Arbeitsrechtliche Aspekte eines Medizinischen Versorgungszentrum aus der Sicht des Unternehmers vorgelegt von Dr.med. Roland E. Winkler
1. Einleitung Das Gesundheitswesenmodernierungsgesetz ( GMG ) beinhaltet die Möglichkeit der Schaffung neuer Versorgungsstrukturen wie integrierte Versorgung ( 140 SGB V; ambulante und stationäre Betreuung aus 1 v.h. der Gesamtvergütung der gesetzlichen Krankenversicherungen ), hausarztzentrierte Versorgung ( 73 SGB V; Primärarztsystem mit Erstinanspruchnahme eines Hausarztes ) und die Etablierung sogenannter Medizinischer Versorgungszentren ( 72, 95 SGB V; Möglichkeit der Anstellung von Ärzten in einer ambulanten medizinischen Einrichtung ). Mit der Schaffung medizinischer Versorgungszentren solle Diagnostik und Therapie aus einer Hand angestrebt werden, d.h. ein Patient würde in einer Einrichtung ambulant allumfassend behandelt ( siehe auch Polikliniken der DDR ). Mit der Möglichkeit der fachübergreifenden Diagnostik und Therapie soll die Gefahr der Doppel- und Mehrfachuntersuchungen vermieden werden, ein gemeinsames Qualitätsmanagement- System schafft die grundlegenden Sachverhalte für gemeinsames, dokumentationspflichtiges Handeln ( 135 SGB V ). Die differenten arbeitsrechtlichen Sachverhalte sollen anhand von Beispielen aus unternehmersicher Sicht in Teilaspekten beleuchtet werden. 2. Versorgungsstrukturen 2.1. Das Krankenhaus Die arbeitsrechtlichen Bedingungen sind in einem Krankenhaus aufgrund der horizontalen und vertikalen Hierarchie- Strukturen klar geregelt. In der Mehrzahl der Fälle ist der Träger der Einrichtung der Arbeitgeber ( Unternehmer ) und die Krankenhausmitarbeiter die Arbeitnehmer ( Abbildung 1 ).
Träger der Einrichtung ( öffentlich, privat ) Ärztliche Leitung Verwaltungsleitung Pflegedienstleitung Abteilungsleitung Sachbearbeitung Stationsleitung Stationspflegedienstleitung Entscheidungsfindung ärztlich Entscheidungsfindung materiell Entscheidungsfndung pflegerisch Ärztliches Materielles Pflegerisches Gesamt- Abbildung 1 : Klassisches Krankenhaus mit Trägerschaft und hierarchischen Strukturen Arbeitsrechtliche Schwierigkeiten werden bei den Leitenden Krankenhausärzten offenbar, da die Diskussion um die Stellung als Leitende(r ) Angestellte( r) nicht abgeschlossen ist. Auf Leitende Angestellte findet das Betriebsverfassungsgesetz ( BetrVG ) grundsätzlich keine Anwendung ( 5 Abs. 3 BetrVG ), so dass eine Betriebsratanhörung vor Kündigungsausspruch ( 102 BetrVG ) entfällt. Zudem besteht bei leitenden Angestellten, soweit sie zur selbständigen Einstellung oder Entlassungen von Mitarbeitern befugt sind, gem. 14 Abs. 2 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine vereinfachte Möglichkeit zur Beendigung des Dienstverhältnisses. Nach überwiegender Auffassung ist der Chefarzt aber in der Regel jedenfalls kein Leitender im Sinne des KSchG.
2.2. Das medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Die 72 und 95 SGB V beschreiben eine neue medizinischen Versorgungsstruktur, die es erlaubt, in der vertragsärztlichen Versorgung als niedergelassener ( Unternehmer ) oder als angestellter ( Arbeitnehmer ) des niedergelassenen es ( Arbeitgeber ) bzw. des Medizinischen Versorgungszentrums ( Unternehmer ) ambulant arbeiten zu können. Die unterschiedlichen möglichen Konstrukte nach SGB V bedingen auch die arbeitsrechtliche Würdigung medizinischer Versorgungszentren aus der unternehmerischen Sicht. Die Abbildungen 2 5 zeigen den Spielraum einer Konstruktion des medizinischen Versorgungszentrum auf. Trägerschaft eines Krankenhauses für ein Medizinisches Versorgungszentrum Träger Krankenhaus Verwaltungsleitung Ärztliche Leitung Pflegedienstleitung Medizinisches Versorgungszentrum Ambulanter Pflegedienst Apotheke Sanitätshaus Abbildung 2 Krankenhaus als Träger eines Medizinischen Versorgungszentrum
Ausgliederung als Möglichkeit der Kostenreduktion- Krankenhaus als Träger eines Medizinischen Versorgungszentrums Krankenhaus Outsourcing Controlling Träger des Management Verwaltung Ärztliche Leitung Medizinisches Versorgungszentrum Transport Pflegedienstleitung Ärzte Pflege Apotheke Controlling Abbildung 3 Outsourcing von Teilen des Krankenhauses als Träger eines Medizinischen Versorgungszentrums Beispiel eines Medizinischen Versorgungszentrum mit Trägerschaft innerhalb der ärztlichen Tätigkeit ( ärztliche Leistungserbringer) Träger des medizinischen Versorgungszentrum Qualitätsmanagement- System Entscheidungs- und Organisations- und Management- Ebene Medizinisches Versorgungszentrum Angestelter Ambulanter Pflegedienst Apotheke Sanitätshaus Transport Abbildung 4 Medizinisches Versorgungszentrum durch ärztliche Gründung und ärztliche Angestellte
Beispiel eines Medizinischen Versorgungszentrum mit Trägerschaft außerhalb der ärztlichen Tätigkeit ( medizinischer Leistungserbringer) Träger des medizinischen Versorgungszentrum Qualitätsmanagement- System Entscheidungs- und Organisations- und Management- Ebene Medizinisches Versorgungszentrum Ambulanter Pflegedienst Apotheke Sanitätshaus Transport Abbildung 5 Managementorganisation als Träger des Medizinischen Versorgungszentrum Anhand der konzeptionellen Möglichkeiten der Etablierung eines medizinischen Versorgungszentrums nach 72 und 95 SGB V erklären sich die arbeitsrechtlichen Probleme, die zusätzlich zu den vertragsarztrechtlichen Inkongruenzen auftreten. Die Arbeitgeberschaft ist dabei different zu interpretieren und bedarf zusätzlicher Diskussion. Abbildung 2 verdeutlich die Unternehmerschaft des Krankenhauses gegenüber dem medizinischen Versorgungszentrum, welches nur mit angestellten Ärzten arbeitet und damit die stationäre Tätigkeit für eine definierte Patientenklientel in die ambulante Betreuung verlagert. Die Ärzte werden über Arbeitsverträge und mögliche Zielvereinbarungen ( Motivation oder Demotivation ) in das Medizinische Versorgungszentrum eingebunden. In welcher Weise der Träger für die ambulanten Leistungen ( das Krankenhaus ) abrechnungsberechtigt gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ist, sei dahingestellt. Sollte eine Unmöglichkeit der Abrechnung bestehen, so müssten die angestellten Ärzte des Medizinischen Versorgungszentrums diese Aufgabe erledigen, in einem Angestelltenverhältnis jedoch die gesamten erbrachten Leistungen dem Krankenhaus gegenüber abtreten und daraus ihr Gehalt aquirieren. Inwieweit daraus eine Scheinselbständigkeit erwächst, ist arbeits- und steuerrechtlich bisher nicht ersehbar.
Abbildung 3 verdeutlicht die Kostenoptimierung durch Outsourcing des Träger aus dem Krankenhaus zur Senkung des Verwaltungskostenaufwandes ( in deutschen Krankenhäusern 40-70 % ). Arbeitsrechtlich besteht jedoch das gleiche Spannungsfeld wie in einer Trägerschaft durch das Krankenhaus. In welchem arbeitsrechtlichen Verhältnis steht der ausgegliederte Träger dem Krankenhaus gegenüber? Ist das Krankenhaus Unternehmer (?), das das Haus ja selbst wiederum einen öffentlichen/ privaten Träger besitzt! Wer rechnet die erbrachten Leistungen ab? Wer aquiriert die abgerechneten Leistungen? Wie ist das Dienstverhältnis der angestellten Ärzte gegenüber dem Medizinischen Versorgungszentrum und dem Träger und dem Krankenhaus zu würdigen? In der Abbildung 4 ist die Grundkonstruktion eines Medizinischen Versorgungszentrum dargestellt. Ein z.b. Hausarzt gründet zusammen mit einem Facharzt ein Medizinisches Versorgungszentrum und stellt diesen Facharzt an, weitere Zulassungen werden erworben, die Ärzte möchten jedoch nicht in freier Niederlassung arbeiten, sondern nur in einem Angestellten- Verhältnis. Der gründende Hausarzt fungiert ist diesem Unternehmen als Unternehmer und schließt Arbeitsverträge mit den angestellten Ärzten. Die Abrechnung der erbrachten Leistungen wird durch die einzelnen Ärzte oder durch die vom Unternehmer geführte Management- Ebene für die einzelnen Ärzte realisiert und fließen dem Unternehmer zu, der sie nach Anstellungsvertrag an die angestellten Ärzte weiterreicht. Welche Motivation besitzen die angestellten Ärzte in einem Dienstverhältnis, die adäquaten Leistungen wie der Unternehmer zu erbringen ( Motivation durch Arbeitsvertrag? ). Zudem ist den angestellten Ärzte klar, daß der Unternehmer seine kassenarztrechtliche Zulassung an das Medizinische Versorgungszentrum verloren hat, andererseits sie selbst nach 5 Jahren in die Lage versetzt werden, eine vertragsärztliche Zulassung zu erhalten und damit das Medizinische Versorgungszentrum mit ihrer Zulassung verlassen können. Ist es arbeitrechtlich möglich, die angestellten Ärzte durch Arbeitsverträge und Zielvereinbarungen über die 5 Jahre hinaus zu binden? Ist der Unternehmer leitender ( siehe Krankenhaus )?
Die Abbildung 5 zeigt die Trägerschaft einer Management- Organisation ( Apotheker, Heilberufe, Pharmaindustrie ) eines Medizinischen Versorgungszentrums. Hierbei treten die gleichen arbeitsrechtlichen Schwierigkeiten wie in der Trägerschaft eines Krankenhauses auf. Die Abrechnung der erbrachten Leistungen kann nur durch die persönliche Leistungserbringung der beteiligten Ärzte erfolgen. Eine Abtretung des ärztlichen Honorars der angestellten Ärzte erscheint arbeitsrechtlich nicht so bedeutend, da ein Dienstverhältnis mit dem Träger besteht. Der in freier Niederlassung praktizierende in einem Medizinischen Versorgungszentrum ist wohl nicht in der Lage, seine gesamten Leistungen gegenüber dem Träger abzutreten und daraus wiederum ein Honorar zu aquirieren? Wie stellt sich für den Subunternehmer niedergelassener die arbeitsrechtliche Situation dar? 3. Schlussfolgerungen Mit dem Gesundheitswesenmodernisierungsgesetz sind neue Versorgungsformen etabliert worden, die aktuell weder kassenarztrechtlich, berufsrechtlich noch arbeitsrechtlich in Kongruenz zu bringen sind. Anhand der Möglichkeit der Etablierung eines sogenannten Medizinischen Versorgungszentrum nach 72 und 95 SGB V werden die Teilaspekte der arbeitsrechtlichen Problemhaftigkeit dargestellt, die den Unternehmer betreffen. Aus dieser Diskussion erwachsen einfache Fragen, wie: Wer ist eigentlich der Unternehmer? Wie ist die Trägerschaft einzuschätzen? Besteht die Gefahr der Scheinselbständigkeit durch Abtretung des gesamten ärztlichen Honorars eines niedergelassenen es an das Medizinische Versorgungszentrum? Wie wird Motivation/ Demotivation der angestellten Ärzte in einem Medizinischen Versorgungszentrum erreicht? Medizinische Versorgungszentren stellen derzeit keine echte Alternative zu fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen und Praxisverbünden nach Musterberufsordnung Ärzte dar.