Sprachentwicklungsvoraussetzungen und Voraussetzungen der Sprachanwendung

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Transkript:

Sprachentwicklungsvoraussetzungen und Voraussetzungen der Sprachanwendung Seminar: Sprachen lernen: Psychologische Perspektiven (WS 08/09) Dozentin: Dr. Anna Chr. M. Zaunbauer-Womelsdorf Datum: 04.12.2008

Gliederung 3 Voraussetzungen: 1. biologisch 2. kognitiv 3. sozial - interaktiv

1. biologische Voraussetzungen: - neurobiologische Grundlagen - Entwicklung des Gehirns/ Spezifizierung der Hirnareale - Verarbeitung der Grammatik und Semantik - Sensible und Kritische Phase - Lernmechanismen

Annahme, dass jedes Kind mit einer angeborenen Sprachbegabung auf die Welt kommt. jedoch: Wissen eingeschränkt!

Grundlage geistiger Prozesse: Informationsweitergabe zwischen den Nervenzellen

LH* - Spezialisierung für Verarbeitung von Sprache entwickelt sich allmählich (unter Einfluss genetischer Informationen und abhängig von Erfahrung) * linke Hemisphäre

Entwicklung Großhirn: Dominanz RH Dominanz LH Dominanz RH (Geburt - 6. Monat) (6. Monat - 1. Lebensjahr) (3. - 4. Lebensjahr)

Schlussfolgerung: LH = sprachliche Verarbeitung RH = Kontroll - und Interpretationsfunktion

Präferenz für Verarbeitung von Grammatik in LH entsteht allmählich. Abhängig von: Alter neuronaler Reifung und Erfahrung mit Sprache

Kritische Phase: eng eingegrenztes Zeitfenster Sensible Phase: Zeitspanne

Lernmechanismen: - Imitation - Klassifizierung und Analogisierung - Input und Reformulierungen

Gliederung 3 Voraussetzungen: 1. biologisch 2. kognitiv 3. sozial - interaktiv

2. kognitive Voraussetzungen: 2.1 kognitiv-konzeptionell 2.2 gedächtnisbezogen 2.3 implizite Lernfähigkeit 2.4 sozial-kognitiv 2.5 sozial-kommunikativ

2.1 kognitiv-konzeptionelle konzeptionelle Voraussetzungen Es gibt keine generellen, aber spezifische Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen kognitiver und sprachlicher Entwicklung Entwicklungsunterschied durch Unterschied im Sprachangebot und Struktur der Sprache.

2.2 gedächtnisbezogene Voraussetzungen Gedächtnissystem und auditive Fähigkeiten beeinflussen den Spracherwerb 0-5 Jahre: Gedächtnisleistung beeinflusst sprachliches Wissen Ab 5 Jahre : umgekehrt

2.3 implizite Lernfähigkeit Der Säugling ist von Anfang an sensitiv für Sprachstruktur. Bis 1. Lebensjahr hat das Kind das phonologische Inventar der Muttersprache abstrahiert.

2.4 sozial-kognitive Voraussetzungen Häufiger Aufmerksamkeitsfokus und häufige Imitation erhöhen Wortschatz. Entwicklung von der Geste zur Sprache verläuft nicht kontinuierlich. Linguistische Fähigkeit kommt dazu.

2.5 sozial-kommunikative Voraussetzungen Lernfähigkeit nur in positiver sozialemotionaler Beziehung Möglichkeit zum Üben, Motivation zu lernen und Anleitung zum Lernen

2.5 sozial-kommunikative Voraussetzungen Mütterliche Sprechstile: Ammensprache (bis ca. 12 Monate) Stützende Sprache (2. Lebensjahr) Lehrende Sprache (ab 2. Lebensjahr)

2.5 sozial-kommunikative Voraussetzungen Es kommt nicht auf den Sprachinput an, sondern auf die Anpassung an die kindlichen Bedürfnisse.

Zusammenfassung kognitive Voraussetzungen Kognitive Leistung und Sprachentwicklung sind nicht generell abhängig voneinander. Ein relativ leistungsfähiges Gedächtnissystem und gut entwickelte auditive Fähigkeiten sind wichtig für den Spracherwerb. Der Säugling ist von Anfang an sensitiv für Sprachstruktur. Gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokus, Imitation und Gesten sind Vorausläuferfähigkeiten für die Sprachentwicklung. Es kommt nicht auf den Sprachinput an, sondern auf die Anpassung an die kindlichen Bedürfnisse.

Gliederung 3 Voraussetzungen: 1. biologisch 2. kognitiv 3. sozial - interaktiv

Der Einfluss sozialer Faktoren liegt vor allem in ihrer Wirkung auf die Fähigkeit und die Bereitschaft des Lerners, eine Sprache zu lernen. Art und Intensität des sprachlichen Kontakts spielen eine wichtige Rolle für die Sprachentwicklung eines Kindes.

In kleineren Familien ist der sprachliche und intellektuelle Entwicklungsstand der einzelnen Kinder höher.

Sie schreien in der vorsprachlichen Entwicklung mehr beginnen später zu sprechen ihr Wortschatz ist geringer unzureichend mit sprachlichem Input versorgt mangelnde emotionale Zuwendung

Je besser die Bezahlung der Mütter und je substantiell komplexer ihre beruflichen Arbeitsaktivitäten, desto höher waren die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder.

Die TV-bezogenen Eltern-Kind- Interaktionen und bildende Fernsehprogramme eigneten sich gut zur Vorhersage eines hohen Sprachentwicklungsniveaus.

Die TV-bezogenen Eltern-Kind- Interaktionen und bildende Fernsehprogramme eigneten sich gut zur Vorhersage eines hohen Sprachentwicklungsniveaus. Kommerzielle Fernsehprogramme und der Umfang des Fernsehkonsums sagten geringe Sprachentwicklung voraus.

Die TV-bezogenen Eltern-Kind- Interaktionen und bildende Fernsehprogramme eigneten sich gut zur Vorhersage eines hohen Sprachentwicklungsniveaus. Kommerzielle Fernsehprogramme und der Umfang des Fernsehkonsums sagten geringe Sprachentwicklung voraus. Der Einfluss der letztgenannten Variable reduzierte sich etwas durch Berücksichtigung des IQ und des sozioökonomischen Status

Starke Fernseher zeigten expressiv eine signifikant geringere Sprachbeherrschung als rezeptiv, was durch den passiven Sprachkonsum der Fernsehprogramme erklärlich sein dürfte.

Starke Fernseher zeigten expressiv eine signifikant geringere Sprachbeherrschung als rezeptiv, was durch den passiven Sprachkonsum der Fernsehprogramme erklärlich sein dürfte. Verschiedene multiple Regressionsanalysen zeigten u.a., dass die entscheidendste Variable die TVbezogenen Eltern-Kind-Interaktionen waren

Starke Fernseher zeigten expressiv eine signifikant geringere Sprachbeherrschung als rezeptiv, was durch den passiven Sprachkonsum der Fernsehprogramme erklärlich sein dürfte. Verschiedene multiple Regressionsanalysen zeigten u.a., dass die entscheidendste Variable die TV- bezogenen Eltern-Kind- Interaktionen waren Die niedrige IQ-Gruppe mehr Fernseher konsumierte als die höhere IQ-Gruppe.

Geschlechtsbezogene Unterschiede zeigten sich nicht. Weder hatten Mädchen in der stark fernsehenden Gruppe höhere Sprachentwicklungswerte als Jungen noch unterschied sich der Fernsehkonsum beider Geschlechtsgruppen in irgendeiner Weise mit der Ausnahme, dass Jungen signifikant mehr Commercial TV sehen.

Für den Lernerfolg in einer Sprache spielt die emotionale Basis, die bei der Erstsprache vorwiegend durch die Eltern vermittelt wird eine große Rolle.

Je fester ein Individuum in die Verhaltensweisen, Wertsysteme und Normen seiner Bezugsgruppe eingebunden sei, desto schwerer finde es Zugang zu den Normen einer neuen Gruppe und desto schwerer könnte es sich mit deren Sprache identifizieren.

Jugendliche können nach einem Umzug nur bis um die Zeit der Pubertät oder kurz danach die Regionalismen ihrer neuen Umgebung annehmen.

Die Sprachentwicklung werde im Kontext einer sicheren Beziehung stimuliert, da sichere Eltern bessere Lehrer seien und sichere Kinder bessere Schüler.

Literatur Apeltauer, 1997, S. 19-22 Feger & Feger, 1970, S. 169-170 Grimm & Weinert, 2002, S. 540-549 Langenmayr, 1997, S. 485-491 Szagun, 2006, 241-266 (Kapitel 9)

Danke für eure Aufmerksamkeit!