Wie wirksam ist Gruppenpsychotherapie? Aktueller Forschungsstand und Leitlinienempfehlungen. Name Datum

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Transkript:

Wie wirksam ist Gruppenpsychotherapie? Aktueller Forschungsstand und Leitlinienempfehlungen Name Datum

Ausgangspunkt Etabliertes Behandlungsformat (v.a. stationär) Geringe Verbreitung von Gruppentherapien im ambulanten Setting (Gemeinsamer Bundesausschuss, 015; GKV-Spitzenverband, 013) organisatorische Hindernisse schlechtes Image geringere Evidenzbasierung Evidenzbasierung als wichtige Voraussetzung für die Anerkennung und Verbreitung eines Therapieverfahrens Primär- Forschung (z.b. RCTs) Sekundär- Forschung (z.b. Reviews und Meta-Analysen) Leitlinien Praxis

Ziele (I) Systematische Übersicht und meta-analytische Zusammenfassung der Effekte von Gruppenpsychotherapie im Vergleich zu unbehandelten Kontrollgruppen im Vergleich zu anderen etablierten Behandlungsformaten Soziale Angststörung (SAS; Barkowski, Schwartze, Strauss et al., 016) Panik (Originalarbeit I) Zwang (Originalarbeit II) Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS; Originalarbeit III) 3

Methodik Phasen einer meta-analytischen Integrationsstudie (Beelmann & Bliesener, 1994) I. Formulierung der Fragestellung & Festlegung der Einschlusskriterien II. III. IV. Systematische Literaturrecherche Kodierung von Studienmerkmalen Aggregation der Befunde und quantitative Analysen V. Interpretation der Ergebnisse VI. Dokumentation der Ergebnisse 4

Methodik Phasen einer meta-analytischen Integrationsstudie (Beelmann & Bliesener, 1994) I. Formulierung der Fragestellung & Festlegung der Einschlusskriterien Population Intervention Kontrollbedingung Ergebnismaß Studiendesign Erwachsene Patienten Primärdiagnose: Soziale Angst, Panikstörung, Zwangsstörung, PTBS, Gemäß ICD oder DSM Gruppenformat (ambulant oder stationär) Basierend auf einer etablierten psychologischen Veränderungstheorie Ausgebildeter Gruppenleiter Mindestens 3 Patienten Mindestens 5 Sitzungen Keine Behandlung/Warteliste Aktive Vergleichsgruppe Primäres Ergebnismaß: Symptomschwere Sekundäres Ergebnismaß: Angst, Depression, Remission, Kosten Randomisierte Zuordnung der Patienten zu den Behandlungsbedingungen 5

Methodik Phasen einer meta-analytischen Integrationsstudie (Beelmann & Bliesener, 1994) II. Systematische Literaturrecherche Datenbanksuche: MEDLINE, PsycINFO, PSYNDEX, Web of Science, CENTRAL ergänzt durch manuelle Suche: Referenzen von Meta-Analysen und Primärstudien Kontakt mit Autoren ProQuest 6

Methodik Phasen einer meta-analytischen Integrationsstudie (Beelmann & Bliesener, 1994) III. Kodierung von Studienmerkmalen Population Intervention Kontrollbedingung Ergebnismaße Verzerrungsrisiko Stichprobengröße, Alter, Geschlecht, Rekrutierungsmethode, Theoretische Orientierung, Anzahl und Länge der Sitzungen, Frequenz, Gruppengröße, Gruppenleitung, Art der Kontrollgruppe, Dauer, Frequenz, Dosis Analyseart, Ergebnismaß, Selbst- oder Fremdbericht, Dauer des Follow-up Statistische Parameter zur Effektstärkenberechnung Randomisierung, Geheimhaltung der Zuweisung, Umgang mit fehlenden Werten, selektive Berichterstattung, Verblindung der Ergebniserfassung, Implementierungsqualität 7

Methodik Phasen einer meta-analytischen Integrationsstudie (Beelmann & Bliesener, 1994) IV. Aggregation der Befunde und quantitative Analysen Standardisierte Mittelwertsdifferenz (Hedges g) Interpretation (Cohen, 1988) g = 0. kleiner Effekt g = 0.5 mittlerer Effekt g = 0.8 großer Effekt Heterogenitätstest: p(q) <.05 Heterogenität (I ; Higgins et al., 003) 0% - 5%: gering 5% - 50%: moderat 50% - 75%: substantiell 75% - 100%: hoch 8

Ergebnisse Phasen einer meta-analytischen Integrationsstudie (Beelmann & Bliesener, 1994) V. Interpretation der Ergebnisse Gesamt SAS Panik Zwang PTBS Studien, N (Vergleiche, k) 83 (106) 36 (50) 15 (19) 1 (16) 0 (1) Patienten, N 6111 171 864 83 44 Alter, M (Jahre) 37 33 38 35 40 Anteil Frauen, % 58% 51% 71% 58% 5% Therapieansatz, k Kognitiv-behavioral Kognitiv Behavioral Interpersonal Psychodynamisch 80 9 9 3 Gruppengröße 7 7 6 7 6 35 4 7 1 1 Dauer (Sitzungen/Sitzungsdauer, Min) 1/109 11/13 11/95 13/118 13/90 Vergleichsbedingungen, k Unbehandelt Einzeltherapie Pharmakotherapie Andere 63 14 11 18 3 5 6 7 17 - - - 1 3 13 1 - - 6 5 3 15-1 13 1-7 9

Ergebnisse Gruppentherapie vs. unbehandelte Kontrollbedingungen Effektmaße Heterogenität k g 95% CI I (%) p(q) SAS 8 1.05 0.81; 1.9 73%.001 Panik 9 1.08 0.8; 1.34 48%.05 Zwang 4 0.97 0.58; 1.37 4%.157 PTBS 13 0.70 0.41; 0.99 60%.003 -.00-1.00 0.00 1.00.00 Effekt zugunsten der KG Effekt zugunsten der IG 10

Ergebnisse Gruppentherapie vs. aktive Vergleichsbedingungen Effektmaße Heterogenität k g 95% CI I (%) p(q) Einzeltherapie SAS 4 0.3-0.17; 0.63 51%.103 Panik 3 0.17-0.48; 0.81 73%.04 Zwang 5-0.3-0.6; 0.15 57%.056 PTBS 1-0.43-0.79; -0.06 --- --- Pharmakotherapie SAS 4-0.15-0.44; 0.15 40%.173 Panik 0. -0.7; 0.71 0%.410 Zwang 3 0.18-0.07; 0.44 0%.377 Follow-up Ergebnisse -.00-1.00 0.00 1.00.00 Effekt zugunsten der KG Effekt zugunsten der IG 11

Ziele (II) Stellenwert von Gruppentherapie in aktuellen Behandlungsleitlinien Leitlinienübersicht (Originalarbeit IV) 1

Leitlinienbetrachtung Grundlage: S3-Behandlungsleitlinien zu Angststörungen, Zwangsstörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen keine Empfehlungen für Gruppentherapie (PTBS) Empfehlungen basieren auf einer unzureichenden Evidenzlage werden eher zurückhaltend (Panik, Zwang) oder eher zugunsten der Einzeltherapie formuliert (SAS) nur einen Teil der vorhandenen Evidenz wird abgebildet 13

Zusammenfassung Primär- Forschung (z.b. RCTs) Sekundär- Forschung (z.b. Reviews und Meta-Analysen) Leitlinien Praxis Gruppentherapie ist wirksam Keine Unterschiede zu etablierten Behandlungsformen ABER: Evidenz noch unzureichend Gruppentherapie in Leitlinien nach wie vor unterrepräsentiert! Vorteile von Gruppentherapie in konzeptioneller & ökonomischer Hinsicht! Gezielte Maßnahmen zur Förderung von Gruppenverfahren erforderlich 14