Deutscher Bundestag Drucksache 17/5364 17. Wahlperiode 05. 04. 2011 Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Carola Reimann, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus Barthel, Willi Brase, Ulla Burchardt, Petra Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke, Klaus Hagemann, Christel Humme, Oliver Kaczmarek, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Florian Pronold, Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Andrea Wicklein, Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD Gesundheitsforschung an den Bedarfen der Patientinnen und Patienten ausrichten Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung überarbeiten Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: Am8.Dezember2010hatdieBundesregierungnachzahlreichenVerschiebungenundÜberarbeitungenihrRahmenprogrammGesundheitsforschungbeschlossen.DasbegrenzteöffentlicheEchoaufdieVorstellungdesRahmenprogrammsentsprichtdeminsgesamtenttäuschendenGesamteindruck,dendas Programm hinterlässt. InsgesamtgesehenscheintdasLeitmotivdesProgrammsdie verstärktezusammenarbeitvonwissenschaftundwirtschaft zusein.dieökonomischeverwertungvonerkenntnissenausdergesundheitsforschungstehtklarimfokusdes Programms.EsentstehthierdurchderEindruck,dassdasProgramminerster LiniederStärkungderGesundheitswirtschaftdienensollundwenigerdarauf abzielt,denpatientinnenundpatientenmöglichstzeitnahkonkrete,auswissenschaftlicherforschungentwickelte,hilfsangebotezurverfügungzustellen. Mit dem Rahmenprogramm Gesundheitsforschung trägt die Bundesregierung ohnediesetatsachegroßzuverschleiern inersterliniedenwünschender inderpharmaindustrieundgesundheitswirtschaftaktivenunternehmenrechnung. DabeisolltesichGesundheitsforschungimmerundinersterLinieamBedarfder hilfebedürftigenmenschenundderkrankenorientieren.esistderbundesregierungtrotzlangwierigerberatungennichtgelungen,einprogrammzuentwickeln,welchesvondenmenschenundvondenmedizinischenundpflegerischen BedarfenhergesehenForschungsförderungimBereichGesundheitdarstelltund konzipiert. DiesesFaktumwirdauchdarandeutlich,dasssichimProgrammzwaranzahlreichenStellenHinweiseaufdaszunehmendeProblemderchronischenErkrankungenfindet,jedochausdieserProblembeschreibungkeineMaßnahmenoder Forschungsprojekteentwickeltwerden.HierwäreetwaüberMaßnahmennachzudenken,diegeeignetsind,diepflegerischenLeistungenfürchronischKranke
Drucksache 17/5364 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode effizienterundmenschenfreundlicherzugestalten,umauchbeivorliegenvon chronischenerkrankungenund/odermehrfacherkrankungeneinselbstbestimmtes und möglichst beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. RichtigerweisestelltdieBundesregierunginihremProgrammfest,dassdieklinischeForschunginDeutschlandindenletztenJahrengroßeFortschrittegemachthat.JedochfehlenVorschläge,wiedieweiterhinbestehendenDefizite (etwabeiderausbildungklinischerforscherinnenundforscheroderderintegrationvonforschungsprojektenindenklinischenalltag)angegangenwerden könnten und welchen Beitrag hier die Forschungsförderung leisten kann. DiestarkeKonzentrationderBundesregierungaufdenAusbauderDeutschen ZentrenfürGesundheitsforschungistebenfallsnichtohneDifferenzierungenzu begrüßen.somussderaktuelllaufendeprozessderstärkerenvernetzungbestehenderforschungskapazitätenindengesundheitswissenschaftenbeobachtet undevaluiertwerden.diebestehendenbedenkengegeneinigederimrahmen desaufbausderdeutschenzentrenfürgesundheitsforschunggefälltenentscheidungen müssen ernst genommen und berücksichtigt werden. DieTranslation,alsoderTransferwissenschaftlicherErkenntnisseindieklinischebzw.medizinischePraxis,stelltseitJahreneinegroßeHerausforderungfür diegesundheitswissenschaftendar.hierinistderbundesregierungausdrücklich zuzustimmen.deraufbauderdeutschenzentrenfürgesundheitsforschung wirdhierjedochnurbegrenztabhilfeschaffen.auchwerdenzwarneuefördermaßnahmenzurverbesserungdertranslationangekündigt,aberwiederum nicht konkretisiert. WährendinderÖffentlichkeitbereitsseitJahrenüberdielangfristigeFinanzierbarkeiteinesmodernenundwissenschaftlicheInnovationennutzendenGesundheitssystemsunterdemBegriffder Allokation diskutiertwirdundderdeutscheethikrathierzujüngsteinestellungnahmeveröffentlichthat,scheintdieser AspektimRahmenprogrammderBundesregierungkeineherausgehobeneRolle zuspielen.zumindestverzichtetdiebundesregierungdarauf,sichinderprogrammgestaltungausführlicherderfragezuzuwenden,welchemöglichkeiten derfinanzierungvonwissenschaftlicheninnovationenimklinischenundpflegerischenalltagbestehen.einfacheverweiseaufdiepotenzialedergesundheitsökonomieunddierollederkosten-nutzen-bewertunggreifenhierfürleider zu kurz. DabeihätteeinmodernesundanderRealitätderGesundheitsversorgungin Deutschland (undderwelt)orientiertesforschungsprogrammdenaspektder Finanzierbarkeitmiteinbeziehenmüssen.EinBeispielfürdiesesDefizitdes RahmenprogrammsGesundheitsforschungisteinerseitsdieGegenüberstellung eines Innovationsmotors GesundheitswirtschaftmithohenWachstumsraten, währendandererseitswenigeseitenspäterdiegesundheitsökonomiealsinstrumentzurstärkungderkosteneffizienzherausgehobenwird.derwiderspruch zwischensteigendenkostendurcheineausweitungdestherapie-undbehandlungsspektrumsaufdereinenundderbegrenztenfinanziellenressourceneines vonbeitrags-undsteuerzahlerinnenund-zahlernfinanziertengesundheitsversorgungssystemsaufderanderenseitewirdoffenkundigvonderbundesregierungnichteinmalerkannt,geschweigedennoffenthematisiert.verteilungsgerechtigkeitscheintfürdiebundesregierungauscdu,csuundfdpoffenkundig keinthemazusein,obgleichdiesauchimrahmendergesundheitsforschung seinenplatzhabensollte.dassdiebundesregierungtrotzderbetonungder ChanceneinerbreitaufgestelltenGesundheitsökonomiekeinKonzeptpräsentiert,umeineinternationalanerkannteundauchsichtbaredeutscheGesundheitsökonomie aufzubauen, ist als weitere, verlorene Chance zu bewerten. WesentlicheFortschrittezurSteigerungderLebenserwartunginunseremLand habensichindenletzten100jahrenausderverbesserungdersozialenrahmen-
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/5364 bedingungenergeben.voneinerverbessertenhygieneüberbesserearbeitsbedingungenbishinzufragendernahrungsmittelversorgunglassensichzahlreichebeispieleanführen,dieverdeutlichen,wiestarksozialerahmenbedingungeneingesundes (odervonkrankheitengezeichnetes)lebenbeeinflussen können.diesozialedimensionvonkrankheitwirdjedochimprogrammnur kurzerwähnt.dietatsache,dasszueinemgesundenlebenauchundgeradegesundheitsförderndearbeitsbedingungenzählen,wirdimrahmenprogramm kaumangesprochenundeswerdenhierauskeineschlussfolgerungenfürdie Forschungsförderunggezogen.GleichesgiltfürAnsätzezurStärkungderPatientenautonomie in einem zunehmend komplexen Versorgungsgeflecht. WennGesundheitsforschungeineRollebeiderSuchenachdenVoraussetzungenfüreingesundesLebenspielensoll,dannmussauchdiePräventionindem ProgrammderBundesregierungangemessenenvorkommen.NebendemEinflussderErnährungsweisegiltesdabeiinsbesondereauchdenBeitragregelmäßigerkörperlicherBewegungbzw.sportlicherBetätigungzurVorbeugung gegen Erkrankungen aller Art zu berücksichtigen. EinebesondersgroßeLückeweistdasRahmenprogramminderPflege-und Dienstleistungsforschungauf.FürMenschen,dieheuteodermorgenineinem Krankenhaus,einerArztpraxisoderineinemPflegeheimtätigsind,sowiefür Menschen,diehieralsPatientinnenundPatientenHilfeundUnterstützungbenötigen,bietetdasRahmenprogrammnurwenig.DieimProgrammvorgenommeneGleichsetzungvonDienstleistungsforschungmitTelemedizinundelektronischer Gesundheitsakte greift viel zu kurz. AuchfürdieinternationaleGesundheitskooperationzeigtsichdasProgrammals einseitigtechnikorientiert.sowerdenetwagesundheitstelematik,genomforschungundsystembiologiebetont,ohneaufdiebestehendenversorgungsproblemeinentwicklungsländerneinzugehen.hierhättemansicheineergebnisoffenedebattederfragegewünscht,obnichteineverbesserteversorgungsstrukturehergeeignetist,denmenschenvorortzuhelfen,alsdienutzungder aktuellen Erkenntnisse der Systembiologie. DerinternationalenVerantwortungDeutschlandswirddasGesundheitsforschungsprogrammbedauerlicherweiseebenfallsnichtgerecht.AlsvergleichsweisewohlhabendesLandstehtDeutschlandineinerbesonderenVerantwortung,sichfürdieGesundheitinEntwicklungsländernundimKampfgegenso genanntevernachlässigteundseltenekrankheiten (vondenennatürlichnicht nurentwicklungsländerbetroffensind)zubeteiligen.mitdemneuenförderkonzept VernachlässigteundarmutsbedingteKrankheiten plantdasbundesministeriumfürbildungundforschung,indiesembereichneueakzentezu setzen.leidergreiftauchdieseskonzeptzukurz,denndiesozialedimension dieser (insbesondereinentwicklungsländernvorkommenden)volkskrankheitenwirddurchdaskonzeptnichtimerforderlichenrahmenberücksichtigt. Hinzukommt,dassdiebisherigenfinanziellenAufwendungenindiesemBereich viel zu gering ausfallen. DieFraktionderSPDsetztsichdafürein,dasseinRahmenprogrammGesundheitsforschungderBundesregierungvondenMenschenhergedachtwird. NebendenPatientinnenundPatienten hiersindauchdiebesonderenbelange derkinderzuberücksichtigen isthierinsbesondereandieimmedizinischen, pflegerischenundklinischenversorgungsalltagstehendenpersonenzudenken. SowichtigdieStärkungderGrundlagenforschungetwaimBereichderSystembiologieoderderGesundheitstelematikauchist,sostelltdieFörderungdieser ForschungsprojekteunterdemAspektderGesundheitsforschungkeinSelbstzweckdar,sondernsiemussimmerauchimKontextderVersorgungsrealität gedachtwerden.andiesempunktjedochscheitertdiebundesregierungdurch ihreneinseitigenfokusaufökonomischeverwertbarkeitundtechnikorientierte Lösungsansätze.
Drucksache 17/5364 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode II. Der Deutsche Bundestag begrüßt: dasssichdiebundesregierungimrahmenprogrammgesundheitsforschung füreinestärkungderkrankheitsbezogenenprojektforschungbzw.projektförderung ausspricht; dieklareproblembeschreibungderbundesregierunghinsichtlichderdefizite bei der Ausbildung des medizinwissenschaftlichen Nachwuchses; diebetonungderbedeutungderpräventionimrahmeneinesumfassenden Gesundheitsforschungskonzepts; die geplante Stärkung der Epidemiologie. III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, dasrahmenprogrammgesundheitsforschungdahingehendzuüberarbeiten, dassalleprojektedergesundheitsforschungausgehendvondenbedarfender BetroffenenangelegtwerdenunddenjenigenAnsätzenPrioritäteingeräumt wird, die einen Mehrwert für die betroffenen Personengruppen versprechen; inabstimmungmitdenanderenbeteiligtenbundesministerieneinenaktionsplan Präventions- und Ernährungsforschung vorzulegen; derökonomisierungsowiederzunahmendersozialenungleichheitinder GesundheitsversorgungaktiventgegenzutretenundForschungsprojektezu unterstützten,diedaraufabzielen,gesellschaftlicheentwicklungeninder medizinischenversorgungnichtnurzubeschreiben,sondernhieraufaufbauendauchempfehlungenfürdiepraxiszuentwickeln,umetwaderkommerzialisierungvonmedizinischnotwendigengesundheitsleistungengesellschaftlich und politisch entgegenwirken zu können; deutlicherherauszuarbeiten,dassgesundheitsforschungnichtinersterlinie dazudient,ökonomischverwertbareergebnissezuproduzieren,sondern vielmehrdazudienensoll,krankheitenzulindernbzw. (womöglich)zuverhindern; Fördermaßnahmenzuentwickeln,dieaufeineStärkungderPatientenautonomieineinemzunehmendkomplexerenmedizinischenVersorgungssystem abzielenundgeeignetsind,daserreichendeszielseinesinformiertenund selbstbestimmtenpatientenzubefördern.hierbeiistausdrücklichauchan Personenzudenken,dieaufgrundvonkörperlichenund/odergeistigenEinschränkungen vor besonderen Herausforderungen stehen; einenzwischendembundesministeriumfürbildungundforschungsowie dembundesministeriumfürgesundheitabgestimmtenreformplanzuentwickeln,derdaraufabzielt,imerstattungswesendergesetzlichenundprivatenkrankenversicherungderbedeutungwissenschaftlicherinnovationen stärker Rechnung zu tragen; einenmasterplangesundheitsökonomievorzulegenmitdemziel,dievon derbundesregierungals sehrheterogen bezeichneteforschungslandschaft indiesembereichbesserinternationalsichtbarundwettbewerbsfähigzumachen,damitdasvonderbundesregierungformuliertezieleinerqualifizierten,interdisziplinärenundanerkanntengesundheitsökonomischenforschung in Deutschland Realität werden kann; daspatentrechtdahingehendzuüberprüfen,obesdienutzungwissenschaftlichinnovativeransätzeindermedizinischenpraxisbehindertodererheblich verteuert und hierauf aufbauend Reformschritte in die Wege zu leiten; demdeutschenbundestageinkonzeptzurstärkungderklinischenforschung in Deutschland vorzulegen;
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/5364 Maßnahmenzufördern,diedaraufabzielen,diemethodischeQualitätvon Studien in der Versorgungsforschung zu verbessern; wievomdeutschenbundestagbereitsmitantragaufbundestagsdrucksache 16/6775gefordert,MaßnahmenindieWegezuleiten,diedazugeeignetsind, dieteilnahmeanforschungsprojektenfürdaswissenschaftlich-ärztliche PersonalattraktiverzugestaltenundhierbeiinsbesonderedieAnerkennung von Forschungsleistungen in der beruflichen Karriere zu verbessern; wiemitantragaufbundestagsdrucksache16/6775gefordert,spezifische FörderinstrumentezurAnschubfinanzierungvonnichtkommerziellenklinischenStudienzuentwickelnundhierüberdemDeutschenBundestagzeitnah Bericht zu erstatten; GenderaspektenebensowiebesonderenKinderaspektenineinemüberarbeitetenRahmenprogrammGesundheitsforschungeinestärkereBedeutungzuzumessen; demdeutschenbundestageinkonzeptvorzulegen,welchesdazugeeignet ist,denkampfgegenvernachlässigteundarmutsbedingtekrankheiteninallendimensionenvonderentwicklungshilfeüberdieforschungsförderung bis zu Fragen der Außen- und Gesundheitspolitik voranzubringen; diehaushaltsmittelfürdiesogenanntenproductdevelopmentpartnerships (PDPs) deutlich zu erhöhen; demdeutschenbundestagvorschlägezuunterbreiten,wiederpersonalaustauschzwischenwissenschaftundwirtschaftzumwechselseitigenvorteil erleichtert und attraktiver gemacht werden kann; demdeutschenbundestagineinemberichtdarzulegen,welcheplänedie Bundesregierung in Bezug auf die so genannte Nationale Kohorte verfolgt; demdeutschenbundestagzuberichten,welchemaßnahmendiebundesregierungplant,umdieimrahmenprogrammskizziertenansätzezur StärkungdeswissenschaftlichenNachwuchsesinMedizinundGesundheitsforschung gemeinsam mit den Bundesländern umzusetzen; dieförderangeboteimbereichgesundheitsforschungdesbundesministeriumsfürbildungundforschungsowiederanderenfördereinrichtungen besseraufeinanderabzustimmenunddenzugangzudeninformationenüber Fördermöglichkeiten zu erleichtern; indenberatungenzum8.forschungsrahmenprogrammdereuropäischen Unionaktivdaraufzudrängen,dassProjektederGesundheitsforschungausgehendvondenBedarfenderBetroffenenangelegtwerdenunddenjenigen AnsätzenPrioritäteingeräumtwird,dieeinenMehrwertfürdiebetroffenen Personengruppen in Europa versprechen. Berlin, den 5. April 2011 Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
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