GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN. Carsten Schütt



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Transkript:

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN Carsten Schütt Contents. Einführung 2. Einfache Differentialgleichungen 3. Exakte Differentialgleichungen 4. Clairaut und d Alembert 5. Der Satz von Peano 6. Der Satz von Picard-Lindelöf und der Fixpunkzsatz von Banach 7. Lokale Lipschitzbedingung 8. Maximal- und Minimallösungen 9. Stetige Abhängigkeit der Lösungen. Systeme von Differentialgleichungen. Lineare Systeme 2. Lineare Systeme mit konstanten Koeffizienten 3. Matrixfunktionen 4. Lineare Differentialgleichungen höherer Ordnung 5. Kontrolltheorie 6. Laplace-Transformation 7. Potenzreihenansatz 8. Fourierreihen 9. Wärmeleitungsgleichung und Wellengleichung 2. Sturmsche Randwertaufgabe und Greensche Funktion Typeset by AMS-TEX

2 CARSTEN SCHÜTT. Einführung Eine Differentialgleichung ist eine Gleichung, in der unabhängige Variablen, Funktionen und Ableitungen von Funktionen auftreten. F (x, f(x),f (x),...,f (n) (x)) = Eine Lösung einer Differentialgleichung ist eine Funktion f, die diese Gleichung erfüllt. Häufig schreibt man auch y = f(x) und F (x, y, y,...,y (n) )= Die Ordnung einer Differentialgleichung ist gleich der Ordnung der höchsten Ableitung, die in der Gleichung auftritt. Gleichungen, in denen auch partielle Ableitungen auftreten, heissen partielle Differentialgleichungen, die anderen heissen gewöhnliche Differentielgleichungen. Wir wollen hier lernen, wie man Lösungen von Differentialgleichungen findet. Häufig sind wir nicht an irgendeiner beliebigen Lösung interessiert, sondern an Lösungen die bestimmte Bedingungen erfüllen, z.b. sogenannte Anfangswerte: Finde eine Lösung f(x) der Differentialgleichung F (x, f(x),f (x)) = die im Punkt x den Wert y annimmt, d.h. f(x )=y. Dann stellt sich die Frage nach der Eindeutigkeit der Lösung. Differentialgleichungen treten in Physik, Chemie, Biologie, Ingenieurwissenschaften, Geowissenschaften, Ozeanographie, Geowissenschaften und Wirtschaftswissenschaften auf. Beispiel. (i) (Bakterienwachstum) Durch Beobachtung stellt man fest, dass der Zuwachs einer Bakterienkultur in kleinen Zeiträumen proportional zur Größe der Bakterienkultur selbst ist.dann erfüllt die Größe der Bakterienkultur P (t) zur Zeit t die Differentialgleichung dp = αp (t) dt Die Lösungen der Gleichung sind durch P (t) =P (t )e α(t t) gegeben. (ii) (Bevölkerungswachstum und logistische Differentialgleichung) Das Wachstum der Bevölkerung der Welt lässt sich approximativ durch die logistische Differentialgleichung dp = γp τp2 dt beschreiben.als Lösungen erhalten wir P (t) = τ +( γ γ P (t ) τ)e γ(t t)

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 3 (iii) (Verbreitung von Gerüchten) Eine menschliche Population habe die Anzahl N. Ein Gerücht verbreite sich durch Mundpropaganda: Ein Mitglied der Population erfahre das Gerücht dadurch-und nur dadurch-, dass ein anderes Mitglied es ihm /ihr erzählt. I(t) sei die Anzahl der Informierten zur Zeit t und k die Anzahl der Kontakte, die jeder Informierte in einer Zeiteinheit habe.dann gilt approximativ die Differentialgleichung di dt = ki N I N und es ist I(t) = N +(N )e kt eine Lösung. (iv) (Freier Fall) Ein Massenpunkt bewege sich nur unter Einfluss der Schwerkraft entlang der x-achse.dann gilt und mẍ = mg x(t) =x() + v()t + 2 gt2 wobei x(t) der Ort und v(t) die Geschwindigkeit zur Zeit t sind. (v) (Freier Fall mit Luftwiderstand) Für den freien Fall mit Luftwiderstand setzen wir als Differentialgleichung mẍ = mg ρẋ an, wobei ρ als Widerstandskoeffizient bezeichnet wird.als eine Lösung erhalten wir x(t) =x() + mg ρ t + m ( ) mg ρ ρ v() (e ρ m t ) Lösungen. P (t) bezeichnet die Größe der Bakterienkultur zur Teit t. Hieraus ergibt sich P (t + t) P (t) = P αp (t) t P t αp (t) bzw. dp = αp (t) dt Wir leiten nun die Lösung her. Offensichtlich ist P = eine Lösung der Gleichung, die aber wenig interessant ist. Wir nehmen an, dass es einen Zeitpunkt t mit P (t ) gibt. Da P stetig ist (P ist differenzierbar), gilt P (t) in einer Umgebung von t. Hieraus folgt t dp P (t) dt = α dp t t P (s) ds ds = αds = α(t t ) t

4 CARSTEN SCHÜTT α(t t )= P (t) P (t ) P (t) dp =ln P P (t ) P (t) =P (t )e α(t t) (ii) Die Erdbevölkerung hat sich etwa alle 35 Jahre verdoppelt. Es ließe sich also hier das Bakterienmodell anwenden. Wir erhalten für die Bevölkerungszahl P im Jahre t + 986 P (t + 986) = 5 9 e.2t und speziell P (25) 48, 7 Billionen Menschen Dies ist unrealistisch, da die feste Erdoberfläche ungefähr 49 Billionen Quadratmeter beträgt. P.F. Verhulst (84-849, belgischer Mathematiker) schlug die logarithmische Differentialgleichung dp = γp τp2 dt vor, wobei γ die Geburtsrate und τ die Sterberate ist. Diese Gleichung berücksichtigt die Verschlechterung der Lebensumstände durch die größere Bevölkerungszahl. Wir lösen nun die Gleichung. dp = γp τp 2 dt t t dp ds = t t γp(s) τp(s) 2 ds ds Wir wenden nun Partialbruchzerlegung an. P (γ τp) = γp + τ γ(γ τp) Wir erhalten t t = = = γ t t P (t) P (t ) γp(s) + γp(s) + τ dp γ(γ τp(s)) ds ds τ γ(γ τp(s)) dp P (t) ln P (t ) γ τp(t) ln γ γ τp(t ) e γ(t t) = P (t)(γ τp(t )) P (t )(γ τp(t)) γ P (t) = γ τ +( P (t ) τ)e γ(t t) (iii) Jeder Informierte hat in einer Zeiteinheit k Kontakte. Wir nehmen an, dass hiervon q(t)k Kontakte mit Nichtinformierten stattfinden, wenn q(t) der Prozentsatz der Nichtinformierten zur Zeit bezeichnet. Es gilt q(t) = N I(t) N

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 5 Also wird im Zeitintervall t von einer informierten Person an q(t)k t = N I(t) k t N Nichtinformierte die Information weitergegeben. Da es I(t) Informierte gibt, wird in einer Zeiteinheit die Information an I(t) N I(t) k t N Also gilt I I(t) N I(t) k t N bzw. di dt = ki N I N Dies ist eine logistische Differentialgleichung. Mit t =,γ = k, τ = k N und I(t ) = erhalten wir N I(t) = +(N )e kt (iv) Es sei m die Masse des Massenpunktes und v(t) =ẋ(t) = dx dt und b(t) =ẍ(t) = d2 x dt 2 sind Geschwindigkeit und Beschleunigung. Nach dem Newtonschen Kraftgesetz gilt für die Kraft K = mẍ. Ausserdem gilt in der Nähe der Erdoberfläche K = mg. Also folgt ẍ = g. t t gds = ẍ(s)ds =ẋ(t) ẋ(t ) t t t (t t )g =ẋ(t) ẋ(t ) t (s t )gds = t t ẋ(s) ẋ(t )ds 2 (t2 t 2 )g gt (t t )=x(t) x(t ) ẋ(t )(t t ) x(t) =x(t )+(ẋ(t ) gt )(t t )+ 2 g(t2 t 2 ) Mit t = und v() = ẋ() erhalten wir x(t) =x() + v()t + 2 gt2 (v) Es gilt Mit ẋ = v erhalten wir mẍ = mg ρẋ m v = mg ρv = m v mg ρv

6CARSTEN SCHÜTT Mit der Substitutionsformel erhalten wir t t m v(s) v(t) ds = t mg ρv(s) ds = m v(t ) mg ρv dv = m ρ t t mg x(t) x(t )= v(s)ds = t t ρ = mg ρ (t t )+ m ρ t t = m mg ρv(t) ln ρ mg ρv(t ) v(t) = mg ( ) mg ρ ρ v(t ) t x(t) =x() + mg ρ t + m ρ ( mg ( mg ρ v(t ) e ρ m (t t) ) ρ v(t ) e ρ m (s t) ds ) e ρ m (t t) m ρ ( mg ρ ) v() (e ρ m t ) ln mg ρv(t) mg ρv(t ) ( ) mg ρ v(t )

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 7 2. Einfache Differentialgleichungen und Lösungsmethoden (i) Richtungsfeld Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, eine Differentialgleichung graphisch zu lösen. Es stellt auch ein Hilfsmittel dar, um das Verhalten von möglichen Lösungen zu studieren und um so eventuell einen Lösungsansatz zu finden. Die Gleichung y = f(x, y) ordnet jedem Punkt (x, y) des R 2 eine Steigung zu. Aus diesen Linien- bzw. Steigungselementen kann man Lösungskurven zusammensetzen. Natürlich erhält man so keine exakten Lösungen. Beispiel. (i) y = x 2 + y 2, x [, ], y [, ] (ii) y = xy, x [, ], y [, ] (iii) y = e xy, x [, ], y [, ] y = x 2 + y 2 y = xy

8 CARSTEN SCHÜTT y = e xy (ii) Getrennte Veränderliche Es seien f :[a, b] R und g :[c, d] R stetige Funktionen und es gelte für alle y [c, d], dass g(y). Die Differentialgleichung y = f(x) g(y) hat y(x) =G (G(y(x )) + F (x) F (x )) als Lösungen. Hierbei ist G Stammfunktion von g und F von f. G ist invertierbar, da g entweder strikt positiv oder strikt negativ ist. Wir zeigen, wie man auf diese Lösungen kommt. Aus der Differentialgleichung folgt g(y)y = f(x) g(y)y dx = x Mit der Substitutionsformel folgt y(x) x f(x)dx g(y)dy = f(x)dx y(x ) x G(y(x)) G(y(x )) = F (x) F (x ) (iii) Homogene Differentialgleichungen Es sei h :[a, b] R eine stetige Funktion und ( y y = h x) Als Lösungsansatz verwenden wir u(x) = y(x) x bzw. xu(x) =y(x)

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 9 Hierbei schließen wir den Fall x = aus. u(x)+xu (x) =h(x) u = h(u) u x Dies ist eine Differentialgleichung mit getrennten Variablen. Wir können nun (ii) anwenden. Wir haben gezeigt, dass u eine Lösung von u = h(u) u x ist, falls y eine Lösung von ( y y = h x) ist. Die Umkehrung kann man ebenfalls zeigen. Beispiel. y = y x x2 y 2 ist eine homogene Differentialgleichung.Sie hat als Lösungen. ( (y(x ) 3 ) y(x) =x 3ln x x x ) 3 Lösung. Wir setzen u = y x bzw. xu = y. Dann gilt xu + u = y xu + u = u u 2 u = xu 2 bzw. u 2 u = x u 2 u dt = x x t dt Mit der Substitutionsformel folgt 3 u(x)3 + 3 u(x ) 3 =ln x ( u(x) = u(x ) 3ln x x x ) 3

CARSTEN SCHÜTT (iv) Lineare Differentialgleichungen erster Ordnung Es seien g, h :[a, b] R stetige Funktionen. Die Differentialgleichung y + g(x)y = h(x) heisst lineare Differentialgleichung erster Ordnung. Falls h =, so sagen wir, dass die Gleichung homogen ist. Dies entspricht der Terminologie der linearen Algebra und sollte nicht mit den Gleichungen von (ii) in Zusammenhang gebracht werden. Die Lösungen der homogenen linearen Differentialgleichung bilden einen -dimensionalen Teilraum des Vektorraumes C [a, b] aller stetig differenzierbaren Funktionen. (Falls y Lösung ist, dann ist y = gy notwendig stetig.) Man erhält sämtliche Lösungen der inhomogenen Gleichung, indem man zu einer speziellen Lösung der inhomogenen Gleichung die Lösungen der homogenen addiert. Falls y und y 2 Lösungen der homogenen Gleichung sind, dann gilt Wir addieren beide Gleichungen. y + gy = y 2 + gy 2 = (y + y 2 ) + g(y + y 2 )= Also ist y + y 2 eine Lösung. Genauso zeigt man, dass ay eine Lösung ist, falls a R und y eine Lösung ist. Damit ist gezeigt, dass die Lösungen der homogenen Gleichung einen Teilraum bilden. Wir zeigen nun, dass sämtliche Lösungen der homogenen Gleichung von der Form ( ) y(x) =c exp g(t)dt c R x sind, d.h. die Funktion ( ) exp g(t)dt x ist eine Basis des Lösungsraumes. Man findet diese Lösungen leicht, da y = g(x)y getrennte Variablen besitzt. Wir nehmen nun an, dass es Lösungen gibt, die von anderer Gestalt sind. Also ( ) y(x) =Φ(x) exp g(t)dt =Φ(x) exp( G(x)) x (Da die e-funktion strikt positiv ist, kann man immer hierdurch dividieren.) Es folgt y =Φ exp( G) Φg exp( G) = gy = gφ exp( G) Φ exp( G) = Φ = Nach Analysis I ist Φ damit eine konstante Funktion. y und y 2 seien Lösungen der inhomogenen Gleichung. Wir zeigen, dass y y 2 eine Lösung der homogenen Gleichung ist. Hieraus folgt sofort, dass sich alle

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN Lösungen der inhomogenen Gleichung durch eine spezielle plus sämtliche Lösungen der homogenen gewinnen lassen. y + gy = h y 2 + gy 2 = h Wir subtrahieren die zweite Gleichung von der ersten. Das Anfangswertproblem (y y 2 ) + g(y y 2 )= y + g(x)y = h(x) y(x )=y hat genau eine Lösung ) y(x) =e (y G(x) + h(t)e G(t) dt x wobei G(x) = g(t)dt x Dass es sich hierbei um eine Lösung handelt, lässt sich leicht durch Einsetzen nachprüfen. Wir wollen hier aber die Methode darstellen, mit der man diese Lösung berechnet. Es ist die Methode der Variation der Konstanten. Wir setzen y(x) =C(x)e G(x) G(x) = x g(t)dt (Man nimmt also an, dass die Konstante C, die in der homogenen Lösung auftritt, tatsächlich eine Funktion ist.) Wegen g = G folgt y + gy = C e G + C( G )e G + gce G = h C e G = h bzw. C = he G x h(t)e G(t) dt = x C (t)dt = C(x) C(x ) C(x) =C(x )+ h(t)e G(t) dt x ) y(x) =C(x)e G(x) = e (C(x G(x) )+ h(t)e G(t) dt x Die Bedingung y(x )=y führt wegen G(x ) = auf ) y(x) =C(x)e G(x) = e (y G(x) + h(t)e G(t) dt x Die Eindeutigkeit dieser Lösung folgt, da wir die Gesamtheit aller Lösungen kennen.

2 CARSTEN SCHÜTT (v) Bernoulli-Gleichung (Johann Bernoulli, 667-748) Johann war der jüngere der Brüder Bernoulli. Sein Vater wollte, dass er Kaufmann wird, und, als dies nichts wurde, sollte er Medizin studieren. Er hat bei seinem älteren Bruder Jakob Mathematik studiert. Johann bearbeitete das Brachistochronen-Problem: Welches ist der Weg, auf dem sich ein Massenpunkt unter Schwerkraft in kürzester Zeit von einem Punkt zum nächsten bewegt. Die zugehörige Differentialgleichung lautet a y y = y Er fand heraus, dass es sich um eine Zykloide handelt. x = r(φ sin φ) y = r( cos φ) Er forderte andere Mathematiker heraus, das Problem zu lösen. Er verriet nur, dass die Lösung eine wohlbekannte Kurve ist. Insbesondere schickte er einen Brief an Newton, weil er vermutete, dass Newton Methoden von Leibniz gestohlen hatte und deshalb wohl nicht in der Lage sei, das Problem zu lösen. Newton erhielt den Brief am 29..697 gegen 6 Uhr und hatte einen anstrengenden Tag hinter sich. Gegen 4 Uhr morgens hatte er das Problem gelöst. Wegen dieses Vorganges schrieb Leibniz einen Brief an die Royal Society und erklärte, dass er nichts damit zu tun habe. Die Lösungen des Brachistochronen Problems von Newton, Leibniz, Jakob Bernoulli und Johann Bernoulli sind gemeinsam im Mai 697 in der Zeitschrift Acta Eruditorum veröffentlicht worden. Man bezeichnet y + g(x)y + h(x)y α = α als Bernoulli-Gleichung, wobei g, h :[a, b] R stetige Funktionen sind. Wir lösen dies Gleichung. Wir können diese Gleichung auf eine lineare Differeentialgleichung zurückführen. Man multipliziert die Gleichung mit ( α)y α. ( α)y α y +( α)g(x)y α +( α)h(x) = (y α ) +( α)g(x)y α +( α)h(x) = Wir setzen z = y α und erhalten z +( α)g(x)z +( α)h(x) = Dies ist eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung. (vi) Riccati-Gleichung (J.F. Riccati, 676-754) Es seien g, h, k :[a, b] R stetige Funktionen. Man nennt y + g(x)y + h(x)y 2 = k(x)

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 3 eine Riccati-Differentialgleichung. Falls man eine spezielle Lösung der Riccati- Gleichung kennt, so kann man die Riccati-Gleichung in eine Bernoulli-Gleichung überführen: Es sei φ eine bekannte Lösung der Riccati-Gleichung. Dann folgt aus Mit erhalten wir Dies ist eine Bernoulli-Gleichung. φ + gφ + hφ 2 = k y + gy + hy 2 = k (y φ) + g(y φ)+h(y 2 φ 2 )= y 2 φ 2 =(y φ)(y + φ) =(y φ)(y φ +2φ) (y φ) +(g +2φh)(y φ)+h(y φ) 2 =

4 CARSTEN SCHÜTT 3. Exakte Differentialgleichungen Es seien P, Q : (a, b) (c, d) R stetige Funktionen. Man sagt, dass die Differentialgleichung P (x, y)+q(x, y) dy dx = exakt ist, falls es eine Funktion F :(a, b) (c, d) R gibt, so dass F x = P F y = Q und falls P und Q stetig sind. In diesem Fall lässt sich eine solche Gleichung leicht lösen. Mittels Kettenregel folgt. df (x, y(x)) dx = F(x, y) x + F(x, y) y dy dx = Also gilt df (x, y(x)) = bzw. F (x, y(x)) = c dx D.h. dass y eine implizite Funktion der Gleichung F (x, y) =c ist. Satz. Es seien P, Q :(a, b) (c, d) R stetige Funktionen.Die Differentialgleichung P (x, y)+q(x, y) dy dx = sei auf (a, b) (c, d) exakt und F sei eine Stammfunktion.Dann ist y genau dann eine Lösung der Differentialgleichung auf (a, b), wenn es ein c gibt, so dass für alle x (a, b) F (x, y(x)) = c gilt. Satz. Es seien P, Q :(a, b) (c, d) R stetig differenzierbare Funktionen.Die Differentialgleichung P (x, y)+q(x, y) dy dx = ist genau dann exakt, wenn auf (a, b) (c, d) P y = Q x gilt. Beweis. Wir nehmen zunächst an, dass es eine Stammfunktion F gibt. Aus der Vorlesung Analysis II wissen wir, dass für eine zweimal stetig differenzierbare Funktion F :(a, b) (c, d) R 2 F x y = 2 F y x

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 5 gilt. Andererseits gilt Q x = 2 F y x 2 F y x = P y Wir nehmen nun an, dass P y = Q x F (x, y) = (x,y) gilt. Wir setzen (x,y ) P (s, t)ds + Q(s, t)dt Zur Wohldefiniertheit dieses Kurvenintegrals muss man zeigen, dass es über geschlossene Wege ist. Nach dem Satz von Green gilt G P (s, t)ds + Q(s, t)dt = G Q x P d(s, t) = t Beispiel. Die Differentialgleichung 2xy 3 +3x 2 y 2 dy dx = ist exakt und hat als Lösungen. y = cx 2 3 c R Lösung. Aus P (x, y) =2xy 3 Q(x, y) =3x 2 y 2 folgt P y =6xy2 Q x =6xy2 Nach Satz existiert eine Stammfunktion F.Für eine solche Stammfunktion muss F x =2xy3 F y =3x2 y 2 Hieraus folgt F (x, y) =x 2 y 3 + φ(y) F (x, y) =x 2 y 3 + ψ(x) gelten, wobei φ und ψ differenzierbare Funktionen sind. Damit folgt weiter F (x, y) =x 2 y 3 + c Also gilt für die Lösungen x 2 y 3 = c. Schließlich erhalten wir y = cx 2 3 c R

6CARSTEN SCHÜTT Durch Einsetzen in die Differentialgleichung erhalten wir, dass dies (sämtliche) Lösungen auf (, ) sind. Ist die Differentialgleichung P (x, y)+q(x, y) dy dx = nicht exakt, so kann man versuchen eine Funktion M(x, y) zu finden, so dass M(x, y)p (x, y)+m(x, y)q(x, y) dy dx = exakt ist. Falls M überall von verschieden ist, so gilt genau dann P (x, y)+q(x, y) dy dy = wenn M(x, y)p (x, y)+m(x, y)q(x, y) dx dx = und die Lösungen beider Gleichungen sind identisch. Wir müssen also eine Funktion M finden, so dass MP y = MQ x gilt. M heißt integrierender Faktor. Dies kann möglicherweise schwerer sein, als die ursprüngliche Gleichung zu lösen. Man ist auf Intuition und Glück angewiesen. In manchen Fällen gibt es eine solche Funktion, die nur von x abhängt. Dann vereinfacht sich das Problem zu M P y = QdM dx + M Q dm bzw. x dx = M ( P Q y Q ) x Beispiel. Die Differentialgleichung (3xy + y 2 )+(x 2 + xy) dy dx = ist nicht exakt.ein integrierender Faktor ist M(x) =x.lösungen der Gleichung sind 2c y = x ± x 2 + x2 x, 2c > x 4 Lösung. Aus folgt P (x, y) =3xy + y 2 P y =3x +2y Q Q(x, y) =x 2 + xy x =2x + y

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 7 Wir suchen nach einem integrierenden Faktor M, der nur von x abhängt. dm dx = M (3x +2y) (2x + y) x 2 + xy = M x + y x(x + y) = M x Wir lösen die Gleichung und finden, dass M(x) =x eine Lösung ist. Deshalb ist (3x 2 y + xy 2 )+(x 3 + x 2 y) dy dx = eine exakte Gleichung. Wir lösen sie. Es muss gelten F x =3x2 y + xy 2 F y = x3 + x 2 y Hieraus folgt F (x, y) =x 3 y + 2 x2 y 2 + φ(y) F (x, y) =x 3 y + 2 x2 y 2 + ψ(x) Somit erhalten wir und die Lösungen erfüllen F (x, y) =x 3 y + 2 x2 y 2 + c x 3 y + 2 x2 y 2 = c y 2 +2xy = 2c y = x ± x 2 2c x 2 + x2

8 CARSTEN SCHÜTT Clairaut und d Alembert Alexis C. Clairaut, 73-765, wurde in Paris geboren und war das, was man als Wunderkind bezeichnet. Mit zehn Jahren las er l Hopitals Analyse des inifiniment petits und hielt mit 2 Jahren einen Vortrag an der Pariser Akademie der Wissenschaften. Mit 8 wurde er Mitglied der Akademie und forschte dann auf dem Gebiet der Himmelsmechanik. Später interessierte er sich für Pädagogik und schrieb Lehrbücher. Jean d Alembert wurde als Kind von seiner Mutter auf den Stufen einer Pariser Kirche ausgesetzt. Sie hatte ihr Gelöbnis als Nonne gebrochen und befürchtete grössere Schwierigkeiten. d Alembert wurde von einer armen Familie adoptiert, wurde aber von seinem leiblichen Vater finanziell unterstützt. 738 wurde er Rechtsanwalt, interessierte sich aber für Mathematik. Er studierte Mathematik selbst und veröffentlichte Arbeiten auf den Gebieten Differentialgleichungen und Hydrodynamik. 74 wurde er Mitglied der Pariser Akademie und wurde einer der führenden Mathematiker seiner Zeit. In einigen Fällen lässt sich eine Differentialgleichung dadurch lösen, dass man y als Parameter p einführt und die Lösung in Parameterform (x(p),y(p)), p [a, b], angibt. Die Differentialgleichung y = xy + g(y ) heisst Clairaut-Differentialgleichung. Wir nehmen hier an, dass g C [a, b] gilt. Wir lösen diese Differentialgleichung, indem wir y = p als Parameter einführen. Nach der Kettenregel gilt p = y = dy dx = dy dp dp dx = bzw. p dx dp = dy dp (Wir nehmen an, dass diese Ausdrücke sinnvoll sind. Wir werden sehen, dass wir mit diesem Ansatz Lösungen erhalten.) Wir haben also y(p) = x(p)p + g(p) pẋ =ẏ Wir differenzieren die erste Gleichung nach p. ẏ = pẋ + x +ġ Wegen pẋ =ẏ folgt x = ġ. Somit haben wir, dass x(p) = ġ(p) y(p) = pġ(p)+g(p) dy dp dx dp

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 9 eine Lösung ist, falls x(p) invertierbar ist, d.h. falls z.b. ẋ(p) = g(p) Ausserdem ist auch für alle c [a, b] die Funktion y = cx + g(c) c R eine Lösung. Dies rechnet man leicht nach. Es handelt sich um eine Schar von Geraden. Man stellt fest, dass die Lösung in Parameterdarstellung die Enveloppe der Geradenschar ist, d.h. zu jedem Punkt der Lösungskurve gibt es eine Gerade, die in genau dem Punkt die Kurve tangiert. Die Kurve wird in dem Punkt von der Geraden (x(p),y(p)) = ( ġ(p), pġ(p)+g(p)) y = px + g(p) tangiert. Die Steigung der Geraden ist p und die Steigung der Kurve im Punkt (x(p),y(p)) ebenfalls p, weil p = dy dx gilt. Ausserdem liegt der Punkt (x(p),y(p)) sowohl auf der Kurve, als auch auf der Geraden. Die Differentialgleichung y = xf(y )+g(y ) heisst Differentialgleichung von d Alembert. Wir nehmen an, dass f,g C [a, b] gilt. Wir führen y = p als Parameter ein. y(p) =xf(p)+g(p) ẏ = pẋ Wir differenzieren die erste Gleichung nach p. Wegen pẋ =ẏ folgt ẏ =ẋf + x f +ġ ẋ(p f) =x f +ġ Also gilt f(p) ẋ = x p f(p) + ġ(p) p f(p) falls p f(p). Dies ist eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung. Wir lösen dies und erhalten damit eine Lösung der d Alembert-Gleichung in Parameterform. Falls es ein c R mit f(c) =c gibt, so ist y = cx + g(c) x R eine Lösung.

2 CARSTEN SCHÜTT Beispiel. (i) y = xy + e y ist eine Differentialgleichung von Clairaut. y = cx + e c c R ist die Lösungsschar der Geraden.Die Enveloppe ist y = x(ln( x) ) x< (ii) y = xy + y ist eine Differentialgleichung von Clairaut.Die Lösungsschar der Geraden ist y = cx + c c R und die Enveloppe ist y = ±2 x x > 6 4 2-5 -4-3 -2 - -2

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 2 Lösung. (i) Die Lösungsschar der Geraden erhält man unmittelbar, indem man für y die Konstante c einsetzt. Die Parameterdarstellung der Enveloppen ist x(p) = e p y(p) = pe p + e p Es folgt p =ln( x) und y = x(ln( x) ) (ii) Für die Enveloppe erhalten wir x(p) = p 2 y(p) = 2 p Damit folgt y 2 =4x.

22 CARSTEN SCHÜTT Der Satz von Peano (G. Peano, 858-932) Wir wollen hier untersuchen, unter welchen Voraussetzungen das Anfangswertproblem y = f(x, y) y(x )=y eine Lösung hat. (Wir nehmen i.a. an, dass f stetig ist.) Wir beobachten, dass y genau dann eine Lösung des Anfangswertproblems ist, falls y(x) =y + f(t, y(t))dt x gilt. Die Äquivalenz ergibt sich durch einfaches Integrieren bzw. Differenzieren. Satz. (Peano) Es sei f :[x,x + a] [y b, y + b] R eine stetige Funktion und { } b M = max f(x, y) c = min a, x [x,x +a] M y [y b,y +b] Dann existiert eine Lösung y des Anfangswertproblems y = f(x, y) mit y(x )=y, die auf [x,x + c] oder einem größeren Intervall definiert ist. Satz. (Peano) Es sei f :[x,x +a] R R eine stetige, beschränkte Funktion und Dann existiert eine Lösung y des Anfangswertproblems y = f(x, y) mit y(x )=y, die auf [x,x + a] definiert ist. Wir wollen veranschaulichen, weshalb eine Lösung im Intervall [x,x + c] mit c = min{a, b M } existiert. Wegen y = f(x, y) gilt in [x,x + a] [y b, y + b] y (x) f(x, y(x)) M Deshalb befindet sich y in dem Keil, der durch die Geraden gebildet wird, deren Steigungen M und M sind und die sich in (x,y ) schneiden.

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 23 y = M(x x )x + y y y = M(x x )x + y x Beispiel. [He, p.69] Das Anfangswertproblem y = x 2 + y 2 y() = hat eine Lösung, die auf [, 5 ] oder einem grösseren Intervall existiert.(die Lösungen sind nicht durch elementare Funktionen darstellbar.) Beweis. Wir schränken f auf [, 2 ] [ 2, 3 2 ] ein. f ist stetig. Es gilt M = max x 2 + y 2 =( x [, 2 )2 +( 3 5 2 )2 = 2 ] 2 y [ 2, 3 2 ] Damit erhalten wir { } { b c = min a, = min M 2, } = 5 5 Beispiel. (Torricellis Gesetz) [Dr] Wir betrachten einen Behälter, der mit Wasser gefüllt ist und am Boden ein kleines Loch hat.evangelista Torricelli (68-647) fand heraus, dass die Menge des Wassers, das herausläuft, proportional zur Wurzel der Wasserhöhe im Behälter ist. y(t) sei die Wasserhöhe zur Zeit t.dann gilt { k y y y = y<

24 CARSTEN SCHÜTT Bevor sich Torricelli mit dem Problem beschäftigte, glaubte man, dass die Wassermenge proportional zur Höhe y sei. y ist die Änderung der Wasserhöhe und damit direkt proportional zur Wassermenge, die aus dem Loch herausläuft. Lösung. Wir erstellen zunächst die Differentialgleichung. Wir nehmen im weiteren an, dass der Behälter ein Zylinder ist, deren Grundfläche den Flächeninhalt F Z hat. Das Loch habe den Flächeninhalt F L. In einigen Lehrbüchern findet man als Erklärung, dass ein Wassertropfen, der sich imfreien Fall von einer Höhe y> befindet, bei der Höhe die Geschwindigkeit 2gy erreicht hat. Man kann aber wohl kaum sagen, dass sich die Wassertropfen im freien Fall befinden. Wir nehmen an, dass sich das Wasser nicht bewegt, die kinetische Energie des Wasser also ist und damit die Bewegungsenergie des Wasser demnach gleich der potentiellen Energie ist. Die potentielle Energie eines Moleküls ist gleich mgh, wobei h der Abstand des Moleküls vom Boden ist. Der Energieverlust, in dem Fall, dass wir einen Tropfen von der Wasseroberfläche entfernen, sollte derselbe sein, falls ein Wassertropfen aus dem Loch austritt. Die Energie eines Tropfens auf der Wasseroberfläche ist gleich der potentiellen Energie mgy. Die Energie eines Tropfen, der aus dem Loch austritt, ist gleich der kinetischen Energie 2 mv2. Also gilt v = 2gy Dieses Argument ist nicht richtig, wenn das Loch groß ist. In diesem Fall tritt im Wasser eine Strömung auf und die kinetische Energie, der Moleküle im Behälter ist nicht mehr. Es sei y die Änderung der Wasserhöhe in der Zeit t (beachte, dass y <). Dann gilt für den Wasserverlust im Zylinder Also gilt F Z y F L v t = F L 2gy t dy dt = F L F Z 2gy Wir erhalten 2gy(t) 2gy(t )= F L (t t ) F Z falls y(t) > und damit y(t) = ( y(t ) F ) 2 L (t t ) 2gFZ Als Lösung erhält man für den Anfangswert y() = y > y(t) = { ( y k 2 t) 2 t 2 k y 2 k y <t

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 25 Für den Anfangswert y(t ) = erhalten wir viele Lösungen. Für jedes t mit t t ist { ( k y(t) = 2 t k 2 t) 2 t<t t t eine Lösung. Ein metrischer Raum (X, d) ist eine Menge X mit einer Metrik d. (i) x, y X : d(x, y) (ii) x, y X : d(x, y) = x = y (iii) x, y X : d(x, y) =d(y, x) (iv) x, y, z X : d(x, y) d(x, z)+d(z,y) Ein metrischer Raum heißt vollständig, falls jede Cauchy-Folge konvergiert. Falls X ein Vektorraum mit einer Norm ist, so ist X bzgl d(x, y) = x y ein metrischer Raum. Falls ein Vektorraum bzgl. dieser Metrik vollständig ist, so heisst er Banachraum. Wir sagen auch, dass der Vektorraum bzgl. der Norm vollständig ist. Eine Teilmenge Y eines metrischen Raumes X ist mit der gegebenen Metrik d wiederum ein metrischer Raum. Eine abgeschlossene Teilmenge eines vollständigen Raumes ist wiederum vollständig. Lemma. (i) C[a, b] ist bzgl.der Norm φ = max x [a,b] φ(x) ein Banachraum. (ii) Es sei x [a, b] und y R, M R.Dann ist {φ C[a, b] φ(x )=y und φ(x) y M} eine abgeschlossene Teilmenge von C[a, b] und damit ein vollständiger, metrischer Raum bzgl. d(φ,ψ)= φ ψ. Beweis. (i) Wir müssen zeigen, dass C[a, b] vollständig ist. Es sei φ n, n N, eine Cauchy-Folge in C[a, b]. ɛ > N n, m > N : d(φ n,φ m ) <ɛ ɛ > N n, m > N : max φ n(x) φ m (x) <ɛ x [a,b] ɛ > N n,m>n x [a, b] : φ n (x) φ m (x) <ɛ Insbesondere ist φ n (x), n N, für jedes x eine Cauchy-Folge und konvergiert deshalb gegen einen Wert φ(x). ɛ > N n >N x [a, b] m >N: φ n (x) φ m (x) <ɛ

26CARSTEN SCHÜTT Es folgt ɛ > N n >N x [a, b] : φ n (x) φ(x) <ɛ Da die Funktionen φ n, n N, stetig sind und gleichmäßig gegen φ konvergieren, so ist nach Analysis I,II auch stetig und damit φ C[a, b]. ɛ > N n >N : d(φ n (x),φ(x)) <ɛ Es sei (X, d) ein metrischer Raum und T : X X eine Abbildung. Ein Punkt z X heißt Fixpunkt von T, falls T(z)=z. Eine Lösung des Anfangswertproblems ist also ein Fixpunkt der Abbildung T : C[x,x + c] C[x,x + c] Ty(x) =y + f(t, y(t))dt x Ein metrischer Raum (X, d) heisst total beschränkt, falls es für alle ɛ> eine endliche Teilmenge E von X gibt, so dass für alle x X ein y E mit d(x, y) <ɛ existiert. Lemma. Es sei (X, d) ein metrischer Raum.Dann sind äquivalent: (i) (X, d) ist kompakt. (ii) (X, d) ist vollständig und total beschränkt. (iii) Jede Folge hat eine konvergente Teilfolge. Eine Teilmenge K eines Vektorraumes heisst konvex, falls für alle x, y K und alle λ mit λ λx +( λ)y K gilt. Hieraus folgt durch Induktion, dass für alle x,...,x n K und alle λ,...,λ n R mit λ i und n i= λ i = n λ i x i K i= gilt. Die konvexe Hülle einer Menge M ist der Durchschnitt aller konvexen Mengen, die die Menge M als Teilmenge enthalten. Falls M eine endliche Menge ist, d.h. M = {x,...,x m }, dann schreiben wir für die konvexe Hülle [x,...,x m ]. Lemma. (Fixpunktsatz von Brouwer) Es sei B2 n = {x R n n i= x2 i } und T : B2 n B2 n sei stetig.dann besitzt T mindestens einen Fixpunkt.

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 27 Lemma. Es sei K eine konvexe, kompakte Teilmenge des R n und T : K K sei stetig.dann besitzt T mindestens einen Fixpunkt. Lemma. Es sei E ein n-dimensionaler, reeller Vektorraum.Dann gibt es eine lineare Abbildung A : E R n, die bijetiv und stetig ist und deren Inverse ebenfalls stetig ist. Jede lineare Abbildung zwischen endlich-dimensionalen Vektorräumen ist stetig. Satz. (Fixpunktsatz von Schauder) Es sei E ein normierter Vektorraum, K eine konvexe Teilmenge von E und C eine nicht-leere, kompakte Teilmenge von K.Dann besitzt jede stetige Abbildung f : K C mindestens einen Fixpunkt. Juliusz Schauder, 899-943, polnischer Mathematiker. Er wurde 943 von der deutschen Besatzung in Polen ermordet. Der Beweis ist eine Reduktion des unendlich-dimensionalen Falles auf den endlichdimensionalen Fall. Im Beweis approximieren wir eine kompakte Menge durch eine endlich-dimensionale. Beweis. Es sei ɛ>. Dann ist B(x, ɛ) ={y x y <ɛ} x C eine offene Überdeckung von C. Also gibt es eine endliche Teilüberdeckung B(x i,ɛ) i =,...,m von C. Wir definieren φ i : C R { ɛ x xi falls x C und x x i <ɛ φ i (x) = sonst Es gilt für alle x C φ i (x) m φ i (x) > i= und die Funktionen φ i, i =,...,m, sind stetig. Wir setzen nun ψ i : C R, i =,...,m φ i (x) ψ i (x) = m i= φ i(x) Dann gilt ψ i (x) und m m i= ψ i (x) = φ i(x) m i= φ i(x) = i=

28 CARSTEN SCHÜTT Wir definieren g : C [x,...,x m ] g(x) = m ψ i (x)x i i= g ist wohldefiniert, weil m i= ψ i(x)x i [x,...,x m ]. Dies folgt aus der Konvexität von [x,...,x m ]. Wir zeigen nun, dass für alle x C g(x) x <ɛ gilt. m g(x) x = ψ i (x)x i x i= m m = ψ i (x)x i ψ i (x)x = m ψ i (x)(x i x) i= i= i= Da ψ i (x) =für x mit x i x ɛ gilt, folgt g(x) x = ψ i (x)(x i x) {i x i x <ɛ} {i x i x <ɛ} ψ i (x) x i x <ɛ m ψ i (x) =ɛ Wir betrachten nun g f : K [x,...,x m ] und schränken sie auf [x,...,x m ] ein g f [x,...,x m] : [x,...,x m ] [x,...,x m ]. g f [x,...,x m] ist eine stetige Abbildung der konvexen Menge in sich. [x,...,x m ] ist Teilmenge der linearen Hülle LH(x,...,x m ). Die lineare Hülle ist ein n-dimensionaler Teilraum von E, n m. Nach Lemma gibt es eine lineare, stetige Abbildung T : R n LH(x,...,x m ), deren Inverse existiert und stetig ist. Die Menge T ([x,...,x m ]) ist konvex, weil T eine lineare Abbildung ist. T g f [x,...,x m] T : T ([x,...,x m ]) T ([x,...,x m ]) ist eine stetige Abbildung einer kompakten, konvexen Menge vom R n auf sich. Nach Lemma hat diese Abbildung einen Fixpunkt z. T g f [x,...,x m] T (z) =z g f [x,...,x m] T (z) =T (z) Somit ist w = T (z) ein Fixpunkt von g f [x,...,x m]. Wie erhalten i= f(w) w = f(w) g(f(w)) <ɛ Es folgt ɛ > w ɛ K : f(w ɛ ) w ɛ <ɛ

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 29 Insbesondere gilt n N w n K : f(w n ) w n < n Da f von K nach C abbildet, ist f(w n ), n N, eine Folge in der kompakten Menge C. Damit existiert eine konvergente Teilfolge f(w nk ), k N. Weiter gilt lim k f(w n k )=u u w nk = u f(w nk )+f(w nk ) w nk u f(w nk ) + f(w nk ) w nk Der zweite Summand ist kleiner als n k. Der erste Summand wird wegen lim k f(w nk )= u beliebig klein. Es folgt, dass lim k w nk = u. Hieraus folgt u = lim k f(w n k )=f( lim k w n k )=f(u) Also hat f einen Fixpunkt u C. Eine Menge F von Funktionen von einem metrischen Raum (X, d) in einen metrischen Raum (Y,d) heisst gleichstetig, falls für alle x X und alle ɛ > ein δ> existiert, so dass für alle y mit d(x, y) <δund alle f F d(f(x),f(y)) <ɛ gilt ( x X ɛ > δ > y X, d(x, y) <δ, f F : d(f(x),f(y)) <ɛ). Wir sagen, dass F gleichmässig gleichstetig ist, falls für alle ɛ> ein δ> existiert, so dass für alle x, y mit d(x, y) <δund alle f F d(f(x),f(y)) <ɛ gilt ( ɛ > δ > x, y X, d(x, y) < δ, f F : d(f(x), f(y)) < ɛ). Man bezeichnet eine Menge, die gleichmässig gleichstetig ist als gleichgradig stetig. Beispiel. Es sei f n :[, ) R, f n (x) =x n, n N.Die Menge f n, n N, ist gleichstetig, aber nicht gleichmässig gleichstetig. Satz. Es sei (X, d) ein kampakter, metrischer Raum und (Y,d) ein metrischer Raum.Dann ist eine Menge F von Funktionen von X nach Y genau dann gleichstetig, wenn sie gleichmässig gleichstetig ist. Beweis. Aus der gleichmässigen Gleichstetigkeit folgt offenbar die Gleichstetigkeit. Wir zeigen nun die Umkehrung. Wir nehmen an, dass die Implikation falsch ist, dass also eine gleichstetige Menge F existiert, die nicht gleichmässig gleichstetig ist. Die gleichmässige Gleichstetigkeit bedeutet ɛ > δ > x, y, d(x, y) <δ f F : d(f(x),f(y)) <ɛ

3 CARSTEN SCHÜTT Die Verneinung hiervon ist Insbesondere gilt ɛ > δ > x, y, d(x, y) <δ f F : d(f(x),f(y)) ɛ ɛ > n N x n,y n,d(x n,y n ) < n f n F : d(f n (x n ),f(y n )) ɛ Da X kompakt ist, hat die Folge x n, n N, eine konvergente Teilfolge. lim x n k = x k Damit folgt auch Weiter gilt lim y n k = x k ɛ > k N x nk,y nk,d(x nk,y nk ) < n k f nk F : d(f nk (x nk ),f(y nk )) ɛ Nach Voraussetzung ist F gleichstetig. ɛ > z X δ > y X, d(z,y) <δ, f F : d(f(z),f(y)) <ɛ Wir wählen z = x. Dann gilt ɛ > k ɛ k>k ɛ f F : d(f(x),f(x nk )) <ɛ und d(f(x),f(y nk )) <ɛ Mit der Dreiecksungleichung folgt ɛ > k ɛ k>k ɛ f F : d(f(y nk ),f(x nk )) < 2ɛ Satz. (Arzela-Ascoli) Es sei (X, d) ein kompakter, metrischer Raum und F eine Teilmenge von C(X). F ist genau dann total beschränkt, wenn F in C(X) beschränkt und gleichstetig ist. Beispiel. Es sei f n :[, ] R, f n (x) =x n, n N.Dann ist die Menge f n, n N, nicht in C[, ] total beschränkt und damit nicht kompakt. Beweis von Beispiel. Wir zeigen, dass f n, n N, nicht gleichstetig sind. Gleichstetigkeit bedeutet x [, ] ɛ > δ > y [, ], x y <δ, n N : x n y n <ɛ Die Negation ist x [, ] ɛ > δ > y [, ], x y <δ, n N : x n y n ɛ

Wir wählen Damit gilt GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 3 x = ɛ = 2 y = 2 δ n > ln 2 ln( 2 δ) x n y n = ( 2 δ)n Wenn wir für n eine kleinere, positive Zahl einsetzen, dann wird der Ausdruck kleiner. Wir setzen nun für n die Zahl ln 2 ln( 2 δ) ein und erhalten ln x n y n ( 2 δ) 2 ln( 2 δ) = e ln 2 = 2 Beweis vom Satz von Peano. Es sei T : C[x,x + c] C[x,x + c] Ty(x) =y + f(t, y(t))dt x und X = {y C[x,x + c] x [x,x + c] : y(x) y b} X ist eine konvexe Menge und T (X) X. T (X) ist gleichstetig. z Ty(x) Ty(z) = f(t, y(t))dt f(t, y(t))dt f(t, y(t)) dt M x z x x z Es gilt Ty(x) y = f(t, y(t))dt M x x Mc b x Mit dem Satz von Arzela-Ascoli folgt, dass T (X) total beschränkt und damit T (X) kompakt ist. Mit dem Fixpunktsatz von Schauder folgt, dass es ein y X gibt, so dass Ty = y

32 CARSTEN SCHÜTT 6. Der Satz von Picard-Lindelöf und der Fixpunktsatz von Banach Wir wollen hier untersuchen, unter welchen Voraussetzungen das Anfangswertproblem y = f(x, y) y(x )=y eine Lösung hat und wann sie eindeutig ist. (Wir nehmen i.a. an, dass f stetig ist.) Wir beobachten, dass y genau dann eine Lösung des Anfangswertproblems ist, falls y(x) =y + f(t, y(t))dt x gilt. Die Äquivalenz ergibt sich durch einfaches Integrieren bzw. Differenzieren. Die Picard-Iteration ist die Folge y (x) =y y n+ (x) =y + f(t, y n (t))dt n =, 2,... x Es stellt sich heraus, dass diese Folge unter bestimmten Voraussetzungen gegen die Lösung konvergiert. Beispiel. y = y y() = Wir wissen natürlich, dass y = e x die Lösung ist. Picard-Iteration studieren. y (x) =y() = y (x) =+ y 2 (x) =+ y 3 (x) =+ dt =+x +tdt =+x + 2 x2 +t + 2 t2 =+x + 2 x2 + 3! x3 Durch Induktion erhält man für die n-te Iteration n x n y n (x) = n =,, 2,... n! k= Diese Folge konvergiert punktweise gegen die e-funktion. Wir wollen hier aber die Es sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Abbildung T : X X heißt Kontraktion, falls es ein Θ mit Θ < gibt, so dass für alle x, y X d(t (x),t(y)) Θd(x, y) gilt.

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 33 Satz. (Fixpunktsatz von Banach) Es sei (X, d) ein vollständiger, metrischer Raum und T eine Kontraktion auf X.Dann gibt es genau einen Fixpunkt von T. Beweis. Wir wählen ein beliebiges x X und bilden die folgende Iteration x n+ = T (x n ) n =,, 2,... Wir zeigen, dass die Folge eine Cauchy-Folge ist, deren Grenzwert ein Fixpunkt von T ist. Es gilt Mit Induktion zeigen wir d(x n+,x n )=d(t (x n ),T(x n )) Θd(x n,x n ) d(x n+,x n ) Θ n d(x,x ) Für m>nerhalten wir mit der Dreiecksungleichung d(x m,x n ) m k=n d(x k+,x k ) m k=n Θ k d(x,x ) m n Θ n d(x,x ) Θ k Θ n d(x,x ) k= k= Θ k = d(x,x ) Θn Θ Also ist x n, n N eine Cauchy-Folge. Sie konvergiert gegen einen Punkt z, weil (X, d) vollständig ist. Wir zeigen, dass z ein Fixpunkt ist. Mit der Stetigkeit von T folgt z = lim n x n = lim n T (x n ) =T ( lim n x n ) =T (z) Wir nehmen an, dass es zwei ver- Wir zeigen, dass z der einzige Fixpunkt ist. schiedene z und y gibt. Dann gilt d(y, z) =d(t (y),t(z)) Θd(y, z) Da Θ < gilt, folgt d(y, z) = und damit y = z. Der Beweis liefert auch eine Fehlerabschätzung d(z,x n ) d(x,x ) Θn Θ

34 CARSTEN SCHÜTT Beispiel. (i) Es sei (X, d) ein metrischer Raum und id die identische Abbildung von X auf sich.dann ist jeder Punkt aus X ein Fixpunkt. id ist keine Kontraktion. (ii) Es sei (R,d) mit d(x, y) = x y und T : R R mit T (x) = 2x+. T hat den Fixpunkt 2 und T ist eine Kontraktion.Nach dem Fixpunktsatz gilt für alle x R lim n T n x =2 (iii) Es sei ([, 2 ],d) mit d(x, y) = x y und T :[, 2 ] [, 2 ] mit T (x) =x2. T ist keine Kontraktion und hat den eindeutigen Fixpunkt.Für alle x [, 2 ] gilt lim n T n x = (iv) Graphische Darstellung des Iterationsverfahrens Es sei x ein Fixpunkt von T : R R.Dann ist x Schnittpunkt des Graphen von T mit der Geraden y = x. x T (T (x )) T (x ) Beweis. (iii) Wir zeigen, dass T keine Kontraktion ist. Falls T eine Kontraktion wäre, dann gäbe es ein Θ mit Θ <, so dass für alle x, y mit x, y 2 x 2 y 2 Θ x y Es folgt x + y Θ Wir wählen x = 2 und y = 2. Wir erhalten Θ. Dies ist ein Widerspruch.

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 35 Beispiel. C = {f C[, ] f() =,f() =, f(t) } mit der Metrik d(f,g) = max f(t) g(t) t Die Abbildung T : C C sei durch Tf(t) =t f(t) definiert. T besitzt keinen Fixpunkt, aber es gilt für alle f,g mit f g d(t (f),t(g)) <d(f,g) Beweis. Wir nehmen an, dass T einen Fixpunkt f hat. Dann gilt für alle t [, ] die Gleichung f(t) =tf(t). Für t< folgt, dass f(t) =. Da andererseits f() = gilt, ist f unstetig. Dies ist ein Widerspruch. Wir zeigen nun, dass d(t (f),t(g)) <d(f,g) gilt. d(t (f),t(g)) = max t f(t) g(t) t Die Funktion t f(t) g(t) ist stetig und nimmt deshalb ihr Maximum auf [, ] an. Falls dies für t = angenommen wird, erhalten wir wegen f() = g() =, dass d(t (f),t(g)) =. Wenn dies für ein t< angenommen wird d(t (f),t(g)) = max t f(t) g(t) td(f,g) t Beispiel. Es sei C eine abgeschlossene, beschränkte, konvexe Menge und T : C C eine Abbildung, deren Lipschitzkonstante gleich ist.dann besitzt T eine approximativen Fixpunkt inf{ T (x) x x C} = Man kann auf die Voraussetzng, dass C beschränkt ist, nicht verzichten, Dazu betrachten man die reellen Zahlen mit der positiven Halbachse als C und T (t) =t+. Beispiel. (i) (Heron von Alexandrien) Wir setzen a =und für n a n+ = ( a n + 2 ) 2 a n Dann gilt lim a n = 2 n (ii) (Newton Iteration) Es sei x>.wir setzen a =und für n a n+ = ) (a n + xan 2 Dann gilt und für alle n =2, 3,... gilt lim n a n = x a n x x a n

36CARSTEN SCHÜTT Satz. (Picard-Lindelöf) Es sei f :[x,x + a] [y b, y + b] R stetig und es sei L>, so dass für alle x [x,x + a] und alle y,y 2 [y b, y + b] gilt.dann hat das Anfangswertproblem f(x, y ) f(x, y 2 ) L y y 2 y = f(x, y) y(x )=y genau eine Lösung, die auf [x,x + c] mit c = min{a, b M } und M = oder einem größeren Intervall existiert. max f(x, y) x [x,x +a] y [y b,y +b] Falls eine Funktion die Voraussetzungen des Satzes erfüllt, so sagt man auch, dass sie einer Lipschitzbedingung genügt. Die Konstante L bezeichnet man als Lipschitzkonstante. Korollar. Es sei f :[x,x + a] R R stetig und es sei L>, so dass für alle x [x,x + a] und alle y,y 2 R gilt.dann hat das Anfangswertproblem f(x, y ) f(x, y 2 ) L y y 2 y = f(x, y) y(x )=y genau eine Lösung, die auf [x,x + a] existiert. Beweis von Korollar. Es gilt f(x, y) f(x, z) L y z Wir setzen z = Deshalb gilt für alle y R f(x, y) f(x, ) L y f(x, y) L y + Deshalb gilt für alle y und alle b M = max x [x,x +a] y [y b,y +b] max x [x,x +a] f(x, y) L( y + b) + f(x, ) max x [x,x +a] f(x, ) und wir erhalten b M b L( y + b) + max x [x,x +a] f(x, )

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 37 Wir können nun b so groß wählen, dass b M 4L Falls a 4L, dann sind wir fertig. Falls nicht, dann teilen wir das Intervall [x,x + a] in endlich viele Teilintervalle ein, deren Länge 4L nicht überschreitet und wenden den Satz von Picard-Lindelöf auf jedes Teilintervall an und setzen eine Lösung zusammen. Beweis. Wir führen hier den Beweis nur für das Ergebnis mit c = min{a, b M, L }. Wir gehen später auf die Verfeinerungen unserer Argumente ein, die zu c = min{a, b M } führen. y ist eine Lösung des Anfangswertproblems y = f(x, y) und y(x )=y, falls y stetig ist und y(x) =y + f(t, y(t))dt x gilt. f(t, y(t)) ist stetig, weil y und f stetig sind. Also lässt sich der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung anwenden. Es sei der metrische Raum (X, d) durch X = {φ C[x,x + c] φ(x )=y und φ(x) y b} d(φ,ψ)= φ ψ = sup x [x,x +c] φ(x) ψ(x) gegeben. Nach Lemma ist (X, d) ein vollständiger, metrischer Raum. Wir zeigen nun, dass T : X X (Tφ)x = y + f(t, φ(t))dt x eine wohldefinierte Kontraktion ist. Zur Wohldefiniertheit zeigen wir zuerst, dass Tφ stetig ist. Tφ(x ) Tφ(x 2 ) = x 2 f(t, φ(t))dt f(t, φ(t)) dt M x x 2 x 2 Ausserdem gilt (Tφ)x = y + f(t, φ(t))dt = y x und für alle x [x,x + c] (Tφ)x y = f(t, φ(t))dt f(t, φ(t)) dt M x x Mc b x x

38 CARSTEN SCHÜTT Insgesamt haben wir gezeigt, dass T (φ) X. Wir zeigen nun, dass T eine Kontraktion ist. d(tφ,tφ 2 ) = sup x [x,x +c] = sup x [x,x +c] = sup x [x,x +c] sup (Tφ )x (Tφ 2 )x f(t, φ (t)) f(t, φ 2 (t))dt x x f(t, φ (t)) f(t, φ 2 (t)) dt x [x,x +c] sup L sup x [x,x +c] x t [x,x +c] x L φ (t) φ 2 (t) dt φ (t) φ 2 (t) dt = Lcd(φ,φ 2 ) T ist also eine Kontraktion, falls Lc < gilt. Wir wählen c also, so dass (L+ɛ)c =. Nach dem Fixpunktsatz von Banach existiert die Lösung auf dem Intervall [ { }] b x,x + min a, M, L + ɛ Da dies für alle ɛ> gilt und die Lösungen eindeutig sind, erhalten wir eine Lösung, die auf [ { b x,x + min a, M, }) L existiert. Wir setzen nun c = min { a, b M, L} und definieren y(c) durch y + +c x f(t, y(t))dt Als Fehlerabschätzung in Banachs Fixpunktsatz erhielten wir d(y, y n ) d(y,y ) Θn Θ Dies bedeutet für das Anfangswertproblem mit c, so dass Lc < max y(x) y n(x) (Lc)n max x [x,x +c] Lc y (x) y (x) x [x,x +c] Bemerkung Wir wollen beschreiben, welche Verfeinerungen unserer Argumente im Beweis zu Satz c = min{a, b M } an Stelle von c = min{a, b M, L } liefern.. Wir zerlegen das Intervall in kleinere Intervalle der Länge a k, so dass a k L gilt. [x,x + a] =[x,x + a k ] [x + a k,x +2 a k ] [x + k k a, x + a]

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 39 Wir finden auf jedem Intervall eine Lösung und setzen diese zu einer Lösung auf dem Gesamtintervall zusammen. 2. Eleganter aber weniger offensichtlich ist die folgende Methode. Statt der Norm φ = max φ(x) x [x,x +a] benutzen wir die gewichtete Norm Wir erhalten hiermit φ,β = max x [x φ(x)e βx,x +a] d(tφ,tψ) = max (Tφ(x) x [x Tψ(x))e βx,x +a] max x [x,x +a] e βx max x [x,x +a] e βx L max x [x,x +a] e βx L max x [x,x +a] e βx L = Ld(φ,ψ) max x f(t, φ(t)) f(t, ψ(t)) dt x φ(t) ψ(t) dt x φ(t) ψ(t) e βt e βt dt x x [x,x +a] e βx = Ld(φ,ψ) max x [x,x +a] e βx Ld(φ,ψ) β max (φ(t) t [x ψ(t))e βt e βt dt,x +a] e βt dt x ( β eβx β eβx ) Wir wählen β =2L und erhalten d(tφ,tψ) 2 d(φ,ψ) 3. Es besteht auch die Möglichkeit, von einer Variation des Fixpunktsatzes von Banach auszugehen [Wei]. Es sei Y eine nichtleere, abgeschlossene Teilmenge eines Banachraumes X mit Norm. Es sei a n eine konvergente Reihe positiver Zahlen und T : Y Y sei eine Abbildung, so dass für alle x, y Y und alle n N T n x T n a n x y gilt. Dann besitzt T genau einen Fixpunkt x. Für alle y Y gilt lim n T n y = x

4 CARSTEN SCHÜTT und ( ) x T n y a n Ty x k=n In diesem Fall erhält man für die Picard-Iteration die folgende Fehlerabschätzung. wobei c = min{a, b M }. y(x) y n (x) (cl)n n! e cl max y (x) y (x) x [x,x +c] Es reichen auch schwächere Bedingungen als die Lipschitzbedingung, um die Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung sicherzustellen. Satz. (Satz von Nagumo) Es sei f :[,a] R R eine stetige Funktion, so dass für alle x [,a] und alle y, z R f(x, y) f(x, z) gilt.dann hat das Anfangswertproblem y z x y = f(x, y) y() = y genau eine Lösung auf [,c], wobei c = min{a, b M } und M = max f(x, y) x [,a] y [y b,y +b] Beweis. Der Satz von Peano besagt, dass aus der Stetigkeit von f die Existenz einer Lösung folgt. Wir müssen also noch die Eindeutigkeit nachweisen. Wir nehmen an, dass es zwei verschiedene Lösungen y, z gibt. Dann folgt y(x) =y + Wir beobachten, dass y(x) z(x) f(t, y(t))dt z(x) =y + f(t, y(t)) f(t, z(t)) dt y(t) z(t) dt t y(x) z(x) x (,c] g(x) = x x = f(t, z(t))dt

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 4 eine stetige Funktion ist. Dazu müssen wir nur die Stetigkeit in nachprüfen. Nach l Hopital gilt y(x) z(x) y (x) z (x) lim = lim = lim (f(x, y(x)) f(x, z(x))) = x x x x Die letzte Gleichheit folgt, weil f stetig ist. Da g auf [,c] stetig ist, nimmt g dort das Maximum an. Das Maximum ist strikt größer als, weil y und z verschieden sind. Da g stetig ist und g() = gilt, gibt es ein ɛ>, so dass für alle x [,ɛ], die Ungleichung gilt. Hiermit folgt und damit y(x) z(x) y(x) z(x) x g(x) 2 ɛ ɛ 2 max g(x) x [,a] g(t)dt + max x [,a] ɛ g(t)dt g(x)+(x ɛ) max x [,a] g(x) =(x ɛ 2 ) max x [,a] g(x) y(s) z(s) < max g(s) = max s [,a] s [,a] s Dies kann nicht sein, da diese Ungleichung für alle x [,c] gelten muss, andererseits das Maximum angenommen wird. Wenn wir eine etwas stärkere Bedingung im Satz von Nagumo fordern, dann konvergiert die Picard-Iteration. Satz. (Verschärfte Form vom Satz von Nagumo) Es sei k< und f :[,a] R R eine stetige Funktion.Für alle x (,a] und alle y, z R gelte f(x, y) f(x, z) k y z. x Dann konvergiert die Picard-Iteration gegen eine Lösung für das Anfangswertproblem y = f(x, y) y() = y Die Lösung ist eindeutig und existiert auf [,a]. Beweis. Wir betrachten dazu den Vektorraum X aller stetigen Funktionen φ auf [,a], so dass sup φ(x) x (,a] x < mit der Norm φ = sup φ(x) x x (,a]

42 CARSTEN SCHÜTT Insbesondere gilt φ() =. Man kann zeigen, dass dies ein Banachraum ist. T : X X Tφ(x) = f(t, y + φ(t))dt ist eine Kontraktion. Tφ Tψ = sup x (,a] x sup x (,a] x sup x (,a] x k sup x (,a] x f(t, y + φ(t)) f(t, y + ψ(t)dt f(t, y + φ(t)) f(t, y + ψ(t)) dt k φ(t) ψ(t) dt t φ ψ dt = k φ ψ Nach dem Fixpunktsatz von Banach gibt es einen Fixpunkt y y(x) = f(t, y + y(t))dt und unsere gesuchte Lösung ist y + y. Man kann im Satz von Nagumo die Annahme, dass f(x, y) f(x, z) y z x gilt, nicht dahingehend abschwächen, dass man nur f(x, y) f(x, z) c y z x wobei c eine positive Konstante ist. Dazu betrachten wir das folgende Gegenbeispiel [Per]. Beispiel. Es sei c> und f :[, ) R R c y für <y<x c x f(x, y) = cx c für x c y für y Dann sind y = αx c für alle α< Lösungen.Es liegt also keine Eindeutigkeit vor.

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 43 y = x c.8.6 c y x.4.2 cx c.2.4.6.8 -.2 -.4 Beispiel. (i) Das Anfangswertproblem y = y y() = besitzt y =und { 4 y(x) = x2 x 4 x2 x< f(x, y) = y erfüllt in keiner Umgebung von y =eine Lipschitzbedingung. (ii) [He, p.69] Das Anfangswertproblem y = x 2 + y 2 y() = hat genau eine Lösung, die auf [, 5 ] oder einem größeren Intervall existiert.(die Lösungen sind nicht durch elementare Funktionen darstellbar.) (iii) Es sei f :[, ] R R x 5 2 f(x, y) = x 2 + y 2 falls x oder y falls x = y = Das Anfangswertproblem y = f(x, y) mit y()=hat eine eindeutige Lösung.Es gibt keine Umgebung von (, ), so dass f in dieser Umgebung eine Lipschitzbedingung erfüllt. (iv) [CoLe] Es sei f :[, ] R R x = und y R 2x x (, ] und y (, ) f(x, y) = 2x 4y x (, ] und y [,x 2 ] x 2x x (, ] und y (x 2, )

44 CARSTEN SCHÜTT Die Lösung des Problems y = f(x, y) mit y()=existiert und ist eindeutig. Die Picard-Iteration mit y =konvergiert nicht.es gibt darüber hinaus keine Teilfolge der Picard-Iteration, die gegen eine Lösung konvergiert. Beweis. (i) Durch Nachrechnen überzeugt man sich davon, dass die angegeben Funktionen Lösungen sind. Damit liegt also keine Eindeutigkeit der Lösung vor. Mit dem Satz von Picard-Lindelöf folgt, dass f keine Lipschitzbedingung erfüllen kann. Dies kann man aber auch leicht direkt nachrechnen. Wir nehmen an, dass f in einer Umgebung von (, ) eine Lipschitzbedingung erfüllt. Dann gilt f(x, ) f(x, y) L y Es folgt y L y bzw. L y. Dies kann nicht sein. (ii) Wir schränken f auf [, 2 ] [ 2, 3 2 ] ein. f ist stetig und genügt einer Lipschitzbedingung mit Lipschitzkonstante L = 3. Wir prüfen dies nach. f(x, y) f(x, z) = y 2 z 2 = y + z y z 3 y z Ausserdem gilt Damit erhalten wir M = max x 2 + y 2 5 x [, 2 ] 2 y [ 2, 2 3 ] { } { b c = min a, = min M 2, } = 5 5 (iii) f erfüllt die Voraussetzungen der Verschärfung des Satzes von Nagumo. f(x, y) f(x, z) 3 3 y z 8 x Wir prüfen dies nach. Nach dem Mittelwertsatz gibt es für alle y,y 2 R ein ȳ [y,y 2 ], so dass Hieraus folgt y,y 2 R f(x, y ) f(x, y 2 )= f y (x, ȳ)(y y 2 ) sup f(x, y ) f(x, y 2 ) y y 2 sup f (x, ȳ) y = sup 2ȳx 5 2 (x 2 +ȳ 2 ) 2 ȳ R Für festes x bestimmen wir die Extrema der Funktion ȳ R 2yx 5 2 (x 2 + y 2 ) 2.

GEWÖHNLICHE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 45 Für y strebt die Funktion gegen. Also besitzt die Funktion ein absolutes Maximum, das insbesondere ein relatives ist. Es gilt ( ) d 2yx 5 2 2x 5 2 dy (x 2 + y 2 ) 2 = (x 2 + y 2 ) 2 8y2 x 5 2 (x 2 + y 2 ) 3 Die Ableitung ist genau dann, wenn =2(x 2 + y 2 ) 8y 2 Das Maximum wird für ȳ 2 = 3 x2 bzw. ȳ = 3 x angenommen. Wir erhalten sup f(x, y ) f(x, y 2 ) y y 2 3 3 8 x y,y 2 R und damit f(x, y) f(x, z) x 3 3 y z 8 x Da x (, ] f(x, y) f(x, z) 3 3 y z 8 x Wir zeigen jetzt, dass f in keiner Umgebung von (, ) ein Lipschitzbedingung erfüllt. Wir wählen z = und y = x>. Dann gilt f(x, y) f(x, z) = 2 x x = 2 x Falls f eine Lipschitzbedingung erfüllt, dann müsste 2 x Lx gelten. Dies ist nicht der Fall. (iv) Es gilt y = und f(t, ) = 2t. Somit y (x) =y + f(t, y (t))dt = f(t, )dt = 2tdt = x 2 Es gilt f(t, y (t)) = f(t, t 2 )=2t 4t2 t = 2t und somit y 2 (x) = f(t, y (t))dt = Es gilt f(t, y 2 (t)) = f(t, t 2 )=2t und somit y 3 (x) = 2t 4y (t) dt = t f(t, y 2 (t))dt = Durch Induktion weist man nach, dass für m =, 2,... 2tdt = x 2 y 2m (x) =x 2 y 2m (x) = x 2 2tdt = x 2