Der neue Begriff und das Assessment-Instrument Pflegebedürftigkeit ist die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigung der Selbständigkeit, die personelle Hilfe in den Bereichen Mobilität, Bewältigung psychischer Anforderungen und Problemlagen, Selbstversorgung (regelmäßige Alltagsver-richtungen), Bewältigung krankheits-/behandlungsbedingter Anforderungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte erforderlich macht. Der neue Begriff und das Assessment-Instrument Bezugspunkt des neuen Instruments: die Selbständigkeit bei Aktivitäten im Lebensalltag, bei der Krankheitsbewältigung sowie bei der Gestaltung von Lebensbereichen und der Teilnahme am Gemeinschaftsleben. Wichtiges Merkmal des Instruments: die Konzentration auf die Aktivitäten und Fähigkeiten, die für die Ermittlung des Grads der Selbständigkeit relevant sind. 1
Assessment-Module 1. Mobilität 2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen 4. Selbstversorgung 5. Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen 6. Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte 7. Außerhäusliche Aktivitäten 8. Haushaltsführung Merkmale der Bewertungssystematik Vierstufige Merkmalsausprägungen in den meisten Modulen Fünfstufige Skala für Teilergebnisse (je Modul) Berechnung eines Punktwertes für die Module 1 bis 6 Pflegebedürftigkeit: Module 1 bis 6 Hilfebedürftigkeit: Module 7 und 8 2
Pflegebedürftigkeit: Gewichtung der Module 1. Mobilität 2./3. Kognitiver Status und Verhaltensprobleme 4. Selbstversorgung 5. Umgang mit krankheits-/therapiebed. Anforderungen 6. Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte 10 15 40 20 15 Beispiel: Mobilität Grad der Beeinträchtigung der Selbständigkeit Punktwert Modul Skala Modul Punktwert für P.stufe keine 0 0 0 gering 1 3 1 2,5 erheblich 4 6 2 5 schwer 7 9 3 7,5 Selbständigkeitsverlust 10 15 4 10 3
Fünf Stufen der Pflegebedürftigkeit P1: geringe Beeinträchtigung P2: erhebliche Beeinträchtigung P3: schwere Beeinträchtigung P4: schwerste Beeinträchtigung P5: besondere Bedarfskonstellation... in den Bereichen: 1. Mobilität 2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen 4. Selbstversorgung 5. Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte Effekte des neuen Begutachtungsverfahrens Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen und psychischen Störungen werden gerechter beurteilt. Personen, die ausschließlich körperliche Beeinträchtigungen aufweisen, haben es schwer, die Stufe 4 zu erlangen. Schwer zu beurteilende Effekte für Personen, die heute eine Pflegestufe nur knapp erreichen. Relativ große Spannbreite in der neuen Pflegestufe. Verschiebungen halten sich vermutlich in Grenzen. 4
Zwischenfazit der Projektnehmer der 2. Hauptphase Die Stichprobe (rund 1.500 Personen) ist ausgewogen. Die Repräsentativität ist gegeben. Der Zeitaufwand für die Begutachtung nach dem NBA liegt bei etwa einer Stunde. Bei Kindern ist der Zeitaufwand etwas höher. Die Übereinstimmung unter den Gutachtern (Reliabilität) ist unter den Prämissen des ersten Praxiseinsatzes des Instruments akzeptabel. Niedrig ist die Übereinstimmung bei den besonderen Bedarfskonstellationen. Die Gültigkeit der Module 2 und 3 für Demenzerkrankungen (Validität) ist gut bis sehr gut, d.h. dass Demenzerkrankungen vom Instrument gut erfasst werden. Die Messgenauigkeit des NBA ist gut: Relevante Veränderungen bei Versicherten (z.b. Verschlechterung des Zustands) werden mittels des NBA voraussichtlich erfasst. Bewertung: Methodische Grundlagen Das neue Begutachtungsverfahren hat eine hohe inhaltliche Gültigkeit (Validität). Die Objektivität und Zuverlässigkeit des neuen Begutachtungsverfahrens muss dringend verbessert werden. 5
Bewertung: Folgen auf die mögliche Anspruchsberechtigung Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue Begutachtungsverfahren schaffen die Voraussetzung, die Gruppe der anspruchsberechtigten Personen zu erweitern. Auch die Zuordnung zu Pflegestufen führt zu einer Leistungsausweitung: Es werden mehr Personen von einer unteren in eine höhere Pflegestufe eingruppiert. Unter heutigen Bedingungen würde die Leistungsausweitung im ambulanten Bereich über 19% und im stationären Bereich über 14% betragen. Bewertung: Lösungsversuche Mehrheitlich will die Politik eine ausgabenneutrale Umstellung. Wenn die schon erreichte Verbesserung für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz erhalten bleiben soll, muss eine Ausdehnung der Gruppe der anspruchsberechtigten Personen eine neue Verteilung der Leistungssätze zur Folge haben. 6
Folgen auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (SGB XII) Das Verfahren ist nur modifiziert oder als Teil eines erweiterten Verfahrens für andere Leistungsgesetze verwendbar (also kein Ersatz für die Verfahren in der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen). Auch für die Erfassung des Teilhabebedarfs nach SGB IX und/oder SGB XII ist das Verfahren als Teil eines umfassenden Allokationsprozesse verwendbar. Das Integrierte Budget könnte eine Lösung für eine teilhabeorientierte Leistung der Pflegeversicherung für Menschen sein, die gleichzeitig Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen haben. 7