HEX HGR SoSe 2015 Teil 7: Die Vertretung des Kaufmannes 1
Handelsrechtliche Vertretung des Kaufmanns Handelsrechtliche Sondervorschriften ergänzen BGB- Vertretungsregeln Ziel: Rechtssicherheit und klarheit zwecks Erleichterung des Rechtsverkehrs 2
Gegenüberstellung Vollmachten HGB/BGB 164 ff. BGB individuell Regelung des Umfangs der Vertretungsmacht Grds. Kein Gutglaubensschutz (Ausn. 170-173 BGB, Duldungs- und Anscheinsvollmacht) Schweigen nach Aufforderung zur Genehmigung gilt als Ablehnung, 177 Abs. 2 BGB 48 ff. HGB Typisierte Vertretungsformen mit gesetzlicher Beschreibung des Umfangs der Vertretungsmacht Weitreichender Gutglaubensschutz Schweigen gilt unter den Voraussetzungen des 75h HGB als Genehmigung 3
Die im HGB geregelten typisierten Vertretungsformen Prokura, 48 HGB Handlungsvollmacht, 54 HGB Vertretungsmacht des Ladenangestellten, 56 HGB 4
HEX HGR SoSe 2015 Teil 7.1: 48 ff. HGB Fall 3: ppa = Prokurapower absolut? Fall 2: Gemeinsam sind wir stark?! 5
Die Prokura, 48 ff. HGB = (weitgehende) Vollmacht mit gesetzlich festgelegtem Inhalt I. Erteilung nur durch Kaufleute ( 48 Abs. 1 HGB) nur durch den Inhaber (gesetzlichen Vertreter) persönlich und ausdrücklich ( 48 Abs. 1 HGB) keine Prokura durch Bevollmächtigten keine Anscheins- und Duldungsprokura, aber eventuell Schutz durch 15 Abs. 3 HGB, oder Vollmacht nach allgemeinen Grundsätzen ins Handelsregister einzutragen (deklaratorisch), 53 Abs. 1 HGB Prokurist muss natürliche Person sein keine juristische Person als Prokurist Prokurist muss vom Inhaber verschieden sein keine Prokura an organschaftliche Vertreter (h.m.) Prokura ist unübertragbar! 6
II. Umfang der Prokura, 49, 50 HGB Die Prokura, 48 ff. HGB Prokura erfasst alle Arten von gerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt ( 49 Abs. 1 HGB), also auch branchenunübliche und außergewöhnliche Geschäfte Ausgeschlossen sind hingegen: private Angelegenheiten Reine Inhabergeschäfte (z.b. Prokuraerteilung) Nicht dem laufenden Betrieb dienende Geschäfte: Betriebseinstellung/- veräußerung, Grundlagengeschäfte, die rechtlichen Grundlagen des Handelsgewerbes betreffen (z. B. Änderung der Firma oder des Gesellschafterbestandes) Veräußerung und Belastung von Grundstücken, 49 Abs. 2 HGB Beschränkungen der Prokura sind im Außenverhältnis unwirksam, 50 Abs. 1 HGB, aber ggf. Schadensersatzpflicht des Prokuristen. Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht sind anwendbar 7
Fall 3: ppa = Prokurapower absolut? (Sachverhalt) Im Handelsregister des Amtsgerichts Köln ist die»mantelhaus Grobecker Kommanditgesellschaft«eingetragen. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die»eva Bartoli Moden GmbH«, Kommanditistin ist die»eva Bartoli GmbH«. Der Kaufmann Georg Schubert und der Diplom-Sozialwirt Klaus Warnke sind Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin und zugleich Prokuristen der Kommanditistin. Sie reichen für beide Gesellschafterinnen zur Eintragung in das Handelsregister eine Änderung der Firma der»mantelhaus Grobecker Kommanditgesellschaft«in»Modehaus Grobecker GmbH & Co. Kommanditgesellschaft«ein. Das Registergericht beanstandet, dass keine wirksame Vertretung der Gesellschaft vorliege. Mit Recht? (Joost S. 25, nach BGHZ 116, 190) 8
Fall 3: ppa = Prokurapower absolut?(skizze) Mantelhaus Grobecker KG Firmenänderung zur Eintragung angemeldet durch Warnke und Schubert phg Eva Bartoli Moden GmbH Kommanditistin Eva Bartoli GmbH Geschäftsführer: Klaus Warnke, Georg Schubert Prokuristen: Klaus Warnke, Georg Schubert 9
Fall 3: ppa = Prokurapower absolut? (Lösung) Registergericht hat ordnungsgemäße Anmeldung zur Eintragung zu prüfen Anmeldepflichtige Personen? Sämtliche Gesellschafter müssen anmelden, 108, 161 Abs. 2 HGB (auch Kommanditisten, Nachweise bei OLG Frankfurt v. 12.09.2011, 20 W 13/11) Wirksame Vertretung beider Gesellschafter? Eva Bartoli Moden GmbH (+), 35 GmbHG Eva Bartoli GmbH? Berechtigt Prokura zur Handelsregisteranmeldung? Arg. aus 12 Abs. 1 S. 2 HGB: Vertretung bei Anmeldung ist zulässig Prokura deckt keine Grundlagengeschäfte einschl. deren Anmeldung, da derartige Geschäfte nicht dem laufenden Betrieb dienen, 49 Abs. 1 HGB Firmenänderungen ist derartiges Grundlagengeschäft Hier aber: vertretungsweise Ausübung eines Gesellschafterrechtes in Bezug auf andere Gesellschaft für Eva Bartoli GmbH kein Grundlagengeschäft Auch Kommanditistin ist wirksam vertreten, Eintragung muss erfolgen 10
Fall 3: ppa = Prokurapower absolut? (Leitsatz BGHZ 116, 190) Ein Prokurist kann nur dann ohne zusätzliche Vollmacht keine Anmeldungen zum Handelsregister vornehmen, wenn diese die Grundlagen des eigenen Handelsgeschäfts betreffen. Die Erfüllung von Anmeldepflichten der von dem Prokuristen vertretenen Gesellschaft als Kommanditistin einer anderen Gesellschaft ist dagegen von der ihm nach HGB 49 Abs. 1 zustehenden Vertretungsmacht gedeckt. 11
Die Prokura, 48 ff. HGB III. Besondere Formen der Prokura echte Gesamtprokura mehrere Prokuristen müssen gemeinschaftlich handeln, 48 Abs. 2 HGB halbseitige Gesamtprokura: Prokurist 1 hat Einzelprokura, Prokurist 2 Gesamtprokura mit Prokurist 1 Unechte Gesamtprokura dazu 12
Fall 4: Gemeinsam sind wir stark?! (Sachverhalt) Kaiser ist Eigentümer eines Grundstücks, das mit einer Grundschuld zugunsten der Bonus Bank GmbH belastet ist. Er reicht dem Grundbuchamt unter Vorlage eines Handelsregisterauszuges eine Löschungsbewilligung der Bonus Bank GmbH ein, die von dem Geschäftsführer Klaus Voss und dem Prokuristen Peter Pauli unterzeichnet ist. Im Handelsregister ist für die Bonus Bank GmbH eingetragen:» Die Gesellschaft wird von zwei Geschäftsführern gemeinschaftlich vertreten. Gesamtprokurist: Peter Pauli. Er ist gemeinsam mit einem Geschäftsführer vertretungsberechtigt «Das Grundbuchamt will die Löschung der Grundschuld nicht vornehmen, weil die Bonus Bank GmbH nicht wirksam vertreten sei. Die BB GmbH fragt Sie, ob es Sinn macht, gegen die Entscheidung des Grundbuchamtes vorzugehen? (Joost S. 26, nach BGHZ 99, 76) 13
Fall 4: Gemeinsam sind wir stark? (Skizze) Eigentümer: Kaiser belastet mit Grundschuld zugunsten BB GmbH Löschungsbewilligung der BB GmbH von GF Voss und Prokurist Pauli, Vertretungsregelung der BB GmbH: Die Gesellschaft wird von zwei Geschäftsführern gemeinschaftlich vertreten Gesamtprokurist: Peter Pauli. Er ist gemeinsam mit einem Geschäftsführer vertretungsberechtigt 14
Fall 4: Gemeinsam sind wir stark? (Lösung) 71 GBO: Gegen Entscheidungen des GBA findet Beschwerde statt Beschwerde begründet? wirksame Vertretung der BB Bank durch Voss und Pauli? Zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich (-) Prokurist gemeinsam mit GF: nach Wortlaut der Satzung (+), aber wirksam? 48 Abs. 2 HGB regelt nur Gesamtprokura an mehrere Prokuristen, hier (-) Bindung des Prokuristen an (gesamtvertretungsberechtigten) GF zulässig? Nach 125 Abs. 3 HGB darf umgekehrt gesamtvertretungsberechtigter Gesellschafter an Mitwirkung eines Prokuristen gebunden werden. Dies gilt nach allg. Meinung auch für GmbH-GF, d.h. gesamtvertretungsberechtigter GF darf an Mitwirkung von Prokuristen gebunden werden ( unechte Gesamtvertretung = gesetzliches Vertretungsorgan wird an Prokuristen gebunden) Hier umgekehrte Konstellation: Prokurist wird an gesetzliches Vertretungsorgan gebunden, sog. unechte Gesamtprokura. Regelung fehlt; nach h.m. aber zulässig, unabhängig davon, ob Geschäftsführer einzel- oder gesamtvertretungsberechtigt ist (a.a. MüKo-HGB/Krebs 48, Rn. 83 ff.) 15
Vertretungsmacht ausgeschlossen wegen 49 Abs. 2 HGB? 49 Abs. 2 HGB anwendbar? (+) keine Erweiterung der Vertretungsmacht wegen Bindung an GF Aber: 49 Abs. 2 HGB gilt nicht für Verfügungen über bereits bestehende dingliche Belastungen an fremden Grundstücken, d.h. Prokurist kann Löschungsbewilligung erteilen (MüKo- HGB/Krebs 49, Rn. 39; BayOblG WM 1982, 647). Eintragung muss erfolgen, Beschwerde hat Aussicht auf Erfolg 16
Fall 4: Gemeinsam sind wir stark? (Leitsatz BGHZ 99, 76) Prokura kann auch in der Weise erteilt werden, dass der Prokurist berechtigt ist, die GmbH in Gemeinschaft mit einem gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführer zu vertreten. 17
Die Prokura, 48 ff. HGB Fortsetzung III. Besondere Formen der Prokura Unechte Gesamtprokura: Prokurist ist nur mit einer anderen Person vertretungsberechtigt, deren Vertretungsmacht auf anderer Grundlage beruht (z.b. gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft) nach h.m. zulässig, auch wenn gesetzlicher Vertreter nur gesamtvertretungsberechtigt Vertretungsmacht besteht im Umfang der Prokura Abgrenzung zur unechten Gesamtvertretung : gesellschaftsvertragliche Bindung des gesetzlichen Vertreters an die Mitwirkung des Prokuristen (vgl. 125 Abs. 3 HGB) Zulässig, sofern Grundsatz der Selbstorganschaft gewahrt ist Vertretungsmacht besteht im Umfang des gesetzlichen Vertreters, also Erweiterung der Vertretungsmacht des Prokuristen! 18
IV. Erlöschen der Prokura Die Prokura, 48 ff. HGB Tod des Prokuristen, aber nicht: Tod des Inhabers, 52 Abs. 3 HGB Beendigung des Rechtsverhältnisses, 168 S. 1 BGB Widerruf, 52 Abs. 1 HGB Einstellung Handelsgeschäft Eröffnung Insolvenzverfahren, 117 Abs. 1 InsO ev. nachwirkender Schutz über 15 Abs. 1 HGB, da Erlöschen ebenfalls eintragungspflichtig ( 53 Abs. 2 HGB) 19
HEX HGR SoSe 2015 Teil 7.2: 54 Abs. 1 HGB, 56 HGB Fall 5 Weniger ist manchmal mehr Fall 6 Das darf der nicht(?)! 20
I. Formen: Die Handlungsvollmacht, 54 Abs. 1 HGB Generalhandlungsvollmacht: Ermächtigung zum Betrieb des Handelsgewerbes; erfasst alle für das Unternehmen branchenüblichen Geschäfte Arthandlungsvollmacht: Ermächtigung zur Vornahme einer bestimmten Art von Geschäften; erfasst alle für diese Art branchenüblichen Geschäfte (Beispiel: Vollmacht für bestimmte Abteilung) Spezialhandlungsvollmacht: Ermächtigung für ein bzw. mehrere bestimmte Geschäfte; erfasst alle Rechtsgeschäfte, die das konkrete Geschäft mit sich bringt 21
Die Handlungsvollmacht, 54 Abs. 1 HGB II. Erteilung und Umfang: nicht formbedürftig, konkludente Erteilung möglich ( Prokura) nicht nur durch Inhaber möglich ( Prokura) keine Eintragung der Handlungsvollmacht im Handelsregister ( Prokura) keine Erstreckung auf branchenunübliche und ungewöhnliche Geschäfte ( Prokura) 54 Abs. 2 HGB: keine Erstreckung auf Veräußerung und Belastung von Grundstücken (= Prokura), Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, Aufnahme von Darlehen, Prozessführung (jeweils Prokura) Keine Erstreckung auf Inhabergeschäfte und Privatgeschäfte (= Prokura), Weitere rechtsgeschäftliche Einschränkungen sind möglich ( Prokura), aber: 54 Abs. 3 HGB Beschränkungen sind gegenüber Dritten nur wirksam, wenn Dritte die Beschränkung kannte oder kennen musste ( 122 Abs. 2 BGB). Übertragbar mit Zustimmung, 58 HGB ( Prokura) 22
Fall 5 Weniger ist manchmal mehr (Sachverhalt) Johanna Reisig war bis zu ihrem Tod am 2. März 2000 alleinige Prokuristin in der Autohaus Nord GmbH. Sie bestellte durch eine am 17. Februar 2000 notariell beurkundete Generalvollmacht ihren Sohn Paul Reisig, der in der Buchhaltung des Unternehmens tätig ist, zu ihrem alleinigen Bevollmächtigten und ermächtigte ihn zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten, insbesondere sollte er wie in der Urkunde beispielhaft aufgeführt wird befugt sein, für sie sämtliche Erklärungen und Rechtshandlungen vorzunehmen, die ihr in ihrer Eigenschaft als Prokuristin in der GmbH zustanden. Am 3. März 2000 veräußert Paul Reisig im Namen der GmbH acht Fahrzeuge an Steinbach. Als der Geschäftsführer am 15. März aus einem sechswöchigen Urlaub zurückkehrt, will er die Geschäfte nicht gelten lassen. Johanna sei dazu nicht befugt gewesen, erst recht nicht, weil ihr Sohn gar kein Verkäufer ist. Wie ist die Rechtslage? (Joost S. 30, nach BGH ZIP 2002, 1895 mit der Abweichung, dass JR darin Geschäftsführerin ist) 23
Fall 5 Weniger ist manchmal mehr (Skizze) Autohaus Nord GmbH Prokuristin Johanna Reisig notariell beurkundete Generalvollmacht Paul Reisig Veräußerung von 8 Fahrzeugen im Namen der GmbH Steinbach 24
Fall 5 Weniger ist manchmal mehr (Lösung) Wirksamer Kaufvertrag, 433 BGB? Paul Reisig wirksam bevollmächtigt? Johanna Reisig ist als Prokuristin grds. zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der GmbH befugt, 49 Abs. 1 HGB Generalvollmacht unwirksam? Wortlaut der Vollmacht deutet auf eine nach 52 Abs. 2 HGB unzulässige Übertragung der Prokura hin (vgl. BGH NJW 1961, 506 und NJW 1977, 199 zur Generalvollmacht des Geschäftsführers) sachgerechte Auslegung dürfte für Generalhandlungsvollmacht gemäß 54 HGB sprechen (vgl. BGH ZIP 2002, 1895 ebenfalls zur Generalvollmacht eines Geschäftsführers) Beide Argumentationen vertretbar 25
Fall 5 Weniger ist manchmal mehr (Lösung) Lösung 1: Auslegung als Übertragung der Prokura Vollmacht unwirksam, Vertrag schwebend unwirksam gemäß 177 Abs. 1 BGB, nach Genehmigungsverweigerung Vertrag endgültig von Beginn an unwirksam, 184 Abs. 1 BGB, mit der Folge der persönlichen Haftung des Paul Reisig, 179 Abs. 1 BGB Lösung 2: Auslegung als Erteilung von Generalhandlungsvollmacht gemäß 54 HGB Wirksame Vollmachtserteilung (+), da von Vertretungsmacht von Johanna R gedeckt (+), und zwar unabhängig davon, ob Johanna im Innenverhältnis hierzu berechtigt war, Prokura umfasst Erteilung von Handlungsvollmacht, keine Anhaltspunkte für Vollmachtsmissbrauch Vollmacht erloschen durch Tod der Johanna Reisig (-), 168, 672 BGB Branchenübliches gewöhnliches Geschäft? (+) Ausschluss nach 54 Abs. 2 HGB? ( ) Vertrag wirksam 26
Fall 5 Weniger ist manchmal mehr (Leitsatz, BGH ZIP 2002, 1895) Zur Auslegung einer notariell beurkundeten Generalvollmacht, in der der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten auch ermächtigt, für ihn sämtliche Erklärungen und Rechtshandlungen vorzunehmen, die ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der von ihm vertretenen Unternehmungen zustehen. 27
Fall 6 Das darf der doch gar nicht! (Sachverhalt) Voss arbeitet als Neuwagenverkäufer in einer Niederlassung der Audi-NSU-Vertrieb-GmbH. Er verkauft an Kaiser im Rahmen eines in der Niederlassung geführten Gesprächs einen gebrauchten PKW, obwohl ihn die Geschäftsleitung der Audi- NSU-Vertrieb-GmbH nur zu Neuwagenverkäufen bevollmächtigt und eine Verkaufstätigkeit im Gebrauchtwagenbereich untersagt hatte. Kaiser verlangt die Lieferung des Wagens; die Audi-NSU- Vertrieb-GmbH verweigert diese. Wie ist die Rechtslage? (Joost, S. 31, angelehnt an BGH NJW 1975, 642) 28
Fall 6 Das darf der doch gar nicht! (Lösung) Anspruch auf Lieferung, 433 Abs. 1 BGB? Vertretungsmacht des Voss? Handlungsvollmacht (-), hier Arthandlungsvollmacht: Neuwagenverkäufer, erstreckt sich branchenüblich nicht auf Gebrauchtwagenverkäufe (unterschiedliche Anforderungen, Berufsausbildungen), a.a. vertretbar Vertretungsmacht gemäß 56 HGB? Laden (+) Angestellter (+) Gewöhnliches Geschäft (+) Keine Bösgläubigkeit (+), ausdrückliches Verbot wirkt nur, wenn der andere den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste Wirksamer Kaufvertrag, Anspruch (+) 29
Fall 6 Das darf der doch gar nicht! (Abwandlung 1) Abwandlung 1: Käufer Kaiser hat den Kaufpreis in Höhe von EUR 650,00 sofort in bar bei Voss gezahlt. Voss liefert das Geld nicht ab, sondern investiert den Betrag in ein candle-light Dinner mit seiner Freundin im Le Canard. Die Audi-NSU- Vertrieb GmbH will nun wenigstens erneute Zahlung von Kaiser und beruft sich darauf, dass Voss keine Inkassovollmacht hatte. Die Audi-NSU-Vertrieb GmbH verweist auf 14 ihrer Verkaufsbedingungen für Gebrauchtwagen, die dem Kaufvertrag beilagen. 14 der AGB lautet: Unsere Verkäufer sind nur bei ausdrücklicher schriftlicher Ermächtigung zur Empfangnahme von Zahlungen berechtigt. Rechtslage? 30
Fall 6 Das darf der doch gar nicht! (Lösung Abwandlung 1) Anspruch auf Zahlung, 433 Abs. 2 BGB? Wirksamer Kaufvertrag (+) s. Grundfall Anspruch erloschen durch Erfüllung, 362 Abs. 1 BGB? Vertretungsmacht des Voss? Empfangsvollmacht (-), Arthandlungsvollmacht erstreckt sich schon nicht auf den Verkauf auf Gebrauchtwagen, also auch nicht auf Empfang der Vergütung für Gebrauchtwagen Vertretungsmacht gemäß 56 HGB? 56 HGB erfasst Empfangnahmen, insb. Zahlungen Keine Bösgläubigkeit? (+) Ausschluss des Rechtsscheins erfordert klaren Hinweis (z.b. gut sichtbares Schild); Regelung in AGB reicht jedenfalls ohne Hervorhebung nicht (vgl. OLG Düsseldorf, 28.04.2008, NJW-RR 2009, 1043; zur Wirksamkeit derartiger Klauseln vgl. z.b. LG Hamburg, 30.01.1981, ZIP 1981, 746; LG Bonn 14.05.2004. 10 O 17/04) Erfüllung (+), Zahlungsanspruch (-) 31
Fall 6 Das darf der doch gar nicht! (Abwandlung 2) Abwandlung 2: Voss hat Kaiser keinen Gebrauchtwagen verkauft, sondern einen Neuwagen (für EUR 30.000,00). Gleichzeitig haben sie einen Kaufvertrag über Kaisers alten Gebrauchtwagen (für EUR 5.000,00) vereinbart. Kaiser hat EUR 25.000,00 gezahlt und seinen Wagen samt Papieren an Voss übergeben. Die Audi-NSU-Vertrieb GmbH will den Gebrauchtwagen nicht. Sie verlangt von Voss noch EUR 5.000,00 für den Neuwagen. Rechtslage? (angelehnt an OLG Brandenburg vom 30.09.2008, 6 U 136/07) 32
Fall 6 Das darf der doch gar nicht! (Lösung Abwandlung 2) Anspruch auf Restzahlung, 433 Abs. 2 BGB? Anspruch erloschen gemäß 362, 364 BGB? Vertretungsmacht des Voss für Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens? Inzahlungnahme entweder Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis (Regelfall) oder weiterer Kaufvertrag mit Verrechnungsabrede Umfasst Handlungsvollmacht des Neuwagenverkäufers auch derartige Vereinbarungen? Nach 54 Abs. 1 HGB (+), wenn dies zu gewöhnlichen Geschäften eines Neuwagenverkäufers zu zählen ist Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen branchenüblich? Wohl ja, aber beide Argumentationen vertretbar Wenn abgelehnt: Vertretungsmacht gemäß 56 HGB? Ankauf ist grundsätzlich von 56 HGB nicht gedeckt Hier aber: Kauf mit Ersetzungsbefugnis bzw. jedenfalls einheitliches Geschäft mit Neuwagenverkauf: nach OLG Brandenburg (Urteil vom 30.09.2008, 6 U 136/07) sind einheitliche Geschäfte von 56 HGB erfasst. Wirksamer Kaufvertrag, Anspruch (+) 33
Die Vertretungsmacht des Ladenangestellten, 56 HGB Systematische Einordnung des 56 HGB streitig: Herrschende Meinung: Vollmachtsvermutung mit bestimmtem Umfang Bei Fehlen einer Vollmacht: gesetzliche Rechtsscheinsvollmacht Voraussetzungen: Laden: jede als Verkaufslokal genutzte Räumlichkeit Ladenangestellter: mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn im Ladenlokal tätig Nichtverhindern der Tätigkeit reicht nicht! Empfangnahme / Verkauf: keine Ankäufe! (BGH vom 4.5.1988, NJW 1988, 2109, anders bei einheitlichem Geschäft (OLG Brandenburg, 30.09.2008, 6 U 136/07) Gewöhnliches Geschäft Örtlicher Zusammenhang zwischen Laden und Geschäft Keine Bösgläubigkeit analog 54 Abs. 3 HGB ( 122 Abs. 2 BGB) 34