Depression und Suizidalität im Alter Dr. Michael Schormann Chefarzt der Abteilung Gerontopsychiatrie und Psychotherapie LVR-Klinik Bonn
Gliederung Psychisches Befinden im Alter Entstehungsbedingungen depressiver Erkrankungen im Alter Suizidalität Behandlung depressiver Erkrankungen im Alter Perspektiven
Psychisches Befinden im Alter Allgemein Lebenszufriedenheit positiv und stabil 2 von 3 Älteren sind zufrieden mit ihrem gegenwärtigen Leben trotz Einbußen in Lebensbedingungen Paradoxon erklärbar durch innerpsychische Anpassungsleistung an veränderte Lebensbedingungen
Bewältigungsstile im Alter (Staudinger et al.) häufig, aber problematisch: Vergleiche mit früher, mit anderen: gerader Weg ins Unglück! häufig, nicht immer hilfreich: strenges Wertesystem durch Aufwachsen in Gehorsamsgesellschaft mit faschistoidem Körperbild hilfreich: Fähigkeit, sich distanzieren zu können Fähigkeit, Unvermeidliches annehmen zu können sehr hilfreich: Überzeugung, Leben durch eigenes Handeln positiv beeinflussen zu können (Selbstwirksamkeitsüberzeugung)
Die Öffentlichkeit ist von Unsicherheiten geprägt und denkt, die Rettung komme von der Erfahrung. Da zeigt sich der Generationenwechsel. Ich gehöre zu einer Generation, die noch elementare Entscheidungen treffen musste, während die Nachfolgegenerationen in die Selbstverständlichkeit eines Wohlfahrtstaats hineingeboren wurden. Egon Bahr, Zeitmagazin 16.01.2014
Belastung der Bewältigungsressourcen durch: Soziale Rollenverluste Ausdünnung des sozialen Netzes Körperliche und geistige Leistungseinbußen Chronische Erkrankungen
Verlustregulation (Niederfranke et al.) Pensionierung (6 bzw. 18 Monate nach Eintritt): negativ: 8-25% neutral: 16-30% positiv: 46-53% Tod des Partners (18 Monate nach Verlust): unzufrieden: 14-19% neutral: 36-42% zufrieden: 39-50% Bei Mehrheit stellt sich nach Verlust wieder tragfähige Lebenszufriedenheit ein
Umgang mit eigener Verletzlichkeit und Vergänglichkeit (Andreas Kruse) entscheidet darüber, wie auf neue Belastungen reagiert wird: Bewältigung und Trauer-Befreiungs-Prozess oder psychische Erkrankung (Claus Wächtler)
Entstehungsbedingungen depressiver Erkrankungen im Alter Einsamkeit Abschied von Attraktivität und Macht Verlust der körperlichen Unversehrtheit auch antizipatorische Angst vor drohenden Verlusten
Traumareaktivierung Männer leben vom Vergessen, Frauen von Erinnerungen (T.S. Eliot) Reaktivierung, wenn erneut Gefühl der erlebten Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins Alte Bedrohungen treffen auf Bedrohungen des Alters (Gereon Heuft 2013) (5% der >60 J mit PTSD, Maercker 2008) (10% leiden unter Intrusionen, Creamer et al. 2008)
Prävalenz von Depression in der Berliner Altersstudie (nach Linden 1998, n= 516) 5 % Major Depression 27%, wenn auch Sub-threshold nach DSM-III-R Frauen doppelt so häufig betroffen wie Männer 8% mit Todeswunsch, 1% akute Suizidgedanken nur 6% der Depressiven behandelt mit Antidepressiva Prävalenz in Heimen 15-25% (S3-Leitlinie DGPPN)
Ausdrucksformen depressiver Erkrankungen im Alter weniger offene Traurigkeit, mehr Schuldgefühle, Neigung zu Bagatellisieren besonders körperliche Beschwerden und kognitive Störungen
Suizidalität über 10000 Suizide pro Jahr, davon ca. 40% > 65 J (Stat. Bundesamt 2012), Ältere damit doppeltes Risiko von den über 90-Jährigen stirbt 1 von 100 durch Suizid Prinzip der Selbstbestimmung sollte auch am Ende des Lebens gelten (Udo Reiter Süddeutsche Zeitung 2013) Meist Verzweiflungstaten, suizidale Äußerungen sind Aufrufe zum Gespräch über existentielle Fragen des Lebens Freitod suggeriert freie Entscheidung
Psychopharmakotherapie depressiver Erkrankungen im Alter Kein Wirksamkeitsunterschied zwischen TZA, SSRI und dualen AD nachgewiesen, aber SSRI besser verträglich (S3-Leitlinie) Geeignet: SSRI (Sertralin, Citalopram), duale Antidepressiva (Venlafaxin, Mirtazapin, Duloxetin), Trizyklika eher nicht wg. anticholinerger UAW (wenn, dann Nortrilen)
UAW von Antidepressiva bei Älteren Hyponatriämie mit Müdigkeit, Verwirrung, Sturzneigung bei SSRI, daher Elektrolytkontrollen EKG-Veränderungen mit Herzrhythmusstörungen Obstipation oder Diarrhoen bei TZA/SSRI
Veränderte Pharmakodynamik im Alter
Psychotherapie depressiver Erkrankungen im Alter immer noch historische Vorbehalte wenige Studien KVT wirksam (Hautzinger und Welz 2004) IPT fraglich wirksam (Reynolds 1999) TP wenig untersucht (Gallagher-Thompson 1994) Problem, dass PsychPV Psychotherapie im Alter unterfinanziert
Stärkere Vernetzung der Behandlung am Beispiel CBASP
Die Gesundheitsversorgung der Zukunft Ansatz der Landesregierung richtig, dass Ausgrenzungen in Institutionen vermieden werden und die Gesundheitsangebote die Menschen vor Ort in ihrer jeweiligen Nachbarschaft erreichen müssen Differenziertes medizinisches Leistungsangebot braucht auch medizinische Spezialisierung in ausgewiesenem Zentrum Gleichgewicht Regionalisierung und Spezialisierung erforderlich
Behandlung durch die LVR-Klinik Bonn Differenzierte Angebote für eine invididuell ausgerichtete Behandlung Spezialisierte Depressionsbehandlung Gedächtnissprechstunden/Memory Clinic, Migrations- und Traumaambulanz enge konsiliarische Vernetzung Angehörigen-Sprechstunden Regelmäßige Fortbildungen in der Alterspsychiatrie
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Differentialdiagnostik depressiver Erkrankungen im Alter: Unterscheidung zu Demenz: kortikales Syndrom mit Störung Kurzzeitgedächtnis, Wortfindung, Apraxie, Agnosie vs. subkortikales Syndrom bei Depression (oder vaskuläre Demenz) mit Affektlabilität, Unruhe, Störung Langzeitgedächtnis
Gewinne des Alters, Zuwachs (Staudinger et al.) Reife Lebenswissen
Augmentationsstrategien zunehmender Einsatz von atypischen Neuroleptika
UAW von Antidepressiva bei Älteren Psychopharmakotherapie depressiver Erkrankungen im Alter Artikel Holthoff + Abb. 117 UAW: Abbildung
Veränderte Pharmakokinetik im Alter Kein Wirksamkeitsunterschied zwischen TZA, SSRI und dualen AD nachgewiesen, aber SSRI besser verträglich (S3-Leitlinie) Geeignet: SSRI (Sertralin, Citalopram), duale Antidepressiva (Venlafaxin, Mirtazapin, Duloxetin), Trizyklika eher nicht wg. anticholinerger UAW (wenn dann Nortrilen)
Veränderte Pharmakokinetik im Alter
Veränderte Pharmakokinetik im Alter