Niereninsuffizienz als kardiovaskulärer Risikofaktor

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Transkript:

Bayerischer Internistenkongress München, 07.-08.11.2009 Niereninsuffizienz als kardiovaskulärer Risikofaktor Ulf Schönermarck Schwerpunkt Nephrologie Medizinische Klinik I Klinikum der Universität München - Großhadern

Niereninsuffizienz und kardiovaskuläres Risiko Niereninsuffizienz als kardiovaskulärer Risikofaktor Kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Dialysepatienten Konzept des kardiorenalen Syndroms Niereninsuffizienz als prognostischer Faktor Therapeutische Empfehlungen

Stadien der chronischen Niereninsuffizienz Stadium GFR (ml/min/1,73m 2 ) 1 normale Nierenfunktion > 90 2 milde Einschränkung 60 89 3 moderate Einschränkung 30 59 4 schwere Einschränkung 15 29 5 Dialysepflichtigkeit < 15

NI korreliert mit der Rate der Myokardinfarkte Event = Herzinfarkt (N = 218) 4.484 Erwachsene >55 Jahre (Rotterdam) 80 (94) ml/min 66 (78) ml/min egfr (Cockroft & Gault, MDRD) im Mittel 69 Jahre 64% Frauen 10% Diabetes mellitus Follow-up 8,6 Jahre 57 (69) ml/min GFR-Quartile Cockroft&Gault (MDRD) 43 (56) ml/min Brugts, Arch Int Med 2005

NI korreliert mit der Rate kardiovaskulärer Ereignisse Kardiovaskuläre Ereignisse 1.120.295 Erwachsene >20 Jahre (Kalifornien) egfr MDRD im Mittel 52 Jahre 55% Frauen Follow-up 2,8 Jahre Hazard ratio für kardiovask. Ereignisse GFR >60 1 GFR 45-59 1,4 (+43%) GFR 30-44 2,0 GFR 15-29 2,8 GFR <15 3,4 (+243%) Go, NEJM 2004

NI korreliert mit der Rate kardiovaskulärer Todesfälle Tod 1.120.295 Erwachsene (Kalifornien) egfr MDRD im Mittel 52 Jahre 55% Frauen Follow-up 2,8 Jahre Hazard ratio für Tod durch kardiovask. Ereignisse GFR >60 1 GFR 45-59 1,2 (+17%) GFR 30-44 1,8 GFR 15-29 3,2 GFR <15 5,9 (+490%) Go, NEJM 2004

NI korreliert mit der Rate kardiovaskulärer Ereignisse VALIANT-Studie 14.527 Erwachsene (Kalifornien) egfr MDRD 31% Frauen 23% Diabetes mellitus Follow-up 2,8 Jahre 0,5-12d nach MI Einschluss bis Kreatinin 2,5 mg/dl. Anavekar, NEJM 2004

Das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse steigt ab einer GFR < 60-70 ml/min überproportional an. Anavekar, NEJM 2004 Manjunath, Kidney Int 2003

Niereninsuffizienz und kardiovaskuläres Risiko Niereninsuffizienz als kardiovaskulärer rer Risikofaktor Kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Dialysepatienten Konzept des kardiorenalen Syndroms Niereninsuffizienz als prognostischer Faktor Therapeutische Empfehlungen

Kardiovaskuläre Mortalität bei Dialysepatienten 2005 Kardiovaskul. Mortalität 53,1 %!!! QuaSi Niere-Report 2005/2006 Foley, AJKD 1998

Besonderheiten bei chronischer Niereninsuffizienz / Dialyse Akzelerierte Arteriosklerose. Kalzifizierung v.a. in der Media, stark kalzifizierte Plaques, ausgeprägte Intima- Media-Hypertrophie. Verkalkung der Herzklappen. Adaptive LV-Hypertrophie, reduzierte Ischämietoleranz. Hohe Prävalenz des plötzlichen Herztodes.

Kardiovaskuläre Risikofaktoren Klassische - arterielle Hypertonie - Diabetes mellitus - Dyslipoproteinämie - Nikotinabusus - familiäre Belastung - Adipositas -Alter - Bewegungsmangel - Niereninsuffizienz (GFR<60 ml/min) - Mikroalbuminurie kardiovaskuläre Risikofaktoren Modifiziert nach Weidtmann, Internist 2007

Kardiovaskuläre Risikofaktoren Klassische Urämie-spezifische kardiovaskuläre Risikofaktoren - arterielle Hypertonie - Anämie - Diabetes mellitus - Inflammation - Dyslipoproteinämie - Aktivierung des RAAS - Nikotinabusus - Sympathikusaktivierung - familiäre Belastung - oxidativer Stress - Adipositas - gestörter Ca/P-Stoffwechsel - Alter - Hyperparathyreoidismus - Bewegungsmangel - Proteinurie - Niereninsuffizienz (GFR<60 ml/min) - Hyperhomozysteinämie - Mikroalbuminurie - Urämie-Toxine Modifiziert nach Weidtmann, Internist 2007

Kardiovaskuläre Risikofaktoren Klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren Urämie-spezifische - arterielle Hypertonie - Anämie - Diabetes mellitus - Inflammation - Dyslipoproteinämie - Aktivierung des RAAS - Nikotinabusus - Sympathikusaktivierung - familiäre Belastung - oxidativer Stress - Adipositas - gestörter Ca/P-Stoffwechsel - Alter - Hyperparathyreoidismus - Bewegungsmangel - Proteinurie - Niereninsuffizienz (GFR<60 ml/min) - Hyperhomozysteinämie - Mikroalbuminurie - Urämie-Toxine Klassische Risikofaktoren treten bei NI gehäuft auf. Chronische NI ist ein eigenständiger Risikofaktor. Chronische NI = KHK-Äquivalent. Modifiziert nach Weidtmann, Internist 2007

Niereninsuffizienz und kardiovaskuläres Risiko Niereninsuffizienz als kardiovaskulärer rer Risikofaktor Kardiovaskuläre re Morbidität t und Mortalität t bei Dialysepatienten Konzept des kardiorenalen Syndroms Niereninsuffizienz als prognostischer Faktor Therapeutische Empfehlungen

Das kardiorenale (renokardiale) Syndrom Akut Chronisch Interaktion zwischen Herz und Niere. Definiert als eine pathophysiologische Störung von Herz und Niere, bei der eine akute oder chronische Dysfunktion eines Organs eine akute oder chronische Dysfunktion des anderen Organs verursachen kann. Es werden 5 Formen des kardiorenalen Syndroms unterschieden. Ronco, Blood Purif 2009

Typ 4: chronisches renokardiales Syndrom CKD Stadium 1-2 Chronische Niereninsuffizienz, die zur verminderten kardialen Leistung (LV- Hypertrophie) und/oder zum erhöhten Risiko kardiovaskulärer Ereignisse führt. CKD Stadium 3-4 LV-Hypertrophie Herzinsuffizienz Koronare Herzerkrankung CKD Stadium 5 Ronco, Blood Purif 2009

Niereninsuffizienz und kardiovaskuläres Risiko Niereninsuffizienz als kardiovaskulärer rer Risikofaktor Kardiovaskuläre re Morbidität t und Mortalität t bei Dialysepatienten Konzept des kardiorenalen Syndroms Niereninsuffizienz als prognostischer Faktor Therapeutische Empfehlungen

Kontrastmittel-bedingtes Nierenversagen Risikofaktor Niereninsuffizienz (Erkennen!) Prophylaxe des ANV (Daran denken!) ANV als prognostischer Faktor Wickenbrock, Clin Res Cardiol 2009

Risiko-Score für KM-bedingtes Nierenversagen Mehran, JACC 2004 Brown, Am Heart J 2007

KM-bedingtes Nierenversagen als prognostischer Faktor Goldenberg, Am J Nephrol 2009

Prophylaxe des KM-bedingten Nierenversagens McCullough, J Am Coll Cardiol 2008

Prophylaxe des KM-bedingten Nierenversagens Risikofaktoren erkennen. An Prophylaxe denken. McCullough, J Am Coll Cardiol 2008

Niereninsuffizienz und kardiovaskuläres Risiko Niereninsuffizienz als kardiovaskulärer rer Risikofaktor Kardiovaskuläre re Morbidität t und Mortalität t bei Dialysepatienten Konzept des kardiorenalen Syndroms Niereninsuffizienz als prognostischer Faktor Therapeutische Empfehlungen

Allgemeine therapeutische Empfehlungen Konsequente Behandlung der etablierten kardiovask. Risikofaktoren. Risiko Hypertonie: Ziel-RR <130/80 mm Hg Diabetes: HbA1c < 7% Proteinurie: < 1g/die, moderate Eiweissrestriktion Hyperlipoproteinämie Gewichtsreduktion, Nikotinabstinenz. Medikamentöse Therapie bevorzugt mit ACE-Hemmer/ARB, Betablocker, ASS, CSE-Hemmer, ggf. Diuretika. Behandlung renaler Begleiterkrankungen (Anämie, Hyperparathyreoidismus, metabolische Azidose, Hypertonie). Anämiekorrektur! (Ziel-Hb 11-12 g/dl) Dosisanpassung von Medikamenten an die Nierenfunktion. Meidung nephrotoxischer Substanzen (v.a. NSAR).

Zusammenfassung Herz und Nieren sind eng miteinander verknüpft. Eine eingeschränkte Nierenfunktion ist ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor. Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion - vor allem Dialysepatienten - haben eine deutlich erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Konsequente Behandlung und Optimierung der traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren. Therapiestrategien zur Progressionsminderung der Niereninsuffizienz und der renalen Begleiterkrankungen.

Zusammenfassung Niereninsuffizienz (als Risikofaktor) erkennen. Therapie frühzeitig beginnen. Interdisziplinär behandeln.

Vielen Dank.