweite Komponente von g ist ohnehin bijektiv. Betrachten wir also zu festem y R die Abbildung ϕ y : R R, gegeben durch ϕ y (x) : x 3 yx. Für y < beliebig gilt ϕ y(x) 3x 2 y > für alle x R, d.h. ϕ y ist streng monoton wachsend, insbesondere bijektiv und damit haben alle (ξ, η) R (, ) genau einen Urbildpunkt (x, y) R 2. Auch der Punkt (, ) hat genau ein Urbild, nämlich sich selbst, und gehört damit ebenfalls zu M 1. Sei nun y <. Dann ist ϕ y(x) 3x 2 y > x > y 3 x y 3 : x < x < y 3 Wegen ϕ y (±x ) y 3 2 gilt mit y : y 3 2 : (ξ, η) M 1 ξ > y (η); (ξ, η) M 2 ξ y (η); (ξ, η) M 3 ξ < y (η). Also werden M 1 und M 2 durch die Kurve M 2 aller Punkte getrennt, die die Gleichung ( ξ 2 )2 ( η 3 )3 erfüllen. Man nennt diese Kurve auch Neilsche Parabel. Die Punkte von Σ {(x, y) R 2 y 3x 2 } sind Träger zweier Falten (bei x < bzw. x > ) bzw. eines Zwickels (bei x ). Lemma (Banachscher Fixpunktsatz) Seien (X, d) ein vollständiger metrischer Raum und Φ : X X kontrahierend, d.h. q < 1 : x, y X : d(φ(x), Φ(y)) < qd(x, y). Dann besitzt Φ genau einen Fixpunkt x X, d.h. Φ(x) x für genau ein x X. Dieser kann iterativ gewonnen werden durch x n+1 : Φ(x n ) mit beliebigem Startpunkt x X. Für alle n N gilt die Abschätzung d(x n, x) qn 1 q d(x 1, x ). Martin Gubisch 24 SS 28
2 Satz (lokale Umkehrbarkeit) Seien U R n oen und nicht leer, f C 1 (U, R n ), x U und det(f (x)). Dann existiert eine oene Umgebung V U von x, so dass gilt: (1) f V ist injektiv. (2) f(v ) ist oen. (3) (f V ) 1 C 1 (f(v ), R n ). (4) ((f V ) 1 )(y) (f (f 1 (y))) 1. Beispiel Die Funktion f : R 2 R 2 sei gegeben durch ( ) x f(x, y) : 2 y 2. 2xy Dann ist die Jacobi-Matrix von f gegeben durch ( ) 2x 2y J f (x, y), 2y 2x also det J f (x, y) 4x 2 +4y 2 >, falls (x, y) (, ). f ist also auf ganz R 2 \{(, )} lokal invertierbar. Allerdings ist f nicht global invertierbar, denn f ist nicht injektiv: f(x, y) f( x, y) für alle (x, y) R 2. Definition Seien U R 2, Φ : U R eine Funktion und I R ein Intervall, so dass zu jedem x I genau ein y R existiert mit (x, y) U und Φ(x, y). Wir setzen dann ϕ : I R x y (d.h. x I : Φ(x, ϕ(x)) ) und sagen, dass ϕ durch die Gleichung Φ(x, ϕ(x)) implizit gegeben ist. Beispiel (Optimierungsproblem mit Nebenbedingung) Wir sollen einen Zylinder mit möglichst kleiner Oberäche (Optimierungsproblem) bei gegebenem Volumen (Nebenbedingung) konstruieren. Für die Oberäche O und das Volumen V gelten die Formeln O : [, ) 2 R (r, h) 2πr 2 + 2πrh und V : [, ) 2 R (r, h) πr 2 h. Mathematische Formulierung der Nebenbedingung: V (r, h) V (als Gleichung) bzw. Φ(r, h) : V (r, h) V (als Nullstellenproblem). Also: Suche optimalen Punkt (r, h) in der Menge Γ {(r, h) [, ) Φ(r, h) }. Allgemeine Situation Gegeben seien n implizite Bedingungen und m + n Variablen. Wir wollen untersuchen, ob mit m frei gewählten Variablen v 1,..., v m die übrigen n Variablen u 1,..., u n durch die n Nebenbedingungen festgelegt werden und wie dann v 1,..., v m und u 1,..., u n zusammenhängen können. Wir sortieren dazu zunächst die Variablen und schreiben die Bedingungen in der Form Φ(u, v) mit Φ : R n R m R n. Ist Φ eine C 1 -Funktion, dann Φ (u, v)(h, k) h 1 1 Φ(u, v) h n n Φ(u, v) + k 1 n+1φ(u, v) k m n+mφ(u, v) :Φ (1) (u,v)h :Φ (2) (u,v)k. Martin Gubisch 25 SS 28
3 Satz (implizite Funktionen) Seien D R n R m oen, Φ C 1 (D, R n ), (u, v) D mit Φ(u, v) und 1 Φ 1 (u, v) n Φ 1 (u, v) Φ (1)(u, v) :. 1 Φ n (u, v) n Φ n (u, v) invertierbar. Dann gibt es eine Umgebung W R m von v und eine eindeutig bestimmte Abbildung ϕ C 1 (W, R n ), so dass Φ(ϕ(v), v) für alle v W. Beweis Wende den Satz über inverse Funktionen an auf die Abbildung F : D R n R m (u, v) (Φ(u, v), v). Dann ist F in einer Umgebung V von (u, v) lokal invertierbar, d.h. es gibt eine Funktion G : F 1 V : F (V ) R n R m (x, y) ( eϕ(x, y), ψ(x, e y)), denn für die Determinante von F (u, v) gilt: 1 F 1 n F 1 n+1 F 1 n+m F 1 det J F (u, v).... det 1 F n n F n n+1 F n n+m F n 1 F n+1 n F n+1 n+1 F n+1 n+m F n+1 (u, v)... 1 F n+m n F n+m n+1 F n+m n+m F n+m 1 Φ 1 n Φ 1.. det 1 Φ n n Φ n (u, v) I 1 Φ 1 (u, v) n Φ 1 (u, v) det. 1 Φ n (u, v) n Φ n (u, v) nach Voraussetzung. Damit gilt: d.h. F (G(x, y)) (Φ( ϕ(x, y), ψ(x, y)), ψ(x, y)) (x, y), y ψ(x, y) x Φ( ϕ(x, y), y) Also F (u, v) (Φ(u, v), v) (, v), d.h. (, v) F (V ). Setze W : π(f (V )) mit π(x, y) y (Projektion). Dann ist W R m oen. Mit ϕ(v) : ϕ(, v) ist ϕ C 1 (W, R n ) (da ϕ C 1 -Funktion) und wegen Φ( ϕ(x, y), y) x gilt Φ(ϕ(v), v) Φ( ϕ(, v), v). Martin Gubisch 26 SS 28
4 Bemerkung (Implizites Ableiten) Wir haben gesetzt Φ (u, v)(h, k) (h 1 1 Φ h n n Φ + k 1 n+1φ k m n+mφ :Φ (1) (u,v)h :Φ (2) (u,v)k Wegen Φ(ϕ(v), v) für alle v W ist auch Φ (ϕ(v), v). Setze G(v) : (ϕ(v), v) (d.h. G (v)h (ϕ (v)h, h)). Dann (Φ (ϕ(v), v))h (Φ G) (v)h Φ (G(v))G (v)h Φ (ϕ(v), v)(ϕ (v)h, h) (Φ ) (1) (ϕ(v), v)ϕ (v)h + (Φ ) (2) (ϕ(v), v)h ϕ (v)h ((Φ ) (1) (ϕ(v), v) 1 ( (Φ ) (2) (ϕ(v), v)h)) ϕ (v) (Φ ) (1) (ϕ(v), v) 1 (Φ ) (2) (ϕ(v), v) ) (u,v). Beispiel (lokale Beschreibung des Einheitskreises) Sei Φ(u, v) u 2 + v 2 1, dann entspricht {(u, v) R 2 Φ(u, v) } dem Einheitskreis in R 2. (u, v) (1, ) erfüllt (z.b.) Φ(u, v) und es gilt Φ (1, )(h, k) h 1 Φ(1, ) + k 2 Φ(1, ) (h2u + k2v) (1,). Φ (1) (u,v)h Φ (2) (u,v)k Dann ist Φ (1)(1, ) 2 invertierbar und der Satz über implizite Funktionen liefert in einer Umgebung W von v eine Abbildung ϕ C 1 (W, R) mit (ϕ(v)) 2 + v 2 1. Hier ist ϕ auch berechenbar: Auösung nach ϕ liefert ϕ(v) ± 1 v 2 und mit der zusätzlichen Bedingung ϕ() 1 erhalten wir die eindeutige Lösung ϕ W R : Mit implizitem Ableiten folgt v 1 v 2. ϕ (v) (Φ ) (1) (ϕ(v), v) 1 (Φ ) (2) (ϕ(v), v) ( 2ϕ(v)) 1 2v v ϕ(v) (Dierenzialgleichung), d.h. wir können ϕ angeben, ohne ϕ explizit zu berechnen. Für den Punkt (, 1) ist Φ (1)(, 1), d.h. der Satz über implizite Funktionen ist nicht anwendbar. Hier ist Φ auch in keiner Umgebung von (, 1) lokal auösbar. Beispiel (lokale Auösung von Gleichungssystemen) Zu zeigen ist die lokale Auösbarkeit des Gleichungssystems { x 2 y 2 y 2 z 2 in (1, 1, 1) nach (y, z) (mit x, y, z R). Deniere ( ) x Φ(x, y, z) : 2 y 2 y 2 z 2, dann Φ C 1 (R 3, R), D(Φ) oen, Φ(1, 1, 1) und ( ) 2x 2y J Φ (x, y, z), 2y 2z ( ) 2 also Φ (2) (1, 1, 1) wegen det Φ (2) (1, 1, 1) det 4 invertierbar. 2 2 Martin Gubisch 27 SS 28
5 Nach dem Satz über implizite Funktionen ist Φ dann in einer Umgebung von (1, 1) lokal nach (y, z) auösbar. Wir berechnen noch die Ableitung der Auösungsfunktion ϕ. Es gilt ( ) ( ) Φ (x, ϕ(x)) Φ (x) + Φ (ϕ(x))ϕ 2x 2y (x) + ϕ (x). 2y 2z Berechnung von (Φ (ϕ(x))) 1 ergibt und wir können nach ϕ (x) auösen: Beispiel (Burgers-Gleichung) ( ) 1 ( 2y 1 2y 2z ϕ (x) (Φ (ϕ(x))) 1 Φ (x) 2y 1 1 2z 2z ( 1 2y 1 1 2z 2z Gegeben sei Φ(t, x, u) e x tu u (t, x, u R). Zu zeigen sind: ) ) ( ) 2x (a) Φ(t, x, u) ist in einer Umgebung von (, x, e x ) nach u auösbar. ( x ) y x. z (b) Die partiellen Ableitungen der Auösung U(t, x) aus der impliziten Gleichung Φ(t, x, U(t, x)) lösen die sog. Burgers-Gleichung Für die partiellen Ableitungen von Φ gilt: U(t, x) + t x 1 2 U(t, x)2. D 1 Φ(t, x, u) exp(x tu)( u) D 2 Φ(t, x, u) exp(x tu) D 3 Φ(t, x, u) exp(x tu)( t) 1. Wegen D 3 (, x, e x ) e x 1 1 und Φ(, x, e x ) e x e x ist Φ lokal nach u auösbar. Weiter gilt für die partiellen Ableitungen: und wir erhalten t Φ(t, x, U(t, x)) D 1Φ(t, x, U(t, x)) + D 3 Φ(t, x, U(t, x)) U(t, x) t t U(t, x) D 1Φ(t, x, U(t, x)) D 3 Φ(t, x, U(t, x)) exp(x tu(t, x))( U(t, x)) ; exp(x tu(t, x))( t) 1 x U(t, x) D 2Φ(t, x, U(t, x)) D 3 Φ(t, x, U(t, x)) exp(x tu(t, x)) exp(x tu(t, x))( t) 1. Durch Einsetzen in die Burgers-Gleichung erhalten wir 1 U(t, x) + U(t, x)2 t x 2 exp(x tu(t, x))( U(t, x)) + 1 exp(x tu(t, x))( t) 1 2 2U(t, x) exp(x tu(t, x)) exp(x tu(t, x))( t) 1 exp(x tu(t, x))( U(t, x)) + U(t, x)( exp(x tu(t, x))) exp(x tu(z, x))( t) 1. Martin Gubisch 28 SS 28
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