Fall 13: Schuldner der EUSt/Ortsbestimmung nach 3 Abs. 8 UStG/Vorsteuerabzug

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Fall 13: Schuldner der EUSt/Ortsbestimmung nach 3 Abs. 8 UStG/Vorsteuerabzug 13 2. Einfuhr Fall 12: Schuldner der EUSt und Vorsteuerabzug 1 Ein Unternehmer aus einem Drittland (Ukraine) überlässt einem inländischen Unternehmer eine Maschine (kein Beförderungsmittel) zur vorübergehenden Nutzung. Der Drittlandsunternehmer verbringt vereinbarungsgemäß die Maschine ins Inland. Der Inlandsunternehmer entrichtet vereinbarungsgemäß die EUSt. Aufgabe: Wer ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer und Vorsteuerabzugsberechtigt? Der inländische Unternehmer ist nicht zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt, da der inländische Unternehmer nicht die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. Der inländische Unternehmer zahlt die EUSt im Namen und im Auftrag für den Einführer. In diesem Fall wird der Vertretene Schuldner der EUSt. Vorsteuerabzugsberechtigt ist der Drittlandsunternehmer gem. 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG (siehe auch Abschn. 15.8 Abs. 9 UStAE). Die Vermietungsleistung des Drittlandsunternehmers wird nach 3a Abs. 2 UStG im Inland ausgeführt und ist daher im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Die Vergütung der EUSt als Vorsteuer ist nicht im Vorsteuervergütungsverfahren möglich, da der Drittlandsunternehmer nicht nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach 13b UStG schuldet. Der Drittlandsunternehmer tätigt daneben noch eine Einfuhr nach 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG. Es handelt sich um eine sonstige Leistung eines im Ausland ansässigen Unternehmers ( 13b Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. Abs. 7 UStG). Nach 13b Abs. 5 Satz 1 UStG schuldet der Leistungsempfänger (Inlandsunternehmer) die Steuer. Der Drittlandsunternehmer muss nach 14a Abs. 5 UStG eine Rechnung erteilen, die die Angabe Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers enthalten muss. Der Leistungsempfänger (Inlandsunternehmer) kann die Steuer nach 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abziehen. Fall 13: Schuldner der EUSt/Ortsbestimmung nach 3 Abs. 8 UStG/Vorsteuerabzug Ein Unternehmer aus einem Drittland (Ukraine) veräußert einem inländischen Unternehmer eine Maschine (kein Beförderungsmittel) und befördert sie vereinbarungsgemäß ins Inland. Schuldner der EUSt ist 1. der Inlandsunternehmer (Lieferkondition unversteuert und unverzollt ) bzw. 2. der Drittlandsunternehmer (Lieferkondition verzollt und versteuert ). Aufgabe: Wer ist Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer und vorsteuerabzugsberechtigt? 1. Bei Grenzübertritt gibt der Drittlandsunternehmer die Zollanmeldung in direkter (offen erklärter) Stellvertretung ab ( im Namen und im Auftrag für den Einführer). Der Vertretene der Inlandsunternehmer wird Schuldner der EUSt. Der Ort der Lieferung befindet sich nach 3 Abs. 6 UStG im Drittland. Der Inlandsunternehmer besitzt im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den Gegenstand. Der Inlandsunternehmer kann die EUSt nach 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abziehen. 2. Bei Grenzübertritt gibt der Drittlandsunternehmer die Zollanmeldung als Anmelder ab und wird somit Schuldner der EUSt. Der Ort der Lieferung befindet sich nach 3 Abs. 8 UStG im Inland. Es wird unterstellt, dass der Inlandsunternehmer im Zeitpunkt der Einfuhr nicht die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt (s.a. Abschn. 15.8 Abs. 4, Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 UStAE). Der Lieferer kann die EUSt nach 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG als Vorsteuer abziehen. Da die Lieferung steuerpflichtig ist

14 3. Geschäftsveräußerung im Ganzen und es sich nicht um eine Leistung i.s.d. 13b Abs. 1 und 2 UStG handelt, ist der Leistungsempfänger kein Steuerschuldner. Dem Drittlandsunternehmer kann die Vorsteuer (EUSt) nicht im Vorsteuervergütungsverfahren vergütet werden. Das allgemeine Besteuerungsverfahren ist durchzuführen (siehe Abschn. 18.11 Abs. 1 Beispiel 3 UStAE). 3. Geschäftsveräußerung im Ganzen Hinweis! Zu den Voraussetzungen der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen s. Mutschler/Scheel, Umsatzsteuer, 2. Auflage; Steuern und Finanzen in Ausbildung und Praxis, Band 4, unter XIV. 3. S. 226 ff., HDS-Verlag. Fall 14: Geschäftsveräußerung im Ganzen/Zurückbehaltung Grundstück Immobilienmakler M betreibt seit Jahren in eigenem Grundstück ein erfolgreiches Maklergeschäft in Landau/Pfalz. Im Kalenderjahr 2015 veräußert M wegen Geschäftsaufgabe alle wesentlichen Betriebsgrundlagen, insbesondere die Geschäftsausstattung und den Kundenbestand, an den Erwerber E, der das Maklergeschäft des M in seinem eigenen Grundstück in Landau fortführt. Da der Erwerber E über ein eigenes Geschäftslokal verfügt, wird das Grundstück des M nicht mitübertragen. M vermietet das bisher als Maklerbüro genutzte Grundstück an einen Steuerberater, der dort seinen Betrieb eröffnet. Aufgabe: Prüfen Sie, ob hinsichtlich der Veräußerung des M eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt. Zu den Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung im Ganzen nimmt die OFD Karlsruhe mit Vfg. vom 19.02.2015 (S 7100b, UR 2015, 406) Stellung. Nach 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Näheres regelt Abschn. 1.5 UStAE. Danach ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung grundsätzlich erforderlich, dass der Veräußerer dem Erwerber alle wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens oder seines gesondert geführten Betriebs übereignet. Weitere Voraussetzung für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung ist, dass der Erwerber Unternehmer ist und das erworbene Unternehmen fortführt. Entscheidend ist, dass die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um dem Erwerber die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit zu ermöglichen, und der Erwerber dies auch tatsächlich tut (BFH-Urteil vom 18.09.2008, V R 21/07, BStBl II 2009, 254 und Abschn. 1.5 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der Erwerber mit der Fortführung des Unternehmens erstmalig unternehmerisch tätig wird oder das Unternehmen nach dem Erwerb in veränderter Form fortführt. Will der Erwerber die übernommene Geschäftstätigkeit sofort abwickeln, kommt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nicht in Betracht (vgl. auch Abschn. 1.5 Abs. 1a Satz 2 UStAE). Das Zurückbehalten einzelner wesentlicher Grundlagen ist unschädlich, wenn diese an den Erwerber vermietet oder verpachtet werden (Abschn. 1.5 Abs. 3 Sätze 2 und 3 und 24.1 Abs. 5 UStAE), sodass der Erwerber das Unternehmen oder den gesondert geführten Betrieb ohne großen finanziellen Aufwand fortsetzen kann (Abschn. 1.5 Abs. 4 Satz 1 UStAE).

Fall 16: Geschäftsveräußerung im Ganzen/Veräußerung eines Grundstücks ohne 15 Nach dem EuGH-Urteil vom 10.11.2011 (C-444/10, BStBl II 2012, 848) muss die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile ausreichen, um die Fortführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Ist für eine wirtschaftliche Tätigkeit kein besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendigen festen Ladeneinrichtung erforderlich, bzw. verfügt der Erwerber selbst über eine geeignete Immobilie in die er sämtliche übertragenen Sachen verbringen und in der er die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin ausüben kann, kann eine Geschäftsveräußerung auch ohne Übereignung des Grundstücks vorliegen. Muss der Erwerber zur Fortführung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit über dasselbe Geschäftslokal verfügen, das dem Veräußerer zur Verfügung stand, muss dieses zu den übertragenen Bestandteilen gehören. Es reicht aber auch aus, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber mittels eines Mietvertrags zur Verfügung gestellt wird. Allein aus dem Umstand, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde und jederzeit kurzfristig gekündigt werden kann, kann nicht geschlossen werden, dass der Erwerber den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil nicht fortführen, sondern sofort abwickeln will (Abschn. 1.5 Abs. 3 Satz 4 UStAE). Es bleibt somit festzuhalten, dass M mit der Veräußerung seines Maklerbüros eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.s.d. 1 Abs. 1a UStG tätigt. Mit der Vermietung des Grundstücks an den Steuerberater bleibt M weiterhin Unternehmer. Eine Geschäftsveräußerung setzt keine Beendigung der unternehmerischen Betätigung des Veräußerers voraus (BFH-Urteil vom 29.08.2012, XI R 10/12, BStBl II 2013, 221 und Abschn. 1.5 Abs. 1a Satz 4 UStAE). Fall 15: Geschäftsveräußerung im Ganzen/Grundstücksveräußerung an den Mieter V vermietet ein Bürogebäude an M, ein Handelsunternehmen. V veräußert das Gebäude an M, der das Gebäude weiterhin für sein Handelsunternehmen nutzt. Es liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Die von M ausgeübte Handelstätigkeit ist keine Fortführung der Vermietungstätigkeit des V (s.a. BFH-Urteil vom 24.02.2005, V R 45/02, BStBl II 2007, 61). Ist der Gegenstand der Geschäftsveräußerung ein Vermietungsunternehmen, muss der Erwerber umsatzsteuerrechtlich die Fortsetzung der Vermietungstätigkeit beabsichtigen (BFH-Urteil vom 06.05.2010, V R 26/09, BStBl II 2010, 1114). Bei der Veräußerung eines vermieteten Objekts an den bisherigen Mieter zu dessen eigenen wirtschaftlichen Zwecken ohne Fortführung des Vermietungsunternehmens liegt daher keine Geschäftsveräußerung vor (BFH-Urteil vom 24.09.2009, V R 6/08, BStBl II 2010, 315; Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 2 und 3 UStAE). Fall 16: Geschäftsveräußerung im Ganzen/Veräußerung eines Grundstücks ohne Übergang eines Mietvertrages V vermietet seit Jahren ein Grundstück an L (Autolackiererei). Nachdem der Mietvertrag mit L gekündigt wurde, veräußert V das unvermietete Grundstück an X, der es danach an Y zum Betrieb einer Autolackiererei vermietet. Nach dem Kaufvertrag war der Verkauf umsatzsteuerpflichtig. Der Sachverhalt und die Lösung ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 11.10.2007 (V R 57/06, BStBl II 2008, 447). Die Veräußerung eines Grundstücks ohne Übergang eines Mietvertrages ist keine Geschäftsveräußerung. Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt nicht zur Übertragung eines

16 3. Geschäftsveräußerung im Ganzen Unternehmensteils, mit dem eine selbstständige Tätigkeit fortgeführt werden kann (Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Fall 17: Partielle Geschäftsveräußerung im Ganzen/Grundstücksveräußerung Unternehmer X vermietet seit Jahren das Obergeschoss eines zweigeschossigen Gebäudes an den Ehegatten für dessen Unternehmen, und das Erdgeschoss ist an S für dessen unternehmerische Zwecke (Steuerberater) vermietet. X veräußert das Grundstück an Y. Lt. Kaufvertrag wird das Mietverhältnis an den Ehegatten im Obergeschoss nicht übernommen. Der Verkäufer X hat für eine frist- und ordnungsmäßige Kündigung zu sorgen. Das Mietverhältnis im Erdgeschoss wird durch Y fortgeführt. Das Obergeschoss wird nach dem Erwerb für eigene unternehmerische Zwecke des Y genutzt. Der Sachverhalt und die Lösung sind dem Urteil des Hessischen FG vom 12.11.2014 (6 K 2574/11, EFG 2015, 681) entnommen. Eine Geschäftsveräußerung i.s.d. 1 Abs. 1a UStG durch Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks liegt auch dann vor, wenn dieses nur teilweise vermietet oder verpachtet ist, die nicht genutzten Flächen aber zur Vermietung oder Verpachtung bestimmt sind, da hinsichtlich dieser Flächen auf die Fortführung der bisherigen Vermietungs- oder Verpachtungsabsicht abzustellen ist (BFH-Urteil vom 30.04.2009, V R 4/07, BStBl II 2009, 863). Zwar hat der Erwerber Y im vorliegenden Fall den Mietvertrag mit dem Mieter im Erdgeschoss des Objekts übernommen, das Vermietungsunternehmen des Veräußerers X insoweit fortgeführt und damit die grundlegende Voraussetzung für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen erfüllt. Nach der gebotenen Gesamtwürdigung ähneln sich die vor und nach der Grundstücksveräußerung durch den Veräußerer X bzw. den Erwerber Y des Hauses ausgeübten Tätigkeiten aber nicht derart hinreichend, dass im Ergebnis eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt. Während das Vermietungsunternehmen des Veräußerers X die gesamte Immobilie umfasste, reduzierte es sich, nachdem der Erwerber Y das Obergeschoss fortan zu eigenunternehmerischen Zwecken nutzte, um etwa die Hälfte seines Umfangs. Wie sich aus dem zitierten Urteil des BFH vom 30.04.2009 (V R 4/07, BStBl II 2009, 863) ergibt, ist es aber bei einem Vermietungsunternehmen grundsätzlich Voraussetzung, dass dieses im bisherigen Umfang vom Erwerber weitergeführt wird. Wenn es der BFH noch als ausreichend ansieht, dass zwar nicht sämtliche Mietverträge vom Veräußerer übernommen werden, die vorübergehend leer stehenden Flächen aber zumindest weiterhin zur Vermietung bestimmt sind und hierfür bereitstehen, erfüllt eine anderweitige Nutzung zuvor vermieteter Räume unter Aufgabe der Vermietungsabsicht wie im vorliegenden Fall die Mindestanforderungen an die Geschäftsveräußerung eines Vermietungsunternehmens gerade nicht mehr. Beachte! Gegen das oben zitierte Urteil des Hessischen FG ist unter dem Az.: XI R 1/15 ein Revisionsverfahren vor dem BFH anhängig. M.E. liegt eine partielle nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor. Nach dem BFH-Urteil vom 22.11.2007 (V R 5/06, BStBl II 2008, 448) können auch lediglich Gebäudeteile eine partielle Geschäftsveräußerung bilden. Lt. Hessischem FG unterscheidet sich allerdings der Entscheidungssachverhalt von dem des BFH-Urteils dadurch, dass in dem Sachverhalt, welcher dem BFH zur Entscheidung vorlag, das Vermietungsunternehmen insoweit unverändert bestehen blieb, als dieselben Räume innerhalb der Immobilie vermietet und die übrigen zu eigenen Zwecken genutzt wurden, während im FG-Sachverhalt der Umfang der Vermietungstätigkeit in nicht nur unerheblicher Weise reduziert wurde. Dieser Argumentation kann ich insofern nicht folgen, als in beiden Fällen nur eine quotale

Fall 19: Geschäftsveräußerung im Ganzen/Übertragung von Miteigentumsanteilen 17 Fortführung der unternehmerischen Nutzung des Veräußerers stattfindet. Im BFH-Sachverhalt lag die teilweise Vermietung schon länger vor, im FG-Entscheidungsfall ist die Teilvermietung erst bei der Veräußerung eingetreten. In beiden Fällen wurde aber ein teilvermietetes Grundstück veräußert (s.a. Meyer, UStB 2/2015, 42). Fall 18: Geschäftsveräußerung im Ganzen/Unentgeltliche Übertragung eines Betriebsgrundstücks Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau unentgeltlich ein Betriebsgrundstück. Aufgrund eines mit der Ehefrau wirksam geschlossenen Pachtvertrags verwendet der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke seines Unternehmens. S.a. Sachverhalt 1 der Vfg. der OFD Niedersachsen vom 16.09.2011 (S 7109 10 St 172, DStR 2011, 2467). Der Unternehmer entnimmt das Grundstück aus seinem Unternehmen. Mit der Übertragung auf die Ehefrau endet die rechtliche Bindung des Grundstücks an den Unternehmer, sodass auch die Zuordnung des Grundstücks zu seinem unternehmerischen Bereich endet. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass der Unternehmer das Grundstück weiterhin für Zwecke des Unternehmens verwendet. Denn diese Verwendung beruht nicht mehr auf der Zuordnungsentscheidung des Unternehmens, sondern auf der Entscheidung der Ehefrau, ihrem Ehemann das Grundstück zu verpachten, sowie auf der Entscheidung des Unternehmers, das Grundstück nunmehr im Rahmen eines schuldrechtlichen Nutzungsverhältnisses für sein Unternehmen zu verwenden. Die unentgeltliche Abgabe des Grundstücks erfolgt aus privaten Gründen und ist daher eine unentgeltliche Wertabgabe i.s.d. 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG. Der Umsatz ist steuerfrei ( 4 Nr. 9 Buchst. a UStG). Der Unternehmer kann nicht nach 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten. Bei der unentgeltlichen Wertabgabe führt der Unternehmer keine Lieferung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen aus (Abschn. 3.2 Abs. 2 Satz 4 und Abschn. 9.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Damit haben sich die Verhältnisse geändert, die beim Erwerb des Grundstücks durch den Unternehmer für den Vorsteuerabzug maßgebend waren. Der Vorsteuerabzug ist ggf. nach 15a UStG zu berichtigen (Abschn. 15a.2 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. a UStAE). Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen i.s.d. 1 Abs. 1a UStG kann nicht vorliegen, da die Ehefrau nicht das Unternehmen des Veräußerers fortführt, sondern ein neues (Vermietungs-)Unternehmen begründet. Die Ehefrau erbringt mit der Verpachtung des Grundstücks eine steuerbare und nach 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie sonstige Leistung. Auf die Steuerfreiheit kann die Ehefrau unter den Voraussetzungen des 9 UStG verzichten. Sie ist dann berechtigt, in den Pachtzinsabrechnungen USt gesondert auszuweisen und ihr in Rechnung gestellte USt als Vorsteuer abzuziehen. Ggf. ist die Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen ( 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG). Fall 19: Geschäftsveräußerung im Ganzen/Übertragung von Miteigentumsanteilen/ Grundstücksveräußerung Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau unentgeltlich einen Miteigentumsanteil an einem steuerpflichtig vermieteten Betriebsgrundstück. Die Ehegatten treten gemeinschaftlich in den bestehenden Mietvertrag ein, das Grundstück wird weiterhin steuerpflichtig vermietet. Die Ehegatten begründen keine gesonderte GbR. Aufgabe: Prüfen Sie, ob eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung gegen ist.

18 3. Geschäftsveräußerung im Ganzen S.a. Sachverhalt 4 der Vfg. der OFD Niedersachsen vom 16.9.2011 (S 7109 10 St 172, DStR 2011 S. 2467). Mit Urteil vom 6.9.2007 (V R 41/05, BStBl II 2008 S. 65) hat der BFH Folgendes entschieden: Überträgt ein Vermietungsunternehmer das Eigentum an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück zur Hälfte auf seinen Ehegatten, liegt darin eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn das Grundstück alleiniger Vermietungsgegenstand war (Abschn. 1.5 Abs. 2a Satz 2 UStAE). Dieser Vorgang löst beim Vermietungsunternehmer keine Vorsteuerkorrektur gem. 15a UStG aus. Die durch Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück entstandene Bruchteilsgemeinschaft tritt gleichzeitig mit ihrer Entstehung gem. 566 BGB in einen bestehenden Mietvertrag ein. Die Ehefrau wird nicht unternehmerisch tätig. Ihr steht kein Vorsteuerabzug zu. Umsatzsteuerrechtlicher Vermietungsunternehmer ist die Bruchteilsgemeinschaft. Entsteht eine Bruchteilsgemeinschaft durch Einräumung eines Miteigentumsanteils an einem durch den bisherigen Alleineigentümer in vollem Umfang vermieteten Grundstück, liegt nach dem BFH-Urteil vom 6.9.2007 (V R 41/05 (BStBl II 2008 S. 65) eine Geschäftsveräußerung nach 1 Abs. 1a UStG vor. Die Bruchteilsgemeinschaft tritt dabei bereits im Zeitpunkt ihrer Entstehung gem. 566 BGB in den zuvor abgeschlossenen Mietvertrag ein. Auf die Bildung einer gesonderten GbR kommt es dabei nicht an. Denn die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums kann nach den Regeln der Gemeinschaft erfolgen, so dass, wenn nichts anderes vereinbart ist, es sich bei der Vermietung von Miteigentum durch die Bruchteilsgemeinschaft um eine Verwaltungsmaßnahme nach 744, 745 BGB handelt. Vermietungsunternehmer i.s.d. 2 UStG ist dann die neu entstandene Bruchteilsgemeinschaft. Aufgrund des Eintritts der Bruchteilsgemeinschaft in den bestehenden Mietvertrag ist es nicht erforderlich, dass der bisherige Alleineigentümer den ihm verbliebenen Miteigentumsanteil an dem Grundstück der Grundstücksgemeinschaft aufgrund gesonderter Vereinbarung zur Nutzung überlässt. Fall 20: Geschäftsveräußerung im Ganzen/Übertragung von Miteigentumsanteilen/ Grundstücksveräußerung eines gemischt genutzten Grundstücks Ein Unternehmer überträgt seiner Ehefrau entgeltlich einen 20 %igen Anteil seines zu 40 % vermieteten und zu 60 % eigenbetrieblich genutzten Betriebsgrundstücks. Die Ehegattengemeinschaft setzt die Vermietungstätigkeit fort. Aufgabe: Prüfen Sie, ob eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung gegen ist. Mit Urteil vom 22.11.2007 (V R 5/06, BStBl II 2008 S. 448) führt der BFH die im vorangegangenen Beispiel erläuterte Rechtsprechung fort. Danach liegt eine Geschäftsveräußerung i.s.v. 1 Abs. 1a UStG auch dann vor, wenn der bisherige Alleineigentümer eines Grundstücks, das er bisher teilweise steuerpflichtig vermietete und teilweise für eigenunternehmerische Zwecke nutzte, einen Miteigentumsanteil auf seine Ehefrau überträgt (Fortführung von BFH-Urteil vom 6.9.2007, V R 41/05, BStBl II 2008 S. 65; Abschn. 1.5 Abs. 2a Satz 3 UStAE). Der Gegenstand der Geschäftsveräußerung beschränkt sich auf den vermieteten Grundstücksteil. Eine Vorsteuerberichtigung nach 15a UStG kommt hinsichtlich des für eigenunternehmerische Zwecke genutzten Grundstücksteils nicht bereits aufgrund der Einräumung des Miteigentumsanteils in Betracht. Der bisherige Alleineigentümer bleibt auch als Miteigentümer in Bruchteilsgemeinschaft insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als seine eigenunternehmerische Nutzung von 60 % seinen quotalen Miteigentumsanteil am Grundstück (80 %) nicht übersteigt (Fortführung von BFH-Urteil vom 6.10.2005 V R 40/01, BStBl II 2007 S. 13). Anders als bei Personengesellschaften kommt es bei einer Bruchteilsgemeinschaft auf das Vorliegen gesonderter Nutzungsvereinbarungen nicht an.