Mechanische Analyse der Kenpo Karate SV-Techniken



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Transkript:

Mechanische Analyse der Kenpo Karate SV-Techniken Autor Serge NSilu K. Prüfungszeitpunkt Juni 2010 Abgabedatum Sonntag, 3. Oktober 2010 SergeThesis.doc Seite 1

Mechanische Analyse der Kenpo Karate SV-Techniken...1 1 Allgemeines...3 1.1 Aspekte... 3 2 Grundlage der Physik...4 2.1 Dynamik... 4 2.2 Kinetik... 5 2.3 Vektoren... 5 2.4 Bewegungsenergie... 7 3 Die Physik in der Praxis...8 3.1 Angriff durch Schläge und Tritte... 8 3.2 Angriff durch Schubsen... 12 3.3 Angriff durch Klammerung & Festhalten... 15 4 Zusammenfassung...16 SergeThesis.doc Seite 2

1 Allgemeines 1.1 Aspekte Unter Kenpo-Techniken versteht man eine Verkettung von Grundbewegungen mit dem Ziel, einen Angriff abwehren zu können oder präventiv einem Angriff zu begegnen und dabei den Angreifer, soweit wie es erforderlich ist, kampfunfähig zu machen. Auf dem Weg, das Wissen über Kenpo-Techniken zu erlangen, lernt jeder Schüler mindestens zwei naturwissenschaftliche Aspekte dieser Techniken zu betrachten: den anatomischen und den mechanischen. 1.1.1 Anatomische Betrachtung Diese Betrachtung beschäftigt sich mit dem menschlichen Körper als Ziel eines Angriffs auf der einen Seite (passiv) bzw. als Verteidigung gegen einen Angriff (aktiv). Präventivschritte bleiben in dieser Studie unberücksichtigt, sofern sie nicht Teil der Verteidigung sind. Es wird untersucht, welche Waffe für welchen Körperteil am besten geeignet ist (weapon contouring). Darüber hinaus wird gelernt, wie der menschliche Körper auf die verschiedenen Schläge reagiert. Das Ergebnis dieser Betrachtung wäre dann die Antwort auf folgende drei Fragen: wo, womit und in welcher Reihenfolge wird geschlagen? Diese Erkenntnisse gelten für die möglichen Ziele des Angreifers sowie für die Ziele der KENPO-Techniken. 1.1.2 Mechanische Betrachtung Diese Betrachtung beschäftigt sich mit der Frage, wie die Angriffe bzw. die Verteidigung stattfinden. Hier rücken Komponenten wie Kraft, Richtung, Position etc. in den Mittelpunkt der Untersuchung. Mit dieser Betrachtung wird sich auch diese Arbeit auseinandersetzen. SergeThesis.doc Seite 3

2 Grundlage der Physik Im Rahmen dieser Arbeit werden die Angriffe sowie die SV-Techniken mit Hilfe von Newtons Physikgesetzen analysiert. Die Newtonschen Gesetze halten Krafteinwirkung für die Hauptursache aller Arten von Bewegungen. Das Teilgebiet der Physik, das sich mit Bewegungen und deren Ursache sowie Wirkungen beschäftigt, ist die Mechanik. Für diese Arbeit spielen zwei Teilbereiche der Mechanik (Kinetik & Dynamik) eine besondere Rolle. 2.1 Dynamik Die Dynamik (aus griech. Dynami= Kraft) ist die Kräftelehre der Bewegung. Die wichtigste physikalische Größe der Dynamik ist die Kraft. Sie kann Körper beschleunigen oder verformen. Durch Kraftwirkung kann man Arbeit verrichten und die Energie eines Körpers verändern. 2.1.1 Messung von Kräften Die Kraft ist eine der Größen, die nur indirekt gemessen werden kann. Sie kann prinzipiell nur durch von ihr verursachte Wirkung gemessen werden. In der Praxis wird oft aus einem bekannten Zusammenhang zwischen der wirkenden Kraft und einer leicht zu messenden Größe auf die Kraft geschlossen. Für diese Arbeit ist Messung der Kraft nicht relevant. Wir setzen voraus, dass die Angriffe bzw. die Abwehr mit einer bestimmten Kraft durchgeführt werden. 2.1.2 Darstellung von Kräften Für die Analyse der Angriffe bzw. der SV-Techniken muss die Kraft grafisch dargestellt werden. Für die Beschreibung einer Kraft ist neben ihrem Angriffspunkt nicht nur ihre Stärke, sondern auch die Angabe der Richtung notwendig, in der die Kraft wirkt. Solche Größen, festgelegt durch die Angabe von Zahlenwert, Einheit und Richtung, nennt man eine vektorielle Größe. Sie ist darstellbar durch Pfeile in einem Koordinatensystem. SergeThesis.doc Seite 4

2.2 Kinetik Die Kinetik (griech. Kinesis=Bewegung) ist ein Teilgebiet der Mechanik und beschreibt die Änderung der Bewegungsgrößen (Weg, Zeit, Geschwindigkeit und Beschleunigung) unter Einwirkung von Kräften im Raum. Die wichtigste physikalische Größe der Dynamik ist die Geschwindigkeit. Unter der Geschwindigkeit eines Körpers versteht man die von ihm zurückgelegte Wegstrecke pro Zeiteinheit. Ähnlich wie bei der Kraft, lässt sich die Geschwindigkeit durch die Eingabe von Anfangspunkt, ihrer Richtung und ihrer Stärke definieren. Damit sind alle Voraussetzungen für eine vektorielle Größe erfüllt und die Geschwindigkeit lässt sich auch durch Pfeile in einem Koordinatensystem darstellen. 2.3 Vektoren Ein Vektor (lat. vector jemand, der trägt, zieht oder befördert ; zu lat. vehere = fahren) ist in der Mathematik ein Element eines Vektorraums. Das bedeutet unter anderem, dass sich beliebige zwei Vektoren durch Addition zu einem dritten Vektor des gleichen Vektorraums verknüpfen lassen. Damit sind wir in der Lage, den (gegenseitigen) Einfluss verschiedener vektorieller Größen (Kraft & Geschwindigkeit), die auf einen Körper wirken, zu ermitteln und zu analysieren. Vektoren werden häufig als Pfeile dargestellt: A a B A wird in diesem Fall als Ausgangs- oder Startpunkt und B als Spitze oder Endpunkt des Vektors bezeichnet. Die Lage der Pfeilspitze gibt die Orientierung des Vektors, die Länge seinen Betrag und der Pfeilschaft seine Richtung an. Wenn zwei Vektoren a und b im Betrag und Orientierung übereinstimmen aber in der Richtung entgegen gesetzt sind, dann ist a der Gegenvektor zu b und umgekehrt. SergeThesis.doc Seite 5

2.3.1 Addition von Vektoren Die Vektoraddition kann man graphisch interpretieren, indem man den Startpunkt des zweiten Vektors mittels Parallelverschiebung auf den Endpunkt des ersten Vektors verschiebt. Der Pfeil vom Startpunkt des ersten Vektors bis zum Endpunkt des zweiten Vektors repräsentiert den Ergebnisvektor: Vektor a + Vektor b = Vektor c Aus je zwei Vektoren a und b lässt sich ein Parallelogramm bilden, dessen eine Diagonale der Summe beider Vektoren entspricht. 2.3.2 Subtraktion von Vektoren Die Vektorsubtraktion kann man graphisch interpretieren, indem man den Startpunkt des zweiten Vektors mittels Parallelverschiebung auf den Startpunkt des ersten Vektors verschiebt. Der Pfeil vom Endpunkt des zweiten Vektors bis zum Endpunkt des ersten Vektors repräsentiert den Ergebnisvektor: Vektor a - Vektor b = Vektor c Die Subtraktion Vektor a Vektor b entspricht die Addition von Vektor a und Gegenvektor von b. SergeThesis.doc Seite 6

2.4 Bewegungsenergie Wie bereits in Punkt 2.1 beschrieben, ist eine der Auswirkungen einer Kraft, Körper zu beschleunigen. Die Geschwindigkeit dieses Körpers erhöht sich und somit auch seine Bewegungsenergie. Die Bewegungsenergie (kinetische Energie) ist die Energie, die ein Objekt aufgrund seiner Bewegung enthält. Sie entspricht der Arbeit, die aufgewendet werden muss, um das Objekt aus der Ruhe in die momentane Bewegung zu versetzen. E kin = ½ m.v 2 Die Energie ändert sich mit der Geschwindigkeit eines Körpers. Um einen Körper zu beschleunigen benötigt man zusätzliche Energie. Wenn dieser Körper an Geschwindigkeit verliert, wird seine Energie freigesetzt. E kin = ½ m (v 1 2 -v 2 2 ) Die freigesetzte Energie ist somit abhängig von der Geschwindigkeitsänderung. Wird ein Körper durch einen Aufprall zum Stehen gebracht, verwandelt er seine kinetische Energie in Aufprallenergie. Die freigesetzte Aufprallenergie ist die Größe, die Schaden verursacht. SergeThesis.doc Seite 7

3 Die Physik in der Praxis Um die Begriffe der Physik in der Praxis besser anwenden zu können, werden die Techniken nach Angriffsart aufgeteilt: 1. Angriff durch Schläge und Tritte 2. Angriff durch Schubsen 3. Angriff durch Klammerung & Festhalten 3.1 Angriff durch Schläge und Tritte Bei dieser Art der Angriffe versucht der Angreifer mit einer bestimmten Waffe (Faust, Fußtritt etc.) auf den Gegner zu schlagen. Hier geht es also darum, kinetische Energie beim Aufprall freizusetzen bzw. so viel kinetische Energie wie möglich in Aufprallenergie umzuwandeln. Die Physik zeigt, dass mit steigender Geschwindigkeit auch die Energie steigt. Daher wird der Angreifer versuchen, für eine bestimmte Angriffsmasse so viel Geschwindigkeit wie möglich zu entwickeln. Um eine effektive Verteidigung gegen diese Angriffe zu entwickeln, müsste man die Aufprallenergie so gering wie möglich halten. Wir müssen also versuchen, die Veränderung der Angriffsgeschwindigkeit zu minimieren. Hierfür erkennt man zwei Strategien: - Verlängerung der Angriffslinie - Vorzeitiger Abbruch des Angriffes 3.1.1 Verlängerung der Angriffslinie Bei dieser Strategie beginnt die Abwehr mit einer Bewegung, die in gleicher Richtung verläuft wie der Angriff. Damit würde sich auch die Distanz erhöhen. Nehmen wir an, der Angriff erfolgt aus einer Distanz s und mit einer Geschwindigkeit v. Aus Kinetik wissen wir, dass die Geschwindigkeit der zurückgelegten Wegstrecke pro Zeiteinheit entspricht. Also mit steigender Angriffsdistanz steigt auch die Angriffsdauer. Ein Nebeneffekt dieser Strategie ist, dass im Falle eines Treffers die Aufprallenergie sehr niedrig ist, weil sich die SergeThesis.doc Seite 8

Angriffswaffe und das Ziel in die gleiche Richtung bewegen und damit die Geschwindigkeitsänderung während des Aufpralls sehr gering wird. Diese Strategie wird meistens in Techniken der unteren Stufe angewendet. Als Beispiel für diese Strategie betrachten wir eine der ersten Techniken, die man im Kenpo erlernen kann: Delayed Sword : Selbstverteidigungstechnik gegen einen rechten horizontalen Haken zum Kopf. Hier werden Bewegungspfade, die Positionen der Waffe sowie des Ziels während des Angriffs untersucht. Von oben gesehen verläuft der Angriff einen Halbkreis entlang und würde das Ziel mit einer Geschwindigkeit a (Angriffsgeschwindigkeit) erreichen. Der Verteidiger jedoch bewegt sich mit dem Angriff mit und entwickelt somit eine Geschwindigkeit b (Blockgeschwindigkeit). SergeThesis.doc Seite 9

Beim Aufprall ergibt sich ein Geschwindigkeitsunterschied c, der deutlich geringer ist als die Angriffsgeschwindigkeit. Die Aufprallenergie ist somit bedeutend kleiner als wenn das Angriffsziel sich nicht bewegen würde. Für den Gegenschlag wird dieses Prinzip andersrum verwendet. Während sich der Angreifer durch seinen Angriff nach vorne bewegt, kreuzt der Verteidiger seinen Pfad mit einem Ball-Kick. Betrachtet man die Bewegungen von oben, erkennt man, dass sich der Angreifer mit einer Geschwindigkeit a bewegt und der Ball-Kick trifft ihn mit einer Geschwindigkeit b. Die Geschwindigkeitsdifferenz c und die daraus resultierende Aufprallenergie ist somit größer als wenn sich nur einer der Protagonisten bewegen würden. SergeThesis.doc Seite 10

3.1.2 Vorzeitiger Abbruch des Angriffs Diese Strategie versucht die Angriffe zu unterbinden, bevor sie eine zu hohe kinetische Energie entwickeln können. Da die kinetische Energie abhängig von der Geschwindigkeit ist, werden die Angriffe gestoppt bevor sie eine große Geschwindigkeit erreichen können. Die Angriffswaffe wird also während ihrer Beschleunigung gestoppt, obwohl der Angreifer noch in Bewegung ist. Dies verschafft dem Verteidiger einen idealen Moment, um Gegenangriffe einzuleiten und somit die Energie des Angreifers für sich zu nutzen. Die Basis dieser Strategie ist die frühzeitige Wahrnehmung des Angriffes sowie die Einleitung eines angemessenen Gegenschlages. Diese Strategie wird in Techniken der mittleren und oberen Stufen angewendet. Als Beispiel für diese Strategie untersuchen wir die Positionen und Bewegungspfade der Technik Shielding-Hammer, eine der Techniken gegen einen linken Kinnhaken. Bevor der linke Schwinger Geschwindigkeit aufnehmen kann und während der Angreifer sich in Richtung Verteidiger bewegt, wird der Angriff durch einen extended outward block gestoppt. Gleichzeitig stößt der Verteidiger eine Handkante auf den linken Rippenbogen des Gegners. SergeThesis.doc Seite 11

Der Angreifer bewegt sich mit einer Geschwindigkeit a und die Handkante wird mit einer Geschwindigkeit b ausgeführt. Somit wird die ursprüngliche kinetische Energie des Angreifers in den Gegenschlag aufgenommen. 3.2 Angriff durch Schubsen Der Sinn von Angriffen dieser Art ist, die Zielperson aus dem Gleichgewicht zu bringen und dann einen nachgelagerten Schlagangriff einzuleiten. Hier wird nicht nur eine Waffe beschleunigt, sondern die gesamte Körpermasse des Angreifers in Bewegung gesetzt. Dies würde dazu führen, dass eine große Menge kinetische Energie entwickelt wird. Diese Angriffe lassen sich in zwei Kategorien aufteilen: - Einseitiger Angriff - Doppelseitiger Angriff 3.2.1 Einseitige Angriffe Hier wird der Angriff meistens einhändig mit dem Ziel ausgeführt, das Opfer durch eine Drehbewegung aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Strategie für diese Techniken besteht darin, die Drehung aufzunehmen und die daraus entstandene Energie in einen Gegenangriff zu stecken. Hier wird eine ähnliche Strategie wie bei der Verlängerung der Angriffslinie angewendet. Die angestoßene Seite bewegt sich in die gleiche Richtung wie der Angriff. Durch eine kontrollierte Drehung um die Körperachse wird die andere Seite in die Gegenrichtung geschickt, um einen Gegenangriff einzuleiten. Dabei ist es notwendig, den Angriff frühzeitig zu erkennen, um den Angriff in eine kontrollierte Drehung umzuwandeln. SergeThesis.doc Seite 12

Für diese Kategorie untersuchen wir die Orange-Belt Technik Triggered salute gegen einen rechten Stoß auf die linke Schulter. Während die linke Schulter mit dem Stoß nach hinten geht, bewegt sich die rechte Schulter nach vorne und startet den Gegenangriff in Form eines heal palm direkt zum Kinn des Gegners. Diese Aktion erfolgt somit noch während der Angreifer in Bewegung in Richtung Verteidiger ist. Die detaillierte Analyse des Angriffs ergibt folgendes Schema: Der Stoß auf die linke Schulter erfolgt mit einer Geschwindigkeit a, die Schulter bewegt sich mit einer Geschwindigkeit b und da c = a b sehr gering ist, ist auch die kinetische Energie des Angriffs sehr gering. Die Analyse des Gegenangriffs ergibt dagegen: SergeThesis.doc Seite 13

Dabei ist a die Bewegungsgeschwindigkeit des Angreifers, b die Geschwindigkeit des Gegenschlages und c die resultierende Differenzgeschwindigkeit. 3.2.2 Doppelseitige Angriffe Hier ist die gesamte Körpermasse des Angreifers in Bewegung und entwickelt dadurch eine große Menge kinetischer Energie. Die Strategie von Kenpo-Techniken besteht darin, diese Bewegung nicht zu stoppen, sondern nur die Richtung zu verändern. Dadurch würde der Angriff keine Aufprallenergie freisetzen. Während der Angreifer durch die veränderte Bewegung das Gleichgewicht verliert, kann ein Gegenangriff eingeleitet werden. Dabei wird die gesamte Energie des Angriffs gegen den Angreifer eingesetzt. Auch hier ist eine Frühwahrnehmung des Angriffs eminent wichtig, um die passende Umlenkung der Bewegung sowie einen angemessenen Gegenangriff einzuleiten. Als Beispiel für diese Kategorie untersuchen wir eine Technik aus dem Purple- Belt Katalog: Parting Wings gegen doppelten frontalen Stoß auf die Schulter. SergeThesis.doc Seite 14

Die Verteidigung beginnt mit zwei auswärts Paries gefolgt von einer Palm up Handkante auf den linken Rippenbogen des Gegners. Durch die Paries wird der Angriff lediglich umgelenkt, so dass die gesamte Bewegung des Angreifers praktisch unverändert bleibt. Dadurch wird keine Energie freigesetzt und der Angreifer erst durch den Gegenangriff gestoppt. Die kinetische Energie wird nur beim Gegenschlag freigesetzt. 3.3 Angriff durch Klammerung & Festhalten Diese Angriffe sind eigentlich Zwischenstände. Die Situation entsteht, weil der Angreifer dabei ist, eine komplexere Bewegung zu starten. Hier wird ein Gegenangriff eingeleitet, um eine komplexe Bewegung zu vermeiden. Hierbei sollte möglichst viel Körpermasse in Bewegung gesetzt werden, um so viel Energie wie möglich zu entwickeln. SergeThesis.doc Seite 15

4 Zusammenfassung Diese Studie zeigt, dass Kenpo-Techniken keine zufällige Zusammensetzung von Bewegungen sind. Die Techniken sind das Resultat, ein durchdachtes Konzept, in dem Elemente der klassischen Mechanik bewusst und logisch implementiert wurden. Das Ziel dieser Implementierung ist die höchste Minimierung des Schadens durch den Angriff und eine maximale Wirkung in der Verteidigung. Im ersten Kapitel haben wir festgestellt, dass die Implementierung der Mechanik nur ein Teilaspekt der Kenpo-Techniken ist. Diese Studie kann eigentlich nicht die gesamte Effektivität der Techniken messen, aber sie öffnet ein Fenster mit einer bestimmten Perspektive, die uns in die Lage versetzt, das Ausmaß der Effektivität zu erahnen. SergeThesis.doc Seite 16