Achtsamkeit als Basis sozialer und emoeonaler Kompetenz Prof. Dr. Yuka Nakamura 19. März 2013, Aarau, FHNW
Übersicht Achtsamkeit HerkunJ und neue Entwicklungen Achtsamkeit üben Forschung zu Achtsamkeit Achtsamkeit in der Schule das Projekt KLAR! Zum Schluss
Achtsamkeit Aufmerksam sein auf den gegenwär1gen Moment, absichtsvoll und nicht- bewertend. (Kabat- Zinn, 1990) 3
Wissenscha6liche Defini:onen: Was ist Achtsamkeit? v Achtsamkeit als ein unmiaelbares, gelassenes, nicht- wertendes und kon:nuierliches Gewahrsein der körperlichen, emo:onalen und geis:gen Prozesse von Moment zu Moment (Grossman et al., 2004). v Achtsamkeit als eine rezep:ve Aufmerksamkeit auf und ein Gewahrsein der aktuellen Ereignisse und Erfahrungen (Brown, Ryan & Creswell, 2007).
Achtsamkeit Innehalten - und bewusst wahrnehmen, was wir in diesem Augenblick erleben, staa uns in Meinungen und Urteilen zu verlieren. Empfindungen und Gefühle so wahrnehmen, wie sie sind unvoreingenommen und akzep:erend. Sich allem zuwenden, sowohl angenehmen als auch unangenehmen Empfindungen. 5
Leben auf Auto- Pilot (Kabat- Zinn, 1990) Nicht- bewusst- Sein: Nicht bemerken, was wir gerade tun oder wo wir tatsächlich gerade sind. Den gegenwär:gen Augenblick in seiner Fülle verpassen. In Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukun6 sein. Automa:sierte Verhaltensmuster und Rou:nen das Leben erledigen. 6
Was ist Achtsamkeit? Begriff stammt aus dem Buddhismus, ist ein zentraler Aspekt der medita:ven Übung (Pali: Sa:, Sanskrit: Smri:). Klassische Metaphern: Hirte, der entspannt unter einem Baum sitzend - seine Kühe beobachtet. Wächter am Tor zu einer Stadt, der darauf achtet, welche Personen die Stadt betreten (Analayo, 2003). - > Achtsamkeit als ein ruhiges und innerlich abgelöstes Überschauen und Beobachten der eigenen Erfahrung (ebd.).
Mindfulness- Based Stress ReducEon (MBSR) (StressbewälEgung durch Achtsamkeit) 1979 von Prof. Dr. Jon Kabat- Zinn entwickelt. 8- Wochen- Programm für Menschen mit chron. Schmerzen, Herz- Kreislauf- Krankheiten, Krebs, AIDS.. als Ergänzung zur konven:onellen medizinischen Behandlung. Hintergrund: Buddhis:sche Medita:on, Yoga Essenz: Systema:sches Training in Achtsamkeit, unabhängig von Religion Aunau: 8 * 2.5h + 1 ganzer Tag Zwischen den Terminen tägliche Übungspraxis zuhause von 45 Minuten. 8
Mindfulness- Based Stress ReducEon (MBSR) (StressbewälEgung durch Achtsamkeit) v 80er Jahre: Diverse klinische Studien von Kabat- Zinn über Wirkungen von MBSR v 1990 Meilenstein: Publika:on von Full Catastrophe Living. Bekanntwerdung des Programms, Etablierung von Achtsamkeit als Begriff v 1993 Bericht in populärer Fernsehsendung in den USA (Bill Moyers) v Gleichzei:g gesellscha6licher / kultureller Wandel (mehr Interesse und Offenheit für Kontempla:on, Medita:on, Yoga etc. v Seit 2000 starke Zunahme von wissenscha6lichen Publika:onen zum Thema Achtsamkeit.
Achtsamkeit in PrävenEon und Therapie In den letzten Jahren starke Zunahme von achtsamkeitsbasierten Interven:onen. Laufend weitere Neuentwicklungen im klinischen und präven:ven Bereich (für Pa:entInnen mit Angst-, Sucht-, Ess- Störungen, Depressionen, Krebs, MS, Fibromyalgie etc.) Im pädagogischen Bereich erste Projekte in Kalifornien, Deutschland, CH. 10
Übung von Achtsamkeit Achtsamkeit ist trainierbar. Wich:g: Regelmässige Übung wich:g!!! San6e, aber stete Disziplin, immer wieder innezuhalten und wach zu werden. Formelle Übungsformen: Achtsamkeitsmedita:on, Tai Chi, Qi Gong, Achtsames Yoga Informelle Übung: Achtsamkeit im Alltag: Innehalten, mit der Aufmerksamkeit bei dem sein, was wir gerade tun oder erleben. 11
Wenn wir wirklich lebendig sind, ist alles, was wir tun oder spüren, ein Wunder. Achtsamkeit zu üben bedeutet, zum Leben im gegenwär1gen Augenblick zurückzukehren. Thich Nhat Hanh
Wohlbefinden, Depressivität, Angst: Wirkungen von Achtsamkeit auf die psychische Gesundheit Mehr Lebensfreude, Gelassenheit, Gefühl von Sinnha6igkeit (Brown, Ryan & Creswell, 2007) Abnahme von Angst, Depression und Hilflosigkeit (z.b. Hofmann, 2010) Abnahme des subjek:ven Stressempfindens (Shapiro et al, 2006) Studie bei Primarschullehrpersonen: Posi:ve Effekte eines 8- Wochen- Kurses auf Ängste, Depression und Stresserleben (Gold, E., Smith, A. Hopper, I., Herne, D., Tansey, G., & Hulland, C. (2010). Mindfulness- based stress reduc:on (MBSR) for primary school teachers. Journal of Child and Family Studies, 19, 184-189.) 15- jährige College- Schülerinnen: Mehr Ruhe und Selbstakzeptanz, weniger Müdigkeit und Schmerzen (Broderick, P. C. & Metz, S. (2009). Learning to BREATHE : A pilot trial of a mindfulness curriculum for adolescents. Advances in School Mental Health Promo1on, 2, 35-46.) 13
Wirkungen von Achtsamkeit auf die psychische Gesundheit und Persönlichkeit Posi:ve Effekte von Achtsamkeitsmedita:on auf verschiedene Dimensionen psychischer Gesundheit Sedlmeier, P., Eberth, J., Schwarz, M., Zimmermann, D., Haarig, F., Jaeger, S., & Kunze, S. (2012). The Psychological Effects of Medita:on: A Meta- Analysis. Psychological Bulle1n.
Wirkungen von Achtsamkeit auf emoeonale und soziale Kompetenzen 1. Achtsamkeit erhöht die Selbstwahrnehmung und die SelbstregulaEon Verbesserte körperliche Selbstwahrnehmung (Hölzel et al., 2011; Lazar, 2008) Abnahme von Aggressivität bei Jugendlichen (Singh et al., 2007) und Jugendlichen mit au:s:schen Störungen (Singh et al, 2011) Verbesserte Selbstregula:on (Flook et al., 2010) Verbesserungen in der Aufmerksamkeit und in anderen exeku:ven Funk:onen (Diamond et al., 2007, 2010, 2011)
Wirkungen von Achtsamkeit auf emoeonale und soziale Kompetenzen 2. Achtsamkeit verbessert die Fähigkeit zur EmoEonsregulaEon Verbesserte Fähigkeit, mit Emo:onen umzugehen (Emo:onsregula:on) (Arch & Craske, 2006; Jimenez et al., 2010) Abnahme von Feindseligkeit, Unwohlsein und interpersonalen Konflikten bei 13-19 Jährigen (Sibinga et al., 2011) Abnahme der emo:onalen Reak:vität bei Kindern der 4.- 6. Primarklasse (Saltzman & Goldin, 2008)
Wirkungen von Achtsamkeit auf emoeonale und soziale Kompetenzen 3. Achtsamkeit fördert ein bewusstes Handeln an Stelle eines impulsives Re- Agierens Verbesserung der Fähigkeit, Absichten in die Tat umzusetzen (Chatzisaran:s & Hagger, 2007) Verbesserung des Durchhaltevermögens (Evans et al., 2009) Abnahme von Aggressivität und Impulsivität bei Menschen mit geis:ger Behinderung (Singh et al., 2007a +b) Reiz Reak:on
Wirkungen von Achtsamkeit auf emoeonale und soziale Kompetenzen 3. Achtsamkeit fördert ein bewusstes Handeln an Stelle eines impulsives Re- Agierens Verbesserung der Fähigkeit, Absichten in die Tat umzusetzen (Chatzisaran:s & Hagger, 2007) Verbesserung des Durchhaltevermögens (Evans et al., 2009 Abnahme von Aggressivität und Impulsivität bei Menschen mit geis:ger Behinderung (Singh et al., 2007b) Reiz Innehalten Achtsam wahrnehmen Bewusstes Handeln
Wirkungen von Achtsamkeit auf emoeonale und soziale Kompetenzen 4. Achtsamkeit fördert soziale Fähigkeiten Zunahme der Empathiefähigkeit (Dekeyser et al., 2008) Bei prä- und frühadoleszenten Jugendlichen Verbesserungen der sozial- emo:onalen Fähigkeiten (Schonert- Reichl & Lawlor, 2010)
Achtsamkeitsbasiertes Aggressivitätstraining für auesesche Jugendliche (Singh, 2011) Sbinga et al. (2011) 20
Wirkungen von Achtsamkeit auf emoeonale und soziale Kompetenzen 5. Achtsamkeit fördert Gelassenheit und innere Stabilität Nicht- bewertende Aufmerksamkeit fördert bewusstes Wahrnehmen auch schwieriger Emo:onen (Baer, 2007) Es wird möglich, sich weniger mit eigenen Gefühlen / Gedanken zu iden:fizieren (Shapiro et al., 2006) Einsicht in die Veränderlichkeit und Rela:vität von Gefühlen und Gedanken und dadurch mehr Gelassenheit ihnen gegenüber (Brown et al., 2007)
Wirkungen von Achtsamkeit v Das breite Wirkungsspektrum von Achtsamkeit deutet darauf hin, dass grundlegende psychologische Funk:onen angesprochen werden (Baer, 2007). v Die Wirkung von Achtsamkeit geht über blosse Entspannung hinaus (Chiesa & Serre{, 2009; Sedlmeier et al., 2012). v Wirkungen sind in sehr verschiedenen Popula:onen (unterschiedliches Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Na:onalität etc.) gefunden worden - > dies spricht für universelle Prozesse. 22
KLAR! Kompetent lebendig achtsam - resilient v Interven:onsprojekt der Pädagogischen Hochschule Zürich (2011-2013) v Interven:on bei Lehrpersonen und Schulklassen (SJ 2011/12: Vier Klassen 1-3), SJ 2012/13: 5 Klassen, 1-3) v Kombina:on aus Lehrpersonentreffen, Projektbesuchen in den Schulklassen und kleinen Achtsamkeitsübungen im täglichen Unterricht v Methoden: Spiele, Übungen, Geschichten v Ziel: Überprüfung, ob Achtsamkeit die Selbstregula:on und das Wohlbefinden der SuS verbessert. 23
Achtsamkeit als Lebenskunst Die Kunst des Lebens besteht weder darin, sich sorglos treiben zu lassen, noch darin, ängstlich an allem anzuhaqen. Lebenskunst heisst, jedem Augenblick gegenüber sensibel zu sein, ihn als neu und einzigar1g zu betrachten, während der Geist offen und empfänglich bleibt. Alan WaUs
Fazit v Achtsamkeit als Schlüsselkompetenz mit vielfäl:gen Wirkungen auf Menschen v Vorteil: Achtsamkeit lässt sich systema:sch einüben und verbessern v Bis jetzt fehlt eine umfassende Theorie über die Wirkmechanismen von Achtsamkeitsmedita:on. v Voraussetzung: Bereitscha6 einer Person, sich darauf einzulassen. Achtsamkeit kann nicht von oben verordnet werden
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 26
Ausgewählte Literatur *Kabat- Zinn, J. (1998). Im Alltag Ruhe finden. Freiburg: Herder. *Kabat- Zinn, J. (2006). Gesund durch MeditaEon. Frankfurt a.m.: Fischer Taschenbuch Verlag. *Kabat- Zinn, J. (2006). Zur Besinnung kommen. Freiamt: Arbor Verlag. *Kaiser Greenland, S. (2011). Wache Kinder. Wie wir unseren Kindern helfen, mit Stress umzugehen und Glück, Freude und Mitgefühl zu erleben. Freiamt: Arbor Verlag. Kaltwasser, V. (2008). Achtsamkeit in der Schule. Weinheim: Beltz Kaltwasser, V. (2010). Persönlichkeit und Präsenz: Achtsamkeit im Lehrerberuf. Weinheim: Beltz. Nakamura, Y. (2012). Achtsamkeit eine wich:ge personale Ressource. In: Arno et al. (Hrsg.). PosiEve Psychologie. Beltz Verlag.
Kontakt Yuka Nakamura, Prof. Dr. phil. yuka.nakamura@centerformindfulness.ch Homepage: CFM Zentrum für Achtsamkeit, Zürich www.centerformindfulness.ch