UN Behindertenrechtskonvention & Organisationsentwicklung

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Transkript:

UN Behindertenrechtskonvention & Organisationsentwicklung Thomas Schweinschwaller Die UN Behindertenrechtskonvention ist richtungsweisend, mutig und visionär. Nicht nur für die Gesellschaft. Nicht nur für Menschen mit Behinderungen und alle MitarbeiterInnen in Organisationen der Behindertenhilfe. Sondern auch für die Organisationen selbst. Die wesentlichen Grundsätze der UN-Konvention sind: Die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde und seiner individuellen Autonomie einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit die Nichtdiskriminierung die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit die Chancengleichheit die Zugänglichkeit die Gleichberechtigung von Mann und Frau die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität. (BGBl. III - Ausgegeben am 23. Oktober 2008 - Nr. 155, S. 6 von 44) Die UN-Konvention stellt an Umsetzungsverantwortliche und Beteiligte vielfältige Herausforderungen. Die Umsetzung der Inhalte der UN-Konvention ist ein Entwicklungsprozess, der durch systemische Organisationsentwicklung unterstützt werden kann. Anbei werden einige Eckpfeiler für eine nachhaltige Verankerung der UN-Konvention in Organisationen vorgestellt, die zur Weiterentwicklung der Kultur beitragen.

Den Weg vorbereiten Wenn keine Einigkeit herrscht, können wir nicht reisen (Konfuzius) Ein Check über das gemeinsame Verständnis zur UN-Konvention bereitet den Weg vor (vgl. Greif & al, 2004). Wie verstehen wir die Inhalte der UN-Konvention? Wie wird sie in unserer Organisation ausgelegt? Welche Bereiche (Angebote, Abteilungen und Funktionen) sind betroffen? Wo stehen wir in unserer Dienstleistungsentwicklung? Wo stehen die MitarbeiterInnen in ihrer Entwicklung, ihrem Verständnis zur UN- Konvention? Welche Zukunftsbilder stärken und leiten uns? Wie unterstützen wir unser Verständnis durch Projekte und Maßnahmen?

Empowermentperspektive Aus einem gelungenen Paradigmenwechsel vom Trainings- zum Selbstbestimmungsparadigma können wir für die Ausgestaltung dieses Wechsels einige hilfreiche Schlüsse ziehen: Es braucht einen klaren Prozess und ein Commitment von den Geschäftsführern sich den Fragen der UN-Konvention zu stellen und eine Strategie zu entwickeln. Folgende Fragen bieten Grundlagen für die Vorbereitung zur weiteren Umsetzung der UN-Konvention (vgl. Lenz & Stark, 2002 ): Unter welchen Bedingungen gelingt es Menschen, ihre eigene Stärken, Stimmen und Rechte zusammen mit anderen zu entdecken? Was trägt dazu bei, dass Menschen aktiv werden und sie ihre eigenen Lebensbedingungen gestalten und kontrollieren? Was können wir als Professionelle dazu beitragen, verschiedene Formen der Selbstorganisation und Beteiligung zu unterstützen? Wie können wir ein soziales Klima schaffen, das diese Prozesse unterstützt? Welche Konsequenzen hat dies für die beteiligten Menschen, Organisationen und Strukturen? Blick mit Wertschätzung auf die Organisation Die Entwicklung einer Kultur der Vielfalt in Unternehmen ist eine Aufgabe, die Akzente braucht. Am Anfang steht das Wertschätzen des bisher Geleisteten. Einfache Schwarz- Weiss Bilder, wie früher schlecht und heute gut, führen zu einer Verunsicherung aller Beteiligten im System. In diesem Sinne beginnt die Entwicklung einer Organisation bei der Umsetzung der UN-Konvention ebenso mit einem Blick der Wertschätzung. Welche Stärken und Ressourcen haben wir in unserer Organisation? Welche Stärken und Ressourcen können wir erweitern und ausbauen? Worauf sind wir stolz? Was wollen wir unbedingt behalten? Welche Zukunftsbilder stärken uns als Organisationsmitglieder und unsere MitarbeiterInnen und KlientInnen?

NutzerInnenorientierung mit Eigenzeit Die NutzerInnen haben ihre Eigenzeit und brauchen eigene Unterstützungsprozesse. Nicht selten ist es wichtig, dass die NutzerInnen in eigenen Workshops bei der Artikulierung Ihrer Interessen und Bedürfnisse begleitet werden und ihre Stimme außerhalb von Großgruppen und Arbeitsgruppen gesammelt werden, um sie dann in den Entwicklungsprozess der Organisation zu integrieren. In gemeinsamen Gruppen braucht es dann häufig eine eigene BegleiterIn, um diesen Prozess zu gestalten. Wie bringen wir unsere Stimme und Sichten ein? Wie treten wir in einen ebenbürtigen Dialog mit ProfessionistInnen? Welche Zukunftsbilder stärken uns? Die Beteiligung der Betroffenen in Form von Erhebungen zur eigenen NutzerInnenzufriedenheit schaffen häufig Selbstbewusstsein und geben oftmals unzensierte Einblicke in die Bedürfnisse der NutzerInnen (vgl. Trebesch, 2007). Wie zufrieden sind die NutzerInnen mit dem Angebot? Wie verstehen die NutzerInnen die UN-Konvention? Welchen Selbstverständlichkeiten der Betreuung werden durch die UN-Konvention in Frage gestellt? MitarbeiterInnenbeteiligung durch Projekte Eine Haltungsänderung kann nicht verordnet werden. Haltungsänderung kann nur in vielen kleinen Maßnahmen entwickelt werden. Um nachhaltiges Lernen zu ermöglichen ist es notwendig konkrete Projekte zu entwickeln und immer wieder Innezuhalten und zu reflektieren, wo die Entwicklung steht. Von gut gemeinten Einzelmaßnahmen ist eher abzuraten. Wie können wir die Inhalte (den Geist, das Wesen) der UN-Konvention durch unsere Maßnahmen in die Organisation bringen? Wie können wir das Thema in Diskussion halten? Wovon müssen wir uns in unseren Arbeitsweisen verabschieden? Was werden wir gewinnen?

Was müssen wir neu lernen? Welche Projekte unterstützen diese Zukunft? Mit welchen Stolpersteinen ist zu rechnen? Die Entwicklung begleiten durch Projektmanagement und Workshops Konzepte sind für die Schublade, Projekte sind für lernenden Organisationen. Studien über erfolgreiche Veränderungsprojekte zeigen deutlich (Greif et al, 2004): Die konsequente Anwendung von Werkzeugen des Projektmanagements und die Unterstützung durch das Management sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren. Es ist nicht die Schwierigkeit Ideen zu finden, sondern der lange Atem zur Umsetzung. Die Umsetzung der UN-Konvention ist ein langfristiger Prozess, der eine Steuerung dieses Projektes braucht, um die Kraft und Energie für diese Veränderungen zu fokussieren (Gerkhardt & Frey, 2006). Workshops mit Führungskräften, MitarbeiterInnen und den NutzerInnen, Befragungen der NutzerInnen, Großgruppenveranstaltungen, Projektmessen und Zwischenevaluationen schaffen einen Rahmen zu Schritten in der Veränderung. Gibt es ein Rezept oder eine bestimmte Kur? Nein. Die Umsetzung der UN-Konvention ist ein Lernprozess und eine Entdeckungsreise, die Zeit und Energie in Anspruch nimmt und für jede Organisation individuell gestaltet wird. Die oben angeführten Eckpfeiler kräftigen hoffentlich vielfärbig. Dezember 2011 Literatur Bundesgesetzblatt. III.2008. Wien. Lenz, A. & Strak, W. (2002). Empowerment. Neue Perspektiven für psychosoziale Praxis und Organisationen. Paderborn. Trebesch, K. Die Beteiligung der Betroffenen in Veränderungsprozessen. Die Unterscheidung der ideologischen und funktionalen Begründungen. Organisationsentwicklung 3/07. S. 31-35. Gerkhardt, M. & Frey, D. (2006). Erfolgsfaktoren und psychologische Hintergründe in Veränderungsprozessen. Entwicklung eines integrativen Modells. Organisationsentwicklung 4/06. S. 48-59. Greif, S., Runde, B. & Seeberg, I. (2004). Erfolge und Misserfolge beim Change Management. Hogrefe: Göttingen.