Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie Außenstelle Großhadern. Béatrice Grabein



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Transkript:

Antibiotika als Tranquilizer und Antipyretika Der sinnvolle Einsatz von Antibiotika bei Knochen-, Gelenk- und Weichteilinfektionen Dr. med. Béatrice Grabein Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie Außenstelle Großhadern Béatrice Grabein

Tranquilizer und Antipyretika Tranquilizer Benzodiazepine Non-Benzodiazepin- Tranquilizer, z. B. Buspiron Neuroleptika mit schwacher Wirkstärke Betablocker Antidepressiva Pflanzliche Sedativa, wie z. B. Hopfen, Baldrian, Johanniskraut, Kava Antipyretika Paracetamol Ibuprofen Acetylsalicylsäure weitere NSAID Pflanzliche Antipyretika Weidenrinde Tausendgüldenkraut Keine Antibiotika darunter!

Antibiotika sind in der septischen Chirurgie und Orthopädie supportive Therapieoptionen bringen alle Bakterien um, die sensibel sind sind keine Waffen, die gezielt nur pathogene Bakterien treffen richten Kollateralschäden an brauchen bei systemischer Applikation Durchblutung, um den Infektionsort zu erreichen

Aktuelle Situation Resistenz-Entwicklung Antibiotika-Entwicklung 1998 Zeit (Jahre) 2009 Antibiotika nur bei nachgewiesener (oder bis zum Nachweis dringend vermuteter) bakterieller Infektion einsetzen!

Auswahlkriterien für Rationalen Antibiotika-Einsatz Wirkungsspektrum Pharmakologie Halbwertszeit Plasmaeiweißbindung Bioverfügbarkeit Gewebepenetration Penetration in Biofilme Verträglichkeit auch Langzeitverträglichkeit

Kalkulierte versus gezielte Therapie bei schweren Infektionen kalkulierte Initialtherapie vor Erregernachweis notwendig To wait is to invite disaster Optimierung der Therapie bei Nachweis des Erregers und seiner Empfindlichkeit

Mikrobiologische Diagnostik wichtig!!! aber nur wenn richtig!!! Materialgewinnung Lagerung und Transport Bearbeitung im Labor Empfindlichkeitsprüfung essentiell

Erregerspektrum bei Knocheninfektionen Häufig (>50% der Fälle): Staphylococcus aureus Koagulase-negative Staphylokokken Gelegentlich (>25% der Fälle) Streptokokken und Enterokokken Enterobacteriaceae Pseudomonas aeruginosa Anaerobier Selten (<5% der Fälle) Candida spp. und andere Pilze Mykobakterien Aktinomyzeten... Berbari et al. in Mandell; Principles and Practice of Infectious Diseases, 6. Auflage 2005; 1322-32

Erregerspektrum bei Knochen-Infektionen Lew, Waldvogel: Lancet 2004;364:369-79

Erregerspektrum bei Implantatassoziierten Infektionen Moran et al.: J Infection 2007;55:1-7

Die Qual der Wahl wenig randomisierte Studien zum Vergleich der Effektivität von Antibiotika-Therapieregimen bei Knochen- und Gelenkinfektionen vorhanden Keine Daten über optimale Therapiedauer vorhanden üblicherweise mindestens 4-6 Wochen empfohlen (abgeleitet aus Tierversuchen über die Revaskularisierung des Knochens nach Osteotomie) Darley et al.: JAC 2004;53:928-35

Sinnvolle Therapiestrategien Kombination von zwei wirksamen Substanzen wenn möglich bakterizide Antibiotika wählen (wenigstens einer der Kombinationspartner) hohe Dosen applizieren Substanzen mit guter Penetration in Knochen und in Biofilme wählen Sobottke R et al.: DÄB 2008;105:181-187 Grados F et al.: Joint Bone Spine 2007;74:133-39 Darley et al.: JAC 2004;53:928-35 Scheffer et al: Orthopäde 2008;37:709-20

Gewebepenetration von Antibiotika in Knochen Grados F et al.: Joint Bone Spine 2007;74:133-39

Antibiotika-Therapieoptionen bei Knocheninfektionen Frommelt: Orthopäde 2004;33:822-26

Therapieempfehlungen kalkulierte Therapie Cephalosporin Gr. 2 oder Aminopenicillin/BLI + Clindamycin oder Rifampicin oder Fosfomycin Moxifloxacin oder Levofloxacin + Clindamycin oder Rifampicin Grabein, persönliche Meinung

Therapie-Empfehlungen gezielte Therapie Methicillin Sensible Staphylokokken: initial: Cefuroxim 4x1,5g (oder Flucloxacillin 4x2g) + Clindamycin 3x600mg oder Fosfomycin 3x5g oder Rifampicin 1x10mg/kg KG orale Sequenztherapie: Moxifloxacin 1x400mg + Rifampicin 1x600 mg oder Clindamycin 3x600mg Methicillin Resistente Staphylokokken: initial: Vancomycin 2x1g bzw. nach Spiegel oder Daptomycin 1x6mg/kg KG + Rifampicin 1x10mg/kg KG oder Fosfomycin 3x5g orale Sequenztherapie: Linezolid 2x600mg ± Rifampicin 1x600mg Grabein, persönliche Meinung

Therapie-Empfehlungen gezielte Therapie Streptokokken: Penicillin G 4x5Mio IE i.v. + /- Rifampicin 1x10mg/kg KG Enterococcus faecalis: Ampicillin 3x4g i.v. Grabein, persönliche Meinung

Therapie-Empfehlungen gezielte Therapie E.coli, Klebsiella spp., nicht ESBL: initial: Cefotaxim 3x2g + Ciprofloxacin 3x400mg i.v. (für 3-5 Tage, dann 2x400mg) Orale Sequenztherapie: Ciprofloxacin 2x500-750mg p.o. P.aeruginosa: initial: Ceftazidim 3x2g oder Meropenem 3x1g + Amikacin 1x15mg/kg KG für 5 Tage, dann Ciprofloxacin 2x400mg i.v. Orale Sequenztherapie : Ciprofloxacin 2x750 mg p.o. Grabein, persönliche Meinung

Therapie-Empfehlungen gezielte Therapie Bei seltenen Erregern, ungewöhnlichen Resistenzmustern oder Problemen wegen Allergien oder Organfunktionseinschränkungen: Klinischen Mikrobiologen oder Infektiologen beratend hinzuziehen!

Zusammenfassung Antibiotika nur bei bakteriellen Infektionen einsetzen Therapieregime nach mikrobiologischen und pharmakologischen Kriterien wählen initial hoch dosiert und parenteral behandeln so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig therapieren

Biofilm Einschluss der Mikroorganismen in eine Polymer-Matrix Struktur ähnelt einem vielzelligen Organismus Bietet Schutz vor körpereigener Abwehr Bietet Schutz vor Antibiotika Erreger in Biofilmen sind häufig in der stationären Phase der Vermehrung Zimmerli et al.: NEJM 2004;351:1645-54