Examenskurs Handels- und Gesellschaftsrecht Fall 5 Der BGH bejaht einen gesellschaftsrechtlichen Ausgleich ( 730 ff. BGB), wenn von einer stillschweigend vereinbarten Innengesellschaft auszugehen ist. Wenn die Eheleute einen über den typischen Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgen, indem sie etwa durch den Einsatz von Vermögenswerten und Arbeitsleistungen gemeinsam ein Vermögen aufbauen oder berufliche oder gewerbliche Tätigkeiten gemeinsam ausüben, spricht das für die Vereinbarung einer Gesellschaft, bei der nach Beendigung der Ehe ein gesellschaftsrechtlicher Ausgleich stattfindet. Fall 6 Ein Anspruch aus Vertrag oder Eheschließung besteht nicht. Denkbar ist allenfalls die Errichtung einer GbR, die nach Beendigung der GbR zu Ausgleichsansprüchen gemäß 730 ff. BGB führen kann. Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestehen allerdings grundsätzlich weder rechtliche Mitarbeitspflichten noch gesetzliche Ausgleichsmöglichkeiten. Selbst dann, wenn die Partner einer solchen Lebensgemeinschaft kein Gesellschaftsrechtsverhältnis begründet haben, kommt aber eine Auseinandersetzung nach gesellschaftsrechtlichen Regeln in entsprechender Anwendung der 730 ff. BGB in Betracht, wenn beide Partner durch gemeinschaftliche Leistungen einen Vermögensgegenstand erworben und hierbei die Absicht verfolgt haben, einen wirtschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen gemeinsam genutzt werden und nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören sollte. 4
Fall 7 R könnte einen Anspruch auf Rückzahlung ihrer Einlage gemäß 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 355 Abs. 1, 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 1 BGB haben. 1. Anwendbarkeit der Regeln über das Haustürgeschäft Der Vertrag mit R wurde in einer Haustürsituation i.s.d. 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB geschlossen. Fraglich ist, ob ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vorliegt. Inhalt des Vertrages war der Beitritt zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Gesellschaftsvertrag kommt mit den übrigen Gesellschaftern zustande, die möglicherweise auch Verbraucher sind. Die Regelung beruht jedoch auf einer europäischen Richtlinie und ist daher richtlinienkonform zu interpretieren. Im Sinne eines weitgehenden Verbraucherschutzes muss es hier ausreichen, dass jedenfalls der Gesprächspartner von R, der den Beitritt zur Gesellschafter vermittelt hat, unternehmerisch tätig wurde. Aus Sicht des R handelte es sich um die Vermittlung einer Kapitalanlage durch einen unternehmerisch tätigen Berater. Daher lässt sich das Vorliegen eines Widerrufsrechts bejahen. Die Widerrufsfrist beträgt grundsätzlich zwei Wochen ( 355 Abs. 1 BGB). Wurde der Verbraucher jedoch nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt, erlischt das Widerrufsrecht auch nach Ablauf dieser Frist nicht ( 355 Abs. 3 S. 3 BGB). R konnte also noch widerrufen. 2. Anwendbarkeit der Regeln der fehlerhaften Gesellschaft Fraglich ist, welche Rechtsfolge der Widerruf hat. Gemäß 355 Abs. 1 BGB ist der Verbraucher an seine Erklärung nicht mehr gebunden. Außerdem kann er die bereits erbrachte Leistung zurückfordern ( 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB). Dies entspricht auch der Intention der europäischen Richtlinie, die den Verbraucher so stellen will, als hätte er den Vertrag nicht geschlossen. Allerdings überlässt die Richtlinie die Einzelheiten der Rechtsfolgenregelung dem Recht der Mitgliedstaaten. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht führt ein Willensmangel bei Errichtung der Gesellschaft nur zu einer Beendigung mit Wirkung für die Zukunft ( fehlerhafte Gesellschaft ), weil eine bereits vollzogene Gesellschaft nur sehr schwer rückabgewickelt werden kann. Stattdessen erfolgt eine Auseinandersetzung nach 730 ff. BGB. Diese kann bei der Entstehung von Verlusten zu einer Nachschusspflicht führen ( 735 BGB). Es widerspricht möglicherweise den Zielen der Richtlinie, wenn die Ausübung des Widerrufs mit Nachteilen für den Verbraucher verbunden ist. Das widerspricht auf den ersten Blick der Intention der Richtlinie, den Verbraucher vor Nachteilen aus dem Rechtsgeschäft zu bewahren. Andererseits kann bei der Rückabwicklung des Beitritts zu einer Gesellschaft nur durch die Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft ein angemessener Interessenausgleich hergestellt werden. Dafür sprechen folgende Argumente: Der Verbraucher tritt hier in Konkurrenz zu anderen Verbrauchern, die möglicherweise ebenso ein Widerrufsrecht haben und ihre Einlage zurückfordern. Sollte die Gesellschaft die Einlagen verbraucht oder gar Verluste erlitten haben, können nicht alle Verbraucher ihre Einlage zurückerhalten. Die Auseinandersetzung nach BGB führt zu einer gleichmäßigen Verteilung des Verlustrisikos, während die Regelung des 346 BGB zur Folge hätte, dass nur diejenigen, die zeitlich zuerst den Widerruf erklären, noch eine Aussicht auf Rückzahlung hätten, alle übrigen aber keinerlei Zahlungen mehr erhalten. Zudem sind hier die Interessen von unbeteiligten Dritten involviert, die für die Gesellschaft Leistungen erbracht haben (z.b. Handwerker) und auf Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen vertraut haben. Auch deren Interessen werden durch die Auseinandersetzung nach 730 ff. BGB angemessen berücksichtigt. Die Gesellschafter erhalten nämlich eine Überschussbeteiligung nur dann, wenn zuvor die Schulden der Gesellschaft berichtigt worden sind ( 733/734 BGB). Aus diesen Gründen ist die Abwicklung nach den Grundsätzen einer fehlerhaften Gesellschaft die passende Rechtsfolge, die auch mit den Vorgaben der europäischen Richtlinie zu vereinbaren ist. 3. Ergebnis R kann ihre Beitrittserklärung wirksam widerrufen. Sie erhält aber gemäß 734 BGB nur insoweit eine Rückzahlung aus dem Gesellschaftsvermögen, als sich nach der Auseinandersetzung noch ein Überschuss ergibt. Da die Gesellschaft vorliegend Verluste gemacht hat, ergibt sich für R aus der Auflösung der Gesellschaft eine Nachschusspflicht gemäß 735 BGB. 5
Fall 8 (Vgl. BGH ZIP 2007, 1460 ff.) M und A sind selbst nicht unmittelbar in vertragliche Beziehungen getreten. Ebensowenig ist A im Verhältnis zu M ein Fehlverhalten vorzuwerfen. A muss allerdings als Mitglied der Anwaltssozietät möglicherweise für deren Verbindlichkeiten einstehen. Zu prüfen ist damit, ob eine Verbindlichkeit der Sozietät bestand und ob A hierfür mit seinem Eintritt in die Sozietät die persönliche Haftung übernommen hat. 1. Verbindlichkeit der Sozietät: a) Ein vertraglicher Anspruch könnte sich aus 280 BGB ergeben. Zwischen M und C bestand eine Mandatsbeziehung, dabei handelt es sich um einen Dienstvertrag gemäß 611 BGB. Fraglich ist, ob Vertragspartner jedenfalls auch die Sozietät geworden ist. Als Mitglied einer Sozietät tritt C gegenüber dem Mandanten nicht nur für sich persönlich, sondern auch für die Sozietät auf. Aus Sicht des Mandanten kommt das Vertragsverhältnis mit der Sozietät zustande. Der Mandant, der eine Sozietät beauftragt, will sich in der Regel die Vorteile zu Nutze machen, die ihm die Gesellschaft im Hinblick auf Organisation, Arbeitsteilung und die Möglichkeit der Beratung durch die ihr angehörenden Anwälte untereinander bietet. Bei dem Zusammenschluss von Rechtsanwälten, die als Freiberufler kein Gewerbe betreiben, handelt es sich zwar nicht um eine OHG, sondern um eine BGB-Gesellschaft. Diese kann aber, soweit sie nach außen im Rechtsverkehr als Gesellschaft auftritt, auch eigene Rechte und Pflichten erwerben ( 124 Abs. 1 HGB analog). Sie wird gemäß 714 BGB durch die Gesellschafter vertreten. Diese können zwar in Anknüpfung an die interne Geschäftsführungskompetenz die Gesellschaft grundsätzlich nur gemeinsam vertreten. Diese Regel ist aber vertraglich abdingbar. In einer Sozietät, in der einzelne Anwälte üblicherweise Mandate eigenständig begründen, ist davon auszugehen, dass intern eine Alleinvertretungsmacht jedes einzelnen Sozius vereinbart worden ist. Vertragspartner des Mandanten M ist folglich die Sozietät geworden. Sie bediente sich des C als Erfüllungsgehilfe und hat sich daher dessen Verschulden gemäß 278 BGB zurechnen zu lassen. Das Veruntreuen von Mandantengeldern ist eine Pflichtverletzung des Dienstvertrages und führt daher zu einem Schadensersatzanspruch gemäß 280 Abs. 1 BGB. b) Weiterhin besteht jedenfalls gegenüber C auch ein deliktischer Anspruch aus 823 Abs. 2 i.v.m. 266 StGB. Fraglich ist, ob die Sozietät auch für deliktische Handlungen ihrer Mitglieder einzustehen hat. Denkbar ist eine analoge Anwendung des 31 BGB. Diese Vorschrift wird jedenfalls neben dem Verein auch auf alle anderen körperschaftlich verfassten Verbände analog angewandt. Nachdem anerkannt ist, dass eine BGB-Außengesellschaft jedenfalls Rechtsfähigkeit besitzt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet, ist auch eine Analogie zu 31 BGB gerechtfertigt. Die BGB-Gesellschaft nähert sich damit einer körperschaftlichen Struktur an. Demnach ist wie schon seit längerem für die OHG auch für die BGB-Außengesellschaft eine Haftung analog 31 BGB anzuerkennen. Verfassungsmäßiger Vertreter im Sinne dieser Vorschrift ist jede Person, welcher durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, für die Gesellschaft wesentliche Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die Gesellschaft im Rechtsverkehr repräsentiert. Die selbständige und eigenverantwortliche Bearbeitung von Mandaten durch die Sozien erfüllt diese Voraussetzungen. Der Rechtsanwalt tritt bei Wahrnehmung des Mandats auch als Repräsentant der Sozietät in Erscheinung. Die Sozietät haftet damit auch für den deliktischen Anspruch des Mandanten gegenüber C. 6
2. Haftung des A Fraglich ist, ob A mit seinem Eintritt in die Sozietät auch in die Haftung für derartige Altverbindlichkeiten eingetreten ist. Infolge der Annäherung an das Recht der OHG ist anerkannt, dass die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft analog 128 HGB persönlich und unmittelbar für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Die früher vorherrschende Lehre der Doppelverpflichtung lehnt der BGH mittlerweile ab. Die persönliche Haftung ist eine von Gesetzes wegen angeordnete akzessorische Haftung. Möglicherweise lässt sich auch die Vorschrift des 130 HGB analog auf den neu eintretenden Gesellschafter anwenden. Rechtfertigungsgrund dafür ist das fehlende Haftkapital der BGB- Gesellschaft wie der OHG. Die persönliche Haftung ist Grundlage für die Wertschätzung und Kreditwürdigkeit sowie Korrelat zum Fehlen jeglicher Kapitalerhaltungsregeln. Der neu eintretende Gesellschafter hat dieselbe Zugriffsmöglichkeit auf das Gesellschaftsvermögen wie die bisherigen Gesellschafter (Komplementarität von Entnahmefreiheit und persönlicher Haftung). Er hat überdies Anteil am Vermögen und der Marktstellung der Gesellschaft, die ihren Ursprung in der bisherigen Tätigkeit der Gesellschaft finden. Daher ist 130 HGB entsprechend anwendbar. A haftet für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber M. Frage 2: Ausgleichsansprüche von A 1. Gegen die Gesellschaft A kann von der Gesellschaft, deren Zahlungspflicht er zum Erlöschen gebracht hat ( 362 Abs. 1 BGB), Ersatz seiner Aufwendungen in Höhe von 10.000 verlangen ( 713, 670 BGB). 2. Gegen die Mitgesellschafter Ein Ausgleichsanspruch gegen die Mitgesellschafter ergibt sich aus 426 Abs. 1 BGB. Die Gesellschafter einer GbR haften gemäß 128 S. 1 HGB analog gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Gesamtschuldner sind untereinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist ( 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Unter Gesellschaftern ist einerseits zu prüfen, ob eine vertragliche Sonderregelung zur internen Verlustteilung besteht. Andererseits gelten hier auch die allgemeinen Regeln, wonach ein Gesamtschuldner möglicherweise einen höheren Anteil tragen muss, wenn er den Schaden als einziger verschuldet hat und die anderen nur kraft Gesetzes mithaften. Im Ergebnis wird also C wegen seines alleinigen Verursachungsbeitrags den Schaden alleine tragen müssen. A kann von ihm also vollen Ausgleich verlangen. Nach allgemeiner Auffassung muss der betroffene Gesellschafter aber zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen. Die Gesellschafter haften einander nur subsidiär. Das wird hier jedenfalls im Verhältnis des A zu B und D gelten. Andererseits wird C sich nicht damit rechtfertigen können, dass zunächst die Gesellschaft zahlen müsse. A kann folglich erst dann seine Mitgesellschafter B und D in Anspruch nehmen, nachdem er erfolglos versucht hat, von der GbR Zahlung auf Basis des Aufwendungsersatzanspruches aus 713, 670 BGB zu erlangen. Gegenüber C kann man diesen Einwand nicht gelten lassen. Er muss direkt Ausgleich leisten. Eine weitere Anspruchsgrundlage gegen die Mitgesellschafter besteht aus übergegangenem Anspruch (cessio legis). Mit der Zahlung an den Dritten geht dessen Forderung auf A über ( 426 Abs. 2 BGB; a.a. 774 BGB analog). A hat also gegen die Mitgesellschafter auch den Anspruch des M aus 280 Abs. 1 BGB wegen Pflichtverletzung des Dienstvertrages. 7
Frage 3: Ausgleichsansprüche wegen Auslagen für EDV-Ausstattung 1. Gegen die Sozietät gemäß 713, 670 BGB. 2. Gegen die Mitgesellschafter kommt 426 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht (oder eine Haftung gemäß 128 HGB analog für den Aufwendungsersatzanspruch). Allerdings ist der Aufwendungsersatzanspruch, den ein einzelner Gesellschafter gegen die Gesellschaft hat, kein Anspruch, für den die übrigen Gesellschafter mit haften. Andernfalls könnte ein Gesellschafter die übrigen Gesellschafter mittelbar zwingen, einen höheren Beitrag zum Gesellschaftsvermögen zu leisten als er wollte. Dies widerspräche 707 BGB, wonach die Gesellschafter keine Nachschusspflicht trifft. 8