Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht II Grundrechte. Fall 2: Soldaten sind potentielle Mörder!

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Transkript:

Sommersemester 2008 Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht II Grundrechte Fall 2: Soldaten sind potentielle Mörder! Die Verfassungsbeschwerde der P hat vorbehaltlich einer Annahme gem. Art. 94 II 2 GG i.v.m. 93a ff. BVerfGG Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit Das BVerfG ist für Verfassungsbeschwerden nach Art. 93 I Nr. 4a GG, 13 Nr. 8a BVerfGG zuständig. II. Beschwerdefähigkeit P ist als natürliche Person Grundrechtsträger und damit jedermann i.s.v. 90 I BVerfGG. III. Beschwerdegegenstand Strafgerichtliches Urteil ist Akt der öffentlichen Gewalt (Judikative) i.s.v. 90 I BVerfGG. IV. Beschwerdebefugnis 1. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung P könnte jedenfalls möglicherweise in Art. 5 I 1 Alt. 1 GG (Meinungsäußerungsfreiheit) verletzt sein.

2 2. Eigene, gegenwärtige und unmittelbare Betroffenheit P ist selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. V. Rechtswegerschöpfung ( 90 II 1 BVerfGG) P hat laut Sachverhalt den Rechtsweg ausgeschöpft. VI. Form und Frist ( 23 I 1, 92, 93 I 1 BVerfGG) P müsste innerhalb eines Monats schriftlich Verfassungsbeschwerde einreichen. VII. Zwischenergebnis Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. B. Begründetheit Verletzung des Art. 5 I 1 Alt. 1 GG Da die Verletzung weiterer Grundrechte nicht in Betracht kommt, ist die Verfassungsbeschwerde begründet, wenn das letztinstanzliche Urteil das Grundrecht der P auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 I 1 Alt. 1 GG) verletzt. I. Prüfungsumfang Der Prüfungsumfang bei der Urteilsverfassungsbeschwerde beschränkt sich auf die Kontrolle von Verstößen gegen spezifisches Verfassungsrecht; nicht geprüft wird also insbesondere die Anwendung einfachen Rechts durch die Fachgerichte, da das Bundesverfassungsgericht nicht die Funktion einer Superrevisionsinstanz übernimmt.

3 II. Schutzbereich 1. persönlich Jedermanngrundrecht ; P als natürliche Person damit geschützt. 2. sachlich Meinungsäußerungsfreiheit: geschützt sind grundsätzlich Werturteile (anders als Tatsachenbehauptungen dem Beweis unzugängliche Aussagen über Sachverhalte/Ideen/Personen) und Tatsachenbehauptungen (Ausschluss nur bewusst unwahrer Aussagen; a.a.: nur Werturteile vom Schutzbereich erfasst). Hier: Aussage persönliche Stellungnahme oder objektiv nachprüfbar? P hat nicht von bestimmten Soldaten behauptet, diese hätten in der Vergangenheit einen Mord begangen; vielmehr bringt sie ihr Urteil über Soldaten und über den Soldatenberuf zum Ausdruck, der unter Umständen zum Töten anderer Menschen zwingt. Es handelt sich daher um ein Werturteil und der sachliche Schutzbereich ist eröffnet. III. Eingriff Strafurteil enthält ein zielgerichtetes Verbot; Eingriff schon nach klassischer Definition (Merkmale: final, unmittelbar, durch Rechtsakt, mittels Befehl/Zwang): (+)

4 IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 1. Grundrechtsschranken In Art. 5 II GG sind ausdrückliche, qualifizierte Gesetzesvorbehalte enthalten: a) 185 StGB als Gesetz zum Ehrenschutz? Mangels Ehre jedenfalls nicht bzgl. des Behördenschutzes ( 194 III 2 StGB). b) 185 StGB als allgemeines Gesetz? Allgemeine Gesetze sind nicht solche, die abstrakt-generell gelten, da dann der Begriff neben Art. 19 I 1 GG überflüssig wäre; vielmehr ist eine bestimmte inhaltliche Qualität erforderlich. Definition im Einzelnen umstritten: aa) Sonderrechtslehre (zum insoweit gleich lautenden Art. 118 I 2 WRV): nicht gegen eine bestimmte Meinung als solche gerichtet. bb) Abwägungslehre (als Reaktion auf die Sonderrechtslehre): entscheidend ist Schutz abstrakt vorrangiger Rechtsgüter (Abwägung erforderlich); Ehre kann höherrangiges Rechtsgut als Meinungsfreiheit sein. cc) Kombinationslehre des BVerfG: Allgemeine Gesetze sind alle Gesetze, die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfGE 7, 198 [209]; st. Rspr.). c) Zwischenergebnis: 185 StGB ist nach allen Ansichten ein allgemeines Gesetz i.s.d. Art. 5 II GG.

5 2. Grenzen der Einschränkbarkeit Ein Urteil ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn es auf einem verfassungsgemäßen Gesetz beruht (a) und die Rechtsanwendung dieses Gesetzes im Einzelfall verfassungskonform ist (b). a) Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit des 185 StGB Bundeskompetenz gem. Art. 74 I Nr. 1 i.v.m. 72 II GG ( Vorranggesetzgebung ); i.ü. keine Verfahrensoder Formmängel bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit des 185 StGB (1) Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG: Zwar nennt 185 StGB lediglich den Begriff der Beleidigung. Dieser Begriff hat aber durch die höchstrichterliche Ausgestaltung einen hinreichend klaren Inhalt erlangt. (2) Verhältnismäßigkeit des 185 StGB: Gesetz dient mit Ehrenschutz legitimen Zweck; für diesen Zweck ist es geeignet und erforderlich; durch die Regelung in 193 StGB ist mit Blick auf Art. 5 I 1 GG jedenfalls verfassungskonforme Auslegung möglich, so daß die Regelung auch angemessen ist. b) Verhältnismäßigkeit der Anwendung des 185 StGB Bei Art. 5 I GG ist die Wechselwirkungslehre als spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beachten: Die allgemeinen Gesetze i.s.d. Art. 5 II GG setzen dem Grundrecht zwar Schranken. Aufgrund der fun-

6 damentalen Bedeutung der Meinungsfreiheit für eine demokratische Grundordnung muss aber das beschränkende (allgemeine) Gesetz seinerseits im Lichte des Grundrechts ausgelegt und in seiner das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden. Demzufolge muss die Auslegung des 185 StGB mit Hilfe des einschränkenden 193 StGB insgesamt verhältnismäßig sein. Zweck der Verurteilung ist der Schutz der Ehre des O, der Soldaten insgesamt (evtl. der Bundeswehr als Institution); Ehrenschutz hat Verfassungsrang durch Art. 2 I i.v.m. 1 I GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht); damit legitimer Zweck (+); (1) Geeignetheit: (+) (2) Erforderlichkeit: (+) (3) Angemessenheit: Fraglich ist, ob die Entscheidung das Interesse des O am Schutz seiner Ehre und das Interesse der P an ihrer Meinungsfreiheit zu einem angemessenen Ausgleich bringt. Dafür spricht: Äußerung enthält eine erhebliche Herabsetzung des Soldatenberufs, die die Ehre des O unmittelbar betrifft; P spricht nicht unpersönlich von Mord, sondern personalisiert von Mörder. Wortlaut des Art. 5 II GG kann als absolute Schranke verstanden werden, die nicht relativiert werden darf (str.). Grundgesetzgeber hat gerade mit Blick auf die Weimarer Zeit in Art. 5 II GG eine ausdrückliche

7 Regelung des Ehrenschutzes vorgesehen, obwohl sich diese schon aus der allgemeinen Regelung des Persönlichkeitsrechts ergibt; daher besondere Bedeutung des Ehrenschutzes zu beachten (str.). Dagegen spricht: Jedenfalls wäre ein genereller Ehrenschutz für Institutionen unangemessen, obwohl 194 StGB davon ausgeht, dass auch Behörden beleidigungsfähig sind (allenfalls: homogene Gruppe, Individualisierbarkeit). Umgangssprachlich knüpft der Ausdruck Mord nicht an den gesteigerten Unwertgehalt des 211 StGB an und wird durch potentiell weiter relativiert (höchst str.). Die Äußerung muss im Lichte des engagierten Meinungskampfes verstanden werden, also als überzeichnete Behauptung, die Aufmerksamkeit und Widerspruch erregen soll (str.). Bei politischen Äußerungen, die einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellen, insbesondere bei Kritik am Staat, größeres Gewicht der Meinungsfreiheit: Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede ; Meinungsfreiheit ist schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Ordnung (BVerfGE 7, 198 [208]; 93, 266 [293]).

8 c) Zwischenergebnis Strafbarkeit der P nicht mehr angemessene Auslegung von 185 StGB (str., a.a. vertretbar); statt dessen hätten berechtigte Interessen i.s.v. 193 StGB zu einer verfassungskonformen Interpretation führen müssen. C. Entscheidung des BVerfG Die Verfassungsbeschwerde der P hat Aussicht auf Erfolg. Das BVerfG wird die angegriffenen Entscheidung gemäß 95 II BVerfGG aufheben und die Sache an das zuständige Gericht zurückverweisen.