Antibiotikagabe Indikation, Zeitpunkt, Dauer Wo kann etwas schief gehen? Colin R. MacKenzie Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene 2 Universitätsklinik Düsseldorf
Behandlungsfehler bei Arzneimittelgabe Rheinisches Ärzteblatt Juni 2013 vom 01.01.2006 bis 31.12.2012 3.203 Fehler (9.924 Beurteilungen) Antibiotika 424 (1,2 %) davon: Therapie / Prophylaxe versäumt keine zeitgerechte, kalkulierte Gabe fehlende Laborkontrollen Gabe trotz festgestellter Resistenz fehlende Indikation 3
1. Versäumte Therapie / Prophylaxe Fallbeschreibung 16 Jahre alter Mann Bissverletzung durch Faustschlag gegen einen Zahn 1 cm Wunde 3. MHK Notfall-Ambulanz Rö., Wundsäuberung und Verschluss durch Steristrip-Streifen Kontrolle beim HA im Verlauf ausgeprägtes Gelenkempyem mit Kapseldestruktion ausgedehnte, multiple operative Wundrevisionen 4
1. Versäumte Therapie / Prophylaxe Bissverletzungen 90 % durch Hunde oder Katzen Faustschlag-Verletzungen - hohe Wahrscheinlichkeit einer Infektion Erreger der Mundflora Eikenella corrodens, andere Anaerobier (β-laktamase Produktion) Antibiotika-Prophylaxe bzw. empirische prä-emptive Therapie obligatorisch Plast Reconstr Surg 991;88(1) 5
1. Versäumte Therapie / Prophylaxe Borreliose 60 Jahre alter Mann, Zeckenbiss vor 2 Wochen zunehmende flächige Rötung V. a. Borreliose Serologie = negativ keine Behandlung Hautarzt diagnostiziert Erythema migrans Therapie mit Doxycyclin 6
Borreliose Diagnostik Borreliose ist eine klinische Diagnose akute Borreliose mit Erythema migrans bis zu 50 % serologisch negativ Serologie kann die Diagnose einer akuten Borreliose unterstützen, aber nicht beweisen bzw. ausschließen bei einer chronischen Borreliose (z. B. Arthritis) hat die Serologie einen hohen negativen prädiktiven Wert 7
2. Fehlende Laborkontrollen Staphylococcus aureus Endokarditis 79 Jahre alter Mann, AV-Block II, Typ Mobitz I, ohne nennenswerte Beeinträchtigung Herz-Schrittmacher Implantation Entlassung 3 Tage später WV mit Fieber BK = S. aureus Antibiotika 10 Tage Entlassung WV andernorts 2 Wochen später = S. aureus- Endokarditis bei infiziertem Schrittmacher 3 Monate später Exitus letalis bei Multiorganversagen 8
Staphylococcus aureus-sepsis Fokussuche! Antibiotika-Prophylaxe empfohlen Der Nachweis von S. aureus in der Blutkultur verlangt die Suche nach einem Fokus der Infektion Streuung der Infektion (bes. bei S. aureus) verursacht Satelliten-Abszesse IMMER an Endokarditis denken IMMER an Fremdkörper-Infektion denken IMMER weitere Blutkulturen abnehmen 9
3. Gabe trotz festgestellter Resistenz Fallbeispiel 43 Jahre alte Frau, vor 3 Tagen Halsschmerzen, dann Ohrenschmerzen und jetzt auch Schmerzen im Nackenbereich Überweisung HNO Ofloxacin Tetracyclin dazu und 7 Tage später: Trommelfellpolyp entfernt und Paukendrainage mit Abstrich Ciprofloxacin 5 Tage später Verschlechterung des AZ - CCT und MRT 10 Ciprofloxacin weiter
3. Gabe trotz festgestellter Resistenz Fallbeispiel Mastoiditis mit Hirnabszess Verlegung in die Neurochirurgie Ergebnis der Kultur angefordert Streptococcus pneumoniae Penicillin G 20 Mio. Einheiten / Tag Chirurgische Ausräumung des Abszesses 11
3. Gabe trotz festgestellter Resistenz Kommunikation Korrekterweise eine Kultur vom Infektionsort veranlasst aber ohne Konsequenzen S. pneumoniae nicht zuverlässig empfindlich auf 1. und 2. Generation Fluorochinolone geeignete FQ sind Levofloxacin oder besser Moxifloxacin bessere Therapie: Penicillin bzw. bei Hirnabszess: Ceftriaxon 12
4. Keine zeitgerechte Therapie Dauer der Therapie Bei vielen Infektionserkrankungen ist die empfohlene Dauer der Therapie nicht Evidenz-basiert 5, 10, 7, 14 Tage keine bakterielle Nummer Sequenzielle Therapie (sehr gerne von der Pharmaindustrie propagiert) ebenfalls nicht Evidenzbasiert Beispiele: Pyelonephritis 7 T = 14 T (Lancet 2012 Jun 21; 380: 452-453 ) Meningitis 5 T = 10 T (Lancet 2011 May 28; 377:1809) 13
4. Keine zeitgerechte Therapie Fallbeispiel 66 Jahre alte Frau, Z. n. Cholecystektomie, Wundinfektion mit Platzbauch langsame Heilung über 15 Tage im Krankenhaus Entlassung nach insgesamt 13 Tagen Antibiotika- Therapie Arztbrief eine orale Antibiotikatherapie für weitere 2 Wochen 14
Ciprofloxacin weiter (sequenzielle Therapie) Durchfall, Bauchkrämpfe Wieder-Aufnahme Clostridium difficile assoziierter Durchfall CD-Toxin und Kultur im Stuhl positiv Therapie - Metronidazol plus Vancomycin Verschlechterung Kolektomie C. difficile RT 001 15
Fehlende Indikation Fallbeispiel 35 Jahre alte Frau Oberbauchschmerzen und Fieber Anamnese Dysurie bejaht (telefonisch) Th. - Co-Trimoxazol 2 Tage später Verschlechterung des AZ mit Bauchschmerzen und Dyspnoe Vorstellung in der Ambulanz 16
Fehlende Indikation Reiseanamnese Anamnese: vor 5 Tagen zurück aus Thailand Raucherin Pille geschwollenes li. Bein Labor: D-Dimer pos Doppler TVT li. Bein MRT - Lungenembolie 17
5. Nebenwirkung nicht erkannt Beispiel 59 Jahre alter Mann, Erysipel re. Unterschenkel Bekannte Allergie auf Penicillin mit Anamnese einer anaphylaktischen Reaktion Moxifloxacin 3 Tage später Synkope und Wiedervorstellung EKG prolongiertes QT-Intervall Absetzung des Moxifloxacin im EKG asymptomatisches (genetisches) long QTsyndrome 18
Weitere Fallen Nebenwirkungen Allergie Anamnese sehr wichtig Toxizität vor allem bei Aminoglykosid-Antibiotika Dauertherapie ohne Spiegel bzw. ohne Kontrolle der Nierenfunktion Interaktionen eher bei ART plus Antimykotika, TB- Therapie, Immunsuppressive Therapie Fehlende TB-Prophylaxe bei Anti-TNF-Therapie Antibiotika-Therapie bei viralen Infektionen 19
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