Nichts geht mehr `rein! Gastroenterologischer Fall ohne Bilder K. Klein Klinik Am Bürgerpark Bremerhaven
Eine Lappalie? 21-jährige deutsch-japanische Medizin-Studentin Ende April 2012 Schmerzen im Oberbauch, dann nach 2 Wochen anhaltendes Erbrechen Aufnahme in der Uniklinik Jena: Körperbefund Labor Gastroskopie Ileo-Koloskopie Sonographie Labor auf HSV, CMV, VZV, EBV ob Diagnose: V.a. durchgemachte virale Gastroeneritis Seite 2
Morbus Crohn des hohen Dünndarms? Schwanger? Aufnahme bei uns 3 Wochen später: Anhaltende Bauchschmerzen, rezidivierendes Erbrechen 9 kg Gewichtsverlust Körpergewicht aktuell 48 kg bei 1,68 m Körpergröße Körperbefund: Druckschmerz im Ober-/Mittelbauch, DG + Aufnahmelabor: o.b. Sonographie: Retentionsmagen, Gallenblasensludge Gastroskopie: Retentionsmagen, abgesaugt, sonst ob, auch Histo Weiterer Verlauf: Geringe Mengen Essen und Trinken verursachen stärkste Schmerzen, schlimmstenfalls Erbrechen. Zunahme der Schmerzen durch Obstipation Auch symptomatische Therapie hilft gar nicht! Alles wird schlimmer! Seite 3
Leishmaniose? HIV? Hirntumor? Weitere Diagnostik? Unauff. Labor für: Beta HCG Cortisol HIV Blei ACE Parathormon Leishmanien-Titer Porphyrine im Urin TPHA Borrelien Ferritin Chromogranin Stuhl auf Lamblien, Wurmeier MRT ob Schädel/Hirn Abdomen Farbdoppler Oberbauchgefäße/Test auf Dunbar-Syndrom ob H2-Atemtest mit Lactulose: Oro-zökale = Dünndarm-Passagezeit 150 min [60-90]!!!! Seite 4
Somatoforme Störung? Faktitielle Erkrankung? Der Schlüssel zur Lösung: Ein Zufall! Magenentleerungssonographie: Eigentlich sinnlos, da Patientin nur 100 ml trinken kann Patientin muss während der Untersuchung auf die Toilette Restharn 350 ml Seite 5
Teil 1 der Lösung? 3 funktionelle Störungen: 1. Blasenentleerungsstörung ohne mech. Hindernis 2. Kolonentleerungsstörung ohne mech. Hindernis 3. Verzögerte oro-zökale Passagezeit (150 min [60-90]) Hinweise auf eine Störung des autonomen Nervensystems!!! Seite 6
Neurologische Untersuchungen: Klin. Untersuchung: MRT Spinalkanal Sens./motor.Neurographie Liquor ob ob, keine Schrankenstörung ob ob, bis auf grenzwertigen Befund der intrathekalen IgG-Synthese Nachweis von monoklonalen IgG-Banden als Hinweis auf ZNS-Erkrankung vom Autoimmuntyp
Die Lösung?! Diagnose: Pandysautonomie = Guillain-Barré-Syndrom des autonomen Nervensystems Mögliche Symptome: Störungen der Pupillomotorik, Mundtrockenheit (Speichelproduktion), gestörte Motilität des Gastrointestinaltraktes, Blasenentleerungsstörung, gestörtes Schwitzen, Gestörte Herzfrequenzvariabilität Und nun? Neurolog. Rat: Prinzipiell gute Prognose, Keine Studien zum Sinn einer Immuntherapie. Abwarten! Seite 8
Alles wird gut?? Die Wirklichkeit: Alles wird schlimmer. Dauertherapie mit Opiaten erforderlich Parenterale Ernährung mit ZVK erforderlich Später Umstieg auf PEG/J Taubheitsgefühle an den Oberschenkeln Darum doch: Hochdosierte Immunglobulingabe i.v. über 5 Tage Im weiteren Verlauf allmähliche leichte Besserung Gewünschte Entlassung nach 2 Monaten deutlich krank mit 45,8 kg intestinaler PEG/J symptomatischer Medikation Seite 9
Bißchen viel = Hilflosigkeit? Entlassungs-Medikation: Erythromycin Domperidon Amitryptilin Pethidin s.c. / Tapentadol oral Ondansetron b.bed. Bisacodyl PPI Pregabalin Cave QT-Verlängerung: Erythromycin - Amitryptilin - Domperidon Regelm. EKG-Kontrollen! Seite 10
Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen Dann stat. Aufnahme in Neurologie Uni Klinik Köln Dort: Weiter schwerste Bauchschmerzen, kurzzeitig AV-Block II Schmerzther. Konsilbetreuung: alle medikamentösen Versuche frustran Blockade des G. coeliacum ohne Effekt Periduralkatheter/anästhesie: schmerzfrei, Essen und Trinken möglich. Alle Auslaßversuche (auch heimliche) wurden mit schlimmsten (VAS 10) Schmerzen und Erbrechen beantwortet Nach Corticosteroid-Stoßtherapie und Plasmapherese Beendigung der Periduralanästhesie nach 120 Tagen möglich Umstellung auf Opiate (zuerst iv., dann transdermal) Seite 11
Ende gut alles gut Entlassung nach 5 Monaten PEG/J-Entfernung nach insgesamt 7 Monaten Die Patientin ist heute gesund und studiert wieder Medizin. Diagnose: Steroidsensible Pandysautonomie Krankheitsdauer: 10 Monate Seite 12
Danke für Ihre Aufmerksamkeit