Thrombozytopenie in der Schwangerschaft. Robert Klamroth Klinische Hämostaseologie Vivantes-Zentrum für Gefäßmedizin Klinikum im Friedrichshain



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Transkript:

Thrombozytopenie in der Schwangerschaft Robert Klamroth Klinische Hämostaseologie Vivantes-Zentrum für Gefäßmedizin Klinikum im Friedrichshain

Modell der zellulären Hämostase X TF VIIa Xa II Va IIa XI XIa VIII/vWF TF-tragende Zelle IX VIIa TF V IXa VIIIa Xa Va aktivierter Thrombozyt Von Willebrand-Faktor X II Va IIa VIIIa Thrombozyt Fibrinogen Fibrin Fibrin quervernetzt XIIIa Modifiziert nach: Hoffman et al. (1998) Blood Coag Fibrinol 9 (suppl 1): S61-S65

Physiologisches Gleichgewicht der Gerinnung

Prokoagulat oren während und nach der Schwanger schaf t (%) 400 350 300 250 200 150 100 50 Faktor VI I (%) Faktor X (%) Faktor V (%) Faktor I I (%) Faktor VI I I :C (%) vw F Ag (%) 0 11-15 21-25 31-35 36-40 1 Wo pp 8 Wo pp >12 Wo pp Stirling Thromb Haemost 52 (1984) 176 Zeit

D-Dimer in der Schwangerschaft 1400 1200 1000 800 600 400 200 <15 <20 <25 <30 <35 <40 0 D- Dimer ng/ ml Chabloz P Brit J Haematol 2001;115:150

Thrombozyten in der Schwangerschaft Thombozytenzahl in der Regel konstant 150 420 G/l über die gesamte Schwangerschaft Thrombozytopenie bei Thrombozytenzahlen < 150 G/l Ausschluss Laborartefakt Pseudothrombozytopenie Verklumpung der Thrombozyten durch EDTA Kontrolle der Thrombozyten im Citrat-Blut Blutausstrich mit Nachweis von Aggregaten

Ursachen einer Thrombozytopenie Erhöhter Umsatz/Abbau der Thrombozyten (häufig) Immunologische Ursachen Herabgesetzte Neubildung der Thrombozyten (selten) Alkohol Virusinfekt (z.b. HIV) Folsäure und Vitamin B12-Mangel Maligne hämatologische Erkrankung Verlust/Verbrauch Blutung Massive Gerinnungsaktivierung/Sepsis

Gestations-Thrombozytopenie Häufig in der Schwangerschaft (ca. 5%) Survey bei 21.732 Entbindungen: 5,4% (Burrows et al. NEJM 1993) Genese am ehesten immunologisch im Sinne einer transienten Immunthrombozytopenie Ursache bei 75% aller Thrombozytopenien in der SS Ab dem 2.Trimenon möglich In der Regel im 3. Trimenon Thrombozyten meist > 100 G/l, sehr selten < 70 G/l

Gestations-Thrombozytopenie Kein erhöhtes Blutungsrisiko bei der Entbindung Keine Thrombozytopenie beim Neugeborenen Bei Thrombozytenzahlen > 50 G/l jede Form der Entbindung möglich (Cave interne Leitlinien zur PDA) Nach der Entbindung Normalisierung der Thrombozyten Kein Thrombozytopenie vor bzw. zu Beginn der Schwangerschaft Hohes Rezidivrisiko in der Folgeschwangerschaft

Immunthrombozytopenie Selten in der Schwangerschaft (<1%) Autoantikörper gegen Oberflächenantigene Thrombozytenzahl häufig < 50 G/l Blutungsneigung eher gering Unabhängig von der Schwangerschaftswoche Fetale Thrombozytopenie möglich (10-20%) IgG-Antikörper sind plazentagängig Thrombozytenkontrolle beim Neugeborenen Thrombozytopenie kann auch erst einige Tage später auftreten Verzögerte Clearence der antikörperbeladenen Thrombozyten in der Milz

Immunthrombozytopenie Therapie außerhalb der Schwangerschaft nur bei Blutungen Therapie in der Schwangerschaft bei Thrombozyten < 50 G/l Risiko einer fetalen/neonatalen Thrombozytopenie bei Thrombozytenzahlen < 50 G/l erhöht Therapieoptionen Prednisolon (initial 1mg/kg KG), Anstieg der Thrombozyten nach 3 bis 5 Tagen Immunglobuline Gesamtdosis 2g / kg KG aufgeteilt auf 2-5 Tage Anstieg innerhalb von 24h Thrombozytenkonzentrat nur bei akuter Blutung!

Thrombozytopenie bei Schwangerschaftskomplikationen Präeklampsie (ab der 20.SSW) Thrombozytopenie in 15% der Präeklampsiefälle Zusätzliche Klinik: Hypertonie und Proteinurie HELLP Syndrom DD TTP/HUS (ab der 20.SSW) Multifaktorielle Genese (Thrombotische Mikroangiopathie) Gerinnungsaktivierung, Verbrauchskoagulopathie Hämolyse Erhöhte Transaminasen TTP/HUS Symptome können postpartal persistieren

Weitere Ursachen einer Thrombozytopenie Antiphospholipidsyndrom Labor: Lupusantikoagulans,Cardiolipin-Antikörper, ß2-Glykoprotein- Antikörper Klinik: Arterieller oder venöser Gefäßverschluss in der Anamnese, rez. Frühaborte oder ein Spätabort in der Anamnese Kein Blutungsneigung, sondern Thromboseneigung Therapie in der Schwangerschaft häufig mit Heparin und ASS Medikamenteninduzierte Thrombozytopenie Anamnese Medikamente auch wiederholt vorübergehend eingenommene Medikamente absetzen Erholung der Thrombozytenzahl nach 5-7 Tagen

Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II Interaktion des Heparins mit Plättchenfaktor 4 (PF4) Antikörper gegen den Heparin/PF4-Komplex Antikörper in 10% der Fälle bei Einsatz UFH Thrombozytopenie in 2-3% der Fälle Thrombozytenabfall auf unter 50% des Ausgangswerts zwischen 5. und 14.Tag, Keine HIT nach Tag 21 Seltener bei niedermolekularem Heparin Patientinnen in der Schwangerschaft haben ein niedriges Risiko Nur Kontrolle des Ausgangswerts der Thrombozyten

Management der Thrombozytopenie in der Schwangerschaft Abhängig von der Thrombozytenzahl > 120 G/l Kontrolle alle 4 bis 6 Wochen Keine weitere Diagnostik bei unauffälliger Klinik < 120 G/l und > 70 G/l Kontrolle alle 2 bis 4 Wochen Klinische Untersuchung, RR-Messung Thrombozyten im Citrat, Differentialblutbild, Transaminasen, Urinstatus, (ggf. HIV-Test) < 70 G/l Kontrolle alle 2 Wochen Zusätzliche Diagnostik: Thrombozytenantikörper, Autoantikörper, Gerinnung, Nierenfunktion

Management der Thrombozytopenie in der Schwangerschaft Abhängig von der Schwangerschaftswoche Thrombozytopenie vor der 20.SSW Abgrenzung Immunthromboztyopenie (+ Medikamentenanamnese) gegen gestörte Thrombozytenproduktion Thrombozytopenie nach der 20.SSW Abgrenzung Gestationsthrombozytopenie gegen Präeklampsie und HELLP

Peripartales Management Thrombozytenzahl > 50G/l Keine Änderung des notwendigen geburtshilfichen Vorgehens Überprüfung der internen Leitlinien zur PDA, da heterogene Grenzwerte von 50 bis 100G/l existieren Thrombozytenzahl < 50 G/l Klärung der Genese, falls möglich Blutungsneigung in der Regel erst bei < 30G/l Immunglobuline als Therapie der 1.Wahl Thrombozytenkonzentrate nur bei aktiver Blutung