Verkehrsplanung. Minderungspotenziale der Straßen- und Nahverkehrsplanung sowie des Umweltverbundes

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Transkript:

Verkehrsplanung Minderungspotenziale der Straßen- und Nahverkehrsplanung sowie des Umweltverbundes Jochen Richard Planungsbüro Richter-Richard, Aachen/Berlin

Tagung Lärmkongress 2000 1. Einordnung der Lärmminderungsplanung in den kommunalen Planungsprozess Mit der Lokalen Agenda 21 hat über die Forderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hinaus die Lärmminderungsplanung eine verstärkte Bedeutung im Rahmen integrierter Umweltentlastungskonzepte erhalten. So wird vom Deutschen Städtetag als eines der Handlungsfelder der Lokalen Agenda 21 ausdrücklich die "Flächendeckende Lärmminderung" genannt, der folgende Handlungsmöglichkeiten zugeordnet werden: Erarbeitung eines umfassenden kommunalen Lärmschutzprogramms, das unter anderem die Lärmquelle Verkehr erfasst, flächendeckende Aufstellung von Lärmminderungsplänen, Konsequente Umsetzung der Handlungsmöglichkeiten zur Verringerung und Verlangsamung des Kfz-Verkehrs, Verkehrsentwicklungsplanung auch und gerade unter Lärmschutzgesichtspunkten. In den neuen Bundesländern sind die kommunalen Planungen (Flächennutzungsplanung, Verkehrsentwicklungsplanung, Stadtentwicklungsplanung) vielfach noch in Bearbeitung, in den alten Bundesländern steht häufig die Fortschreibung dieser Planungsebenen an. Es besteht deshalb in den alten wie in den neuen Ländern die Möglichkeit, durch die Integration der Lärmminderungsplanung in diesen Planungsprozess kostengünstig eine integrierte Bewertung der Landschaft (Landschaftsplanung), der Flächenausweisung (Flächennutzungsplan) und des Verkehrs (Verkehrsentwicklungsplanung) vorzunehmen. Dies erspart den Gemeinden aufwendige, kostenintensive und in den meisten Fällen nicht optimale Korrekturen, die sich zwangsläufig bei einer aufeinanderfolgenden Abarbeitung der einzelnen Planungsschritte ergibt. Ein wichtiger Aspekt für eine erfolgreiche Lärmminderung ist deshalb die Einordnung des Planungsinstrumentariums in die Planungshierarchie. Wenn die Lärmminderungsplanung weit hinten in der Hierarchie, nach Stadtentwicklungs-, Flächennutzungsund Verkehrsentwicklungsplänen, rangiert, führt dies zwangsläufig dazu, dass die durch die vorderen Planungsebenen vorbestimmten Rahmenbedingungen für Lärmerzeugung den Schallimmissionsplan zur Mängelkartierung und die Lärmminderungsplanung zur Mängelverwaltung degradieren. Ein solches Vorgehen fördert nicht nur sektorales Denken (und Handeln), sondern ist auch unwirtschaftlich. Es ist deshalb erforderlich, die Lärmminderungsplanung als integriertes Planungselement in die gesamtstädtischen Planungsebenen zu integrieren, um Rückkopplungen zwischen den einzelnen Planungsebenen zu ermöglichen und damit die Lärmvermeidung in den Vordergrund des Handels zur späteren Vermeidung von notwendigen Maßnahmen des passiven Schallschutzes zu stellen. 2. Ablauf der Lärmminderungsplanung Folgende Vorgehensweise hat sich für den systematischen Ablauf einer Lärmminderungsplanung bewährt: Stufe 1, Vorprüfung: Abschätzung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Lärm im Gemeindegebiet oder in Teilen davon durch die Gemeinde. Bei der Vorprüfung soll die für den Immissionsschutz zuständige Fachbehörde einbezogen werden, um zu einem frühen Zeitpunkt auch gegebenenfalls die fehlende Notwendigkeit einer weiteren kostenintensiven Lärmminderungsplanung zu bestätigen und fachlich abzusichern. Die Überprüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm im Gemeindegebiet oder in Teilen davon vorhanden sind, soll unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit erfolgen.

Stufe 2, Lärmanalyse: Quantitative Feststellung der Belastungen durch Lärm auf die Menschen und die Umwelt, sofern das Ergebnis der Vorprüfung begründete Hinweise auf mögliche Richt- und Grenzwertüberschreitungen liefert. Im Rahmen dieser Bearbeitungsstufe sind quantitative Untersuchungen notwendig, die entsprechend des Standes von Wissenschaft und Technik in der Regel durch externe Sachverständige durchgeführt werden. Tatsächliche oder erwartete Konfliktgebiete müssen eindeutig herausgearbeitet werden. Stufe 3, Lärmminderungsplanung: Erarbeitung abgestimmter, integrierter Maßnahmekonzepte zur Lärmsanierung und -vorsorge in Abstimmung mit anderen Planungen (z.b. Flächennutzungs-, Verkehrsentwicklungs-, Stadtentwicklungs- und Sanierungspläne sowie Luftreinhaltemaßnahmen im Sinne von 40 (2) BImSchG). Stufe 4, Umsetzung: Umsetzung der lärmmindernden Maßnahmen (z.b. baulicher und organisatorischer Art) durch Integration in laufende Planungsmaßnahmen und Umsetzung durch die zuständigen Planungs- und Baulastträger. Für die Umsetzung der Lärmminderungsmaßnahmen empfiehlt es sich, einen Stufenplan für mehrere Jahre festzulegen, der Sofortmaßnahmen sowie mittel- und langfristige Realisierungsschritte bis hin zur Kostenschätzung aufzeigt. Die Lärmminderungsplanung stellt so für die Gemeinden nicht nur ein theoretisches Planwerk dar, sondern zeigt konkrete, umsetzbare Maßnahmen auf, die schon in den ersten Stufen spürbare Minderungspotentiale erschließt und damit auch für den Bürger erlebbar macht. Es handelt sich deshalb bei der Stufe 3 (Lärmminderungsplanung) nicht um eine neue Planungsebene. Bestehende Planungsebenen (z.b. Verkehrsentwicklungsplanung) werden fachlich durch die Lärmminderungsplanung qualifiziert und hierdurch die Lebensqualität in den Gemeinden positiv beeinflusst. Die besondere Qualität dieser Art von Lärmminderungsplanung besteht darin, einer bloßen Verwaltung umweltbelastender Einflüsse ein aktives Planungsinstrument für die umweltverträgliche Stadtentwicklung entgegenzustellen. Als integriertes Instrument hilft sie, Lärm an der Emissionsquelle zu vermeiden und damit die wirkungsvollste, umfassendste und vielfach auch kostengünstigste Lärmminderung zu erreichen. Als Indikator kann sie als Teil der Stadtbeobachtung neben anderen Indikatoren rechtzeitig auf zu erwartende städtebauliche Missstände hinweisen und Maßnahmen ermöglichen, die im Vorfeld möglicher Planungsfälle aufkommende Missstände beseitigt und so den funktionalen und sozialen Zusammenhalt eines Stadtgefüges wahrt, z.b.: An stark verlärmten Verkehrsstraßen werden geringere Wohnmieten erzielt als in ruhigen Wohnstraßen; geringere Mieten führen auf Dauer zur Vernachlässigung der Instandhaltung; ein Instandhaltungsstau erfordert letztlich einen erhöhten Modernisierungsbedarf; im schlimmsten Fall sind durchgreifende Sanierungsmaßnahmen oder gar Abbruch unumgänglich. Bei einer flächenhaften Belastung wird Lärm zum Indikator für potentielle Sanierungsgebiete oder im Umkehrschluss: Lärmvorsorge kann im besten Fall mit dazu beitragen, das Absinken ganzer Stadt-viertel aufzuhalten. Die Anwendung eines solchen aktiven Planungselementes bedarf einer engagierten, sowohl fachübergreifenden als auch detailbezogenen Arbeitsweise aller Beteiligten. Hierzu gehören vor allem: Umfassende Information aller beteiligten Ämter der Verwaltung untereinander, regelmäßige Abstimmung der Arbeitsschritte in laufenden Planungs- und Realisierungsprozessen, Mut der politisch Verantwortlichen zu neuen und komplexen Lösungen, eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Das Ziel sollte sein, die Lärmminderungsplanung als integrierendes Instrument in der Stadtentwicklungsplanung fest zu veran-

Tagung Lärmkongress 2000 kern. Die grundsätzlichen Vorteile einer solchen Vorgehensweise sind zusammengefasst: Schaffung eines objektiven Kriteriums hinsichtlich der Bewertung von Umweltauswirkungen als Eingangsparameter für die kommunalen Entwicklungspläne insbesondere zur Flächennutzung und zum Verkehr. Erhöhung der Planungssicherheit (z.b. im Rahmen von Flächenausweisungen auch für Investoren). Sicherung der technischen Realisierbarkeit der Maßnahmen zur Lärmminderung und Erarbeitung abgestimmter Stufenpläne. Integration von baulichen und nichtbaulichen Maßnahmen zur aktiven Lärmminderung und -vorsorge in neben- und übergeordneten Planungen, einschließlich der Beachtung der Belange der Regional- und Landesplanung Darstellung möglicher und letztlich auch realisierter Umweltentlastungen. 3. Inhalt der Lärmminderungsplanung Eine Lärmminderungsplanung muss deshalb auf folgenden Ebenen ansetzen: Vermeidung von Lärmemissionen - Regionalplanung - Stadtentwicklung - Förderung des Fußgängerverkehrs - Förderung des Fahrradverkehrs - Förderung des Öffentliche Nahverkehrs - Güterverkehrskonzept Verringerung von Lärmemissionen, - Optimierung der Verkehrsleistung - Lenkung des ruhenden Verkehrs - Verlangsamung des Kfz-Verkehrs - Verstetigung des Kfz-Verkehrs - Lärmmindernde Fahrbahnbeläge Verlagerung von Lärmemissionen - Bündelung von Kfz-Verkehren - Verlagerung von Kfz-Strömen - Verlagerung von Emissionsschwerpunkten und erst als letztes - Verringerung von Lärmimmissionen. Zunächst ist zu prüfen, in welchem Umfang Emissionen vermieden werden können, nachfolgend sind die Potenziale auszuschöpfen, die verbleibende Emissionen verringern, erst dann stellt sich die Frage nach einer Verlagerung der Emissionen. Sollten die ersten drei Schritte keine ausreichende Lärmminderung erreichen, kommen nur noch Maßnahmen zur Verringerung der Immissionen in Betracht. Diese Vorgehensweise ist notwendig, weil sonst mit einer einseitigen Ausrichtung der Lärmminderung auf die Immissionsseite keine umfassende, sondern nur eine punktuelle Lärmminderung (z.b. in der Wohnung, aber nicht im Wohnumfeld) erreicht wird. 4. Maßnahmenprogramm zur Umsetzung der Lärmminderungsplanung Im Maßnahmenprogramm werden die Lärmminderungspotenziale in Einzelmaßnahmen beschrieben und über eine Prioritätensetzung zu Maßnahmenbündeln für eine kurz-, mittel- und langfristige Umsetzung zusammengefasst. Aufgrund der individuellen Voraussetzungen in jeder Gemeinde gibt es zwangsläufig keine standardisierbaren Maßnahmenprogramme für die Umsetzung der Lärmminderungsplanung. Entsprechend der örtlichen Situation, den bereits geleisteten Vorarbeiten, den finanziellen Rahmenbedingungen und den unterschiedlichen Belastungssituationen in einer Gemeinde müssen jeweils individuelle Maßnahmenbündel geschnürt und abgestimmt werden. Wurde oben ausgeführt, dass der Schallimmissionsplan die Situation beschreibt und erst die Lärmminderungsplanung Wege aufzeigt, die Umwelt zu entlasten, so bleibt auch die Lärmminderungsplanung so lange ohne Wirkung, wie sie nicht in ein Maßnahmenkonzept übergeleitet wird, dessen Umsetzung vom politischen

Willen gestützt ist. Dies erfordert politische Grundsatzentscheidungen zu den Leitlinien für die weitere Stadt- und Verkehrsentwicklung und die Bindungen von kommunalen Haushaltsmitteln zur Finanzierung der notwendigen Maßnahmen. Die meisten Lärmminderungspotenziale bedürfen baulicher Maßnahmen. Berücksichtigt man diese Maßnahmen von Beginn an in der Verkehrs- und Infrastrukturplanung, so kann vieles in ohnehin notwendige Baumaßnahmen integriert werden. Ein solches Vorgehen führt dazu, notwendige Maßnahmen zur Lärmminderung völlig zu vermeiden, weil von Beginn an lärmarm geplant wurde, kostenneutral im Zuge einer optimierten Baumaßnahme auszuführen, oder nur mit geringen Mehrkosten vorzunehmen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, den Maßnahmenkatalog so aufzubauen, dass die Einzelmaßnahmen zeitlich koordiniert in Blöcken durchgeführt werden können, so dass die Bürger die Entlastungswirkung als Schub erleben. Dies ist besser, als einzelne, verstreute Maßnahmen, die sich erst nach und nach zu einem Gesamtkonzept zusammenfügen, für den Bürger aber keinen erlebbaren Qualitätssprung bringen. Die Umsetzung einer Lärmminderungsplanung ist zur Verbesserung der Akzeptanz aber nicht nur eine Frage der "Hardware", sondern ganz entscheidend auch eine Frage der "Software", die möglichst phantasievoll eingesetzt werden sollte. Untersuchungen haben gezeigt, dass mitunter ein erheblicher Unterschied zwischen der objektiv festgestellten Lärmbelastung und der subjektiv empfundenen Lärmbelästigung bestehen kann: Wird auf einer Straße langsam und passiv gefahren, wird auch der Lärm eher als urbanes Begleitgeräusch wahrgenommen. Empfindet man dagegen den Verkehr durch überhöhte Geschwindigkeiten oder aggressives Fahren als bedrohlich, wird man auch den Lärm störender erleben. Bürger, die sich mit ihrer" Straße identifizieren, weil sie am Planungsprozess beteiligt wurden, empfinden den Lärm weniger belästigend. Bürger, die mit einer Maßnahme nicht einverstanden sind, werden das Ergebnis auch dann als laut" und störend" empfinden, wenn Messergebnisse gegenüber vorher" eine deutliche Entlastung zeigen. Zur glaubhaften Umsetzung gehört deshalb auch ein konstruktives, kommunales Klima: Man muss die Durchführung und Umsetzung einer Lärmminderungsplanung aus politischer Überzeugung wollen und nicht nur, um bei Fördermitteln bevorzugt behandelt zu werden. Rat und Verwaltung sollen Vorbild sein: Beschaffung lärmarmer Kommunalfahrzeuge, Überprüfung des eigenen Verkehrsverhaltens, Bereitstellung von deutlich gekennzeichneten, damit öffentlichkeitswirksamen Dienstfahrrädern und vieles mehr. 5. EXPO 2000-Projekt Lärmarme Stadt Henningsdorf Ergebnisse nach fünf Jahren In der Stadt Hennigsdorf wurden in den letzten fünf Jahren fast alle in der Lärmminderungsplanung vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt. Die Lärmarme Stadt" ist Teil der Expo 2000-Präsentation der Stadt Hennigsdorf. Die umgesetzten Maßnahmen beziehen sich vorwiegend auf folgende Bereiche: Konsequente Innenentwicklung, Ausbau des Radverkehrsnetzes, Verbesserungen im ÖPNV (u.a. Eröffnung der S-Bahn nach Berlin), neue Autobahnanschlussstelle zur Entlastung durch Güterverkehr, Parkraumbewirtschaftung, flächendeckende Einführung von Tempo 30-Zonen, teilweise unterstützt von baulichen Maßnahmen, Fahrbahnsanierung,

Tagung Lärmkongress 2000 Bündelung von Verkehrsströmen auf Grundlage der entwickelten Straßenhierarchie. Berechnungen des vom Straßenverkehr erzeugten Lärms wurden auf Grundlage einer Berechnung der Verkehrsmengen mit einem Verkehrsmodell durchgeführt. Ein solches Verkehrsmodell hat die Stadt Hennigsdorf 1995 erstmalig erstellt, 1998 an die bis dahin vorgenommenen Veränderungen angepasst und 1999 nach Eröffnung der äußeren Erschließungsstraße zwischen altem Ortskern und Industriegebiet ein weiteres Mal aktualisiert. Die Lärmbelastung der Bürger Hennigsdorfs ist im gesamten Stadtgebiet deutlich zurückgegangen. Aufgrund des integrativen Ansatzes der Verkehrsentwicklungsplanung konnten nicht nur einzelne Bereich der Stadt "beruhigt" werden, sondern die einzelnen Elemente haben ineinander gegriffen und zum Wohl aller vom Lärm betroffenen Bürger positiv zusammen gewirkt. 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 5.616 4.572 4.633 3.709 Tag Betroffene Einwohner Nacht Vorher-Analyse 1995 Nachher-Analyse 2000 Die Lärmbelastung der Bürger Hennigsdorfs ist insgesamt im gesamten Stadtgebiet deutlich zurückgegangen. Durch den integrativen Ansatz der Verkehrsentwicklungsplanung konnten nicht nur Teilräume der Stadt beruhigt" werden, sondern die einzelnen Elemente haben ineinander gegriffen und zum Wohl aller vom Lärm betroffenen Bürger positiv zusammen gewirkt. 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 49.535 Tag 29.636 LKZ [db(a)xeinw.] 38.367 Nacht 22.693 Vorher-Analyse 1995 Nachher-Analyse 2000 Die Anzahl der vom Lärm betroffenen Einwohner ist tagsüber um 19 % und nachts um 20 % gesunken. Die Lärmkennziffer (LKZ), die eine qualitative Aussage zu der Betroffenheit macht, sank sogar um 40 % (sowohl tagsüber als auch nachts)! Bisher ist keine Lärmminderungsplanung bekannt, die beim Vorher-Nachher-Vergleich mit der LKZ-Methode zu einer derartigen Reduzierung des Verkehrslärms geführt hat. Gesundheitsgefährdete und schlafgestörte Einwohner 7.000 6.000 5.000 4.000 3.022 3.000 1.955 2.000 1.000 0 Gesundheitsgefährdete 6.191 5.324 Vorher-Analyse 1995 Nachher-Analyse 2000 Ein ebenso deutlicher Rückgang um 35 % ist bei den durch die Lärmbelastung potenziell gesundheitsgefährdeten Bewohnern Hennigsdorfs zu erkennen. Die Zahl der Schlafgestörten (Lärmbelastung größer als 45 db(a)) sinkt um immerhin 14 %. Das EXPO-Projekt der Lärmarmen Stadt Hennigsdorf" zeigt (wie in der Abbildung auf der folgenden Seite zu sehen) sehr deutlich, dass Lärmminderungsplanung keine Luxusplanung ist, sondern in überschaubaren Zeiträumen mit geringeren Investitionen als vielfach vermutet eine spürbare Entlastung der Bürger von Verkehrslärm erreicht werden kann.

Veränderungen 2000 gegenüber 1995 0,0% -10,0% -20,0% -18,6% -19,9% -14,0% -30,0% -40,0% -40,2% -40,9% -35,3% -50,0% Betroffene Tag Betroffene Nacht LKZ Tag LKZ Nacht Gesundheitsgefährdete Schlaf-gestörte